Wandlungen des Materiebegriffes

BLOG: Die Natur der Naturwissenschaft

Ansichten eines Physikers
Die Natur der Naturwissenschaft

Beobachter der Entwicklung der Naturwissenschaften stellen fest, dass es dort auf der Ebene der Gesetze in Form mathematischer Relationen große Kontinuität gibt, dass sich aber die Begriffe, mit denen man mit die Dinge dieser Welt fassen will, oft verändern. So ging es auch dem Materiebegriff und will man diesen Wandlungen bis zu den heutigen Vorstellungen der modernen Physik nachspüren, so steht man als guter Bildungsbürger, der man als Physiker ja auch noch ist, in Versuchung, zunächst bei den Vorstellungen im antiken Griechenland anzufangen und die Entwicklung des Begriffes in der abendländischen Naturphilosophie zu rekapitulieren. Das mag ganz unterhaltsam sein – es ist immer interessant zu sehen, wie unsere Vorfahren vor uns einst gedacht haben – aber für unserer heutiges Verständnis von Materie spielen alle diese Spekulationen keine Rolle. Deshalb möchte ich bei der naiven Alltagsvorstellung von Materie einsetzen, die auch Galilei bei seinen ersten naturwissenschaftlichen Untersuchungen zum freien Fall im Kopf hatte, um dann, der Geschichte der Physik folgend, zu berichten, was wir heute unter Materie verstehen.
Grob gesagt sind für uns zunächst alle Dinge, die uns undurchdringlich erscheinen, materielle Objekte. Die Wörter "Körper" oder "Teilchen" haben sich dafür eingebürgert, man kann sie meistens anfassen, sie sind im Raum lokal begrenzt, und sind mehr oder weniger leicht teilbar. Letztere Eigenschaft führte z.B. auch zu den frühen Vorstellungen zum Aufbau der Materie, nämlich dass es, da man ja eine Teilung nicht ständig fortsetzen könne, bestimmte Grundbausteine, Atome genannt, geben müsse.

Mit Beginn der Naturwissenschaft wurde eine weitere Eigenschaft solcher Objekte entdeckt, die bald als wichtigstes Kriterium für die Materialität angesehen wurde. Der englische Naturforscher Isaac Newton stellte fest, dass es bei verschiedenen Körpern auch einer verschiedenen großen Kraftanstrengung bedarf, um ihre Bewegung zu ändern. Er führte als Maß für eine solche Trägheit den Begriff der Masse ein und postulierte auch gleich, dass die Masse von Körpern auch dafür verantwortlich ist, dass sich diese gegenseitig anziehen. Fortan galt die Eigenschaft, eine Masse zu besitzen, als Spezifikum materieller Objekte und auch heute findet man dieses oft so formuliert (siehe z.B. Wikipedia: Materie). Materielle Objekte sind danach alle Objekte, die eine Masse besitzen, also eine Trägheit bei Bewegungsänderung zeigen und die von anderen Objekten gleicher Art (nach dem Gravitationsgesetz) angezogen werden.
Die Gesetze, die Newton u.a. mit Hilfe dieser Begriffsbildung aufstellen konnte, waren so erfolgreich, dass man sich bald die ganze Welt als eine Ansammlung von materiellen Objekten dieser Art vorstellte. Man glaubte, jegliche Veränderung in der sichtbaren Welt durch die Newtonschen Gesetze und ihre Anpassungen an bestimmte Gegebenheiten erklären zu können. Die materielle Welt schien man, wenigstens prinzipiell, im Griff zu haben. Auf der anderen Seite gab es den Geist, die Welt der Ideen; für dieses Phänomen hatte man bei weitem nicht so klare Vorstellungen, der Dualismus Mensch – Natur bzw. Geist – Materie beherrschte die philosophischen Diskussionen und auch heute noch gibt es die verschiedensten Positionen für das Verhältnis dieser beiden so unterschiedlich scheinenden Phänomene.

Im 19. Jahrhundert, als man immer besser die elektrischen und magnetischen Phänomene verstand, begannen sich die Grenzen der durch die Newtonsche Physik geprägten Sicht auf die materielle Welt immer deutlicher zu zeigen. Alle Erklärungsversuche und Formulierungen von Gesetzmäßigkeiten für diese Phänomene kulminierten schließlich in eine von James Clerk Maxwell endgültig formulierten Theorie, die an Konsistenz und Erklärungskraft der Newtonschen Mechanik in nichts nachstand, die aber eine ganz neue Entität, ein ganz neues Objekt einführte: das elektromagnetische Feld. Von vielen wurde solch ein Feld zunächst als eine rein mathematische Hilfskonstruktion angesehen, aber als Heinrich Hertz 1886 nachwies, dass es die von dieser Theorie vorhergesagten elektromagnetischen Wellen wirklich gibt, musste man akzeptieren, dass das Inventar der Welt nicht nur aus Teilchen besteht sondern auch aus Feldern. Diese sind offensichtlich von ganz anderer Art als die Teilchen, insbesondere sind sie räumlich nicht begrenzt , unsichtbar und sie besitzen keine Masse. Man zählte sie deshalb nicht zur Materie.

