Was ist es denn nun wirklich?

BLOG: Die Natur der Naturwissenschaft

Ansichten eines Physikers
Die Natur der Naturwissenschaft

Als ich neulich einem Bekannten erzählte, dass man heute das Licht einerseits als elektromagnetische Welle verstehe, andererseits aber auch als einen Strom von Lichtquanten,  fragte er: “Und was ist es denn nun wirklich?”.  Ich glaubte, eine leichte Verwunderung zu spüren – ob wir Physiker denn das nicht so genau wüssten.

Die Frage danach, was “etwas”  denn nun “wirklich” oder auch “eigentlich”  sei, ist sehr alt und man erwartet mit der Antwort darauf eine endgültige Aufklärung über das “etwas”.  Wir haben uns diese Frage schon oft gestellt, wenn wir Täuschungen durch unsere Sinne oder durch andere Menschen erleben, und sind  zufrieden, wenn wir “dahinter” geschaut haben, wenn unsere Antwort dem gesunden Menschenverstand entspricht und wir uns sicher fühlen, dass sie allen diesbezüglichen Prüfungen stand halten würde.  Es ist eine Frage aus unserer Lebenswelt, aus unserem Alltag.

Wirklichkeit als Begriff

Physikern wird oft vorgeworfen, sie würden auch in Fragen der Natur als “Lieferant der ‘eigentlichen’  Beschreibung der Dinge”  auftreten und glauben,  als einzige der “Wirklichkeit” auf der Spur zu sein.  Viele philosophisch und theologisch Interessierten nehmen das für bare Münze und  halten mit Behauptungen dagegen, dass es noch “andere Formen von Wirklichkeit”  gäbe.  So ist die Frage nach dem “Eigentlichen” oder “Wirklichen” zu einem Kernthema des Weltverständnisses geworden, und alle die darüber streiten, gehen wie selbstverständlich davon aus, dass es so etwas wie das “Eigentliche”  wirklich gibt. Und wenn man danach fragt, was es denn nun heißt, dass etwas wirklich ist, muss man schon wieder Farbe bekennen, was man damit meint. Man kann lange dem  Begriff “Wirklichkeit”  in der Ideengeschichte nachgehen (siehe z.B. Wikipedia), seiner Einführung durch Meister Eckhart und seiner Beziehung zum Begriff “Realität”  oder fragen, was man alles zur Wirklichkeit zählen will. Das ist alles endlos und wohl sehr vom “Gefühl” der Diskutanten abhängig. 

Zweierlei aber kann man m.E. wohl mit Fug und Recht sagen.  Erstens:  In unserer Lebenswelt taugt der Begriff ganz gut. Hier gibt es oft eine erstaunliche Übereinstimmung darüber, was denn nun wirklich ist bzw.  geschehen ist. Selbst, wenn wir das nicht heraus bekommen können, gehen wir davon aus, dass das nur an unserem Mangel an Information liegt.  Und der Reiz einer Vorführung eines professionellen Zauberers liegt ja gerade darin, dass wir genau wissen, dass wirklich etwas anderes passiert als uns vorgegaukelt wird. 

Zweitens:  In der Physik  taugt der Begriff überhaupt nichts.  Er ist in der Fachsprache der Physik nicht  zu finden, wobei Physiker und  Naturwissenschaftler durchaus davon ausgehen, dass sie Phänomene  der Wirklichkeit untersuchen und beschreiben. 

Die Frage “Was ist es denn nun wirklich?” kann man also in unserem Alltag sinnvoll stellen,  die “Wirklichkeit” ist aber als Fachbegriff wie etwa “Energie” oder “Bewegung” in der Physik  fehl am Platze, allein schon deshalb, weil der dieser  Begriff viel zu vage ist. Verschiedene Grade von Wirklichkeit kann man nicht bestimmen. Nun kann es aber durchaus passieren, dass Begriffe aus dem Alltag und der Umgangssprache  Eingang in die Wissenschaften finden, nachdem sie einen Prozess der Präzisierung und Einengung durchgemacht haben. Aber so etwas hat sich bisher nicht ergeben. Es war nicht nötig, und der Begriff ist vielleicht auch unbrauchbar für so etwas.

Wir werden also mit der Frage, was denn nun das Licht wirklich oder eigentlich ist, von unserer Sprache wieder aufs Glatteis  geführt, indem wir den Phänomenbereich, in dem sich das Wort “wirklich” gebildet und bewährt hat, verlassen.  Das erinnert mich an die Formulierung, in der man von einem “Besitz”  von  Eigenschaften bei Dingen aller Art spricht. Danach kommt unweigerlich die Frage auf, was denn vom dem Ding übrig bliebe, wenn man ihnen in Gedanken diesen Besitz nähme.  Wir kennen es wohl  im Alltag, dass man Eigenschaften annimmt und sie dann “besitzt”.  Aber solche Rede ist eben nur in der Umgangssprache oder Literatur sinnvoll, dort kann ein “Mann ohne Eigenschaften”  als  höchst interessante Figur erscheinen.  Darüber hinaus aber führt die Vorstellung von der Anheftung von Eigenschaften an eine “eigenschaftslose Substanz”  nur zu sinnlosen Diskussionen.

Will man den Begriff des “wirklich seins”  über die Umgangssprache hinaus verallgemeinern, so könnte zunächst auf den Gedanken kommen, nur solchen Dingen eine Wirklichkeit zuzusprechen, die in der Welt eine Wirkung ausüben können, also Quanten, Medikamenten, Fußbällen, Verrat, Gerüchten oder Ankündigungen von Zinserhöhungen, ja sogar Aberglauben.  Das will ich am Ende in einer bestimmten Weise auch tun.  Aber hier lauert eine Gefahr:  Da  Menschen, die Gerüchte verbreiten, und Medikamente, die uns gegen eine Krankheit helfen,  auch alle aus Atomen bestehen und diese wiederum  aus noch fundamentaleren Quanten, könnte man zum Schluss kommen, dass die Physik doch die Wirklichkeit in ihrer “Eigentlichkeit”  beschreibt.  So wird manchmal argumentiert:  Ein Stuhl ist eigentlich eine dichte Packung von Atomen. Andere halten dagegen:  Damit ist noch nichts über den Stuhl gesagt.  Noch mehr Streit entsteht, wenn Menschen als “Zellhaufen” angesehen werden und Gefühle als Folge chemischer Prozesse, (wobei wir erstaunlicherweise in Literatur und Oper oft ohne weiteres akzeptieren, dass durch eine materielle Substanz Liebe zwischen Menschen entsteht oder vergeht, z.B. Sommernachtstraum, Tristan und Isolde).  

Das Problem ergibt sich dadurch, dass man etwas auf verschiedenen Beschreibungsebenen betrachtet, eine davon aber hervorhebt und damit  zur “wirklichen” oder “eigentlichen” erklärt. In der Physik hat man viel Erfahrung mit dem  Gebrauch  von verschiedenen  Beschreibungsebenen und ich möchte hier darlegen, was man daraus für dieses Thema lernen kann.

Verschiedene Beschreibungsebenen in der Physik

Während zweier  Jahrhunderte nach Newton kannte man in der Physik nur eine einzige Beschreibungsebene:  die der Klassischen Mechanik, in der die ganze Welt aus materiellen Körpern besteht, die durch Stöße oder Kräfte mit einander  wechselwirken. Als man im 19. Jahrhundert  auch bei elektrischen und magnetischen Phänomen immer mehr verlässliche Gesetzmäßigkeiten erkannte, versuchte man zunächst, diese alle auch auf der mechanischen Beschreibungsebene zu erklären.  Es zeigte sich aber bald, dass eine andere Beschreibungsebene viel adäquater, durchsichtiger und fruchtbarer ist.  Der Begriff des elektrischen bzw. magnetischen Feldes und schließlich der allgemeine Begriff eines elektromagnetischen Feldes entstand;  alle elektromagnetischen Phänomene konnten sehr elegant und übersichtlich aus einigen Grundgleichungen für das elektromagnetische Feld abgeleitet werden.  Die Elektrodynamik entstand so als zweite große Theorie der Physik, und sie war eine Feldtheorie, weit entfernt  in ihrer Begrifflichkeit von der mechanischen Teilchenphysik.   Zwar schienen die Phänomenbereiche für eine mechanische Beschreibung und für eine mit Hilfe von Feldern zunächst  verschieden  zu sein, aber merkwürdig genug war es, dass man es in der Welt neben den Teilchen  nun auch noch Felder geben sollte. Dabei konnte man die elektromagnetischen  Felder weder sehen, riechen noch hören.  Noch heute sind ja vielen solche elektromagnetischen Felder unheimlich, besonders jenen, die andererseits mit “Energiefeldern” auf vertrautem Fuße stehen.

Eine noch dramatischere Entstehung einer neuen Beschreibungsebene ergab sich bei  der Entwicklung der Quantenmechanik.  Als man entdeckte, dass ein Atom aus einem Kern und einer Hülle von Elektronen bestand, entwickelte Nils Bohr um 1913 zunächst ein Atommodell, in dem die Elektronen wie Planeten um einen Kern kreisen.  Aber der Versuch, den Elektronen  ähnlich wie den Teilchen unserer Anschauungswelt jederzeit einen Ort und eine Geschwindigkeit zuzuordnen, führte zu Widersprüchen in den physikalischen Konsequenzen. Man lernte unter Mühen, dass auf atomarer Ebene die Klassische Mechanik Newtons unbrauchbar ist und durch eine gänzlich andere Art von Mechanik, einer “Quantenmechanik” ersetzt werden muss.  Hinfort galt die Regel, dass auf atomarer Ebene die Phänomene eben mit der Quantenmechanik zu beschreiben sind, während auf der makroskopischen Ebene die klassische Physik Newtons gilt.  Man sprach zwar von einem Elektron als einem Teilchen, hatte aber im Hinterkopf, dass es eben kein Teilchen im klassischen Sinne sein kann. Es war etwas Neues, man nannte es Quant.

Aber nicht nur für den Phänomenbereich, in dem es um Teilchen und deren Bewegung ging, kam es zu einer solchen drastischen Aufspaltung in verschiedene Beschreibungsebenen.  Als Albert Einstein seine Erklärung des Photoeffektes lieferte, wagte er die Hypothese, dass es  „wohl denkbar” sei, “dass die mit kontinuierlichen Raum­funktionen operierende Theorie des Lichtes zu Widersprüchen mit der Erfahrung führt, wenn man sie auf die Erscheinungen der Lichterzeugung und Lichtverwandlung anwendet“[1].  In heutiger Sprechweise:  Auf atomarer Ebene versagt die Feldtheorie der Elektrodynamik, die ja inzwischen auch als eine Theorie des Lichtes erkannt worden war.  Man musste eine neue Beschreibungsebene  einführen, die Quantenelektrodynamik, in der Energiequanten des Lichts, bald Photonen genannt, eine bedeutende Rolle spielen.

Für Teilchen wie auch für Felder hatte man damit jeweils zwei höchst verschiedene Beschreibungsebenen mit verschiedenen Begriffen und  Sprachgebräuchen. 

Nichtphysikern ist ein anderes Paar von Beschreibungsebenen bekannter.  Jeder weiß heutzutage, das Wasser im wesentlichen aus H20-Molekülen besteht.  Das Fließen von Wasser, das Sieden und das Gefrieren beschreibt man mit der Hydrodynamik bzw. Thermodynamik, die H20-Moleküle selbst aber mit der Quantenmechanik (oder auch mit der Klassischen Mechanik, wenn man die Moleküle zunächst  einfach als kleine runde Kugeln betrachtet).  Auf jeden Fall gibt es für die Moleküle kein Fließen, kein Sieden und keine Temperatur.  Die Phänomene, die man beim Wasser beobachtet, sind also ganz andere als bei den Molekülen – hier dient die Thermodynamik, dort die Quantenmechanik (bzw. Klassische Mechanik) zur Erklärung.

Diese verschiedenen Beschreibungsebenen kann man noch einmal Revue passieren lassen, wenn man sich vor Augen führt, wie die Frage nach dem “Wesen” des Lichts im Laufe der Entwicklung der Physik beantwortet wurde:  Bei Newton bestand das Licht aus kleinen Teilchen, die vom  leuchtenden Gegenstand ausgehen. Bei Young und Maxwell war es hundert Jahre später dann eine elektromagnetische Welle im Äther, und wieder gut hundert Jahre später bei Einstein bestand es wieder aus “Teilchen”, nur waren diese nun Quanten. Das sichtbare Licht war ein Strom von sehr vielen solcher Quanten, so wie das Wasser aus einer großen Anzahl  von H20-Molekülen besteht.

Die Wirklichkeit auf den Beschreibungsebenen

Als Physiker weiß man sehr genau, wann man welche Beschreibungsebene zu wählen hat, um bestimmte Phänomene zu erklären, d.h. auf fundamentalere Gesetze zurück zu führen.  Für einen Außenstehenden sieht das nicht gerade nach Wissenschaft aus, eher nach Allchemie oder Esoterik. Man hat den Eindruck, dass für jedes Phänomen ein eigener Grund angegeben wird, den man aber wiederum als gegeben hinnehmen muss.  Nun sind allerdings die Aussagen der Physik auf jeder Beschreibungsebene quantitativ nachprüfbar und haben sich dort als gültig erwiesen, ebenso ist das Netz der logisch verknüpften Argumente bei den Beschreibungsebenen der Physik jeweils sehr groß.  Jede Beschreibungsebene ist also für sich schlüssig und es gibt im wesentlichen nur einen einzigen Grund, nämlich die Grundannahmen einer physikalischen Theorie, aus denen alle Aussagen über eine große Menge von Phänomenen stringent folgen.  In diesem Netz von Argumenten wird  eine Fülle von Wirkungen beschrieben, die verlässlich eintreten und im Rahmen der Theorie verstanden werden.

Was spricht dagegen, auf solchen Beschreibungsebenen von einer Wirklichkeit zu reden, da doch die Prüfung, was “wirklich” geschieht,  hier noch kritischer geschehen kann als in unserer Alltagswelt? Elektromagnetische Wellen sind danach genauso wirklich wie ein Lichtquant, Wasser genauso wirklich wie H20-Moleküle.  Auf  der Beschreibungsebene von Wasser bzw. Wellen betrachten wir ja auch nur die Wirkung der Eigenschaften von Wasser bzw. elektromagnetischen Wellen. Damit kommt man erstaunlich weit;  die Elektrodynamik und die Thermodynamik  bzw. Hydrodynamik sind Theorien mit einem großen Anwendungsbereich in Wissenschaft und Technik.  Allerdings sind diese Beschreibungsebenen nicht vollständig abgeschlossen bzw. autark;  wir können auf diesen nicht alles erklären, z.B. nicht “Erscheinungen der Lichterzeugung und Lichtverwandlung”, wie Einstein es formulierte. Um solche zu verstehen, muss man eine “Stufe tiefer” steigen, auf eine fundamentalere Beschreibungsebene.  Hier zeigt sich schon, dass die verschiedenen Beschreibungsebenen nicht alle isoliert neben einander bzw. über einander stehen können.  Um die Beziehungen zwischen den Beschreibungsebene wird es nun gehen.

Die Verknüpfung der Beschreibungsebenen: Reduktion

Es gibt offensichtlich tiefer liegende, fundamentalere Beschreibungsebenen und höhere, auf denen die Protagonisten Systeme von Dingen der tiefer liegenden Ebenen sind.  Und es gibt Beziehungen zwischen den Ebenen –  genauer gesagt, es gibt eine Hierarchie, in der eine Beschreibungsebene aus der anderen folgt. 

Solch ein Zusammenhang zwischen zwei Beschreibungsebenen kam den Physikern schon in den Sinn, als sie sich der Frage stellten, was denn eigentlich die Wärme sei.  Für viele im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Wärme noch durch einen Stoff, durch das Caloricum” verursacht, andere  aber interpretierten Wärme als einen “Aufruhr” der Konstituenten der Materie.  Diese zweite Vorstellung, dass also Wärme ein Maß ist für Bewegung der Atome ist, hat sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als richtig erwiesen, es formierte sich dadurch ein Gebiet der Physik, das man Statistische Mechanik nennt. In dieser besteht die Aufgabe, die Eigenschaften z.B. von Wasser aufgrund der Eigenschaften der H20-Moleküle,  der Konstituenten, zu erklären, also genau die Brücke zu bauen zwischen den verschiedenen Beschreibungsweisen.  Hier kommt der schon häufig von mir erwähnte Begriff Emergenz ins Spiel. Damit bezeichnet man das Emergieren, also “Auftauchen”  von neuen Eigenschaften bei einem System von Konstituenten, als z.B. beim Wasser die Fähigkeit zu sieden oder zu gefrieren. Diese Eigenschaften, die gegenüber denen der Konstituenten neu sind, lassen sich erklären und quantitativ berechnen durch die Wechselwirkung zwischen den Konstituenten.

Auch die verschiedenen Beschreibungsweisen beim Licht lassen sich in einen Zusammenhang bringen.  In der Quantenelektrodynamik kann man zeigen, dass ein Strom von sehr vielen Photonen auch als klassische elektromagnetische Welle darstellbar ist, die Quantenelektrodynamik also unter  makroskopischen Umständen zur klassischen Elektrodynamik wird und das Licht damit wieder eine Thema der Optik wird. In der Optik wiederum gibt es die so genannte Strahlnäherung:   Wenn die Wellenlänge des Lichtes gegenüber den Objekten vernachlässigbar ist, kann man unter bestimmten Umständen das Licht als Strahlen ansehen und die Newtonsche Vorstellung, dass das Licht aus kleinen Teilchen besteht, die vom leuchtenden Gegenstand ausgehen, ist damit konsistent.

Oft  wirft die Formulierung solcher Brücken zwischen den verschiedenen Beschreibungsebenen schwierige mathematische Fragen auf, die im einzelnen auch heute noch nicht alle ausgestanden sind. Aber das lässt niemanden daran zweifeln, dass diese Verknüpfung möglich ist.

