Afrikas Dieselproblem: Schwefel

Verbrennt ein Automotor Diesel, der Schwefel enthält, entsteht das Gas Schwefeldioxid1. Schon 0,04 Volumenprozent2 Schwefeldioxid in der Luft führen zu Husten, Atemnot oder einer Entzündung der Schleimhäute. In feuchter Luft wird aus Schwefeldioxid Schweflige Säure, die Bauwerke aus Naturstein zerfrisst und für den sauren Regen mitverantwortlich ist.

In Deutschland darf kein Diesel verkauft werden, dessen Schwefelkonzentration 10 ppm (parts per million) übersteigt. Das bedeutet 1 Kilogramm Diesel darf höchstens 10 Milligramm Schwefel enthalten. Diesel mit max. 10 ppm gilt gesetzlich als „schwefelfrei“. Seit 2008 ist Diesel in der EU schwefelfrei. Leider noch nicht in den meisten Länder Afrikas, die Diesel mit hoher Schwefelkonzentration erlauben, wie die folgenden Karten zeigen.

Der Schwefel im Diesel kommt aus dem Rohöl
In der Raffinerie wird Diesel durch Destillation aus Erdöl isoliert. Erdöl enthält je nach Herkunft bis zu 5 % Schwefel. Schwefelarme Rohöle enthalten immer noch 0,5 bis 1 % Schwefel. Diese niedrigen Schwefelkonzentrationen können jedoch nur durch einen chemischen Prozess in der Raffinerie erreicht werden.

Die afrikanischen Raffinerien sind aber technisch nicht in der Lage, den Schwefelgehalt des Rohöls auf EU-Standard zu senken. Die afrikanischen Länder müssen für schwefelfreien Diesel daher schwefelarme Rohöle importieren. Das darf nicht länger so bleiben! Hoffnung macht in dieser Hinsicht Marokko: Marokko hat als erstes afrikanisches Land, im Januar 2016, den Schwefelgrenzwert von 50 ppm auf 10 ppm gesenkt. Marokko ist vollständig von Treibstoffimporten abhängig. Wird die einzige SAMIR-Raffinerie des Landes wiedereröffnet, erwarten die Marokkaner, dass sie Diesel mit 10 ppm Schwefel für den lokalen Markt herstellt. Nigeria, Togo, die Elfenbeinküste und Benin haben Ende 2016 versprochen, die Verwendung von Diesel mit hohem Schwefelanteil zu verbieten. Ghana hat 2017 den Schwefelgrenzwert für importierten Diesel von 3000 ppm auf 50 ppm gesenkt.

Schwefelvergiftung des Oxidationskatalysators
Dieselmotoren arbeiten mit einem Luftüberschuss, daher haben sie einen hohen Anteil an Sauerstoff im Abgas. Dieser Sauerstoff oxidiert die Kohlenwasserstoffe (HC) und das Kohlenmonoxid (CO), die sich im Abgas befinden, zu Kohlendioxid (CO2) und Wasserdampf (H2O). Diese Oxidationen sind jedoch bei den Temperaturen3, mit denen die Gase aus dem Zylinder ausgestoßen werden, viel zu langsam. Es soll ja viele Oxidationen stattfinden, bevor die Abgase das Auto durch den Auspuff verlassen. Der Oxidationskatalysator beschleunigt diese Oxidationen und dadurch kann im Abgas eine größere Menge dieser Schadstoffe beseitigt werden, bevor das Abgas das Auto verlässt.

Credit: Hastdutoene [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], from Wikimedia Commons Nachbehandlung des Abgases im Dieselauto

Nachdem das Abgas den Brennraum verlassen hat, treibt es den Turbolader an und kommt dann zur Nachbehandlung. In dieser Einheit trifft das Abgas auf den Oxidationskatalysator. Der Oxidationskatalysator besteht aus einem Edelstahlgehäuse in das ein metallischer (Metalith) oder keramischer (Monolith) Träger eingelagert ist. Der Träger ist in Längsrichtung von vielen kleinen Kanälen durchzogen, um eine möglichst große Oberfläche zu schaffen, sodass der Katalysator eine optimale Wirkung hat. Die Trägeroberfläche ist eine hochporöse Schicht in die Edelmetalle (Platin, Palladium und/oder Rhodium) eingelagert sind.