Die Ära der Physik, in der Objekte der Natur entweder Teilchen oder Felder waren, währte aber nicht lange.  Das Jahr 1905 markiert das Ende der klassischen Physik – ein einziger Mann, Albert Einstein, veröffentlicht in diesem Jahr fünf Arbeiten, die alle wegweisend werden für das Verständnis der Natur in kleinsten und größten Dimensionen, in denen bisher die Theorien nicht zur Anwendung gekommen waren und die der Anschauung und der lebensweltlichen Vorstellungen nicht direkt zugänglich sind. Die beiden Relativitätstheorien, die dabei bzw. daraufhin entstanden sowie die in den 20er Jahren entstehende Quantenmechanik führten zu einer völlig neuen Sicht darüber, von welcher Art Objekte in der Natur auch noch sein können, welche Eigenschaften sie haben und wie sie sich unterscheiden. Der Begriff der Materie wurde dadurch stark beeinflusst.
In einer der fünf berühmten Arbeiten aus dem Jahr 1905 beschäftigt sich Einstein mit dem Photoeffekt, einer Wechselwirkung von Licht mit einem materiellen Objekt. Aus der Analyse der experimentellen Effekte zieht er den Schluss, dass das Licht bei einer solchen Wechselwirkung als ein Strom von einer ganz neuen Spezies von Objekten zu betrachten ist. Diese Hypothese bestätigte sich später glänzend und es zeigte sich bei der Entwicklung der Quantenmechanik, dass alle elementareren Bausteine der Natur wie Atome, Elektronen, Protonen eben Objekte von dieser neuen Art sind. Quanten nennt man solche Objekte, und in der Tat haben diese Eigenschaften, die man weder bei den klassischen Teilchen noch bei den Feldern kennt. Zwar zeigen sich diese in manchen Situationen mehr als Teilchen, in manchen mehr als Wellen, also als Konfigurationen von Feldern, aber stets gibt es Phänomene, die mit den Begriffen Teilchen oder Feld nicht abgedeckt werden können.
Was wurde nun aus dem Begriff der Materie? Offensichtlich bestehen alle Objekte, die wir bisher als materiell bezeichnet haben, aus Atomen, und damit aus Quanten. Auch das Licht, sich im Alltag als Welle eines elektromagnetischen Feldes zeigend, ist auf mikroskopischer Ebene ein Strom von Quanten. Somit müssen wir also Quanten als die grundlegenden materiellen Objekte ansehen, und statt zweier grundlegend verschiedener Arten von Objekten in der klassischen Physik haben wir es nun wieder mit einer einzigen Art zu tun und wir müssen uns neu überlegen, was denn nun das Spezifikum eines materiellen Objektes ist.

Bei genügender Kenntnis der Relativitätstheorien und der Quantenphysik ist leicht einzusehen, wie der Begriff der Materie abzuwandeln ist, um diesen neuen Einsichten Rechnung zu tragen:  Zu einem materiellen Objekt gehört nicht die Eigenschaft, eine Masse zu tragen, sondern die, Energie zu besitzen. Aber nicht nur das: Wer die Spezielle Relativitätstheorie kennt, weiß, dass die Energie immer zusammen mit einem Impuls auftritt, so, wie dort Zeit und Ort zusammengehören. Alle Objekte, die Energie und einen Impuls besitzen können, (denen man in der Sprache der Speziellen Relativitätstheorie also einen Energie-Impuls-Vektor zuordnen kann) , würde man also materielle Objekte nennen, denn Impuls und Energie zu besitzen, das ist die Eigenschaft, die also alle Quanten ebenso wie alle klassischen Teilchen und Felder haben.
Machen wir den Besitz dieser Eigenschaft zum konstituierenden Merkmal von materiellen Objekten, werden also die klassischen Felder auch in die Kategorie Materie aufgenommen und es gibt folglich materielle Objekte, insbesondere Quanten, mit und ohne Masse: Quanten wie Atome, Elektronen usw., tragen eine Masse – die Quanten des Lichtes, das klassischerweise durch Wellen eines elektromagnetischen Feldes beschrieben wir, besitzen keine Masse.
Die Ausweitung des Begriffs Materie ist vielleicht ungewohnt, aber konsequent. Sie wird auch gestützt durch die Beobachtung, dass nicht nur Teilchen, die Masse besitzen, in einem Gravitationsfeld eine Kraft erfahren, sondern z.B. auch das Licht. Albert Einstein hatte die Lichtablenkung an der Sonne vorausgesagt, als er die Allgemeine Relativitätstheorie konzipiert hatte, und die Bestätigung dieses Effektes hatte viel zur schnellen Akzeptanz dieser Theorie beigetragen. Die Gravitationskraft wirkt auf alles, was Energie und Impuls besitzt und nicht nur auf das, was Masse besitzt, wie es in der Physik vor Einstein den Anschein hatte. Der Begriff der Masse hat also seine definierende Stellung für die Materie verloren.
Das wird auch nahe gelegt durch die Einsicht, die Einstein in der Formel E=mc² ausdrückte. Diese wird oft falsch interpretiert; man will aus ihr eine Äquivalenz von Energie und Masse herauslesen, wobei nie gesagt wird, was man unter Äquivalenz genau verstehen will. Wie ich in dem Artikel "Was bedeutet eigentlich die Formel E=mc² ?" erklärt habe, ist die Energie, die da mit der Masse bis auf einen Faktor gleichgesetzt wird, die Energie des materiellen Objektes in dem Bezugssystem, in dem das Objekt ruht, und nicht die Energie des Objektes schlechthin. "Äquivalent" heißt also nicht "synonym" bis auf einen Faktor; Masse und Energie bleiben ganz unterschiedliche physikalische Begriffe. Das zeigt sich insbesondere, wenn man zwei Objekte betrachtet, die durch eine bindende Kraft ein Gesamtsystem bilden. Die Masse des Gesamtsystems ist nicht einfach mehr die Summe der Massen der einzelnen Objekte, wie man es aus der klassischen Physik kennt. Auf der Ebene der Energien aber stimmt die Bilanz wieder: Die Energien, die von den einzelnen Massen in Form von mc² herrühren, und die Bindungsenergie addieren sich zur Energie des Gesamtsystems (gleich Masse des Gesamtsystems multipliziert mit ). Man musste als einsehen, dass man nur noch mit der Energie eine Bilanz aufmachen kann.
Natürlich stünde es uns frei, den alten Sprachgebrauch beizubehalten, d.h. bei den Quanten noch zu unterscheiden, ob sie eine Masse tragen oder nicht, um dann entsprechend von materiellen und nicht materiellen Quanten zu reden. So müsste man dann auch sagen, dass die Gravitationskraft auf materielle Objekte wirkt wie auf Felder und solchen Quanten, die keine Masse besitzen. Aber das ist viel zu künstlich, und da Begriffe Denkwerkzeuge sind, die das Argumentieren und Beschreiben von Tatsachen erleichtern sollen, wäre dieses Beharren auf die Masse als entscheidendes Merkmal für materielle Objekte unvernünftig.