Beschreibungsebenen und Wirklichkeiten

Eine Beschreibungsebene, von der aus eine andere abgeleitet werden kann, kann man wohl als fundamentaler gegenüber der anderen bezeichnen. Das heißt nun aber nicht, dass man die abgeleiteten “höheren”  Beschreibungsebenen mitsamt ihrem  Kanon von Begriffen und Beziehungen, die in der Sprache dieser Beschreibungsebene formuliert sind, ad acta legt und sich nur noch mit der fundamentalsten Beschreibungsebene abgibt.  Wie sollte man ein Gesetz für das Fließen von Wasser finden, wenn dieses als eine Ansammlung von Molekülen beschreiben würde, wie ein Gesetz für den freien Fall entdecken, wenn man die fallende Kugel als eine Menge von Quanten ansähe, wie eine Funkindustrie entwickeln, wenn man statt von den Gesetzen der Elektrodynamik immer von denen der Quantenelektrodynamik ausgehen müsste?  

Die Begriffe, die sich auf jeder Beschreibungsebene gebildet haben, sind ja dadurch entstanden, dass sie sich dort als erfolgreiche Denkwerkzeuge erwiesen haben.  Sie sind also dieser Beschreibungsebene angepasst und Regelmäßigkeiten der Natur lassen sich nur in diesen übersichtlich darstellen.  Und das hat seinen Grund, wie schon oben angedeutet:  Wenn ein System von bestimmten Konstituenten neue Eigenschaften aufweist, eben  Systemeigenschaften, dann gibt es auch Wirkungen des Systems, die auf diesen Systemeigenschaften beruhen.  In unserer Alltagswelt begegnen wir ja nur Systemen wie Systemeigenschaften und  deren Wirkungen;  hier haben wir den Begriff “wirklich”  entwickelt.   So hat man auch auf  jeder Beschreibungsebene  der Physik eine verlässliche Theorie mit einem logisch verknüpften  Netz von Aussagen über Wirkungen und Eigenschaften, die sich bei Nachprüfungen und Vorhersagen stets bewähren.  Auf jeder dieser Beschreibungsebene können so Menschen zu einem Konsens darüber kommen, was wirklich ist.

Das, was die Wirklichkeit ausmacht,  ist also nicht der Charakter des  “Fundamentalen” sondern die Möglichkeit, durch Nachprüfungen einen intersubjektiven Konsens herzustellen bezüglich der Wirkung. Und dafür haben die Menschen allerlei Techniken entwickelt,  von physikalischen Experimenten mit Quanten bis hin zu  einfachen Tests im Alltag:  “Kneif’ mich mal”, sagt man zum Nebenmann, wenn man denkt, dass man träumt. Spürt man die Wirkung, geht man davon aus, dass man nicht träumt.

Verschiedene Beschreibungsebenen außerhalb der Physik

Wenn man also mit dem Begriff der Wirklichkeit ein Szenarium versteht, in dem man verlässlich von Wirkungen reden kann,  kann man in der Physik schon von verschiedenen “Wirklichkeiten” reden.  Aber es gibt keine “eigentliche” Beschreibung der Dinge,  einfach schon deshalb, weil es auf jeder Ebene verschiedene Dinge gibt.  Und wenn man sagt, dass Wasser eigentlich eine Ansammlung von Molekülen ist, vergisst man leicht das “Eigentliche”,  was Wasser zu dem macht, was es ist: Die Kräfte, die die Moleküle auf einander ausüben und damit die Systemeigenschaften wie z.B. das Fließen  erzeugen, die ursächlich gedacht werden können für die Wirkung des Wassers auf der Ebene der Alltagsphänomene.

So gibt es auch außerhalb der Physik – über die Chemie, Biologie, Medizin, Psychologie bis hin zur Musik und Literaturwissenschaft –  viele verschiedene Phänomenbereiche und mit diesen entsprechende Beschreibungsebenen mit ihren eigenen Begriffen, Beziehungen und Sprachspielen.  Je komplexer dabei die Systeme werden, um so unübersichtlicher werden allerdings  die Ursache-Wirkungsbeziehungen auf der Beschreibungsebene selbst, ja, oft kann man nicht einmal eindeutig entscheiden, ob überhaupt  eine Wirkung vorliegt. Es bilden sich dann Schulen verschiedener Überzeugungen bzw. Interpretationen.  Das liegt in der Natur des Phänomenbereichs und beruht nicht etwa auf Unfähigkeit der entsprechenden Forscher.

Manchmal wird auf die Tatsache dieser  verschiedenen Wirklichkeiten und Beschreibungsweisen hingewiesen und man glaubt damit, ein Argument gegen den so genannten Naturalismus zu haben.  Das ist aber keineswegs so.  Als ob ein Naturalist diese verschiedenen Betrachtungs- oder Beschreibungsebenen nicht kennen und akzeptieren würde.  Das Problem liegt ja nicht in der  Unterschiedlichkeit der  Beschreibungsebenen sondern in der Frage, ob diese alle irgendwie etwas mit einander zu tun haben, ob z.B. eine aus einer anderen abgeleitet werden kann, wie wir es in der Physik bei der Ableitung der thermodynamischen Begriffe und Gesetze aus der Statistischen Mechanik kennen.  Nun sind in der Physik solche Verknüpfungen und Ableitungen schon sehr schwer herzustellen, und wenn man über die Emergenzebenen der  Chemie, Biologie, usw. weiter hoch klettert, wird das immer schwieriger und aus heutiger Sicht fast aussichtslos. 

Interessanterweise stellen solche Verknüpfungen zwischen zwei Beschreibungsebenen kein besonders attraktives Forschungsthema dar.  Ein Chemiker möchte lieber eine neue Substanz mit höchst interessanten Eigenschaften erfinden, eine Biologe bedeutende Aspekte des Lebens.  Die Exploration der eigenen Beschreibungsebene ist viel aufschlussreicher und bringt viel mehr Neues hervor als ihre Reduktion auf eine fundamentalere.  Man würde mit einer Reduktion ja nur finden, was man erwartet.  Im Grunde besteht ja alles aus Atomen oder noch elementareren Quanten. “Irgendwie” bestimmen diese die Begriffe, Eigenschaften und Phänomene aller Systeme auf den oberen Ebenen, auch wenn alle Phänomene und Gesetzmäßigkeiten sich am besten nur durch die Begriffe und Eigenschaften beschreiben lassen, die auf dieser Ebene eingeführt sind.

Die Frage ist also, ob man das Phänomen dieser  Art von Verknüpfung  auf das Verhältnis aller auch höheren  Beschreibungsebenen extrapolieren kann.  Da unterscheiden sich die Geister, je nach Vertrautheit mit den verschiedenen Beschreibungsebenen. Ich will auf diese Frage hier nicht eingehen, stattdessen mich einem anderen wichtigen Aspekt widmen.

Die Verknüpfung der Beschreibungsebenen:  Konsistenz

Bei vielen Phänomenen stellt man fest, dass  verschiedene  Beschreibungsebenen eine Rolle spielen.  Dann kann man fragen, wie diese alle zusammen passen.  Jede Beschreibungsebene bezieht nun ihre  Reputation daher, wie konsistent sie dabei mit den anderen Beschreibungsebenen ist,  die Glaubwürdigkeit ergibt sich also zum großen Teil erst aus dem Zusammenhang,  sie ist also auch ein kollektives Gut.  So würde man in Chemie und Biologie – und auch in der Hirnforschung – keine Aussage akzeptieren, die mit physikalischen Gesetzen im Widerspruch steht.  Insgesamt  sind alle Beschreibungsebenen in den Naturwissenschaften konsistent mit einander, und wenn man an Altersbestimmungen in der Archäologie denkt oder an DNA-Analysen bei der Aufklärung von Straftaten, sieht man, dass der Abgleich unter den Beschreibungsebenen noch weiter reicht.

Mit den Naturwissenschaften hat man also ein großes Gebäude von “Wirklichkeiten” geschaffen, auf das wir uns verlassen können.  Natürlich gibt es auch andere Wirklichkeiten, bei  denen es keine Berührungspunkte mit diesem Gebäude gibt. Die Wirkung eines Gerüchtes oder einer wirtschaftspolitischen Maßnahme in der Gesellschaft versucht man zwar heute mit mathematischen Methoden zu modellieren, dabei benutzt man aber lediglich die gleiche Sprache, das gleiche Handwerkszeug wie die Naturwissenschaften. Wirkungen in persönlichen zwischenmenschlichen Beziehungen sind schließlich nicht einmal berechenbar, wenn auch manchmal vorhersehbar.  

Andererseits:  In Träumen und Wahnvorstellungen können Dinge passieren, die mit den Naturgesetzen, auf welcher Beschreibungsebene auch immer, nicht vereinbar sind.  In gewissen Bereichen der Literatur tolerieren wir solche Ungereimtheiten im Namen einer dichterischen Freiheit.  Eine Religion kann ohne  “Zeichen und Wunder” nicht leben,  und in der Esoterik bezieht man seine Vorstellungen über  Ursache-Wirkungs-Beziehungen aus der profanen magischen Vorzeit.

Jeder von uns ist ständig mit verschiedensten Wirklichkeiten konfrontiert.  In die meisten sind wir  im Laufe des Lebens hinein gewachsen;  wir haben uns an sie gewöhnt  und uns damit eingerichtet. Das Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit setzen wir dabei nicht so leicht aufs Spiel durch zu kritische Fragen nach deren Konsistenz. 

[1] Einstein, Albert: Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt. In: Annalen der Physik 17/1905, S. 132–148

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Josef Honerkamp war mehr als 30 Jahre als Professor für Theoretische Physik tätig, zunächst an der Universität Bonn, dann viele Jahre an der Universität Freiburg. Er hat er auf den Gebieten Quantenfeldtheorie, Statistische Mechanik und Stochastische Dynamische Systeme gearbeitet und ist Autor mehrerer Lehr- und Sachbücher. Nach seiner Emeritierung im Jahre 2006 möchte er sich noch mehr dem interdisziplinären Gespräch widmen. Er interessiert sich insbesondere für das jeweilige Selbstverständnis einer Wissenschaft, für ihre Methoden sowie für ihre grundsätzlichen Ausgangspunkte und Fragestellungen und kann berichten, zu welchen Ansichten ein Physiker angesichts der Entwicklung seines Faches gelangt. Insgesamt versteht er sich heute als Physiker und "wirklich freier Schriftsteller".

109 Kommentare

  1. Wirklichkeiten

    Sehr geehrter Herr Hohnerkamp,
    Ihrem schätzenswertem Beitrag entnehme ich: Wirklichkeit ist eine Vereinbarungssache, und was hier als Wirklichkeit zu vereinbaren ist, das geben uns Physiker vor. So sind elektromagnetische Felder und Quanten als wirklich vorhanden zu vereinbaren (physikalische Realität), auch wenn dies logisch unsinnig ist. Dieser Unlogik entkommt man nicht, indem man von einer Beschreibungsebene zur anderen schweift, oder die Unlogik nur den Modellen der Physik zuschreibt, die nur ein schlechtes Abbild der Wirklichkeit sein sollen. Der Wirklichkeitsbegriff der Physik ist – so wie Sie ihn beschreiben – einfach zu eng gefasst, um eine logische und widerspruchsfreie Bedeutung haben zu können.
    Grüsse Fossilium

  2. wirklich

    Der Schopenhauer hat mal, wie ich finde, was Schlaues gesagt: “wirklich” ist das, was wirkt, was also Ursache sein kann.

  3. Wirklichkeit vs. Wirklichkeiten

    Großartiger Beitrag – wie immer.

    (1) Die Alltagssprache unterscheidet streng zwischen Wirklichkeit ohne Plural (z.B. bei “in Wirklichkeit”) und Wirklichkeit mit Plural (Wirklichkeiten, verschiedenes Wirkliches).

    (2) Ich glaube, wir kommen nicht umhin, eine unhintergehbare Unterscheidung anzuerkennen: Von manchem haben wir deutlich das Gefühl, dass es sich uns zeigt, während wir bei anderem deutlich wissen, dass wir es uns (bloß) ausdenken.

    (3) Der Gedanke an Harry Potter ist wirklich, existiert, ist “für mich” unbezweifelbar da – während ich doch weiß, dass ich mir den Inhalt dieses Gedankens, Harry Potter, “nur” ausdenke.

    (4) Ich schlage also vor: Wirklich ist, was sich (im Prinzip irgendwem) zeigen **könnte**.

    (5) Die Physik ist ein System der Beschreibung dessen, was sich uns faktisch zeigt.

    (6) Sie beantwortet Fragen wie: Woraus besteht das? Nach welchen Gesetzmäßigkeiten verhält es sich? u.ä. Also Fragen nach dem Was und Wie.

    (7) Das “Dass” der Existenz von irgendetwas und das “Dass” unserer Fähigkeit, Wirkliches in Grenzen zu erkennen und in Analogien zu beschreiben (und damit diejenigen zu sein, denen sich Wirkliches zeigt), wird dabei notwendig vorausgesetzt; es gehört auch nicht zum Gegenstandsbereich der Physik.

    (8) Was also ist Licht nun wirklich? Licht. Wie verhält es sich? Je nach Umstand mal als Welle, mal als Teilchen.
    Wie kann dieses uns von Alltagsgegenständen her unbekannte Verhalten am besten erklärt werden? Indem wir davon ausgehen, dass Licht aus Lichtquanten besteht.

    Würden Sie da mitgehen, Herr Honerkamp?

  4. Wirklichkeit/Wahrheit auch in der Physik

    Wirklichkeit verweist auf Wahrheit im Gegensatz zu Schein/Täuschung. Dass für die moderen Physik die Suche nach dem “Wirklichen” kein Thema ist, stimmt wohl nur zum Teil.
    Ein Stringtheoretiker könnte beispielsweise ohne weiteres sagen: In Wirklichkeit ist ein Elektron ein vibrierender String und damit ausdrücken, dass es eine tiefere Wahrheit betreffend der Natur des Elektrons gibt und dass die Stringtheorie diese tiefere Wahrheit kennt.

  5. Echt einvernehmlich

    Josef Honerkamp schrieb (15. September 2013, 22:01):
    > Begriff “Wirklichkeit” […] In der Physik taugt der Begriff überhaupt nichts. Er ist in der Fachsprache der Physik nicht zu finden […]

    In der Fachsprache der Physik finden (z.B.) sich die (etwas) spezifischeren Betriffe “Eigen-” (bzw. “proper”) und “Hermitesch” (bzw. “selbst-adjungiert”).

  6. Schopenhauer / @Helmut Wicht

    »Der Schopenhauer hat mal, wie ich finde, was Schlaues gesagt: “wirklich” ist das, was wirkt, was also Ursache sein kann.«

    In dieser verkürzten Darstellung fällt aber unter den Tisch, dass er dem noch mehr Schlaues hinzugefügt hat:

    Andererseits aber ist alle Kausalität nur im Verstande und für den Verstand, jene ganze wirkliche, d.i. wirkende Welt ist also als solche immer durch den Verstand bedingt und ohne ihn nichts. Aber nicht nur dieserhalb, sondern schon weil überhaupt kein Objekt ohne Subjekt sich ohne Widerspruch denken läßt, müssen wir dem Dogmatiker, der die Realität der Außenwelt als Ihre Unabhängigkeit vom Subjekt erklärt, eine solche Realität derselben schlechthin ableugnen.

    Quelle: http://www.zeno.org/nid/20009266828

    Tatsächlich antizipiert Schopenhauer verschiedentlich das Motiv von Hofstadters seltsamen Schleifen, was Hofstadter womöglich nicht bekannt war und deshalb von ihm meines Wissens auch nirgends erwähnt wird.

    Allerdings setzt, in meiner Erklärung, das Daseyn des Leibes die Welt der Vorstellung voraus; sofern auch er, als Körper oder reales Objekt, nur in ihr ist: und andererseits setzt die Vorstellung selbst eben so sehr den Leib voraus; da sie nur durch die Funktion eines Organs desselben entsteht.

    Quelle: http://www.zeno.org/nid/20009267182

    Vgl. dazu auch Wicks, R. (2012) Schopenhauer’s On the Will in Nature, in A Companion to Schopenhauer (ed B. Vandenabeele), Wiley-Blackwell, Oxford, UK.

  7. Wirklichkeit

    In der Physik taugt der Begriff [“Wirklichkeit”] überhaupt nichts. Er ist in der Fachsprache der Physik nicht zu finden, wobei Physiker und Naturwissenschaftler durchaus davon ausgehen, dass sie Phänomene der Wirklichkeit untersuchen und beschreiben.

    Die Wirklichkeit ist idT problematisch, sie ist eher ein regionales Phänomen, wie u.a. auch die bekannte Online-Enzyklopädie hilft nachzuweisen, wenn nach anderen Texten zur Wirklichkeit in anderen Sprachen gesucht wird.

    Die Wirklichkeit taugt als Meta-Konzept für die Konstruktivisten, die das Bemühen der Erkenntnissubjekte um Erkenntnis in n:m-Beziehungen verwaltet sehen. [1]
    (Wobei die Konstruktivisten aber fortlaufend zu einer Art Glaubensentscheid gezwungen werden, auch die Granularität betreffend.)

    MFG
    Dr. W

    [1] ‘Für den Systematiker sind Aussagen über eine Sache oder über einen Sachverhalt immer zuerst die Aussagen von Erkenntnissubjekten über eine Sache oder über einen Sachverhalt.’

  8. @ Chrys

    Ich bin ja voll und ganz Schopenhauers Meinung, was die metaphysischen Grundlagen angeht, habe mich aber nicht getraut, diesen idealistischen Wirklichkeitsbegriff hier anzubringen – danek also dafür. Mal gespannt, was der Herr des Blogs darüber denkt.

  9. @ Hppe

    Der Gedanke an Harry Potter ist wirklich, existiert, ist “für mich” unbezweifelbar da (…)

    Die Existenz meint ja eigentlich das Vorhandensein von Etwas unabhängig vom Erkenntnissubjekt.

    Der Gedanke an Harry Potter ist zudem nicht wirklich, Harry Potter wäre wirklich, der Gedanke an Etwas findet in der Welt des Geistes statt.