Die Beschleunigung der Oxidationen funktioniert so, dass sich die Kohlenwasserstoffe und das Kohlenmonoxid zeitweilig an die Edelmetalle der Trägeroberfläche anlagern (und dort eine schwache Bindung eingehen), bis sie dort auf die Sauerstoffmoleküle treffen, von denen sie oxidiert werden. Nach Ablauf der Oxidation bleibt der Katalysator unverändert und kann somit weitere Oxidationen beschleunigen. Der Schwefel im Diesel lagert sich auf der Trägeroberfläche ab und verriegelt diese4. Die Kohlenwasserstoffe und das Kohlenmonoxid können sich nicht mehr an die Edelmetalle anlagern und der Katalysator funktioniert nicht mehr.

Wenn afrikanische Länder für Diesel den EU-Standard einführen, würden sie sofort die verkehrsbedingte Luftverschmutzung durch Feinstaub um 50 % senken. In Kombination mit der Einführung bestehender Emissionsminderungstechnologien würden diese Emissionen um 99 % reduziert [1].

Fußnoten
1. Der ESA-Umweltsatellit Sentinel-5P liefert unter anderem Daten zur Luftverschmutzung durch Abgase. Die Forscher sehen, ob an bestimmten Orten besonders viel Schwefeldioxid vorhanden ist und wo der Wind es hinträgt. Diese Satellitendaten kann sich jeder kostenfrei ansehen. Leider beherrsche ich nicht die Computerprogramme, mit denen ich diese Satellitendaten strukturieren und auf einer Karte Afrikas visualisieren kann. (Ich bin daher diesbezüglich für jede Hilfe dankbar).

2. In Deutschland gilt zum Schutz der menschlichen Gesundheit ein Tagesgrenzwert von 125 µg/m³, der nicht öfter als dreimal im Jahr überschritten werden darf, und ein Stundengrenzwert von 350 µg/m³, der nicht öfter als 24 Mal im Jahr überschritten werden darf [2]. Der Richtwert der WHO beträgt jedoch nur 20 µg/m³, da die WHO erhebliche Unsicherheiten bei der Einschätzung des Gesundheitsrisikos durch Schwefeldioxid sieht [3]. Dieser Wert gilt in Europa zum Schutz der Ökosysteme, wird aber nicht immer eingehalten.

3. Ausgestoßen werden die Verbrennungsgase mit einer Temperatur von bis zu 900 °C bei einem Druck von bis zu 4 bar.

4. Chemiker nennen diesen Vorgang Katalysatorvergiftung.

Weiterführende Literatur
[1]. Blumberg K.O., Walsh M.P., Pera C., (2003), “Low-Sulphur Gasoline & Diesel: The Key to Lower Vehicle Emissions”, United Nations Environment Program, p. 25

[2]. 39. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz. Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen.

[3]. WHO Air quality guidelines for particulate matter, ozone, nitrogen dioxide and sulfur dioxide. Global update 2005. World Health Organization 2006

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Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

8 Kommentare

  1. Die KFZ-Industrie hat einen Zielkonflikt.
    Nutzfahrzeuge sollen robust und sparsam sein und dazu noch preisgünstig.
    Von der Motorcharakteristik am besten niedertourig und mit hohem Drehmoment.
    Dafür bietet der Dieselmotor die bessere Grundlage.
    Die bessere Grundlage deshalb, weil der Verbrennungsablauf anders verläuft als beim Benzinmotor. Und dieser Unterschied kann nicht durch technische Manipulation beseitigt werden. Der Diesel ist thermodynamisch gesehen der effizientere Motor.
    Der Nachteil ist bekannt, Dieselruß verschmutzt unsere Städte und der saure Regen , hervorgerufen durch Schwefeltrioxid zerstört unsere Gebäude.
    Also muss man konsequent werden, der Diesel hat mehr Nachteile als Vorteile und er gehört ersetzt durch eine Hybridtechnik von hochtourigen Benzinmotoren (wegen des dadurch höheren Wirkungsgrades) gekoppelt mit einem Elektromotor, der das höhere Drehmoment liefert. In dieser Richtung liegt die Zukunft. Auch für Afrika.

  2. Hoffentlich nimmst Du mir die kleine Korrektur nicht übel: im Text oben beziehst Du Dich beim Thema Katalysatorvergiftung auf den Oxidationskatalysator, das Fliessbild zeigt aber die Entfernung der Stickoxide durch das sogenannte scr-Verfahren (scr=selective catalytic reduction). Auch beim scr-Verfahren kommt ein Katalysator zum Einsatz, der aus Platinmetallen auf keramischem Träger besteht. Dieser Katalysator kann ebenfalls durch SO2 vergiftet werden. Das ist aber nicht so dramatisch wie beim Oxidationskatalysator, weil der Reduktionskatalysator bei deutlich niedrigeren Temperaturen arbeitet (200-250°C gegenüber 500°C). Der Vergiftungsmechanismus beim scr-Katalysator ist die Bildung von Ammoniumsulfat, das aber relativ einfach wieder entfernt werden kann.