Bunge und Mahner [1] nennen neben der Energie noch ein zweites charakteristisches Merkmal für materielle Dinge: Diese können verschiedene Zustände einnehmen und sich somit verändern. Das ergibt sich hier aber auch schon dadurch, dass wir nicht nur die Energie, sondern im Sinne der Relativitätstheorie auch den Impuls zu den definierenden Eigenschaften gezählt haben, denn es gibt viele Impulszustände bzw. Bewegungszustände und ein Objekt mit nichtverschwindenden Impuls verändert z.B. ständig seinen Ort.
Die erweiterte Definition von materiellen Objekten hat auch noch folgenden Vorteil: Mit "Materie" hat man nun einen Sammelbegriff für alle Objekte, die wir zur Natur zählen und mit denen man sich mit den Methoden der Naturwissenschaft auseinandersetzen kann. Die großen anderen Bereiche, die wir kennen:  Mathematik, Musik, Kunst, Literatur, Religionen und Wissenschaft sind Konstrukte menschlichen Geistes, sicher keine materiellen Objekte, denn ihnen Energie und Impuls zuzuordnen, ergibt keinen Sinn. (Im Falle von Wissenschaft will ich dabei nicht irgendeiner Spielart von Konstruktivismus das Wort reden, man merkt sehr deutlich, dass Konstrukte, sprich Theorien, auch falsch sein können.) Diese Konstrukte existieren in der Welt nur insofern, dass sie in den Köpfen von Menschen in Form von Bewusstseinszuständen residieren bzw. in schriftlicher oder elektronischer Form irgendwelchen materiellen Objekten aufgeprägt sind, diese in Form gebracht, also "informiert" haben. Bevor es Menschen gab, existierten diese nicht.

So sind wir da, wo man schon immer war. Alle unsere Erfahrungen in der Welt lassen sich zwei großen Kategorien zuordnen: Materie oder "Geist". Nur, bezüglich der Materie haben wir in den letzten Jahrhunderten sehr viel dazu gelernt. Bei der Frage aber, wie eine Evolution auf materieller Ebene zum Phänomen Geist führen kann, stehen wir erst am Anfang.

 [1] Bunge, M. und Mahner, M. Die Natur der Dinge, Hirzel, 2004

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Josef Honerkamp war mehr als 30 Jahre als Professor für Theoretische Physik tätig, zunächst an der Universität Bonn, dann viele Jahre an der Universität Freiburg. Er hat er auf den Gebieten Quantenfeldtheorie, Statistische Mechanik und Stochastische Dynamische Systeme gearbeitet und ist Autor mehrerer Lehr- und Sachbücher. Nach seiner Emeritierung im Jahre 2006 möchte er sich noch mehr dem interdisziplinären Gespräch widmen. Er interessiert sich insbesondere für das jeweilige Selbstverständnis einer Wissenschaft, für ihre Methoden sowie für ihre grundsätzlichen Ausgangspunkte und Fragestellungen und kann berichten, zu welchen Ansichten ein Physiker angesichts der Entwicklung seines Faches gelangt. Insgesamt versteht er sich heute als Physiker und "wirklich freier Schriftsteller".

31 Kommentare

  1. Wandlungen des Materiebegriffs

    Sehr verehrter Herr Herr Honerkamp,

    ich lese seit einiger Zeit mit Interesse Ihre Beiträge und zolle Ihnen meinen Respekt für Themenauswahl und Engagement. Hier aber muss ich etwas anmerken, ich hoffe es kann konstruktiv diskutiert werden:
    Sie schreiben:

    „Offensichtlich bestehen alle Objekte, die wir bisher als materiell bezeichnet haben, aus Atomen, und damit aus Quanten. Auch das Licht, sich im Alltag als Welle eines elektromagnetischen Feldes zeigend, ist auf mikroskopischer Ebene ein Strom von Quanten. Somit müssen wir also Quanten als die grundlegenden materiellen Objekte ansehen, und statt zweier grundlegend verschiedener Arten von Objekten in der klassischen Physik“

    Meines Wissens aber hat Plank den Begriff des Quants anders eingeführt, nämlich er hat die Stetigkeit von Naturprozessen bezweifelt. Er postulierte ein sog. Wirkungsquantum. Soweit ich weiss, steht dies für die kleinste mögliche übertragbare Wirkung von einem Objekt auf ein anderes (Wirkungsquantum = kleinste übertragbare Wirkung = Wirkungseinheit). Die Energie eines kleinen Objektes (als Formel: E=h*v) wäre demnach die Zahl der von diesem Objekt potentiell übertragbaren Wirkungseinheiten pro Sekunde – das wäre eine reine prozessurale Definition des Quants. In Ihrem Beitrag wird so getan (vielleicht aus Anschaulichkeitsgründen), als wäre ein Quant eine substantielle oder existenzielle Eigenschaft eines Objektes. Aber was sollte das denn für eine Eigenschaft oder Substanz oder Objekt sein ?

    Ist es nicht so, dass man unter Quant einfach nur das Minimun des Wirkungsaustauschs zwischen zwei physikalischen Objekten versteht. Physikalische Wirkungen – welche auch immer – werden nicht stetig, sondern in kleinsten Portionen übertragen. Über die Objekte selbst, zwischen denen eine Wirkung ausgetauscht wird, wird damit nichts ausgesagt, auch nicht, dass diese irgendwie „gequantelt“ sind.

    Ich nehme den Spezialfall des Lichts, also der Photonen, mal aus, da diese masselosen Objekte selbst reine Wirkung darstellen könnten, also objektivierte Wirkung, Träger reiner Wirkung, sonst nichts.
    Grüsse

  2. Quantum oder nicht ist die Frage

    Nach dieser Definition besteht die Materie also letztlich aus Quanten. Das ist eine Festlegung, die über diejenige in Natur der Dinge von Bunge und Mahner hinausgeht. Bunge und Mahner beschränken sich darauf, dass materielle Dinge eine Energie haben müssen und dass sie veränderlich sind.