    BTW, die Wirklichkeit (vs. Welt) hat auch noch ein anderes Leak, denn es gäbe im Sinne, wie von Meister Eckhart zumindest angestoßen, dann viele Welten, und zwar so viele wie von den Erkenntnissubjekten verwirklicht.

    Daran, dass es nur eine Natur(-Welt) gibt, hält man sich zurzeit noch recht gut fest, wie der Schreiber dieser Zeilen findet.

    MFG
    Dr. W

  10. QED wirklicher alsWellen/Teilchenmodell

    Die Frage “Und was ist es [Licht] denn nun wirklich?” Welle oder Teilchen? wurde bereits im Beitrag Wellen, Teilchen und die Quantenphysik gestellt und auch beantwortet, nämlich so:

    Ich halte diese Auffassung [Quantenobjekte seien zwar nicht Welle oder Teilchen, aber Wellen- oder Teilchenmodelle seien heute noch aktuelle Modelle für die durch Physik beschriebene Wirklichkeit] für irreführend.Tatsächlich beschreiben wir in der Physik Licht und Elektronen nur noch mit einem Modell, der Quantenelektrodynamik.

    Fazit:
    “dass man heute das Licht einerseits als elektromagnetische Welle verstehe, andererseits aber auch als einen Strom von Lichtquanten” ist nur eine Annäherung an die Wirklichkeit. Die viel bessere Annäherung an die Wirklichkeit steht uns heute in Form der Quantenelektrodynamik zur Verfügung.

    Mit Wirklichkeit meine ich hier das, was sich hinter dem äusseren Schein verbirgt, also die Wahrheit. Diese Wahrheit kann immer nur angestrebt, kaum je vollkommen erreicht werden. Sie findet sich nicht in den Phänomenen an und für sich und auch nicht in überholten Modellen, die heute nur noch der Anschauung dienen, sondern sie scheint in den besten heute verfügbaren Modellen als Verheissung auf.

  11. Mal übersetzt:

    Mit Wirklichkeit meine ich hier das, was sich hinter dem äusseren Schein verbirgt, also die Wahrheit. Diese Wahrheit kann immer nur angestrebt, kaum je vollkommen erreicht werden. Sie findet sich nicht in den Phänomenen an und für sich und auch nicht in überholten Modellen, die heute nur noch der Anschauung dienen, sondern sie scheint in den besten heute verfügbaren Modellen als Verheissung auf.

    Es geht in den N-Wissenschaften um das Feststellen dessen, was ist.

    Der Begriff der Wirklichkeit ist dazu nicht hilfreich, dezent formuliert.

    Die Wahrheit ist ein Begriff aus der Tautologie, eine Aussage kann in einem tautologischen System wahr sein.

    Woanders nicht. Wenn wir mal das eher niedrige politische Bemühen außen vor lassen, es ist ja Bundestagswahlzeit.

    Das, was ist, soll dahingehend bearbeitet und theoretisiert werden, dass es dem bestmöglich entspricht, was zu sein scheint.

    Es tut sich hier keine ‘Verheißung’ auf, sondern es soll fern von utilitarischem Denken (“Das, was so festgestellt worden ist, reicht uns, für unsere Zwecke.”) das Bemühen um das, was ist, bestmöglich fortgeführt werden.

    Der Primat mag dabei bedenken, dass er Primat ist.

    MFG
    Dr. W

  12. @Dr.Webbär: Wahrheit gibts überall

    Zitat Wikipedia:
    “In modernen Theorieansätzen bezeichnet „Wahrheit“ üblicherweise eine Eigenschaft von Überzeugungen, Meinungen oder Äußerungen, die sich auf jeden möglichen Wissensbereich (Alltagsgegenstände, Physik, Moral, Metaphysik etc.) beziehen können.”

    Dies zu ihrer Bemerkung (Zitat)“Die Wahrheit ist ein Begriff aus der Tautologie” mit der sie das Streben nach “Wahrheit” als Illusion bezeichnen, denn etwas tautologisches ist an und für sich wahr, kann sich aber nie durch Erkenntnis und Beobachtung bewahrheiten.

    Ich würde nicht so weit gehen,
    Wahrheit als “Übereinstimmung von erkennendem Verstand und Sache” zu bezeichnen, sondern meine in der Naturwissenschaft mit Wahrheit eine gewisse Abbildungstreue im Sinne der logisch-empiristischen Bildtheorie. Die Erklärung der Planetenbahnen mit den ptolemäischen Epizyklen ist zum Beispiel inhärent falsch egal wie genaue Vorhersagen man damit machen kann.

  13. Herr Holzherr

    , Herr Holzherr, als ‘wahr’ gilt eine Aussage, die sich auf eine Axiomatik zurückführen lässt, die den Eigenschaftenwert ‘wahr’ kennt, Herr Holzherr. [1]

    Wir, die wir weder die bekannte Online-Enzyklopädie, noch bestimmte Einzelmeinungen, gesondert zur Kenntnis nehmen, hier erhaben sind, gehen aber sicherlich -bestimmte sprachliche Unterschiede annehmend- gemein, was die Natur der Naturwissenschaft betrifft.

    Und nur darum geht’s, auch was die ‘Wirklichkeit’, die ‘Wahrheit’ und andere gesonderte Spezifität betrifft.

    MFG
    Dr. W (der Sie meint in der Tasche zu haben)

    [1] was nicht zwingend gelingt, der unglückliche Gödel hat sich denn auch in Systemen verbissen, die Inkonsistenzen aufwiesen, die ihn denn einluden Inkonstistenzen nachzuweisen, wo er zugriff – mal vom Gottesbeweis abgesehen, Herr Gödel war immer bemüht

  14. Higgs-Boson gefunden. Fertig?

    @Dr.Webbaer:
    Sie schreiben:
    “Es geht in den N-Wissenschaften um das Feststellen dessen, was ist.”

    Da das Higgs-Boson gefunden wurde und damit ein Fakt (?) festgestellt wurde, wäre nach ihrer obigen Aussage die Sache nun erledigt.

    Für die Physiker ist die Sache aber nicht erledigt. Für sie ist das Higgs nicht einfach ein neues Teilchen im Teilchenzoo, denn das Higgs-Boson war gar nicht als Fakt allein (existiert es oder nicht) interessant, sondern als Teil des physikalischen Standardmodells oder allenfalls als Teilchen, das eine neue Physik eröffnet. Es geht also um die Stellung des Higgs innerhalb der physikalischen Theorien. Solche Theorien können richtig oder falsch sein, sie können “wahr” oder eben nur halbwahr sein.

  15. Das

    genannte sogenannte Boson (“Bose”) dichtet ein bestimmtes Teilchenmodell ab, erlaubt möglicherweise weitergehende Mathematisierung (“Kunst des Lernens”) und weitere Theoretisierung (“Sichtenbildung”), schließt aber nicht ab, macht den Braten eher fetter als fett.

    Mal ganz unter uns, es ist schon frickin wichtig den offenen Veranstaltungscharakter zu erkennen oder um diesen zu wissen – das naturwissenschaftliche Bemühen betreffend.

    MFG
    Dr. W (der sich nun auszuklinken hat)

  16. @Dr. Webbaer; sympathy for Platon

    Ja, Wissenschaft, die über Fakten hinausgeht, hat einen (Zitat)“offenen Veranstaltungscharakter”.

    Die Wissenschaft nähert sich eben immer mehr der Wahrheit an ohne sie je zu erreichen, vielleicht ohne sie je erreichen zu können. Platons Höhlengleichnis ist hier vielleicht sogar noch etwas zu optimistisch mit seiner Annahme, man könne je ans Tageslicht gelangen wo alles klar vor einem liegt.

    Es gibt das Bestreben die Welt so zu erkennen wie sie ist. Das sicher. Doch gibt es überhaupt die eine Wirklichkeit? Vielleicht nicht. Vielleicht gibt es sogar gleichwertige, jedoch völlig verschiedenartige Theorien zum gleichen Gegenstandsbereich zum Beispiel in der Physik. Das möchte ich nicht ausschliessen. Doch das weiss man nicht im vornherein, sondern erst wenn man vor dem Problem steht.

  17. Nachtrag @ Herr Holzherr

    Sie nagen noch ein wenig an der Unterscheidung zwischen ‘wahr’ und ’empirisch adäquat’.

    MFG
    Dr. W (der nun aber wiklich…)

  18. Wirklichkeit

    Licht wirkt nicht – solange es existiert – und es ist sinnlich nicht erfahrbar. Wenn also nach Schobenhauer das wirklich ist, was wirkt, zählt Licht (oder elm. Strahlung) logischerweise nicht zur Wirklichkeit.

    Da hilft auch nicht der Einwand, die Wirkung des Lichts träte im Moment seines Untergangs zutage (Absorbtion). Bis zu welchem Moment des Untergangs gehört denn das Lichtobjekt noch zur Wirklichkeit, und ab welchem nicht mehr ?

    Solange man als wirklich ansieht, was wirkt, bleibt einem nur die Hexerei: wenn wir mit dem Handy telefonieren, wirkt etwas Unwirkliches.

    Mit der Schopenhauerschen Vorstellung kommt man also nicht weit. Dabei hat der Autor des obigen Beitrags doch die richtige Denkrichtung angegeben: Wirklichkeit ist etwas, was man vereinbaren muss. Wenn man über das, was wirklich ist, redet, muss man sich vorher darüber einigen, was man als wirklich existierend ansehen will – von Fall zu Fall, von Beschreibungsebene zu Beschreibungsebne. Physikalisch gesagt: man muss vereinbaren, welches Bezugssystem man
    verwendet, und welches Modell welcher Theorie man als gültig für die Beschreibung der Welt in diesem Bezugssystem ansehen will.

    Aber dann, Herr Honerkamp, bitte auch konsequent bleiben, und nicht unterschwellig wieder so tun, als gäbe es doch die eine objektive Wirklichkeit auserhalb von uns, zum Beispiel die, die von der Quantenelektrodynamik richtig beschrieben würde. Die Quantenelektrodynamik erklärt nicht, warum das, was wir als Licht bezeichnen, in jeder Beobachtungsapparatur sein Wesen ändert.

    Es ist halt leider so, dass die Modelle der Physiker zwar zum Apparatebau taugen. Die Physik liefert aber keine ontologischen Bausteine der Welt – auch nicht die Quantenelektrodynamik. Sie liefert Beschreibungen auf Beschreibungsebnenen, deren Strukturen man ggflls. aufeinander reduzieren kann. Sie beschreibt ihre Modelle und die vereinbarten Wirklichkeiten. Aber nicht d i e Wirk-
    lichkeit.

    Die objektive Wirklichkeit ist ja nun auch seit 100 Jahren von den Relativitätstheorien Einsteins verboten. Also haben wir nur subjektive Wirklichkeiten, und auf eine, Ihre oder meine, müssen wir als
    gültig einigen, damit wir – bei der Beschreibung der Welt – nicht aneinander vorbeireden.

  19. ontologischen Bausteine der Welt?

    @Fossilium: Zitat:“Die Physik liefert aber keine ontologischen Bausteine der Welt”
    Wer oder Was liefert den die onotologischen Bausteine der Welt?

    Läuft dieser Satz nicht einfach darauf heraus, dass man etwas will – die ontoligischen Bausteine der Welt nämlich -, von dem nicht einmal definiert ist was es ist.

    Zusammen mit dem Satz: “Die objektive Wirklichkeit ist ja nun auch seit 100 Jahren von den Relativitätstheorien Einsteins verboten. Also haben wir nur subjektive Wirklichkeiten”
    wollen diese Aussagen die Bedeutung der Physik relativieren und ihr nur subjektive Gültigkeit zugestehen.

    Leider (für den Autor) ist die Argumentation mit der Relativitätstheorie falsch. Die Beobachter der Relativitätstheorie müssen keine Subjekte sein. Irgendwelche Apparaturen wie Uhren und Datenspeicher genügen als Beobachter.
    Die Relativitätstheorie gilt also für alle Objekte ob diese Objekte nun Subjekte sind oder nicht. Insoweit beschreibt die Relativitätstheorie eine objektive Realität – von mir aus kann man diese Realität auch Wirklichkeit nennen.

  20. @Chris, Wicht:

    “”wirklich” ist das, was wirkt, was also Ursache sein kann.« So sehe ich es auch (siehe Blog). Danke für den Hinweis auf Schopenhauer. Den folgenden, von Chris zitierten Aussagen Schopenhauers kann ich aber nicht zustimmen. Es folgt nicht zwingend aus seinen Prämissen, dass es eine Realität der Welt unabhängig vom Subjekt nicht gibt (wenn ich die Aussage so richtig verstanden habe.) Ich gehe immer von einer solchen unabhängig vom Menschen existierenden Außenwelt aus (siehe auch Paul Boghossian: Angst vor der Wahrheit – Ein Plädoyer gegen Relativismus und Konstruktivismus). Die Paläoontologie ist eine ernsthafte Wissenschaft.

  21. @Fossilium:

    Ich spüre nicht, was Sie unterschwellig spüren. Von objektiver Wirklichkeit habe ich ja gerade nicht gesprochen, auch nicht von einer Existenz einer “eigentlichen”. Ich gehe aber von einer Welt aus, die unabhängig von uns existiert und die ich mit den Methoden der Physik immer besser verstehen kann (hier meine ich natürlich keine zwischenmenschlichen Beziehungen). Und die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind keineswegs unlogisch oder subjektiv, sie mögen höchstens für den Nichtphysiker unverständlich und unerwartet sein. Sie spiegeln aber die Relationen in der Welt sehr genau wider. Da muss man sich nicht einigen – darauf, ob es so oder so ist. Man kann sich überzeugen, dass etwas so oder so ist. Bei der Ontologie ist es schwieriger: Wenn schon Ontologie, dann auch auf den verschiedenen Beschreibungsebenen (plus Verknüpfungen).
    Eine Vorstellung von einer endgültigen Einsicht, in das, was ist, ist eine Chimäre, ein lästiges Erbe aus unserer kulturellen Vergangenheit.

  22. Herr Honerkamp

    “”wirklich” ist das, was wirkt, was also Ursache sein kann.« So sehe ich es auch (siehe Blog). Danke für den Hinweis auf Schopenhauer.

    Das, was ist, und das, was wirkt, kann jeweils in Schichten verstanden werden. Wenn Sie Wirklichkeiten, die von (Mengen von) Subjekten empfunden werden annehmen, lehnen Sie implizit die Eine-Welt-Ideologie ab.

    Was Sie aber (dankenswerterweise) nicht tun, insofern kann Schopi hier nur ungünstig formuliert haben, oder?

    MFG
    Dr. W

  23. Und das ist wirklich ein Memo

    Martin Holzherr schrieb (17.09.2013, 16:56):
    > das Higgs-Boson […] als Teil des physikalischen Standardmodells oder allenfalls als Teilchen, das eine neue Physik eröffnet. Es geht also um die Stellung des Higgs innerhalb der physikalischen Theorien.

    Es empfiehlt sich auch hier begriffliche Sorgfalt: zu unterscheiden ist das
    Higgs-Boson

    – das im Rahmen der elektro-schwachen Theorie definiert ist, und dessen Parameter bzw. Messwerte deshalb zum Standardmodell gehören (zusammen mit ein paar Dutzend weiteren Werten),

    – das im Rahmen anderer, “neuer” bzw. “erweiterter” Theorien aber auf ähnliche Weise (d.h. per ähnlichem “Higgs-Mechanismus”) definiert ist, und dessen Parameter deshalb zu den entsprechenden Modellen gehören (z.B. “MSSM“), und

    – das am LHC gefunden wurde (bisher ausschließlich in Zerfallsmoden, die gemäß Standardmodell zu erwarten sind).

    > Solche Theorien können richtig oder falsch sein, sie können “wahr” oder eben nur halbwahr sein.

    Theorien, also Systeme aus begrifflichen Axiomen, daraus gebildete Definitionen, sowie deren (logischen) Konsequenzen, können nicht falsch sein.

    Und, um einer in diesem Zusammenhang häufigen Behauptung zu widersprechen: sie können auch nicht experimentell getestet werden.

    Falsch bzw. experimentell prüf- und widerlegbar sein können lediglich, genau ausgedrückt, Hypothesen.

    Wie z.B. die Hypothese, dass im nächsten Versuch (sprich, z.B. aus den Daten, die am LHC bei Sqrt[ s ] ca. 14 TeV gesammelt werden) irgendein Parameter-Wert des MSSM gemessen oder auch nur eingegrenzt würde. Oder die (nicht unbedingt ganz gegenteilige) Hypothese, dass im nächsten Versuch Werte von Standardmodell-Parametern erneut gemessen werden und mit den schon bekannten Werten gut übereinstimmen.

    Etwas verkürzt kann man auch sagen, dass das eine oder andere Modell entsprechend
    experimentell korroboriert oder falsifiziert würde. Aber nicht die zugrundeliegenden Theorien, die definieren, was/wie überhaupt gemessen werden soll.

    Eine Theorie kann allenfalls dahingehend versagen, dass

    – sie “noch nicht einmal falsch” wäre, d.h. dass ihre Axiome und Definitionen nicht nachvollziehbar wären, oder

    – sie sich überhaupt nicht mit (der Definition von) Messgrößen beschäftigen, oder

    – sie Messgrößen zwar definieren, aber sich aus den gegebenen Beobachtungsdaten dafür keine Werte ermitteln lassen.

  24. Hypothese, dassTheorie zu MessungenPasst

    @Frank Wappler: So wie sie es schreiben hab ichs gemeint. Im folgenden möchte ich einen von ihnen zitierten Satz entsprechend ihrer Sprachregelung anpassen.

    Original (schludrig)
    ” Solche Theorien können richtig oder falsch sein, sie können “wahr” oder eben nur halbwahr sein.”