  3. Korrektur der Korrektur: ich sehe gerade, dass im Fliessbild auch der Oxidationskatalysator eingezeichnet ist. Sorry vielmals!

  4. Technisch, aber auch politisch ein interessanter Artikel. Umweltpolitisch stelle ich mir die Frage, warum afrikanische Länder den EU-Standard für Diesel übernehmen sollten (Zitat): “Wenn afrikanische Länder für Diesel den EU-Standard einführen, würden sie sofort die verkehrsbedingte Luftverschmutzung durch Feinstaub um 50 % senken.”
    Doch warum sollten afrikanische Länder tun, was China während seiner wirtschaftlichen Entwicklung vom Agrar- zum Industriestaat auch nicht tat. Zumal Dieselabgase ja nur in städtischen Räumen ein Problem für die Bevölkerung sind. Grosse Städte gibt es aber erst in wenigen afrikanischen Ländern und diese wenigen grossen afrikanischen Städte könnten ja Dieselgesetze nur für ihre Stadt erlassen – so wie das deutsche Städte wie Hamburg gerade jetzt auch tun.
    Ein wichtiger Grund warum afrikanische Länder den EU-Standard für Dieselabgabe nicht sofort übernehmen sollten findet sich ja im Text (Zitat): Die afrikanischen Raffinerien sind aber technisch nicht in der Lage, den Schwefelgehalt des Rohöls auf EU-Standard zu senken.

    Fazit: Fast alle afrikanischen Länder sind in meinen Augen Entwicklungsländer, die im Vergleich zu China in einer sehr viel früheren Entwicklungsphase stecken. Das bedeutet auch, dass sie mit Vorteil einfachere, aber auch schmutzigere Technologien einsetzen sollten – also Technologien, die in Europa teilweise schon obsolet sind.

  5. MH
    Unsere Luft, die wir atmen, die kennt keine Grenzen. Den Entwicklungsländern veraltete Technologien anzubieten ist verantwortungslos.
    Die haben doch in Afrika erst Raffinerien gebaut, weil wir ihnen Autos mit Verbrennungsmotoren schicken.
    Die Zukunft sind Elektroautos. Afrika hat genug Platz für Solarparks. Die sollten wir ihnen dort hinstellen und dann die Elektroautos dazu liefern.
    Das wäre dann eine win-win Situation.
    Dann hätten die Afrikaner auch wieder eine Zukunftsperspektive und würden nicht versuchen nach Europa zu fliehen.

  6. @techniker, @Mona: Entwicklungsländer, die sich selbst entwickeln wollen, müssen versuchen möglichst ohne fremde Hilfe auszukommen und so viel wie möglich selbst realisieren. Dabei kopieren sie zwangsläufig Technologien, die es etwa im Westen oder in China bereits gibt. Und zwar häufig die einfacheren Technologien zuerst, weil sie für die komplexeren keine entsprechenden Fachkräfte haben.

    Wenn “techniker” schreibt: “Die Zukunft sind Elektroautos.”, dann ist das ein Imperativ, der nicht gleichzeitig auf der ganzen Welt gelten muss. Falls Afrikaner selbst Elektroautos bauen und einen Elektroautofahrzeugpark betreiben können, dann ist das OK und dann sollen sie das tun. Wenn sie aber “nur” die Leute und die Infrastruktur für benzin- und dieselgetriebene Fahrzeuge haben, sollten sie zuerst einmal diese Fachleute und Infrastruktur nutzen und entwickeln.

    In meinen Augen hat sich China vorbidlich entwickelt, selbst wenn die Folgen der chinesischen Entwicklung für die Umwelt, die Luft , das Wasser und das Land zuerst einmal katastrophal war, weil es zu massiven Verschmutzungen kam. Letztlich hat die schnelle Entwicklung in China aber die Armut zurückgedrängt und den meisten Chinesen ein besseres Leben ermöglicht. Ganz ähnlich sehe ich das auch für Afrika.

  7. MH
    Die Zeit für Individuallösungen der Länder ist abgelaufen. Die drohende Klimakatastrophe erfordert sofortiges Handeln. Energiegewinnung durch Verbrennen fossiler Brennstoffe ist dumm.
    zu afrika: Ein Elektromotor ist einfacher aufgebaut als ein Verbrennungsmotor. Windräder können auch die Afrikaner bauen. Denken Sie mal an die Windräder des Wilden Westens in den USA. Die waren damals fortschrittlicher als heute.

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