    Doch selbst Physiker wie Joachim Schulz scheinen mit dieser Auffassung der materiellen Welt als Summe aller Quantenobjekte nicht ganz zufrieden zu sein. In Ist Physik eine Realwissenschaft? liest man beispielsweise

    Oft stellt sich die Frage, was denn ein Photon sei und ob wir überhaupt wissen können, was ein Photon ist. Ja, wir können. Ein Photon ist nämlich nicht direkt ein Objekt der realen Welt. Es ist ein Objekt der mathematischen Modelle, mit denen die Natur beschrieben wird. Das Photon ist die elementare Anregung eines elektromagnetischen Feldes. Real ist, dass es elektromagnetische Felder gibt und dass diese Felder die Fortpflanzung freier Wellen erlaubt. Experimentell gut bestätigt ist auch, dass Energie aus diesen Feldern in Quanten aufgenommen wird. Die Energie dieser Quanten (E) ist über die Formel E=hf mit der Frequenz (f) verbunden. In der Theorie können wir jedes elektromagnetisches Feld als Überlagerung von Photonen-Zuständen mit unendlicher Energieschärfe und unendlicher räumlicher Ausdehnung auffassen. Wir können jede elektromagnetische Wechselwirkung als Austausch von virtuellen Photonen beschreiben. Das bedeutet aber nicht, dass diese Photonen real in den Feldern sitzen.

    Mir gibt die obige Textpasage den Eindruck, dass Joachim Schulz in gewissen Fällen elektromagnetische Felder für realer hält, als die behaupteten Quanten, die dahinterstecken. Gerade der Satz Experimentell gut bestätigt ist auch, dass Energie aus diesen Feldern in Quanten aufgenommen wird. erweckt den Eindruck dass die Quanten erst bei der Interaktion von etwas anderem mit dem elektrischen Feldern entstehen.
    In eine ähnliche Richtung geht auch der Artikel Licht als elektrisches Kraftfeld – Ein weites Feld

    Was meine sie dazu? Könnte es sein, dass die Welt mehr (oder auch weniger) ist als eine Quantensuppe?

  3. Ich befürchte, dass mit Eigenschaften Energie, Impuls die Trennung zwischen zwei Entitäten (Mate-rie, Idee) wird noch verschwommener. Auch eine Idee besitzt eine Energie. Man denkt nur an die Revolutionen, die tiefgreifenden Umwälzungen einer Gesellschaft bedeutete. Auch Gerichtigkeit – also Impuls – besitzt eine Idee, da sie zur bestimmten Handlungen zwingt.

  4. Sehr interessant! Ich habe allerdings eine Anmerkung: Die Mathematik hat ihrer Ansicht noch nicht existiert, bevor es Menschen gab. Da stellt sich die Frage, was für einen Begriff von Existenz man hat. Der Satz des Pythagoras oder physikalische Gesetze waren doch auch schon “gültig”, bevor es Menschen gab – sonst könnten wir uns ja nicht wissenschaftlich mit der Geschichte des Kosmos oder mit der Erdgeschichte beschäftigen. Frege hat gesagt, nicht alles was existiert, existiert irgendwo, als Beispiel nannte er die Zahl 4, wenn ich mich richtig erinnere. Man müsste hinzufügen: Es existiert auch nicht alles irgendwann. Hier – in der Frage, welche Formen von Existenz es gibt – steckt ein ungelöstes philosophisches Problem, glaube ich.

  5. Im Sinne der Anschaulichkeit finde ich es durchaus sinnvoll sich gedanklich vom Begriff ‘Teilchen’ zu distanzieren, dafür von Quanten (und Feldern) zu sprechen und letztlich den Begriff Materie zu verallgemeinern.
    Bei dem Wort Teilchen drängt sich doch immer das Bild einer winzigen Billiardkugel auf, die sich im normalen Leben eben ‘klassisch’ verhält. Das erschwert ein intuitives Verständnis gewisser Zusammenhänge wohl eher. Zumindest bei Nicht-Physikern.
    Beim Quant haben wir ja schon wohl oder übel akzeptiert, dass er sich etwas schräg verhält, nur in Verbindung mit Feldern auftritt usw.
    Elementarteilchen und sich aus ihnen ergebenden Systeme – also alles was bisher Beobachtung und Experiment zugänglich ist – benehmen sich eben ganz anders wie kleine Billardkugeln. Auch wenn das zur makroskopischen Ebene hin schwer messbar ist.

  6. @Pottel,Wiebe:Geistige und re Dinge

    @Irena Pottel
    Sie schreiben Auch eine Idee besitzt Energie … Auch Gerechtigkeit – also Impuls – besitzt eine Idee
    Mit Energie und Impuls sind hier aber die physikalischen Begriffe gemeint und nicht die historischen oder übertragenen Bedueutungen. In der Wikipedia ist zu lesen: Der Gebrauch des Begriffs Energie geht auf die Philosophie des Aristoteles zurück. Unter dem altgriechischen “Energie” ist innere Wirksamkeit bzw. Entschlossenheit zu verstehen.
    Dies hat jedoch wenig mit dem physikalischen Begriff der Energie zu tun.

    @Wiebe
    Sie schreiben Der Satz des Pythagoras oder physikalische Gesetze waren doch auch schon “gültig”, bevor es Menschen gab – sonst könnten wir uns ja nicht wissenschaftlich mit der Geschichte des Kosmos oder mit der Erdgeschichte beschäftigen.
    Das gleiche gilt doch auch für alle physikalischen Gesetzmässigkeiten. Diese existieren auch ohne den Menschen.
    Trotzdem kann man sagen, Physik als Fach und Mathematik als Fach gibt es nicht ohne Menschen, die Physik und Mathematik betreiben. Wenn man sagt, Mathematik existiere ncht ohne den Menschen meint man damit, dass Formeln und Notationen und alles was über Mathematik geschrieben wurde vom Menschen stammt und andere intelligente Wesen möglicherweise ganz andere Notationen verwenden würden. Ja möglicherweise würden Aliens ganz andere Gebiete in der Mathematik entwickelt haben. Was wir in der Mathematik als zusammengehörig empfinden ist eventuell für einen Ausserirdischen überhaupt nicht zusammengehörig.