    Korrekter (hoffe ich):
    “Solche Theorien werden zu guten Beschreibungen der Realität, wenn aus der Theorie abgeleitete Modelle von Messisituationen zu den Messungen passen. Eine Theorie, die diese Tests besteht, kann man als nicht falsifiziert bezeichnen. Man darf dann vorerst annehmen, Modelle, die aus dieser Theorie hervorgehen, sagten etwas “wahres” über die Realität aus”

    Nun bin ich aber gespannt, was an dieser korrigierten Version immer noch falsch ist. Falsch formuliert oder gar inhaltlich falsch, meine ich.

  25. @Frank Wappler: Hier noch einmal ein Text, den sie korrigieren dürfen.
    Dieser bezieht sich aber auf Poppers Wissenschafts- und Theorieauffassung.
    Im Wikipedia-Eintrag zum Kritischen Rationalismus liest man:
    ” Eine Theorie stellt einen Erkenntnisfortschritt gegenüber einer anderen Theorie dar, wenn sie eine höhere Wahrheitsnähe aufweist. Wahrheitsnähe ist nicht messbar. Jedoch kann man die Wahrheitsnähe zweier Theorien modellhaft vergleichen. Eine Theorie hat gegenüber einer anderen Theorie eine höhere Wahrheitsnähe, wenn sie ‚gehaltvoller‘ ist und wenn sie mehr oder bessere Erklärungen für Sachverhalte bietet als die schwächere Theorie.

    Mit ‚gehaltvoll‘ ist dabei nicht der logische Wahrheitsgehalt einer Theorie gemeint (die Menge aller wahren Aussagen, die aus ihr folgen), sondern der ‚informative Gehalt‘. Das ist die Menge aller Aussagen, die die Theorie ausschließt. Die Aussage „Morgen gibt es Südwind“ ist gehaltvoller als die Aussage „Morgen wehen Winde aus wechselnden Richtungen“, weil erstere Nord-, West- und Ostwind ausschließt. Nach solchen ‚gehaltvollen‘ Aussagen sucht die Wissenschaft. Würde sie nach hohem logischen Wahrheitsgehalt suchen, käme sie zu gehaltlosen, fast tautologischen Aussagen. Auch zwei Aussagen, die beide wahr sind, können somit unterschiedliche Wahrheitsnähe haben.”

    Also, wo überall steckt hier der Wurm drin?

  26. Herr Honerkamp,

    Sie schreiben: „Von objektiver Wirklichkeit habe ich ja gerade nicht gesprochen, auch nicht von einer Existenz einer “eigentlichen”. Ich gehe aber von einer Welt aus, die unabhängig von uns existiert.“

    Ja was soll das denn für eine Welt sein, die nicht objektiv ist, aber unabhängig von uns existiert ? –

    Das kann doch nur die vereinbarte sein, von der ich die ganze Zeit rede. Warum dies nicht einfach in aller Klarheit sagen ?
    Oder erklären Sie mir, was sie sonst meinen, ich verstehe Sie einfach nicht.

    Wir sind wahrscheinlich bezgl. der Vereinbarung garnicht auseinander, ich nenne die Dinge aber beim Namen. In einem Punkt unterscheiden wir uns aber: Wirklichkeit ist ein Begriff, der definierbar ist, und dann nicht mehr “vage”: man kann zum Beispiel Wirklichkeit das nennen, was wir in jedem Moment direkt beobachten, genauer: was wir unmittelbar sinnlich wahrnehmen. In jedem Moment der Beobachtung, Messung oder Wahrnehmung wird die wirkliche Welt, kurz gesagt: die Wirklichkeit, von uns erfahren. Wirklichkeit ist insofern etwas Subjektives, denn nur der, der beobachtet, erfährt eine Wirklichkeit, nämlich seine eigene. Er sieht, schmeckt, riecht, fühlt (z.B. Temperaturen, Druck) die von ihm wahrgenommene Welt. Diese Wirklichkeit unterscheidet sich von der Realität, Realität umfasst danach sowohl die Wirklichkeit, als auch die nicht direkt wahrgenommene Welt, über deren Existenz und Beschaffenheit wir uns verständigen, indem wir aus der Wirklichkeit gemeinsame Schlussfolgerungen auf sie ziehen.

    Wenn Sie schreiben: „Da muss man sich nicht einigen – darauf, ob es so oder so ist. Man kann sich überzeugen, dass etwas so oder so ist.“ dann sieht es wieder so aus, als ob hier nur eine Schlussfolgerung möglich ist, nämlich die, die zu Ihren Modellen einer objektiv existierenden Welt führt – Modelle, die angeblich „nicht subjektiv“ und „logisch“ sind, obwohl man unter einem Quant Beliebiges verstehen kann und eine logische Beschreibung desselben unmöglich ist. So kann man doch nicht argumentieren !

    Ich erhebe keinen Anspruch darfauf, dass man meiner Definition von Wirklichkeit und Realität folgt. Man sollte dann aber die eigene klar nennen, wenn man diese Begriffe zentral verwendet. Es mag sein, dass Sie sich an der Subjektivität der Wirklichkeit stossen, aber gegen diese spricht nichts, denn wenn zwei Beobachter ihre Wirklichkeiten vergleichen, werden sie bis auf relativistische Effekte keinen Unterschied in den Beobachtungen feststellen. Sie können dann wieder vereinbaren, die aus der Relativitätstheorie resultierenden Unschärfen in der Verschachtelung ihrer beiden Wirklichkeiten zu vernachlässigen – dann haben sie sich eine gemeinsame objekte Wirklichkeit aus ihren subjektiven konstruiert, aber wieder eine vereinbarte.

    Wer die Vorstellung hat, eine objektive beobachterunabhängige Welt ausserhalb von uns müsse existieren, der schafft sich nur Probleme. Er kann das Licht bzw. die elm Strahlung nicht verorten, er kann die Grenzen dieser Welt nicht festlegen, er kriegt Probleme mit den Einsteinschn Theorien, usw. Dabei sind diese Probleme unnötig. Wir können das, was Wirklichkeit und was Realität sein soll, vereinbaren, ohne das die Erklärung der Welt dadurch beinträchtigt wird. Das schafft auch interpretatorische
    Freiheiten bei der Deutung von Theorien (Messergebnissen). Allerdings hat niemand mehr die einzige oder beste Erklärung, sondern nur noch eine, die auf Konvention beruht, die natürlich kündbar ist.

    Grüsse Fossilium

  27. Herr Wrapler, Herr Holzherr

    Nach meinem bisherigen Wissen sagt eine Theorie Messergebnisse vorher – und sonst sagt sie gar nichts aus.

    Man kann dann nachsehen, ob die Vorhersagen eintreten, und wenn ja, stützt das die Gültigkeit der Theorie, bzw. ihre Praktikabilität.

    Eine Theorie beschreibt daher nur Messergebnisse, sie beschreibt nicht die Welt oder sonstwas. Die Weltbeschreibung kommt von dem, der die Messergbebnisse interpretiert, d.h. aus ihnen schlussfolgert. Die Theorie hilft im nur, indem sie Messergbnisse unter allen Randbedingungen prognostiziert, sozusagen eine Ergebnisstatistik beisteuert – aber mehr macht sie nicht.

    Oder liege ich hier falsch ? Alle Weltendeutung kommt doch vom Beobachter der Messergebnisse, die die Theorie richtig oder falsch vorhersagt.

    Grüsse Fossilium

  28. @Fossilium: Theorie und Weltsicht

    Sie schreiben:
    “Nach meinem bisherigen Wissen sagt eine Theorie Messergebnisse vorher – und sonst sagt sie gar nichts aus.”

    Das stimmt natürlich (ausser für Frank Wappler) zuerst einmal.

    Doch Physiker versuchen durchaus mit ihren Theorien gewisse Aspekte der Welt zu erklären. Sogar sie als Fossilium machen das. Wie könnten sie sonst schreiben:
    (Zitat aus vorhergehenem Kommentar von ihnen) “Die objektive Wirklichkeit ist ja nun auch seit 100 Jahren von den Relativitätstheorien Einsteins verboten. Also haben wir nur subjektive Wirklichkeiten”

    Wenn Theorien (oder besser gesagt Hypothesen) nur Messergebnisse und sonst gar nichts vorhersagen, dann sind solche Sätze, wie sie sie hier selber formuliert haben, nicht erlaubt.

  29. Theorien

    Nach meinem bisherigen Wissen sagt eine Theorie Messergebnisse vorher – und sonst sagt sie gar nichts aus.

    …haben deskriptive und explanatorische Elemente, erlauben zudem die Prädiktion.

    Alles optional, pflichtig ist aber mindestens eine der drei Eigenschaften.

    Eine Theorie hat genau dann ihre Existenzberechtigung, wenn sie in mindestens einem Gebrauchsfall von Nutzen für den Anwender ist.
    >:->

    Theorien sind Sichten, die Theoretisierung ist die Sichtenbildung; Sichten können inkonsistent oder empirisch inadäquat sein.
    Sie werden dann umgangssprachlich auch als falsch bezeichnet.
    Die strikte Trennung der Begriffe ‘Theorie’ und ‘Modell’ ist nicht immer erforderlich.

    Die Gesamtheit der Theorien ist das Wissen. Die der modernen wissenschaftlichen Methode (“Skeptizismus”, zumindest angestrebte Unabhängigkeit von Personen oder Institutionen etc.) folgende Sichtenbildung ist die moderne Wissenschaft.

    HTH
    Dr. W

  30. Herr Holzherr

    Wenn es so ist wie, Sie sagen, dann haben Sie einen speziellen Begriff von einer Theorie, nämlich dann würde eine Theorie Messergebnisse vorhersagen und die Deutung dieser Ergebnisse gleich mitliefern. Wie soll das geschehen ? Die Deutung kommt nicht von der Theorie, sondern von der Person, die die Messergebnisse interpretiert. Auch meine Aussage über die Subjektivität der Wirklichkeit ist eine Deutung von Messergebnissen, die von einer Theorie vorhergesagt und bestätigt wurden. Es ist meine Leistung, nicht die der Theorie. Die Theorie deutet nicht, sondern wir deuten. Sie haben natürlich Recht, wenn Sie so dahin sagen, die Physiker versuchen mit einer Theorie Aspekte der Welt zu erklären. Die Theorie erklärt dabei nichts, aber sie liefert die Grundlagen der Erklärung, nämlich tatsächliche und gedachte und deutbare Messergebnisse. Das ist viel und auch o.k. Ich denke man sollte nicht zuviel in den Begriff Theorie hineinpumpen. Man könnte auch bescheiden sagen: das ist eine Regel, die von einer Wirklichkeit auf eine andere Wirklichkeit verweist, oder noch einfacher: eine Theorie liefert eine Regel, mit der man von einer beobachtbaren Bestimmungsgrösse auf eine andere beobachtbare Bestimmungsgrösse zurückschliessen kann.
    Alles andere ist menschliche Geisteskraft.
    Grüsse Fossilium

  31. Lieber Webbaer,
    auch bei Ihnen ist eine Theorie mehr als eine Messergebnis-Vorhersage. Eine Sicht kann sie schon deshalb nicht sein, weil es dann von jeder Sache unendlich viele gültige Theorien geben müsste. Und die Gesamtheit der Theorien kann nicht das Wissen sein. Denn den Theorien geht das Wissen über formale Strukturen (Mathematik) und Logik voraus, sind also -Theorie in Ihrem Sinn verstanden – nur Teil des Wissens. Und ob eine Theorie von Nutzen sein muss ? Die viele Welten Theorie oder die Stringtheorie kann ja nicht einmal falsifiziert werden – welchen Nutzen könnte sie da haben, ausser für sich selbst da zu sein ?
    Grüsse Fossilum

  32. @ Fossilium

    ‘Eine Theorie ist ein System von Aussagen, das dazu dient, Ausschnitte der Realität zu beschreiben beziehungsweise zu erklären und Prognosen über die Zukunft zu erstellen.’

    -> http://de.wikipedia.org/wiki/Theorie

    BTW: Gut erkannt, dass es zu jeder Sache und zu jedem Verhalt potentiell unendlich viele Sichten gibt.

    MFG
    Dr. W (der sich nun ausklinkt, GN!)

  33. Lieber Webbaer,

    ‘Eine Theorie ist ein System von Aussagen, das dazu dient, Ausschnitte der Realität zu beschreiben beziehungsweise zu erklären und Prognosen über die Zukunft zu erstellen.’

    Dazu d i e n t ! Aber diese nicht liefert.

    Das Wort Aussagen ist hier aber grob missverständlich verwendet – Aussagen in umgangssprachlichen Sinne enthält eine Theorie nicht. Eine Theorie ist eine formale Anleitung, mit der ich den zu erwartetenden Wert von Messgrössen unter allen denkbaren Versuchsbedingungen (Randbedingungen) ausrechnen kann.
    Nicht wenig, aber auch nicht mehr.

    Mit einem Überblick über all diese Messergebenisse können Sie (S i e , nicht die Theorie) ein Modell entwerfen,
    das irgendeine Realität halbwegs wiederspiegelt(widerspiegeln soll).
    Alles schon gesagt.

    Es grüsst Sie
    Fossilium

  34. @Fossilium: Physikalische Theorie

    Sie haben natürlich recht, dass Interpretationen von physikalischen Theorien wie etwa der, dass Raum, Zeit und Masse nach der Relativitätstheorie miteinander verknüpft sind, aus der Theorie extrahiert werden müssen.
    Sie sprechen hier von Theorie, meinen aber genaugenommen nur physikalische Theorien.
    Denn nicht alle, aber physikalische Theorien, kümmern sich um Messergebnisse. Wenn sie also hier von Theorie sprechen, meinen sie eine physikalische Theorie. Eine solche Theorie umfasst Beziehungen zwischen messbaren Größen und macht Voraussagen, die empirisch überprüft werden können. 

    Es ist übrigens nicht immer klar, wo wir bei einer Interpretation die Theorie verlassen. Wenn sie beispielsweise sagen, die allgemeine Relativitätstheorie sage, dass der Raum in der Nähe einer Masse gekrümmt ist und deshalb Sternpositionen in Sonnennähe nicht mit den erwarteten Positionen eines Fixsternhimmels übereinstimmen, wo genau verlassen sie bei dieser Beschreibung die reine Theorie und wo beginnt die Interpretation?
    Nach ihrer Aussage über die enge Beziehung von Theorien und vorausgesagten, respektive festgestellten Messergebnissen, wären die obigen Aussagen schon ganz gewagte Interpretationen.

  35. Wirklich gespannt

    Martin Holzherr schrieb (18.09.2013, 17:40):
    > Korrekter (hoffe ich):
    > “Solche Theorien werden zu guten Beschreibungen der Realität, wenn aus der Theorie abgeleitete Modelle von Mess[situationen] zu den Messungen passen.

    Modelle sind in so fern “aus der Theorie abgeleitet” als sie Begriffe benutzen, deren Definition/Messoperator vorausgesetzt und durch eine Theorie bereitgestellt wird.

    Aber folglich sind es die Modelle, die mehr oder weniger gute Beschreibungen darstellen (Zusammenfassungen schon erhaltener Messwerte; zusammen mit Vorhersagen/Erwartungen weiterer Ergebnisse).

    Theorien dagegen sind lediglich Mittel und Voraussetzung, um zu solchen mehr oder weniger guten Beschreibungen zu gelangen.

    > Eine Theorie, die diese Tests besteht […]

    Worin besteht denn ein “Test“? — Doch zweifellos, wenn auch möglicherweise stark vereinfacht, im Vergleich zwischen Erwartungs- bzw. Vorhersagewert und Messwert.

    Die bloße Definition einer Messgroße, einschließlich der Angabe ihres Wertebereches, ist aber von der Auswahl eines bestimmten Erwartungswertes (oder “erwarteten Bereiches”) innerhalb des (definitionsgemäßen, sogenannten “physikalischen”) Wertebereiches zu unterscheiden.

    Eine Theorie kann dem vermeintlichen Test also gar nicht unterzogen werden (geschweige ihn eventuell bestehen); sondern das kann ggf. nur ein Modell.

    Beispiele gefällig?

  36. gesucht — gefunden

    Martin Holzherr schrieb (18.09.2013, 23:47):
    > […] beispielsweise sagen, die allgemeine Relativitätstheorie sage, dass der Raum in der Nähe einer Masse gekrümmt ist

    Ja, das sagt die RT: das eventuelle Vorhandensein und die Verteilung von “Masse” (“Energie” usw.) definiert sich aus (Messwerten von) “Krümmung”. (Und zwar ausschließlich so; daher gehören u.a. auch Verteilungen von “dunkler Masse” und/oder “dunkler Energie” zum möglichen Wertebereich, aus dem sich verschiedene Modelle formulieren lassen.)

    > und deshalb Sternpositionen in Sonnennähe nicht mit den erwarteten Positionen eines Fixsternhimmels übereinstimmen

    Genauer/richtiger:
    dass deshalb Sternpositionen in Sonnennähe nicht mit den Positionen übereinstimmen, die man entsprechend dem Modell erwarten würde, dass die Masse/Energie/usw. der Sonne vernachlässigbar wäre (hinsichtlich der Krümmung nahe der Sonnenoberfläche und darüberhinaus).

    Das Modell “die Sonne hat (immer) so gut wie keine Masse (im Sinne der RT)” ist deshalb falsifizierbar; und so weit ich weiß sogar schon getestet und durch die erhaltenen Ergebnisse widerlegt worden.