  7. @Martin Holzherr

    Erstens meinte ich Gerichtigkeit, vielleicht nicht richtig ausgewählte deutsche Wort. Es stammt von Richtung, nicht von dem Recht. Daher Analogie mit dem Impuls.
    Wie ich verstehe, beim Begriff Energie, stoßt die Physik auf ihre Grenzen. Weil für ihre Erklärung sie muss Begriffe benutzen, die selbst mit der Hilfe der Energie erklärt worden sind.
    Auf Ihre Bemerkung, dass es physikalische Begriffe gemeint sind, kann ich sagen – ich verstehe es. Ich benutze es aber nicht in übertragenem Sinne. Eine nicht-physikalische Entität auslöst eine Wir-kung in der physikalischen Realität – genau wie eine physikalische. Wie zwar können es nicht mes-sen mit einem Meßinstrument, jedoch die Wirkung äußert sich auf physikalische Ebene. Unterscheiden sich diese Wirkungen von der physikalischen, erstens durch Unmöglichkeit einer Messung, zweitens durch nicht Wiederholbarkeit. Aber auch das entpuppt sich bei genauer Betrachtung als eingebildeter Unterschied. Hat nicht Karl Friedrich von Weizsäcker in der Materie nichts als Informationsfluss gesehen?!

  8. Quantensuppe

    Es mag sein, dass auf Ursprung eine Ursuppe war. Jedoch durch die Evolution hat sie sich organisiert und viele Ebenen die Wirkungen, die nicht in einer chaotischen – in einer geordneten Beziehung stehen, gebildet. Daher würde es eher ähneln einem Hauptgericht mit differenzierten Beilagen -:).

  9. Wenn Naturwirte hinterfragen

    Es ist schon irre, wenn Naturwissenschaftler das Philosophieren beginnen. Die Frage, ob es Mathematik oder den Satz des Thales schon vor dem Menschen gab ist eine schlichtweg verkehrte, irrationale Frage; oder versucht doch mal diese Frage ohne das Denken zu beantworten. An solchen Fragen merkt man, Philosophen kommt es nicht auf Wissen an, sondern auf das Fragen schlechthin, denen ist einfach nicht zu helfen bei ihrer Suche nach dem höheren Sinn von allem.

  10. @Bernd

    Sie weisen mich darauf hin, dass es zwei unterschiedliche Begriffe “Quant” gibt, einmal als Maß für eine Energiegröße z.B. hv, aber auch als Name für Teilchen der Quantenwelt, also für Elektronen, usw.
    In diesem zweiten Sinne habe ich das Wort Quant immer gebraucht, Sie hatten wohl die erste Bedeutung im Kopf. Sie haben auch recht, dass Planck das so eingeführt hat. Mit den Lichtquanten bei Einstein kam dann auch die zweite Bedeutung auf für Objekte, die diese in Quantelung vorkommenden Eigenschaften tragen. Ein Elektron besitzt z.B. die Elementarladung e, jede elektrische Ladung ist ein Vielfaches davon, etc. Diese Zuordnung von Objekten funktioniert nicht immer, es gibt z.B. kein Teilchen, dass man aufgrund der Quantelung des Drehimpulses postuliert hat. Diese Eigenschaft haben z.B. alle Teilchen/Quanten mit Spin nur zusätzlich. Dass ein Photon als “Teilchen” also wirklich existiert (wie auch immer), musste erst noch gezeigt werden. Da man heute mit einzelnen Photonen experimentieren kann, müssen sie also wohl existieren (in diesem Sinne nämlich).

  11. @Martin Holzherr

    “Das bedeutet aber nicht, dass diese Photonen real in den Feldern sitzen.” Das wäre auch eine völlig falsche Vorstellung und hat auch mit der Realität von Quanten nichts zu tun.
    Wie Sie in meinen anderen Artikeln über QM (z.B. “Realität und Nichseparabilität..”) lesen können, sind die Quanten auch nicht als real in dem klassischen Sinne zu betrachten, dass sie alle ihre Eigenschaften stets eindeutig besitzen (-> Wahrscheinlichkeitsamplitude, Unschärferelation). Das elektromagnetische Feld ist halt ein klassisches Feld, also in dem Sinne realer. Aber Existenz sollte man nicht auf Realität im klassischen Sinne beschränken.
    P.S. Vielen Dank für die Antworten an Wiebe und I. Pottel.

  12. @Irena Pottel

    Ja, Konstrukte menschlichen Geistes können große Wirkung entfalten und viel Energie frei setzen. Aber wieder nur über den menschlichen Geist, d.h. dass Menschen diese Konstrukte aufnehmen und dadurch bewegt werden, zu agieren. Eine Kampfschrift, die keiner liest, hat keine Wirkung.

  13. @Wiebe

    “Da stellt sich die Frage, was für einen Begriff von Existenz man hat.”

    Man sollte immer denselben haben: Existenz ist keine Eigenschaft, sondern ein logischer Quantor.

    “Der Satz des Pythagoras oder physikalische Gesetze waren doch auch schon “gültig”, bevor es Menschen gab.”

    Wenn das wirklich ein Argument wäre, dann müßte das für alle Tautologien wie z.B. “Alle Steine sind aus Stein.” und analytisch wahren Sätze gelten so z.B. “Alle Junggesellen sind sind unverheiratet.”.

    Aber das stimmt natürlich nicht.

    “sonst könnten wir uns ja nicht wissenschaftlich mit der Geschichte des Kosmos oder mit der Erdgeschichte beschäftigen.”

    Doch, sicher: Warum sollte man sich nicht mit etwas wissenschaftlich beschäftigen, daß nicht existiert? Physiker haben sich mit Phlogiston oder dem Äther beschäftigt, obwohl man später gemerkt hat, daß es beides gar nicht gibt.

    “Frege hat gesagt, nicht alles was existiert, existiert irgendwo”

    Nicht alles, was Frege gesagt hat, stimmt auch: Sein Logizismusprojekt ist bekanntermaßen undurchführbar.

    “Hier – in der Frage, welche Formen von Existenz es gibt – steckt ein ungelöstes philosophisches Problem, glaube ich.”

    Nein, das scheint mir nicht so zu sein. Es gibt ernstzunehmen Ansätze, für die Frage nach dem ontologischen Status der Mathematik eine naturalistische Antwort zu formulieren z.B. diese hier:

    https://scilogs.spektrum.de/…he-romance-of-mathematics

  14. Im ersten Kommentar von Martin Holzherr fehlt ein schließendes i-Tag, weshalb sämtliche nachfolgenden Kommentare kursiv gesetzt sind.

    Ist korrigiert.
    L.F.

  15. Ein paar gute Gründe hat es schon noch, der von Mario Bunge vertretenen Vorstellung von physikalischen Feldern als generell materiellen Objekten zu widersprechen. In “Matter and Mind” schreibt Bunge: “According to our stipulation, physical fields are just as material as extended bodies.” Gravitationsfelder sind ihm dabei auch keine Ausnahme: “Einstein’s general relativity is actually a theory of gravitational fields.” Bunge zufolge wäre eine Raumzeit also genau dann materiefrei (ein Vakuum), wenn deren Krümmungstensor identisch verschwindet. Das entspricht nun aber ganz und gar nicht der Auffassung in der allg. Relativitätstheorie, wonach die Abwesenheit von Materie ja keineswegs ein Verschwinden von Krümmung impliziert.

    Eine Notwendigkeit zur Neuinterpretation diverser tradierter Konzepte hat auch Hermann Weyl in “Space-Time-Matter” betont. Aber Weyl sieht den Materiebegriff als dem fundamentaleren Feldbegriff untergeordnet, also letztlich genau andersherum. Und dies scheint dann doch der klar konsistentere Ansatz zu sein.

  16. was ist Materie ?

    Sehr verehrter Herr Herr Honerkamp,

    ich erlaube mir noch mal eine Replik und versuche sie kurz und präzise zu fassen.

    Soweit ich Sie richtig verstehe, geht es in Ihrem Beitrag darum, die Probleme aufzuzeigen, die mit dem Materiebegriff damals wie heute verbunden sind, insbesondere um die Frage, wie und ob man die verschiedenen Beobachtungen – Teilchen, Quanten und Felder, mit/ohne Masse, mit/ ohne Energie und Impuls, usw. – unter einen mehr oder weniger alles verbindenden Materie-Sammelbegriff fassen kann. Dabei führen Sie an, dass das „Quant“ und die Quantisierung von Feldern hier einen gewissen Fortschritt gebracht hätten, und dass wir damit doch irgendwie besser wüssten als früher, was Materie ist, zumindest tiefer blicken würden.

    Ich möchte Ihnen da in aller Bescheidenheit widersprechen. Denn was Materie, was ein Quant, was Teilchen und Felder „sind“, ist den Physikern genauso unklar wie vor 100 Jahren, wenn nicht mit der modernen Physik noch viel unklarer geworden. Es ist dies ja auch eine metaphysische Frage, keine physikalische. Beschränkt man sich aber auf die Objekte, die in den Modellen der Physiker bei der Beschreibung der Natur eine Rolle spielen, und die die „wahre“ Natur doch wenigstens ausschnitts-weise irgendwie wiederspiegeln sollen, so sind diese Objekte, materiell oder nicht, im Laufe der letzten 100 Jahre doch immer unanschaulicher und unverständlicher geworden. Was gibt es dort nicht alles für seltsame, in sich widersprüchliche Akteure, die sich vollkommen unlogisch verhalten („Punkt“teilchen, „virtuelle“ Teilchen, Teilchen ohne Masse, dennoch träge, „Austausch“teilchen, „Quanten“, „Anregungen“, usw.). Ja, was soll den das alles „sein“ ? Ich gebe zu, dass diese unglaublichen Konstrukte es letzendlich erlauben, treffsichere Vorhersagen zu machen (der Zweck aller physikalischen Modelle), aber dass ist auch die einzige Berechtigung ihrer Existenz und Verwendung, und natürlich eine ausreichende ! Zur Verständlichmachung der Natur taugen sie aber nicht. Es sind ja alles Deutungen eines immer komplexeren mathematischen Formalismus, und ich möchte mal sagen, dass bessere (anschaulichere) Deutungen die Physiker schlichtweg nicht gefunden haben, und dass soll auch keinen Vorwurf sein, sondern ich bin eher starr von Erstaunen und Verwunderung, dass man mit soviel „irrwitzigen“ Teilchen so weit kommen kann (hoffentlich verstehen Sie wie ich das meine).

    Also kurz gesagt: für Vorhersagen der Naturprozesse sind diese seltsamen Beschreibungen der Materie sehr gut geeignet – das als Fortschritt zu bezeichnen, möchte ich Ihnen zugestehen -, für das Verstehen der Natur selbst sind sie aber nach meiner Auffassung ungeeignet, ja, ich meine, sie verwirren mehr als sie erklären.

    Woran liegt das ? Kann es nicht sein, dass die besondere Sichtweise der Physiker auf die Welt diese in die Sackgasse geführt hat ? Der zum Exzess betriebene Reduktionismus ? Ihr Bestreben, alles in kleinste Teile zu zerlegen, um etwas zu erklären. Muss denn alles ins Kleinste zerlegt werden, um eine Erklärung zu finden ? Letztendlich führt doch die Frage nach dem kleinsten Teil und Teilchen in den logischen Widerspruch. Ist dies zur Erklärung der Natur nicht der falsche methodische Ansatz ? (wie gesagt: für Vorhersagen klappts (noch ?)).

    Um hier eine Sicht zu demonstrieren, die sich von diesem Denken in Teilchen löst, hatte ich Plank angeführt, mit der Behauptung, dass dieser das Quant nicht als Teilchen, sondern als prozessurale Einheit eingeführt hat, als kleinste Wirkung – das ist etwas anderes als ein Teilchen, es ist steht für eine „Verbindung“ zwischen zwei Teilen, nicht für ihre Trennung. Sie nehmen das Quant u.a. als eine für eine Einzelheit Konstitutives in Anspruch, mit welchem Grund ? Auch die Energie, dieses zentrale Mass für Wirkfähigkeit, ist ja keine Eigenschaft eines Objektes, wie das, so meine ich, in ihrem Text missverstanden werden könnte, sondern eine das Gesamtsystem kennzeichnende Grösse (wenn Sie sagen, ein Teilchen hat Energie, dann müssen Sie immer auch dazusagen: Energie gegenüber was), sie ist doch letzendlich eine Strukturgrösse, keine Einzeleigenschaft eines Objektes (nur in speziell gewählten Bezugssystemen kann man sie als Einzeleigenschaft zum vereinfachten Rechnen so darstellen). Also viele fundamentalen Begriffe der Physik bezeichnen`bei genauer Interpretation etwas Relationales, nicht Singuläres.