  37. @Fossilium

    Ich habe den Eindruck, dass Sie meinen Artikel mit einem Vorverständnis gelesen haben, das ich gar nicht vorgesehen habe. Sie nennen das Wirklichkeit, “was wir in jedem Moment direkt beobachten, genauer: was wir unmittelbar sinnlich wahrnehmen.” Ich nenne in meinem Artikel alles wirklich, was wirkt. Und da man die Wirkung jeweils auf einer bestimmten Beschreibungsebene beobachtet, rede ich auch von den verschiedenen Wirklichkeitsebenen und nicht von einer einzigen Wirklichkeit. (Motiviert ist das dadurch, dass ich oft zu hören bekomme: Es gibt auch noch andere Wirklichkeiten, und damit sind dann wohl nicht einfach nur andere Erfahrungen gemeint. Ich wollte diese Rede von anderen Wirklichkeiten aufnehmen, aber darauf hinweisen, dass diese nicht alle unabhängig voneinander sein können. ) Ihre Wirklichkeit ist natürlich subjektiv, eine solche finde ich in der Naturwissenschaft uninteressant. Meine dagegen ist wohl eher das, was Sie Realität nennen.
    Ihre Behauptungen über physikalische Aussagen kann ich hingegen nicht nachvollziehen. Wieso ist eine logische Beschreibung eines Quants nicht möglich? Das würde alle Physiker sehr überraschen und die Tatsache, dass man so verlässlich mit Quanten rechnen und experimentieren kann, zu einem Wunder machen. Was verstehen Sie denn unter Unschärfen in der Relativitätstheorie? Diesen Begriff höre ich zum ersten Male im Zusammenhang mit der Relativitätstheorie. Auch sagt eine Theorie nicht nur Messergebnisse voraus, wesentlich sind z.B. die Zusammenhänge zwischen den messbaren Größen und den eingeführten Begriffen. Wo sind die Probleme der Relativitätstheorie, wenn man eine beobachterunabhängige Welt annimmt? Dass dort Zeitspannen und Raumabstände vom Bewegungszustand des Beobachters abhängen, heisst ja noch gar nichts, das haben Geschwindigkeiten in der klassischen Mechanik schon immer getan. Es gibt immer noch Invarianten wie die Masse, die Lichtgeschwindigkeit oder Eigenzeiten. Warum nennen Sie die Wirkung eines Quants nicht Wirkung, wenn es nach der Wirkung absorbiert worden ist? usw.

  38. … schütze mich vor meinen Apologeten;

    Martin Holzherr schrieb (18.09.2013, 17:53):
    > Hier noch einmal ein Text […]
    > Die Aussage „Morgen gibt es Südwind“ ist gehaltvoller als die Aussage „Morgen wehen Winde aus wechselnden Richtungen“, weil erstere Nord-, West- und Ostwind ausschließt.

    Noch nicht mal dieses Bisßchen ist wirklich zufriedenstellend.

    Denn: die Aussage „Morgen wehen Winde aus wechselnden Richtungen“ ist ja ebenfalls anhand von “Windrichtungs“-Messwerten prüf- und widerlegbar.

    Vielleicht war die Absicht des/der Schreibenden ja, der Aussage „Morgen gibt es Südwind“ die Aussage „Morgen gibt es Wind“ gegenüberzustellen.

    Der Auffassung, letztere “weniger gehaltvoll” zu nennen, würde ich mich anschließen.
    Die gehaltvollere Aussage nutzt demnach mehr bzw. detailiertere Begriffe bzw. Messgrößen (hier: “Richtung“). Das setzt natürlich die Definition solcher zusätzlicher Begriffe bzw. Messgrößen voraus.

    > […] den sie korrigieren dürfen.

    Na, solang sich Sir Karl P. nicht an dieser Diskussion beteiligt und eventuelle Korrekturen selber vornimmt …

  39. (Zu-)Schnell-Fossilierung?

    Fossilium schrieb (17.09.2013, 21:22):
    > Die objektive Wirklichkeit ist ja nun auch seit 100 Jahren von den Relativitätstheorien Einsteins verboten. Also haben wir nur subjektive Wirklichkeiten

    Verboten ist lediglich, das Erstere (“objektive Wirklichkeit“, alias “Messwerte”) zu unterstellen ohne es aus dem Letzteren (“subjektive Wirklichkeiten“, alias “Beobachtungsdaten”) ausdrücklich durch Anwendung eines (nachvollziehbaren) Messoperators ermitteln zu können.

    Und ganz ausdrücklich hat Einstein dieses Verbot wohl erst 1917 (bzw. Dezember 1916) formuliert:

    Der Begriff existiert für den Physiker erst dann, wenn
    die Möglichkeit gegeben ist, im konkreten Falle herauszufinden,
    ob der Begriff zutrifft oder nicht. […] Solange
    diese Forderung nicht erfüllt ist, gebe ich mich als Physiker
    (allerdings auch als Nichtphysiker!) einer Täuschung hin

  40. @ J. Honerkamp, H. Wicht

    Kausalität sowie damit assoziierte Zusammenhänge von Ursachen mit Wirkungen sind allemal keine streng definierten Konzepte der Physik (sieht man einmal davon ab, dass “kausal” für die Geometrie von Raumzeiten eine sehr spezielle Bedeutung hat). Der folgenden Feststellung nach wikipedia würde ich hingegen zustimmen: [In physics it is useful to interpret certain terms of a physical theory as causes and other terms as effects.]

    Doch nicht nur in der Physik ist das so. Kausaler Zusammenhang ist eine nützliche Interpretation, ein hilfreiches Ordnungsschema zum Sortieren unserer Wahrnehmungen. Der Begriff setzt damit stets mindestens ein Subjekt voraus, das wahrnimmt und interpretiert. Und in diesem Sinne verstehe ich auch Schopenhauers Formulierung, dass “alle Kausalität nur im Verstande und für den Verstand” ist.

    N.B. Helmut Wicht ist in puncto Schopenhauer gewiss kundiger als ich, und sollte er meiner Auffassung widersprechen, so hat er bestimmt die besseren Argumente.

  41. @Honerkamp

    Ich gehe immer von einer solchen unabhängig vom Menschen existierenden Außenwelt aus (siehe auch Paul Boghossian: Angst vor der Wahrheit – Ein Plädoyer gegen Relativismus und Konstruktivismus). Die Paläoontologie ist eine ernsthafte Wissenschaft.

    Noch schärfer denkt der frz. Philosoph Quentin Meillassoux über die vernünftigerweise unbestreitbare Tatsache nach, dass das menschliche Bewusstsein Erkenntnisse aus Weltzeiten gewinnen kann, in denen noch gar kein Bewusstsein existierte.

    Die Anerkennung von Kosmologie, Geologie, Paläoontologie als Wissenschaften, die zutreffende Erkenntnisse über eine vergangene Welt ohne Bewusstsein erlauben, ist meines Erachtens der philosophische Tod des Konstruktivismus.

    Kein ernsthafter Naturwissenschaftler ist m.E. Konstruktivist; allenfalls sagt er es so, weil sich das cool anhört. In diesem Sinne: volle Zustimmung, Prof. Honerkamp.

    Die Welt zeigt sich.
    Uns.
    Und wir sind Sternenstaub.

    Das finde ich bemerkenswert.

  42. Sehr geehrter Herr Hohnerkamp,

    Sie haben einen Aufsatz geschrieben über die Frage „was ist wirklich?“. Sie erklären uns darin, dass der Begriff „Wirklichkeit“ in der Physik nichts taugt, weil er zu vage ist. Allenfalls tauge er etwas auf verschiedenen Ebenen, wobei Ihr Kernsatz lautet „Auf jeder dieser Beschreibungsebene können so Menschen zu einem Konsens darüber kommen, was wirklich ist. Das, was die Wirklichkeit ausmacht, ist also nicht der Charakter des “Fundamentalen” sondern die Möglichkeit, durch Nachprüfungen einen intersubjektiven Konsens herzustellen bezüglich der Wirkung.“

    Na gut, wenn Sie den „intersubjektiven Konsens“ hergestellt haben – ist dann das, was wirklich ist, nicht mehr vage ? Wohl nicht – wegen des Konsens. Wenn er aber auf allen Beschreibungsebenen nicht mehr vage ist, dann ist er insgesamt nicht mehr vage. Haben Sie sich damit selbst widerlegt ?

    Ich vermute, dass Sie mit Beschreibungsebenen die gängigen Begriffsbildungen und Schlussfolgerungen aus Messergebnissen im Rahmen verschiedener Theorien meinen (Mechanik, Elektrodynamik, statistische Mechanik, Quantentheorien). Und dass deren Modelle alle eine unterschiedliche Wirklichkeit wiederspiegeln. Oder spiegeln die verschiedenen Modelle nur verschiendene Sichtweisen auf ein und dieselbe Wirklichkeit wieder ? Wohl nicht, die Existenz einer eigentlichen Wirklichkeit lehnen Sie ja ab.
    Also spiegeln Ihre Modelle doch verschiedene Wirklichkeiten wieder ? Vielleicht die vielen Welten, von denen so häufig gesprochen wird ? Herr Honerkamp, bei allem Respekt – es ist einfach nicht klar, was Sie schreiben.

    Dann sagen Sie, alles sei wirklich, was wirkt. Ich frage Sie dann, welchen Wirklichkeitsstatus hat Strahlung, die – solange sie exsistiert – keine Wirkung ausübt, sondern erst dann, wenn sie untergeht ? Sie ist – solange sie existiert – kein Bestandteil der Ihre Wirklichkeit konstituierenden Objekte, – von welcher Wirklichkeit ist sie dann Bestandteil ? Und dieser anderen Welt, von der sie Bestandteil ist, entfleucht sie, um im Moment des Entfleuchens Bestandteil Ihrer Wirklichkeit zu werden ? Sehen Sie denn nicht, dass „alles ist wirklich, was wirkt“, nur eine schöne Formel ist, und dass man dem Phänomen der Strahlung mit dieser Formel nicht beikommt ? Man muss hier einen anderen Begriff von Wirklichkeit
    vereinbaren, wenn man Strahlung in die Wirklichkeit einschliessen will.

    Ich will aber die Kritik an Ihrem Aufsatz jetzt nicht weiter führen, das würde zu lang. Nur eins noch: Quanten müssen nicht logisch beschrieben werden, solange Sie sie in Ihren Modellen lassen, sie können dort als „Teilchen“ ohne Ausdehnung und Masse, als „Feld“ oder „Anregung“ oder virtuelles Etwas, was immer es sein mag, modellhaft reale Wirkung entfalten. Das ist erlaubt und notwendig. Ihre Modelle können sogar eine spezielle Wirklichkeit wiederspiegeln, nämlich die, die man auf der Beschreibungsebene des Mikrokosmos verwendet, auch damit bin ich noch einverstanden – aber das ist eine spezielle und zu vereinbarende Wirklichkeit, bei der man aus Praktikabilitätsgründen Unbestimmtheiten ihrer Konstituenten unbeachtet lässt, und sich mit formalen Beschreibungen begnügt. Aber wenn Sie hingehen, und behaupten, alle anderen Wirklichkeiten der anderen Beschreibungsebenen liessen sich auf die der untersten Ebene reduzieren, dann bedeutet dass, dass diese Unbestimmtheiten Bestandteil aller Wirklichkeiten werden, sozusagen die ontologischen Bestandteile, dann ist es aus mit der Bestimmtheit all Ihrer Wirklichkeiten. Sie haben dann gar keine bestimmten Wirklichkeiten mehr. Der Satz „Mit den Naturwissenschaften hat man also ein großes Gebäude von “Wirklichkeiten” geschaffen, auf das wir uns verlassen können“ kann dann von Ihnen nur ironisch gemeint sein.
    Es grüsst Sie trotz allem herzlich
    Fossilium

  43. Die Einbindung

    Kausaler Zusammenhang ist eine nützliche Interpretation, ein hilfreiches Ordnungsschema zum Sortieren unserer Wahrnehmungen. Der Begriff setzt damit stets mindestens ein Subjekt voraus, das wahrnimmt und interpretiert.

    …des Subjekts, die erkanntermaßen oder anerkanntermaßen erforderlich ist, wenn es um Theorie und Wissen geht, begründet den Konstruktivismus.

    BTW, wenn Herr Honerkamp als Wissenschaftler subjektive Wirklichkeiten unbeachtet lässt, und die nicht-subjektive Wirklichkeit als Realität (“Sachlichkeit”) benennt, ergibt sich vermutlich -bei einer anderen Sprachlichkeit- der Konsens mit dem Konstruktivisten (der ebenfalls wenig Interesse hat, subjektive Wirklichkeit zu bearbeiten, was dagegen den Relativisten interessierte).

    ‘Kein ernsthafter Naturwissenschaftler ist m.E. Konstruktivist; allenfalls sagt er es so, weil sich das cool anhört.’ scheint wohl, sollte es keine nackte Befindlichkeitsäußerung gewesen sein, auf dem Missverständnis zu beruhen, dass der Konstruktivist die Existenz der Außenwelt, die vom Subjekt unabhängige Existenz der Welt ablehnt.

    MFG
    Dr. W

  44. Milchmädchen-Plural

    Christian Hoppe schrieb (19.09.2013, 12:53):
    > […] dass das menschliche Bewusstsein Erkenntnisse aus Weltzeiten gewinnen kann, in denen noch gar kein Bewusstsein existierte.

    Was macht irgendwelche dabei gemachten Aussagen zu “Erkenntnissen“? —
    Die Forderung, dass die Gegenstände der betreffenden Aussagen (z.B. “Dinge, die in vergangenen Weltzeiten vorhanden waren”) diesen Aussagen selber zugestimmt hätten, falls sie Bewusstsein gehabt hätten.

    > […] Die Welt zeigt sich.
    > Uns.

    Jedem Einzelnen zeigt sich die Welt abgesehen von demjenigen selbst.
    Sogar jedem SciLog-Kommentator.

  45. @ Wappler

    (…) dass das menschliche Bewusstsein Erkenntnisse aus Weltzeiten gewinnen kann, in denen noch gar kein Bewusstsein existierte. (Hoppe)

    Was macht irgendwelche dabei gemachten Aussagen zu “Erkenntnissen“? —
    Die Forderung, dass die Gegenstände der betreffenden Aussagen (z.B. “Dinge, die in vergangenen Weltzeiten vorhanden waren”) diesen Aussagen selber zugestimmt hätten, falls sie Bewusstsein gehabt hätten.

    Hier wird’s affig, oder?

    MFG
    Dr. Webbaer

  46. Konstruktivismus

    Wenn zwei Beobachter in verschiedenen Bezugssystemen einen Vorgang in einem dritten Bezugssystem beobachten, dann sehen sie (sofern sie sich gegeneinander bewegen) beide etwas verschiedenes – andere Abstände, andere Energien, andere Impulse, andere Zeitdauern. Das sagt uns die Relativitätstheorie, und das ist vielfach bestätigt. Niemand zweifelt daran. Wenn aber jeder etwas anderes sieht, gibt es keine objektive Welt ausserhalb der Beobachter. Die würde in einem ausgezeichneten Bezugssystem stattfinden, das nach der Theorie verboten ist. Folglich kann es aus logischen Gründen nur subjektive Welten geben. Wenn dann verschiedene Beobachter eine einheitliche Beschreibung der Welt abgeben wollen, müssen sie sich einigen, von welchem Bezugssystem aus die Welt betrachtet wird. Alternativ können sie sich einigen die Ergebnisse der Betrachtung jeweils umzurechnen. Eine Einigung macht keine Schwierigkeiten. Man kann – nachdem das Reizwort „subjektiv“ gefallen ist, eine solche Absprache Konstruktivismus nennen, oder ihr den Namen irgend eines anderen Denkschemas geben. Die Tatsache ist, dass es die verschiedenen Welten der Beobachter subjektiv genannt werden müssen, wird dadurch nicht aus der Welt geschafft.
    Grüsse Fossilium

  47. @ Fossilium

    Wenn Beobachter bezugssystemabhängig Verschiedenes sehen, dies aber theoretisiert und sozusagen verstanden ist, liegt natürlich aus Sicht des Super-Beobachters oder Physiklehrers keine unterschiedliche Welt (für Honerkamp: Realität) vor.

    Sie haben sich da in etwas verrannt.

    MFG
    Dr. W

  48. @Fossilium: Phänomenalismus + Konstrukt.

    Richtig: Wenn man die Welt der Phänomene als die reale Welt hält, dann erschafft allein schon die Relativitätstheorie verschiedene Welten.

    Eine einfache Abbildung führt aber die Welt des einen Beobachters in die Welt des anderen über.

    Der Konstruktivismus stellt nun die These auf, solche Abbildungen , ohne die wir die Welt gar nicht erkennen können, würden uns die Erkennntis der Realität/Wirklichkeit verwehren. Die Folgerung sei, dass es immer nur eine konstruierte Realität gäbe und keine “wirkliche” Realität.

    Mein Einwand dagegen: Transformationen und Sinnesreizvearbeitungen sind tatsächlich unverzichtbar für unser Gehirn und sogar für jede physikalsiche Apparatur. Doch diese Transformationen haben meist relativ gutartige Eigenschaften und bilden die Realität in berechenbarer und “getreuer” Weise ab.
    Das ist eben der Irrtum des Konstruktivismus: Er glaubt, was die Menschen erleben müsse mit der Realität so wenig zu tun haben, könne so verzerrt sein, dass man von einer Realität gar nicht mehr sprechen könne.

    Ein Irrtum, der sich erstaunlich lang hält und hielt in der Philosophenszene. Ich tippe mal darauf, dass man das psychologisch erklären kann und dass Konstruktivisten Grossstädter sind, die unter Entfremdung und Realitätsverlust leiden (vielleicht ein Fall für den Psychiater?).

  49. Herr Holzherr

    Der Konstruktivismus stellt nun die These auf, solche Abbildungen , ohne die wir die Welt gar nicht erkennen können, würden uns die Erkennntis der Realität/Wirklichkeit verwehren. Die Folgerung sei, dass es immer nur eine konstruierte Realität gäbe und keine “wirkliche” Realität.

    Der Konstruktivist stellt einerseits die Ausschnittsartigkeit der Welt fest, wie sie sich dem Subjekt ergibt, und betrachtet andererseits die Feststellung dessen, was ist, als Arbeitsleistung des Subjekt, als Konstrukt, als Zusammengebautes.

    Wobei dem vollständigen Erkennen der Welt durch das Subjekt dadurch sozusagen: vorgebaut ist, dass es selbst bei einer Allmacht bezogen auf seine Welt nicht ausschließen kann, zwiebelförmig und unbemerkt von anderer Welt und Einflussnahme umgeben zu sein. Wir vergleichen hier auch mit dem Paradox oder dem scheinbaren Paradox des allmächtigen Gottes (der mancher Primat zumindest dem Anschein nach gerne sein mag).