    Wo bleibt die Sicht der Physiker auf die Natur, bei der nicht alles in kleinste Portionen zerlegt wird ? Haben die Physiker keinen Sinn für das Aufgreifen von Zusammenhängendem ? Glauben Sie, dass die Vereinzelung aller Aspekte der Materie zielführend für eine tiefergreifende Erklärung der Materie ist ? Finden Sie nicht, dass die Verwendung des Begriffs Quants deshalb so intensiv von Physikern in Anspruch genommen wurde, weil man damit letzlich alles und nichts erklären kann, eine willkommene Pseudoerklärung für „einzelnes“ Unerklärbares – wo doch Plank gesagt hat, wie man das Quant verstehen müsste – nämlich als kleinste zu übertragene Wirkung.

    Ich muss ehrlich sagen, dass ich Ihren Beitrag sehr gerne gelesen habe und Ihrem Beitrag grossen Respekt zolle, aber das Loblied der Physik zu singen, wo diese – vielleicht aus erkennbaren Gründen – nichts wirklich vorweisen kann (konkret: bei der Erklärung, was Materie ist) das ist natürlich eine zulässige und von Ihnen interessant dargestellte, aber nach obigen Überlegungen nicht die richtige Sichtweise, das verlangt einen Widerspruch, den ich mir hier, um der Sache willen, bei allem Respekt, erlaube.

    Grüsse
    Bernd

  17. @Bernd. Warum ist Materie wichtig?

    Wichtiger als die genaue Definition von Materie scheint mir die die grundlegende Erkenntnis, dass es ohne Materie, ohne Welt der Dinge, nichts gibt. Das ist genau das Thema des Buches Die Natur der Dinge von Bunge und Mahner.

    Ob Materie nun letztlich aus Quanten oder aus Feldern und Quanten oder aus Feldern allein besteht ist in Hinblick auf das materialistische Weltbild nicht entscheidend. Entscheidend jedoch ist, dass die Welt der Dinge die Welt an und für sich begründet. Ohne materielles Substrat gibt es nichts – gar nichts.

    Was uns immateriell erscheint, muss irgendwo doch in der materiellen Welt wurzeln, sonst würde es nicht existieren.

    Mir scheint das selbstverständlich, doch es gibt – sogar hier auf scilogs – Leute, die das anders sehen. Doch wer eine Existenz ohne materielle Basis annimmt öffnet damit Tür und Tor für eine ganze Welt und eine Ära, die eigentlich langsam abgelaufen sein sollte.

  18. @Bernd

    Wenn auch Ihr Beitrag nicht an mich gerichtet ist, habe ich eine Zwiespältigkeit beim Lesen empfunden. Daher dieser Kommentar.
    Erstens habe ich, ähnlich wie Sie, die eher rhetorische Frage: warum geht man immer tiefer ohne Rücksicht auf Breite?! Nur denke ich, dass sie hier – zu einem Physiker –fehl am Platz ist. Es muss an Philosophen gerichtet werden, die ihre Hausausgaben vergessen.
    Ich weiß nicht, was für Bücher Sie gelesen haben, um ihre Vorstellung über die Quantenwelt zu bilden. Ich kann mich jedenfalls nicht entziehen der (ja, am besten passt hier der Wort) Harmonie der Vorgänger, die da stattfinden. Sie werfen alles (Punkt“teilchen, „virtuelle“ Teilchen, Teilchen ohne Masse, dennoch träge, „Austausch“teilchen, „Quanten“, „Anregungen“, usw) in ein Topf und fragen, wie ein Kind, der erstaunt ein Bausatzkiste leert und wundert, wo ist endlich das Haus, das ihm versprochen wurde. Ein bisschen Anstrengung seinerseits braucht es doch, um das Haus zu sehen.
    Besonders witzig empfand ich, dass sie einem Physiker, der nicht selbstverständliche Weise mit dem geschichtlichen Verlauf der physikalischen Erkenntnisse sich besonders interessiert, sagen, was Physikern klar, bzw. unklar vor 100 Jahren war.

  19. Slang oder Wissenschaftssprache

    Ich gehe davon aus, dass es zuerst einmal Daten und Modelle gibt und es ein Ziel ist, hier eine elegante Übereinstimmung zu finden. Inwieweit innerhalb der Modelle der Teilchenbegriff sinnvoll oder notwendig ist, steht auf einem anderen Blatt. Ich gehe davon aus, dass er in einer reinen Modellwelt auch nicht verwendet werden müsste.
    Praktischerweise kann der Teilchenbegriff aber durchaus als praktische Abkürzung für Modelle oder Modellklassen verwendet werden. Ein Beispiel sind “Fermionen” und “Bosonen” als sprachliche Abkürzung für Modelle mit bestimmten statistischen Eigenschaften.
    Wenn sich dann solche praktischen Abkürzungen bewehren, entsteht gerne ein “Wissenschaftsslang” oder “Fachjargon”, der innerhalb einer Community auch durchaus verstanden und korrekt interpretiert wird.
    Später wird dann aus dem Jargon die normierte, streng definierte, Fachsprache.
    Innerhalb einer Übergangszeit ist es allerdings relativ schwierig zu verstehen, ob jemand “Fach-Jargon” (nicht-normiert) oder “Fachsprache” (normiert) verwendet.
    Probleme mit dem Teilchenbegriff können durchaus auch auf den lockeren Umgang mit den Begriffen zurückgeführt werden. Will man genau wissen, was gemeint ist, gehe man am besten auf die mathematische Ebene der Daten und Modelle zurück.