    Nie würde ein (ordentlicher) Konstruktivist behaupten, dass es keine alleinige und somit keine einzige Welt (für Sie und Honerkamp, aus welchen Gründen auch immer: Realität (“Sachlichkeit”)) gibt.
    Denn für diese Behauptung würde bereits, Sie werden es ahnen, Wissen benötigt, das, wie auch oben beschrieben, nicht konstruiert werden kann.

    MFG
    Dr. W

  50. @Dr. Webbaer: Skeptizismus hoch 3

    Sie schreiben:

    “Nie würde ein (ordentlicher) Konstruktivist behaupten, dass es keine alleinige und somit keine einzige Welt gibt.
    Denn für diese Behauptung würde bereits, Sie werden es ahnen, Wissen benötigt,..”

    Mit andern Worten: “Der Konstruktivist weiss nicht einmal ob es nur eine, mehrere oder gar keine Welt gibt, denn im Grunde weiss der Konstruktivist praktisch nichts über die Welt (was immer das ist)”

  51. Herr Holzherr

    , Herr Holzherr, der Konstruktivist weiß nichts, weil er konstruiert und Konstrukte wie Theorien wie in deren Gesamtmenge die Erkenntnis (vs. Wissen) und die um die Erkenntnis bemühte Veranstaltung (‘Kenntnis’, ‘Scientia’) sozial verwaltet oder verwaltet sieht, Herr Holzherr.

    Um Einzel-Konstrukte wird dabei aber auch gestritten, sogar oft recht zäh, aber eben nicht in Beruf auf ein Wissen.
    Die (bevorzugt: moderne) Wissenschaftlichkeit wird denn auch von ihm per Glaubensentscheid angenommen. [1]

    Der Konstruktivist weiss nicht einmal ob es nur eine, mehrere oder gar keine Welt gibt, denn im Grunde weiss der Konstruktivist praktisch nichts über die Welt (was immer das ist)

    Der Konstruktivist weiß nicht, sondern arbeitet nach bewusstem Entscheid mit Konstrukten. So ist auch die allgemeine Gesamtheit des Seins, die Welt, ein Konstrukt, das er angenommen hat, wie auch die Welten des Geistes.

    Es ist klug anzunehmen nicht zu wissen, ob es mehr als eine Natur-Welt gibt, sogar anzunehmen, dass es nur eine gibt, weil sich mehrere nicht offenbart haben.
    Von den Geisteswelten einmal abgesehen, btw: auch eine Geisteswelt kann eine Naturwelt sein, aber man wird sich weltübergreifend wohl nicht so gut verstehen, als Subjekt.
    >:->

    Im Gegensatz zu Ihrem Getröte, hat der Konstruktivist eben passend zusammenengebaut, was nicht schlecht sein muss. Das bevorzugt im d-sprachigen Gebrauch gepflegte Konzept des Wissens ist irreleitend. [2]

    MFG
    Dr. W

    [1] im konstruktivistischen Sinne Ablehnende betreiben denn auch aus seiner Sicht Esoterik, treffen sich bei “Fliege” im Fernsehen oder publizieren wie “Blume”

    [2] funktioniert aber in tautologischen Systemen, die den Eigenschaftenwert ‘wahr’ kennen – irgendwie ist man im bezeichneten Raum ungünstig gesprungen; bspw. der Orientale grunzt hier nur

  52. Hier wird’s mehrzellig!

    Fossilium schrieb (20.09.2013, 10:42):
    > Wenn zwei Beobachter in verschiedenen Bezugssystemen einen Vorgang in einem dritten Bezugssystem beobachten, dann sehen sie (sofern sie sich gegeneinander bewegen) beide etwas verschiedenes – andere Abstände, andere Energien, andere Impulse, andere Zeitdauern. Das sagt uns die Relativitätstheorie

    Distanzen, Dauern, Geschwindigkeiten (bzw. Werte β), Energien, Impulse sind Messwerte.
    Die sieht man nicht irgendwie, und jeder Beteiligte für sich; sondern die misst man, in gegenseitigem Einvernehmen der Beteiligten am jeweiligen “Vorgang“, die ihre jeweiligen zur Anwendung eines Messoperators erforderlichen Beobachtungsdaten beitragen.

    Das sagt uns die Relativitätstheorie.

  53. @ Wappler

    Die sieht man nicht irgendwie, und jeder Beteiligte für sich; sondern die misst man, in gegenseitigem Einvernehmen der Beteiligten am jeweiligen “Vorgang”, die ihre jeweiligen zur Anwendung eines Messoperators erforderlichen Beobachtungsdaten beitragen.

    Nur, weil Ihnen das “nicht ganz” klar zu sein scheint und Sie sich seit JAHREN hier einen hochholen:
    Ein Messen oder Bemessen eines Phänomens ist immer letztlich das Handhabe oder der Griff -auf dieses Biotop bezogen- eines Primaten.

    Sie können sich gerne diesen Vorgang als verlängernd vorstellen, es ist aber keinesfalls so, dass derart die subjektive Handhabung wie Begrifflichkeit verlassen wird.

    MFG
    Dr. W

  54. E.W.’s friend Clarance’s girlfriend Judy

    Dr. Webbaer schrieb (20.09.2013, 14:14):
    > Ein Messen oder Bemessen eines Phänomens ist immer letztlich das Handhabe oder der Griff -auf dieses Biotop bezogen- eines Primaten.

    In Gedankenexperimenten gesteht man aber auch allen Bär-Artigen zu, sich (ebenfalls) an deren Stelle gesetzt denken zu können.

    Und ohne gedanken-experimentelle Grundlage keine experimentellen Messwerte (und erst recht keine Abschätzung von entsprechenden Vertrauensbereichen).

  55. @ Wappler

    Laufen Sie eigentlich noch frei herum?

    Wie kann man nur derart den Nachrichtenaustausch suchen, wenn die Nachricht regelmäßig dem Output eines Nacktmulls entspricht.

    Holzi, Fossie und so, die bringen noch was…

    MFG
    Dr. W

  56. @Fossilium

    – “Sie erklären uns darin, dass der Begriff „Wirklichkeit“ in der Physik nichts taugt […] Haben Sie sich damit selbst widerlegt ?” : Ich habe in dem Artikel bewusst von Fachsprache und Fachbegriffen der Physik gesprochen.
    – “Also spiegeln Ihre Modelle doch verschiedene Wirklichkeiten wieder ?” Ja, dass man davon reden kann, war doch gerade die Botschaft. Von vielen Welten habe ich nie geredet.
    – Im Artikel habe ich davon geredet: “nur solchen Dingen eine Wirklichkeit zuzusprechen, die in der Welt eine Wirkung ausüben können”. Wenn ich die Formulierung von einem Kommentator “was wirkt” im Kommentar aufgenommen habe, so meine ich natürlich, genau wie der Kommentator, nicht: “ständig wirkt”.
    – “Quanten müssen nicht logisch beschrieben werden”: Können Sie mir eine unlogische Folgerung in der Quantenmechanik nennen?
    – “dann bedeutet dass, dass diese Unbestimmtheiten Bestandteil aller Wirklichkeiten werden, sozusagen die ontologischen Bestandteile, dann ist es aus mit der Bestimmtheit all Ihrer Wirklichkeiten.” Nein! Die Unbestimmtheiten verlieren sich z.B. beim Übergang von der Quantenmechanik zur Klassischen Mechanik.
    – zu Ihrem Beitrag “Konstruktivismus”: Hier verstehe ich jetzt wenigstens, was Sie unter subjektiv in der Relativitätstheorie verstehen wollen. Ich verweise auf den nachfolgenden Kommentar von Dr. Webbaer und füge hinzu: Wenn alle Beobachter die Abhängigkeit bestimmter Messergebnisse vom Bezugssystem kennen und diese in Übereinstimmung in einander umrechnen können, dann kann man doch nicht von subjektiven Erkenntnissen reden.
    Ich vermute, Sie haben sich eigene Vorstellungen über die Begriffe “subjektiv”, “logisch” und “wirken” zurecht gelegt, und damit hat man natürlich Verständnisschwierigkeiten.

  57. Schopenhauer etc. / @Josef Honerkamp

    »Ich gehe immer von einer solchen unabhängig vom Menschen existierenden Außenwelt aus …«

    Daran erweist sich bei genauerer Betrachtung bereits der Begriff Aussenwelt als problematisch. Sie kommen ja nicht umhin, sich selbst als ein physisches Wesen und somit als einen Teil dieser physischen Aussenwelt zu begreifen. Eine physische Abgrenzung zwischen der Aussenwelt und einer davon zu unterscheidenden, subjektiven Innenwelt finden Sie indes nirgends. Wohl oder übel müssen Sie dem in die Aussenwelt eigebetteten Wesen, in dem Sie sich slbst erkennen, jene innenweltliche Perspektive zuschreiben, aus der heraus Sie andererseits eine vom Betrachter abgegrenzte Aussenwelt beschreiben wollen.

    Kurz gesagt, Sie befinden sich gegenüber der Aussenwelt sowohl in der Rolle des Bescheibenden, als auch in der eines Bestandteils des Beschriebenen. Oder mit Douglas Hofstadters Worten, Sie sind eine seltsame Schleife. Und eben das scheint vorweggenommen auch bei Schopenhauer auf. Mehr zu Hofstadter und Schopenhauer findet sich auch hier:

    Gerlach, J. (1988). Gödel-Theorem und Kuhlenbeck-Paradox. Naturwissenschaften, 75(8), 393-398. [DOI 10.1007/BF00377815]

  58. @Chris

    Ja, dieses Problem habe ich schon einmal in meinem Beitrag “Innenwelt und Außenansicht” vom 12.6.2010 angesprochen. Vielen Dank für den Hinweis auf den interessanten Artikel von Gerlach. Ich denke, solange ich mich nicht mit dem Bewusstsein beschäftige, kann ich ohne Probleme die Welt als ein Gegenüber betrachten, und der Erfolg der Naturwissenschaften zeigt das auch. Schwierig wird es eben in der Philosophie des Geistes. Die Frage ist, ob es mehr zu verstehen gibt als Korrelationen zwischen Gehirn- und Bewusstseinszuständen.
    P.S. Bin nun ‘mal weg für eine Woche

  59. Ausgerechnet (Bananen)

    Josef Honerkamp schrieb (20.09.2013, 21:46):
    > Wenn alle Beobachter die Abhängigkeit bestimmter Messergebnisse vom Bezugssystem kennen und diese in Übereinstimmung in einander umrechnen können […]

    Wenn bestimmte Beobachter ihre Beziehungen untereinander einvernehmlich und für alle anderen gleichermaßen (als sogenannte “Invarianten”) nachvollziehbar bewerten, dann nennt man diese Resultate ihrer Bewertungen “Messergebnisse“.

  60. @Josef Honerkamp

    Ohne hier ein Randthema übermässig strapazieren zu wollen, eine Bemerkung dazu möchte ich gerade noch anbringen.

    Die zitierte Aussage Schopenhauers. dass “überhaupt kein Objekt ohne Subjekt sich ohne Widerspruch denken läßt,” würde ich nicht als Vorbehalt gegen die Möglichkeit der Erlangung von intersubjektiver Erkenntnis sehen wollen, sondern vielmehr als Betonung der konstituierenden Rolle von Subjekten für den Erkenntnisprozess. Empirisches Erkennen hat insofern immer den Aspekt einer Konstruktion, als dabei stets aus einem (im weitesten Sinne) sensorischen Input eine Vorstellung erstellt wird, sodass darin der Ursprung dieses sensorischen Inputs identifiziert wird.

    Eine logische Rechtfertigung dafür zu geben, dass man auf diesem Wege zu empirischen Wahrheiten gelangen könne, die im Ergebnis unabhängig von der methodischen Beteiligung erkennender Subjekte gültig sind, war ja auch ein programmatischer Punkt des Logischen Empirismus. Und es war insbesondere Popper, der dann berechtigt darauf hingewiesen hat, dass dies nicht funktionieren kann.

  61. Wobei Popper

    , aus welchen Gründen auch immer, eine Welt-3 pflegte.

    Und wobei derjenige, der das Bemühen um Wissen als soziale Veranstaltung von Primaten versteht, immer eine Gemeinschaft von Primaten meint, die sich eine Sprache teilen.

    Irgendwie mag Popper das so gemeint haben, das mit der dritten Welt irritierte ein wenig.

    MFG
    Dr. W (der auch nicht weiter strapazieren möchte, diese Frage aber – ‘Die Frage ist, ob es mehr zu verstehen gibt als Korrelationen zwischen Gehirn- und Bewusstseinszuständen.’ – als wenig interessant betrachtet, weil per se unverständlich)

  62. Konstruktivismus als a Priori Haltung

    Die konstruktivistische Haltung macht die Erkenntnisgewinnung als Erkenntniskonstruktion zum Hauptproblem und zur Ursache, warum es eine äussere Welt – eine Welt ohne Erkenntnissubjekt – nicht geben kann.

    Das scheint mir ein a priori Ansatz, eine Philosophie also, die sich gar nicht um einzelne Tatsachen, Beobachtungen und Schlüsse kümmern muss, sondern die von vornherein ein unlösbares Problem erkennnt, indem sie die zur Erkennntnis nötigen Konstruktionsvorgänge als nicht intelligibel postuliert.

    Doch gerade Physiker und Naturwissenschaftler sind ja mit Konstruktionen vertraut, nämlich mit dem eventuell sehr komplizierten Aufbau ihrer Versuchsanordnungen, in denen Messvorgänge stattfindenn. Solche Aufbauten werden oft bis in die letzten Details analysiert – müssen sogar analysiert werden, denn das Problem der überlichtschnellen Neutrinos, das kürzlich eine CERN-Forschungsgruppe plagte, kann in ähnlicher Form fast jede Versuchsanordnung treffen, in der Präzisionsmessungen gemacht werden.

    Doch in der Physik hat sich für viele solche Messprozedere ein grosses Vertrauen herausgebildet. Man versteht den Messvorgang und kennt die potenziellen Fehler. Die Konstruktion der Erkenntnis ist nachvollziehbar. Wenn die konstruktivistische Skepsis gerechtfertigt ist, dann höchstens generell für alle Forscher zusammen, nicht aber für den einzelnen Forscher, das einzelne Subjekt, welches sich mit anderen Subjekten austauscht. Denn die Reproduzierbarkeit der Messungen durch andere Forscher oder gar durch Automaten bedeutet ja, dass sich nicht die einzelnen Forscher systematisch irren können, sondern höchstens alle zusammen. Einen Irrtum über den Aufbau der Welt könnte es also nur geben, wenn allen Forschern und überhaupt allen Menschen und den von ihnen verwendeten Messapparaturen und Sinnesorganen die gleiche Illusion vorgespielt würde.

  63. Konstruktivismus

    Die konstruktivistische Haltung macht die Erkenntnisgewinnung als Erkenntniskonstruktion zum Hauptproblem und zur Ursache, warum es eine äussere Welt – eine Welt ohne Erkenntnissubjekt – nicht geben kann.

    Der K. versteht das Bemühen um Wissen als soziale Veranstaltung von Primaten und nimmt keineswegs an, dass ‘es eine äussere Welt – eine Welt ohne Erkenntnissubjekt – nicht geben kann’.
    Sie wäre nur unter der genannten Prämisse unbeschrieben und unbeschreibbar.

    Ausgerechnet dem K. mit A Priori zu kommen…

    MFG
    Dr. W

  64. Vollständig subjektiv und doch gleich

    Reproduzierbarkeit bedeutet konstruktivistisch gesehen ein sozialer Konsens, der nichts mehr ist als eben ein Konsens und der damit über die äussere Welt selbst nichts aussagt, sondern nur etwas über die von verschiedenen Subjekten geteilte Weltsicht.

    Nur so lässt sich die Hauptaussage des radikalen Konstruktivismus mit der Realität der Physiker und Naturwissenschaftler vereinbaren (Zitat): ” Die Kernaussage des radikalen Konstruktivismus ist, dass eine Wahrnehmung kein Abbild einer bewusstseinsunabhängigen Realität liefert, sondern dass Realität für jedes Individuum immer eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung darstellt. Deshalb ist Objektivität im Sinne einer Übereinstimmung von wahrgenommenem (konstruiertem) Bild und Realität unmöglich; jede Wahrnehmung ist vollständig subjektiv.”

    Und worauf läuft das hinaus: Auf die Welt als Matrix, der in der Verfilmung einer der dümmsten Filme ist, die es meiner Ansicht nach gibt.

  65. Herr Holzherr

    , nun fassen Sie sich bitte erst einmal:

    Reproduzierbarkeit bedeutet konstruktivistisch gesehen ein sozialer Konsens, der nichts mehr ist als eben ein Konsens und der damit über die äussere Welt selbst nichts aussagt, sondern nur etwas über die von verschiedenen Subjekten geteilte Weltsicht.

    Warum packen Sie die ‘Reproduzierbarkeit’ aus? Warum kommen Sie mit dem ‘Konsens’ (der Konstruktivist ist kein Konsens-Sucher)? Und eher nebensächlich gefragt: Warum sagt die ‘Reproduzierbarkeit’ I.E. über die (äussere) Welt nichts aus?

    Schreiben Sie am besten deutlich, gleich mit dem ersten Absatz Ihrer Nachricht (der ist wichtich, wir beachten auch das Sequenzielle üblicher Nachrichtenfolgen [1]) beginnend, was Sie aussagen wollen.

    MFG
    Dr. W

    [1] wobei nichts gegen eine Strukuriertheit der hiesigen Kommentarbereiche spräche, im Web wird bekanntlich selektiv konsumiert, hier könnte dem Leser und potentiell Kommentierenden geholfen werden – Filter wären auch nicht schlecht, ansonsten bleibt das Subjekt womöglich angeleitet/induziert auch auf Niederrangiges einzugehen

  66. Klammeräffchen-Anordnung

    Martin Holzherr schrieb (24.09.2013, 14:49):
    > Man versteht den Messvorgang

    Eben.

    > und kennt die potenziellen Fehler.

    Von vornherein kenntlich wäre ein bestimmter Fehler insbesondere:
    dass der Messvorgang bzw. -operator, den man versteht (und allen anderen nachvollziehbar mitteilen bzw. anordnen kann), gar nicht gewissenhaft eingesetzt würde.

  67. @Dr.Webbaer: Wer ist hier undeutlich

    Sie schreiben:
    “Der K. versteht das Bemühen um Wissen als soziale Veranstaltung von Primaten “ Gleichzeitig bestreiten sie, dass für den Konstruktivisten geteiltes Wissen auf Konsens beruht und nicht auf der grundsätzlich unmöglichen Realitätserkennung.

    Dazu folgendes:
    1) Von Primaten (Zitat:“soziale Veranstaltung von Primaten”) lese ich nichts bei den Vertretern der Konstruktivisten
    2) Der Kerngedanke des radikalen Konstruktivismus ist der, dass wir nicht die Realität erkennen, sondern nur etwas Neuronales womit jede Realitätsbeschreibung wie sie von den Naturwissenschaftern gemacht wird, nur dann zum gleichen Ergebnis führen kann, wenn die Konstruktionsvorgängen letztlich die gleichen sind. Und das nenne ich Konsens, denn mehr kann es ja nicht sein, weil es eine objektive Welt ja laut Konstruktivisten nicht gibt.

    Letztlich geht es mir hier darum, eine Brücke zu schlagen zwischen dem, was uns Herr Honerkamp hier über verschiedene (Zitat)“Beschreibungsebenen” erzählt und zwischen der konstruktivistischen Sicht, dass es hinter den Beschreibunsebenen gar nichts mehr gibt. Denn alles bleibt in konstruktivistischer Sicht Beschreibung und es gibt nichts darüber hinaus.

  68. Herr Holzherr

    “Der K. versteht das Bemühen um Wissen als soziale Veranstaltung von Primaten ” [ZITAT, Dr. W] Gleichzeitig bestreiten sie, dass für den Konstruktivisten geteiltes Wissen auf Konsens beruht und nicht auf der grundsätzlich unmöglichen Realitätserkennung.

    Nur zum ersten Absatz Ihrer letzten Nachricht: Für den K. basiert das Wissen nicht auf allgemeinen Konsens, sondern er ist mit der modernen Wissenschaftlichkeit kompatibel. D.h. angemessene Theoretisierung wird für ihn nicht demokratisch gesucht, sondern obliegt den Fachkräften. Wobei nichts gegen eine gelegentliche interdisziplinare Unterstüzung spricht, auch nichts gegen einen allgemeinen ergänzenden Diskurs, der nahe Politika beleuchtet.

    Ihr Kommentatorenfreund schrieb, dass der K. kein ‘Konsens-Sucher’ sei; nichts stand weiter oben davon, dass die (niemals endende) Konsensfindung (bevorzugt auch: durch Fachkräfte) grundsätzlich abgelehnt wird.

    Sie müssen nachrichtennah argumentieren.

    Der K. ist -noch einmal bestätigend- mit der modernen Wissenschaftlichkeit kompatibel, und das wüssten Sie auch, wenn Sie den Ihnen angebotenen Webverweisen [1] ausreichend gefolgt wären.


    Klar, im politisch Praktischen hat man es oft mit ebenfalls konstruktivistischen [2] Gourmet-Denkern aus dem existentialistischen/relativistischen Lager zu tun, die in der Tat so ziemlich alles zu versauen in der Lage sind, was der Primat je herausgefunden hat.
    An diese Liga wollen wir nicht.

    MFG
    Dr. W

    [1] bspw. der hiesige Joachim Schulz hat hierzu ein wenig geschrieben
    [2] jene Konstruktivisten machen eigentlich auch wenig falsch, denn Begrifflichkeiten wie Theoretisierungen sind quasi ins Unendliche zu “dekonstruieren”, Mme Butler ist hier eine “Künstlerin”, aber das geht eben von der Wissenschaftlichkeit weg und verliert sich in quasi unendlicher Granularität

  69. Herr Holzherr,

    die Frage ob es eine geistunabhängige Welt gibt oder nicht, wird wohl rational nicht entschieden werden können. Darauf kommt es m.E. auch nicht an. Die Physik sagt darüber nichts aus. Sie muss aus methodischen Gründen voraussetzen, dass es sie gibt, und dass sie ausschnittweise (als Wirklichkeit) direkt beobachtet werden kann. Das Problem ist, wie ich diese geistunabhängige Welt als Ganzes (Beobachtetes und nicht-Beobachbares) beschreiben kann.

    Denn den direkt beobachteten Ausschnitt sieht jeder Beobachter verzerrt, und überlagert man die Räume der Beobachter, dann entsteht gemeinsamer Raum, in dem die Konturen der beobachteten Objekte und die gemessenen Zeitdauern unscharf sind. Man muss dann ein für alle Beobachter anzuwendende Regel finden, um die Konturen scharf zu machen, was aber kein Problem sein dürfte. Durch diese Regel wird die beobachtete Welt zu einer vereinbarten. Ist sie in diesem Sinne dann eine konstruierte ? Ich glaube nicht – man verwendet nur ein abgesprochenes Bezugssystem zur „Konturenschärfung“.

    Das Problem beginnt bei den nicht direkt beobachtbaren Objekten dieser Welt. Man muss aus direkten Beobachtungen auf diese rückschliessen, dabei hilft eine Theorie (formalisierter Zusammenhang zwichen beobachtbaren Grössen). In der Regel führen solche Rückschlüsse zu einem gedachten, ebenfalls formalisierten Modell mit idealisierten Objekten. Das Modell soll im Prinzip die geistunabhängige Welt ausschnittweise wiederspiegeln. Diese Spiegelung ist umso genauer, je konsistenter die modellierte Welt aufgebaut ist und umso genauer sich Geschehnisse in der Wirklichkeit im Modell simulieren lassen. Man gewinnt so keine Erkenntnisse über die Realität direkt, sondern zunächst über das Modell, welches ein immer bessers Abbild der geistunabhängigen Welt darstellen soll. Insofern sind Quanten und Felder Modellobjekte und keine Realobjekte. Mit diesem Unterschied nehmen es physikalische Beschreibungen meistens nicht so genau, was zur Verwirrung beiträgt.

    Die geistunabhängige Welt kann nicht direkt beschrieben werden, auch wenn sie als existent vorausgesetzt wird. Aber wir erhalten durch gute Modelle eine näherungsweise Beschreibung
    (wie nah sei dahingestellt).

    Können Sie mit dieser Beschreibung des Erkenntnissprozesses (Erkenntnisse über die geistunabh. Welt) konform gehen ?

  70. @Fossilium: Felder sind real

    Alle Objekte, denen Energie im physikalischen Sinn zugeschrieben werden kann, sind materielle Objekte und damit mehr als nur Modellobjekte.
    Wenn Sie schreiben:“Insofern sind Quanten und Felder Modellobjekte und keine Realobjekte. Mit diesem Unterschied nehmen es physikalische Beschreibungen meistens nicht so genau, was zur Verwirrung beiträgt.”, so irren sie sich also. Bunge&Mahner gehen übrigens in Ihrem Buch “Die Natur der Dinge” genau auf Felder ein und zeigen, dass sie materielle Objekte sein müssen, weil sie Energie besitzen. Es sind natürlich auch die von Ihnen genannten nichtmateriellen Modellobjekte in einer physikalischen Theorie denkbar, also Objekte, die nur als Konstrukte dienen, nicht aber real existieren. Quanten und Felder sind aber keine Konstrukte. Sie sind real.

  71. @Senf: Zahlen sind nicht materiell

    Interessanterweise haben Philosophen und Intellektuelle oft Schwierigkeiten zwischen real und fiktiv zu unterscheiden. Doch gewöhnliche Menschen haben hier keinerelei Mühe, wie ich mit folgendem Beispiel klar machen will: Wenn jemand die Polizei oder eine andere Beschwerdeinstanz anruft mit der Klage am Burgplatz (z.B. in Wien) sei die Intensität der “Handystrahlen” besonders intensiv, dann wird – falls ihre Beschwerde ernst genommen wird – eine Messequipe an den Burgplatz geschickt, wenn sie sich aber beklagen, am Burgplatz störe ihn und wohl auch alle dandern die Zahl 666, die als fettes Gebilde sich zwischen der Menschenmenge hindurchzwänge, dann schickt man ihnen die Ambulanz, welche sie in die nächste Psychatrie einweist. So einfach ist das im Alltag.

  72. Herr Holzherr,

    Mit welcher Berechtigung bezeichnen Sie Quanten und Felder als real ?

    Wir sind uns sicher einig darin, dass dies zunächst gedachte Objekte sind, also Modellobjekte, auf deren Existenz aus Messungen geschlossen wurde. Aus der Tatsache, dass vom Modell, in dem diese Objekte agieren, unter bestimmten Randbedingungen die gleichen Ereignisse vorhergesagt werden, wie sie dann unter den realisierten Randbedingungen in der Wirklichkeit auftreten, schliesst man, dass das Modell mit der Wirklichkeit übereinstimmt, d.h. dass die Realität dem Modell 1:1 entspricht. Der Weg der Erkenntnis von dem, was real ist, führt immer über ein Modell. Oder sehen Sie dies anders ?

    Die Objekte aus dem Modell 1:1 in die Wirklichkeit zu übertragen, führt aber zu Problemen. Das ist auch der Fall, wenn Sie die Objekte über Schlussfolgerungen aus den Messergebnissen direkt in die Realität plazieren.

    Denn Felder und Quanten lassen sich nicht anschaulich beschreiben. Sie sind daher unbestimmt. Die Tatsache, dass sie Energie haben, bestimmt sie nicht, denn Energie ist nur ein anderes Wort für Wirkfähigkeit, und die Tatsache, dass diese Objekte zur Wirkung fähig sind, ist trivial, bestimmt sie also auch nicht.

    Innerhalb des Modells ist die Anschaulichkeit nicht nötig, da die Objekte formal bestimmt sind.

    Es geht mir hier um die Frage, wie beschreibe ich das nicht-direkt Beobachtbare, also die Welt ausserhalb der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit. Das Wort „konstruieren“ möchte ich vermeiden, obwohl Schlussfolgerungen aus dem, was wir beobachten, natürlich immer Konstruktionen im weitesten Sinne sind.
    Grüsse
    Fossilium

  73. Energieproblem / @Martin Holzherr

    »Alle Objekte, denen Energie im physikalischen Sinn zugeschrieben werden kann, sind materielle Objekte und damit mehr als nur Modellobjekte.«

    Dazu müsste man freilich noch wissen, was Energie im physikalischen Sinne eigentlich ist.

    It is important to realize that in physics today, we have no knowledge what energy is.

    Richard Feynman, in The Feynman Lectures on Physics (1964) Volume I, 4-1

  74. @Fossilium: Felder sind real

    Die Frau die ihren Hund in der Mikrowelle getrocknet hat, hat elektromagnetische Felder – Mikrowellen – benutzt. Dass Felder auch Modellobjekte sind und in Modellen überhaupt erst bestimmte Eigenschaften erhalten, von denen zuerst noch bestimmt werden muss ob sie auch in der Realität existieren ist, ist uns auch in Alltagssituationen vetraut.

    Ihre Freundin mag zuerst einmal nur als Inernet-Bekanntschaft exisiteren. Treffen wollen sie sich aber mit ihr, weil sie davon ausgehen, dass sie real ist. Imaginierte Eigenschaften von ihr müssen sich in der Realität dann auch noch bestätigen. Wenn sie schreiben:
    “Es geht mir hier um die Frage, wie beschreibe ich das nicht-direkt Beobachtbare, also die Welt ausserhalb der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit.” dann müssen sie sich bewusst sein, dass das ständig passiert, weil das Denken sich beliebige fiktive Dinge ausdenken kann. Ihrer virtuellen Freundin, von der sie nur die EMail-Adresse besitzen können sie rote Haare andichten und bei einem gravitativen Feld können sie beispielsweise Interaktionen mit Objekten in höheren Dimensionen postulieren. Die Existenz der virtuellen Freundin und des gravitativen Feldes setzt aber die imaginierten Eigenschaften – rote Haare oder Interaktion mit höheren Dimensionen – meist nicht voraus, sondern begnügt sich mit einfacheren Beweisen. Dass ein Ding physikalische Energie besitzt ist ein starker Hinweis auf seine Existenz, denn diese Energie kann auf andere Objekte übertragen werden. Über die wirkliche Natur des Dings sagt das aber kaum etwas aus.

  75. @Chrys: Alles fliesst, alles berührt

    Von kaum etwas wissen wir, was es wirklich ist. Dies zu ihrem Zitat: “It is important to realize that in physics today, we have no knowledge what energy is.”

    Ein Ding existiert physikalisch, wenn es mit einem andern Ding – indirekt sogar mit mir – interagiert. Es gilt sogar: Wir wissen nicht nur nicht was Energie ist, wir wissen nicht einmal ob etwas Energie besitzt, solange wir nicht mit dieser Energie interagiert haben.

  76. Herr Holzherr

    Noch einmal zum Erkenntnisweg: der Weg über ein Modell scheint mir unumgänglich. Denn die Theorie beschreibt den Zusammenhang zwischen beobachteten Grössen immer nur näherungsweise. Schlussfolgerungen ergeben daher immer eine Vorstellung (ein Modell) mit idealisierten Objekten. Die Graviationstheorie sagt Messgrössen (Ort und Geschwindigkeit) voraus, die für Punktmassen gelten, nicht für Realobjekte, die Quantentheorie sagt Messgrössen (Energie) von Objekten voraus, die – je nach Versuchsbedingungen – als Ideal einer Welle oder eines Teilchens anzusehen sind. Man kann diese schlussgefolgerten Objekte daher nicht direkt in die Realität pazieren. Wir beobachten weder Punktmassen, noch ideale (ungestörte) Wellen oder (ausdehnungslose) Teilchen. Von letzteren beobachten wir sogar nur deren Wirkung auf ein Messgerät, und stellen uns mit einer gewissen Berechtigung vor, dass diese Wirkung ein Objekt ausgelöst hat, das wie das idealisierte Modellobjekt beschaffen sein muss. Wir bilden also immer ein Modell und die Realität aufeinander ab.

    Wenn wir den Umweg über das Modell nicht gehen wollen, müssen wir uns im Klaren sein, dass die geschlussfolgerten Realobjekte nur Idealisierungen sein können – aber Idealisierungen von was ? Die Behauptung, die aus den Messungen geschlussfolgerten Objekte würden unmittelbar in der Wirklichkeit existieren – das scheint mir etwas kühn zu sein.

  77. @Fossi:Alles sprechen ist idealisieren

    Insoweit hat der Konstruktivismus recht: Jeder Begriff ist eine Konstruktion, jedes Sprechen über ein Objekt bedeutet noch nicht, dass dieses Objekt existiert. Zudem setzt Denken Abstraktion voraus.
    Deshalb stimme ich ihnen bei folgendem zu:
    “müssen wir uns im Klaren sein, dass die geschlussfolgerten Realobjekte nur Idealisierungen sein können – aber Idealisierungen von was ?”

    Idealisierungen von was? fragen sie? Doch wohl Idealisiserungen von erlebten und erfahrenen Phänomenen, die wir dann mit geschlussfolgerten Realobjekten in Zusammenhang bringen.

    Nun kommt wieder ein Ausflug in den naiven Alltag. Sie schreiben:
    “Die Behauptung, die aus den Messungen geschlussfolgerten Objekte würden unmittelbar in der Wirklichkeit existieren – das scheint mir etwas kühn zu sein.”
    Ob die Objekte, für die wir etwas gemessen haben, für die unsere Messgeräte Energie aufgenommen haben, so in der Wirklichkeit existieren wie wir uns das vorstellen, wissen wir nicht. Da können wir uns auf vielfältige Art und Weise irren.
    Wenn unsere Messgeräte aber etwas messen, wenn sich auf dem Film ein Schatten zeigt, ein Photosensor anspricht, dann muss da auch etwas sein. Selbst wenn wir nicht wissen was es ist: Etwas muss da sein. Wenn es spukt, muss es etwas geben, das das Spuken verursacht.

  78. Herr Holzherr,

    Es geht ja in dem Beitrag von Herrn Honerkamp um die Frage „was ist wirklich“ ?

    Wenn Sie sagen, die Frau habe beim Hundetrocknen Mikrowellen verwendet, dann mag diese Beschreibung für praktische Zwecke taugen. Das habe ich auch nie bestritten. Modellvorstellungen sind äusserst prakisch.

    Wenn Sie das korrekt beschreiben wollten, müssten Sie sagen, hier hat die Wirkung eines Objektes stattgefunden, die der einer Welle meines Wellenmodells entspricht. Das ist für den Alltagsgebrauch aber viel zu mühsam. Aus praktischen Gründen nehmen wir Ungenauigkeiten, die beim Plazieren von Modellobjekten in die Realität entstehen, in Kauf, wir verarbeiten das damit verbundene Ungefähre mühelos zu verwertbaren Informationen.

    Wenn man aber zuverlässige Erkenntnisse über die geistunabhängige Welt behauptet – und Herr Honerkamp pocht ja immer darauf – dann kann man sich nicht auf Ungefähres berufen. Die Welle existiert eben nur im Modell. In der Realität existiert etwas, das sich wie die Welle in meinem Modell verhält. Über meine Modelle habe ich ein verlässliches Wissen, aber nicht über das, was tatsächlich existiert, das bleibt im Ungefähren.
    Aus physikalischer Sicht auf die Welt müsste sogar zwingend gefolgert werden: die Frage, was ist in der Realität tatsächlich vorhanden, lässt sich nicht beantworten, höchstens ungefähr, eben unzuverlässig.

    Es sei denn, man trifft eine Vereinbarung, was existieren soll. Das ist dann aber nicht verlässliches Wissen, sondern axiomatisch gesetzt, und muss am Anfang jeder Beschreibung genannt werden.

    Grüsse Fossilium

  79. Crys

    Energie im physikalischen Sinn ist ein Mass für die Wirkung, die ein Objekt oder eine Struktur auf ein anderes Objekt oder Struktur pro Zeiteinheit ausüben kann. Der Begriff ist deswegen unscharf, weil Wirkung in der Physik nur formal und nicht anschaulich (wie in der Alltagserfahrung) definiert wird. Es gibt noch ein anderes Mass für die genannte Wirkung, das ist der Impuls, der ist ein Mass für die Wirkung über einen Abstand hinweg. Ein Objekt mit der Masse m hat (nach formalem Grenzübergang) bei Lichtgeschiwindiglkeit die maximal mögliche Wirkung (E=mc2).
    Grüsse Fossilium

  80. Hefestück

    Fossilium schrieb (25.09.2013, 11:04):
    > Denn die Theorie beschreibt den Zusammenhang zwischen beobachteten Grössen immer nur näherungsweise.

    Man trübe nicht den deutlichen Unterschied zwischen

    – “(Mess-)Größen” (also wie/welche quantitativen oder qualitativen Bewertungen einvernehmlich aus den Beobachtungsdaten der diversen Beteiligten gewonnen werden sollen, was von Theorien ganz eindeutig und nachvollziehbar zu definieren ist, und deren Zusammenhänge ganz eindeutige Theoreme der jeweiligen Theorie darstellen;) und

    – “Messwerte, einschl. Angabe von Vertrauensbereichen” als auch entsprechende bestimmte oder näherungsweise “Erwartungswerte”, die von verschiedenen Modellen mehr oder weniger vollständig und exakt zusammengefasst werden können.

    > Die Graviationstheorie sagt Messgrössen (Ort und Geschwindigkeit) voraus,

    Nö: Vorhersagen von bestimmten Messwerten, z.B. von Messgrößen, die geometrische Beziehungen betreffen, werden von Modellen (der Kosmologie, Astronomie, Astrophysik, usw.) gemacht; insbesondere von den jeweiligen Standard-Modellen.

    p.s.
    Was thematisch spätestens seit 1916 (voran-)treibt:

    Alle unsere zeiträumlichen Konstatierungen laufen stets auf die Bestimmung zeiträumlicher Koinzidenzen hinaus. […] Auch die Ergebnisse unserer Messungen sind nichts anderes als die Konstatierung derartiger Begegnungen materieller Punkte

  81. Leerzeichen

    Frank Wappler schrieb (25.09.2013, 12:57):
    > Was thematisch spätestens seit 1916 (voran-)treibt:
    > <blockquote><a href=“ http://www.physik.uni-augsburg.de/….pdf“>Alle unsere zeiträumlichen Konstatierungen laufen stets […]

    (In Ermangelung einer Kommentarvorschau bleibt (wirklich) nur die Kommentaransicht.)

  82. Kaum Unterschied zw. Physik und Alltag

    An die Wirklichkeit kann man sich immer nur herantasten. Sogar im Alltag. Was sich in Maggy Thatchers Handtasche verborg – ob es eine Pistole oder anderer Krams war – wusste man erst wenn man hineinschaute. Das Hineinschauen ist aber bei physikalischen Objekten nicht immer ohne weiteres möglich, womit man sich dann mit Messungen des Messbaren zufriedengeben muss und Hypothesen aufstellen kann wie diese Messgrössen zusammenhängen.
    Damit kann ich folgendem bis zu einem gewissen Grad zustimmen:
    (Zitat)“Über meine Modelle habe ich ein verlässliches Wissen, aber nicht über das, was tatsächlich existiert, das bleibt im Ungefähren.”

  83. Mehr Energie

    @Martin Holzherr: »Von kaum etwas wissen wir, was es wirklich ist.«

    Was Energie wirklich ist, hat Feynman nicht im geringsten bekümmert. Es ging ihm lediglich um Energie in physics, um eine generelle physikal. Begriffsbestimmung.

    »Wir wissen nicht nur nicht was Energie ist, wir wissen nicht einmal ob etwas Energie besitzt, solange wir nicht mit dieser Energie interagiert haben.«

    Nichts und niemand kann mit einer Energie interagieren, Energie interagiert nicht. [In physics, energy is a conserved extensive property of a physical system, which cannot be observed directly but can be calculated from its state.]

    Sind Sie sich wirklich sicher, dass Energie überhaupt existiert?

    @Fossilium: »Energie im physikalischen Sinn ist ein Mass für die Wirkung, die ein Objekt oder eine Struktur auf ein anderes Objekt oder Struktur pro Zeiteinheit ausüben kann.«

    Da die als Wirkung bezeichnete physikal. Grösse gemäss Energie × Zeit festgelegt wird, ist das schon richtig. Es gilt also, Energie ist Energie. Dem hätte sogar Feynman schwerlich widersprochen, aber hätte ihm das irgendwie weitergeholfen?

  84. @Chrys: Hat Energie Sonderstellung

    Gibt es in der Physik keine Grössen, von denen man ebenso wie von der Energie sagen kann, wir wissen nicht was es ist, wir kennen nur die Gesetze in denen die Grösse eine Rolle spielt?

    Der Beweis, dass ein physikalisches System Energie enthält ist für mich die Möglichkeit des Transfers von Energie in ein anderes System. Einer blossen Berechung der Energie eines Systems aufgrund seines Systemzustandes würde ich dagegen weniger vertrauen.

    Werden in der Pyhsik nicht viele Grössen über die Beziehungen, die sie in Gesetzen haben festgelegt? Nehmen wir die Newton’sche Kraft. Ist nicht das, was diese Kraft ist durch die newtonschen Bewegungsgesetze bestimmt? Was ist denn das Wesen der Newton’schen Kraft über das hinaus, was in den Newton’schen Gesetzen festgelegt ist?

  85. Chrys,

    Feynman hat sich, anders als Herr Honerkamp, über die metaphysische Bedeutung physikalischer
    Begriffe nie Gedanken gemacht, er mochte philosophische Überlegungen nicht. Die Definition von Energie als Wirkung pro Zeit ist auch keine Tautologie im physikalischen Sinn. Wirkung ist nämlich im Gegensatz zur Energie eine lorenzinvariante Grösse (bzw. sie kann formal leicht so definiert werden), d.h. messen zwei Beobachter in verschiedenen Bezugssystemen die Wirkung eines Objektes auf ein anderes in einem dritten Bezugssystem (z.B. durch Bildung des Produktes aus einem Messwert der Energie und der Zeit), dann erhalten beide den gleichen Wert. Man kann das auch so sagen: die physikalische Wirkung ist unabhängig vom Bezugssystem immer gleich gross, die Energie aber nicht. Wirkung ist also etwas anderes als Wirkfähigkeit, Energie steht nur für das Potential der Wirkung. Mit der Wirkung hat man natürlich auch ein Problem, weil sich nicht alles, was existiert, durch Wirkung äussert, wie z.B. die Strahlung. Die Physik sieht dies aber nicht so eng und Physiker verhaspeln sich daher leicht in einem schwammigen Existenzbegriff.
    Grüsse
    Fossilium

  86. Mehr Status

    Chrys schrieb (25.09.2013, 15:14):
    > [ http://en.wikipedia.org/wiki/Energy schrieb ]
    >
    [In physics, energy is a conserved extensive property of a physical system, which cannot be observed directly but can be calculated from its state.]

    Etwas weiter im dortigen Text steht übrigens sogar (etwas von) “closed system” …

    Das Wort “property ist dort allerdings nicht verlinkt (oder nicht mehr verlinkt. Zumindest in der Default-Version dieser Wikipedia-Seite; die Möglichkeit des User-spezifischen Verlinkens/Annotatierens besteht ja trotzdem).

    Aber es findet sich ohne Weiteres http://en.wikipedia.org/…roperty_(disambiguation)

    Physical property, any property that is measurable whose value describes a state of a physical system

    Demnach ist das, was gemessen wurde (oder zu messen wäre), werthaltig.
    (Hope this helps.)

  87. Chrys

    [In physics, energy is a conserved extensive property of a physical system, which cannot be observed directly but can be calculated from its state.]

    Energie ist nur für abgeschlossene Systeme mit geeigneter Wahl des Nullpunkts der Energie eine extensive Grösse. Da man nur Zeiten und Abstände direkt beobachten kann, kann man Energie tatsächlich nicht beobachten. Nach dieser Logik kann man fast gar nichts beobachten. Unter Beobachtung versteht man in der Physik im allgemeinen mehr als nur die sinnliche Wahrnehmung. Man sollte die dahin gesagten Äusserungen von Feynman nicht zum Mass aller Dinge machen.
    Grüsse
    Fossilium

  88. Fug und Recht

    Fossilium schrieb (25.09.2013, 16:19):

    [ … und an dieser Stelle füge ich zahlreiche weitere “</i>”s ein … ]

    > Unter Beobachtung versteht man in der Physik im allgemeinen mehr als nur die sinnliche Wahrnehmung.

    Weil man aber unter “Beobachtung” weithin bloße sinnliche Wahrnehmung versteht (allenfalls verbunden mit der selbstverständlichen Beurteilung von Reihenfolge oder Koinzidenz),
    schreibt man, sofern man mehr als nur die sinnliche Wahrnehmung meint, stattdessen sorgfältiger Weise “Messung” oder “Nachweis” oder “Entdeckung”.

  89. @Martin Holzherr, Fossilium

    @Martin Holzherr: Auch andere bedeutsame physikal. Konzepte entsprechen keinen direkt messbaren Grössen, denken Sie an die Entropie. Insofern hat die Energie sicherlich keine Sonderstellung.

    Hinsichtlich der Frage nach Realität ist doch jedenfalls bedenkenswert, dass bereits in der klass. Mechanik die Bewegung in einem Potentialkraftfeld äquivalent beschrieben werden kann durch eine geodätische (und mithin kräftefreie) Bewegung in einem gekrümmten Raum. Das gilt insbesodere für Newtons Gravitationskraft. Wie sollen wir da hoffen, das Wesen der Newtonschen Kraft zu erkennen, wenn die sich so einfach eliminieren lässt?

    @Fossilium: »Wirkung ist nämlich im Gegensatz zur Energie eine lorenzinvariante Grösse (bzw. sie kann formal leicht so definiert werden), …

    Die zur Bestimmung der Wirkung relevante Zeit ist die Eigenzeit einer Weltlinie, entlang der eine Bewegung erfolgt, nicht die Koordinatenzeit beliebiger Inertialsysteme. Die Eigenzeit ist Lorentz invariant, und wenn das berücksichtigt wird, kommt man auch zu einem Lorentz invarianten Ausdruck für die Energie (bzw. sie kann formal leicht so definiert werden). Wirkung wird im übrigen auch nicht gemessen, sondern nur berechnet. Das bringt so nichts Neues für den Energiebegriff.

    Wir haben es im Laufe der Diskussion mit zweierlei Wirkung zu tun, nämlich die gerade genannte (engl. action), und die aus dem Kontext von Kausalität (engl. effect). Ich hoffe, dass hier jeder noch weiss, wer wann von welcher Wirkung redet. Die beiden zu verwechseln bringt Unglück.

  90. Chris

    “Die zur Bestimmung der Wirkung relevante Zeit ist die Eigenzeit einer Weltlinie, entlang der eine Bewegung erfolgt, nicht die Koordinatenzeit beliebiger Inertialsysteme. “

    Versteh ich nicht. Was ist denn der Unterschied zwischen Eigenzeit und Koordinatenzeit ? Koordinatenzeit ist ein mir unbekannter Begriff.

    Lorenzinvarianz ist dagegen ein fester Begriff. Masse ist lorenzinvariant, Wirkung definiert als Produkt aus Energie und Zeit (gemeint sind die im jeweiligen Bezugssystem geltende Energie und Zeit) ebenfalls. Das Produkt aus Energie und Zeit ergibt in jedem Bezugssystem – aus einem beliebigen Bezugssystem heraus gemessen – immer den gleichen Zahlenwert. Messungen der Energie und von Zeitdauern in verschiedenen Bezugssystemen – vom gleichen Bezugssystem aus gemessen – ergeben am gleichen Vorgang unterschiedliche Messwerte. Das heisst: Wirkung ist lorenzinvariant, Energie und Zeitdauern nicht.

    Ein lorenzinvarianter Ausdruck für die Energie ist mir nicht bekannt.

    Spielt letzendlich auch keine grosse Rolle, zeigt nur, dass der Begriff Wirkung letztendlich physikalisch “mächtiger” ist als der der Energie.

    Grüsse Fossilium

  91. Schreibweise

    Wenn man Lorenz-Invarianz mit “tz” schreiben würde als “Lorentz” wüßten alle worüber man redet, sonst “quak”

  92. @Fossilium

    Die Wirkung eines Partikels, das sich im Minkowski Raum längs einer zeitartigen Weltlinie u bewegt, erhält man, indem eine 1-Form dS (“Wirkungselement”) über ein Segment von u integriert wird. Derweil vergeht für das Partikel die Eigenzeit τ, die es mit seiner Taschenuhr misst bzw. das “Eigenzeitelement” dτ über denselben Abschnitt von u integriert. Die beiden 1-Formen sind dann längs u zueinander proportional, es gilt

    dS = Λ dτ.

    Da die Eigenzeit wie die Wirkung Lorentz-invariant ist, folgt auch die Invarianz von Λ.

    Die Zeitkoordinate t eines (t,x,y,z)-Bezugssystems ist hierbei eben nicht die physikal. relevante Zeit, sondern nur ein Mittel der Darstellung.

  93. Mehr Format

    Fossilium schrieb (26.09.2013, 00:35):
    > Messungen […] von Zeitdauern in verschiedenen Bezugssystemen – vom gleichen Bezugssystem aus gemessen – ergeben am gleichen Vorgang unterschiedliche Messwerte.

    – vom gleichen Bezugssystem aus gemessen – ” ??

    Die Situation wird bekanntermaßen anhand von Zwillingen veranschaulicht:
    die Dauer des einen (von Aufbruch bis wiederkehr) ist i.A. ungleich der Dauer des anderen (ebenfalls von Aufbruch bis wiederkehr).

    Dabei sind beide Dauern proper; und insbesondere das Verhältnis dieser beiden Dauern, d.h. eine reelle Zahl (die i.A. ungleich 1 ist), ist ganz eindeutig und nachvollziehbar.

    (Und mit Koordinaten hat das, wie Physik insgesamt, natürlich rein gar nichts zu tun.)

    > Das Produkt aus Energie und Zeit [Dauer] ergibt in jedem Bezugssystem – aus einem beliebigen Bezugssystem heraus gemessen – immer den gleichen Zahlenwert [Wert einer Wirkung].

    Ja; so weit ich weiß, sollte sich dieser Zusammenhang zwischen den Messgrößen Dauer, Energie und Wirkung aus deren Definitionen ergeben.

    Das erspart aber z.B. nicht, die Mess-Definitionen von “Wirkung” ausdrücklich einzeln zu betrachten und anzuwenden, um im konkreten Falle ggf. einen Messwert zu erhalten.

  94. @ Fossilium

    Zuletzt klagen Sie ja solide, beispielsweise hier –

    Aus physikalischer Sicht auf die Welt müsste sogar zwingend gefolgert werden: die Frage, was ist in der Realität tatsächlich vorhanden, lässt sich nicht beantworten, höchstens ungefähr, eben unzuverlässig.

    (vom Begriff der Realität (“Sachlichkeit”) einmal abgesehen, der durch ‘Welt’ zu ersetzen wäre – daher mal kurz gefragt: Welcher Schule folgen Sie?

    MFG
    Dr. W

  95. Chrys

    hm, ich versuche es zu verstehen. Fest steht allerdings, dass die Energie (nicht der Energie-Impuls-Tensor!) als skalare Grösse beim Wechsel zwischen zwei gleichförmig zueinander bewegten Bezugssystemen nicht gleich bleibt, die Wirkung (als Produkt aus dieser Energie und der in dem
    Bezugssystem (für einen ruhenden Beobachter) geltenden Zeit) aber schon.
    Energie ist ja nur beim Energieaustausch zwischen zwei Objekten im gleichen Bezugssystem eine Erhaltungsgrösse. Deswegen, so denke ich, kann man Ursache und Wirkung nicht am Energieaustauch festmachen. Das alles ist aber dennoch diskussionswürdig und führt auch vom Thema ab, bzw. zerfasert das von Herrn Honerkamp angesprochene Grundproblem. Ich danke Ihnen aber für den Hinweis, muss drüber nachdenken.

    Lieber Webbaer,
    was meinen Sie mit “Schule” ?

    Grüsse Fossilium

  96. @ Fossi

    Ja, in der letzten Nachricht fehlte eine schließende runde Klammer und statt ‘klagen’ war ‘klangen’ gemeint.

    Zur Rückfrage:
    Welcher Denkschule/Ideologie folgen Sie – oder isses Eigenbau?

    MFG
    Dr. W (der nichts gegen eine Vorschau hätte)

  97. Lieber Webbaer,
    ist Eigenbau. Bin auch nicht an der Hochschule tätig, muss auf Kollegenurteil (Mainstream)glücklicherweise keine Rücksicht nehmen und kann frei drauflos quatschen.
    Grüsse Fossilium

  98. Wirklichkeit als Begriff

    Wirklichkeit auf einen Begriff reduzieren zu wollen, führt zwangsläufig zu Wirklichkeits-
    verlust.
    Die tibetischen Buddhisten sprechen von der
    Wirklichkeit an sich(auf der Begriffsebene),
    die nur erlebt werden kann und zwar nur durch
    solche Leute, die bar aller “Verschmutzung”
    durch Begriffe oder Gedanken sind; Das Sein an
    sich ist ohne Frustration und wird auch nicht
    mit der Zeit langweilig; es ist einfach – es
    gibt nichts zu erklären;
    als Physiker habe ich Kontakt mit dem Wirklichen, wenn der Zeiger eines Meßinstruments einen Wert anzeigt, der meine
    Theorie bestätigt – natürlich könnte ich statt-
    dessen auch einen Apfel genießen oder den
    Anblick einer schönen Frau.

Schreibe einen Kommentar