  20. @Chris

    – Ich verstehe Ihr Argument “Bunge vs. Allgemeiner Relativitätstheorie” nicht, kann dazu nur sagen, dass ein materiefreier Raum, d.h. ein verschwindender Energie-Impulstensor nach der ART sehr wohl zur flachen Raumzeit führt. Die Schwarzschild-Lösung erhält man nur, wenn man ein bestimmte Randbedingung annimmt und so davon ausgeht, dass der Energie-Impulstensor in bestimmten Bereichen nicht verschwindet (wegen der Zentralmasse).
    – Ihr Argument mit Herrn Weyl beruht nur auf die Anerkennung seiner Autorität. Mich würde interessieren, wann er sich dazu so geäußert hat, ob er da schon die Quantenfeldtheorien kannte.
    – Die Frage, ob man Teilchen oder Felder als zwei unterschiedliche Arten von Objekten betrachten sollte, ist eine typische Frage der klassischen Physik. In der Quantenphysik wird sie obsolet, weil letztlich alle Materie auf Quanten zurück geführt wird. In der Quantenfeldtheorie sind es dann die Quantenfelder, als eine ganz neue Art von Feldern, die zum grundlegenden Begriff werden. Quanten erscheinen hier als Anregung der Quantenfelder, sind also Konfigurationen der Quantenfelder. Selbst wenn man dieses zum Anlass nimmt, Quantenfelder als fundamentaler als Quanten zu bezeichnen (was ich für unnötige Diskussion halte), folgt daraus immer noch, dass man Quanten und Felder zur selben Kategorie zählen sollte – und der nächstliegende Name dafür ist eben Materie. Wir sträuben uns wohl deswegen zunächst dagegen, weil wir es gewohnt sind, unter Materie etwas “Handfestes” zu verstehen. Aber dabei denken wir wieder zu klassisch.
    – Bei Bunge könnte man auf die Idee kommen, dass er den Begriff der Materie auch deshalb so weit gefasst hat, damit er seine Position bequem “Materialismus” nennen kann. Selbst wenn das so ist, muss es ja nicht falsch sein. Die physikalischen Argumente finde ich überzeugend.

  21. @Bernd

    Ich fürchte, Sie suchen etwas, was es gar nicht gibt und auch nicht geben kann, nämlich ein Verständnis der Welt der kleinsten Dinge (Atome, …) mit dem Anschauungs- und Vorstellungvermögen eines Wesens, das im Laufe der Evolution nur mit den Dingen der mittelgroßen Dinge (andere Menschen, Bäume, etc ) konfrontiert wurde und somit nur ein Erkenntnisvermögen ausbilden konnte, was dieser Welt der mittleren Dimensionen entspricht. Dass wir mit der Mathematik in die Welt der kleinsten Dinge vordringen können und wirklich verlässliche Aussagen in dieser Sprache formulieren können, ist schon bemerkenswert genug – und mit dieser Form von Verständnis müssen wir uns begnügen. Wer Ihnen mehr verspricht, setzt auf persönliche Interpretationen oder gar auf Esoterik, auf jeden Fall vermeidet er überprüfbare Aussagen.

  22. @Josef Honerkamp

    Das Verschwinden des Energie-Impuls Tensors gibt nur Ricci-flach, aber eben nicht notwendig flach. Denken Sie als Beispiel an eine ebene Gravitationswelle: Das ist eine nicht-statische und nicht-flache Vakuum-Lösung (ohne Rand und auch ohne asymptotische Bedingungen im Unendlichen). Die hat Energie und Dynamik, also all das, was Bunge mit Materie in Verbindung bringt. In der relativistischen Terminologie gilt es als materiefrei. Bei Bunge möglicherweise nicht, sofern ich das korrekt verstanden habe,

    Bei Hermann Weyl bezog ich mich auf Space-Time-Matter, Dover Publ., 1952. Das ist die erste amerikanische Ausgabe, das Vorwort dazu hat er 1950 verfasst. Weyl erwähnt dabei auch, dass sein erster Ansatz zur Formulierung des Eichprinzips misslang und verweist auf seine späteren Publikationen zu diesem Thema. Durch die neueren Erkenntnisse bis 1950 sieht er offenbar aber keinen Anlass zur grundsätzlichen Revision seiner Vorstellung von Feldern und Teilchen. Ich bin geneigt, folgendes für eine Schlüsselstelle zu halten (§25, p. 203):

    It is not the field that requires matter as its carrier in order to be able to exist itself, but matter is, on the contrary, an offspring of the field.

    Weyl ist durchaus bereit, den Materiebegriff zu erweitern, aber nicht auf Gravitationsfelder:

    Since there is no sharp line of demarcation between diffuse field-energy and that of electrons and atoms, we must broaden our conception of matter, if it is still to retain an exact meaning. In future we shall assign the term matter to that real thing, which is represented by the energy-momentum-tensor.

    Durchaus möglich, dass ich bei Bunge etwas übersehen habe, ich bin da kein Experte. Habe mich erst durch frühere scilogs Blogbeiträge dazu motivieren lassen, zwei Bücher einmal in die Hand zu nehmen (“Matter and Mind” und “Foundations of Physics”).

  23. Bernd @ Irena Pottel

    Sehr geehrte Frau Pottel, nachdem ich mit ein paar Tagen Abstand meinen Beitrag lese, verspüre ich ebenfalls Zwiespältigkeit dabei. Zunächst muss ich Ihnen sagen, dass ich selbst Physiker bin, was ich von Anfang an hätte bekennen sollen – wie sollen die Leser sonst wissen, welches Grundwissen sie voraussetzen können. Ich beteilige mich nun aber zum ersten Mal in einem Forum, und habe versucht bei den ersten Beiträgen nichts falsch zu machen. Dabei ist einige Klarheit auf der Strecke geblieben. Ich bitte Sie, mir dies alles nachzusehen.
    Ich will noch hinzufügen, dass ich in meinem Beruf nie gearbeitet habe. Ich bin also kein Spezialist auf diesem oder jenem Gebiet, denke aber, das sich die physikalischen Grundlagen schon beherrsche.

    Der Beitrag von Herrn Honerkamp zeigt doch sehr anschaulich auf, wie schwierig es ist, sich einen Begriff von “Materie” zu machen. Die Physiker, die in ihren Modellen die Natur nachbilden, haben da noch wenig Probleme mit dieser Frage, solange sie bei ihren Modellen bleiben. Materie kann im Rahmen der Modelle alles Mögliche sein. Auch wenn man sich davon kein anschauliches Bild machen kann (Quanten, virtuelle Teilchen, Quantenfelder, usw.), so sind diese Methaphern dennoch nützlich und sinnvoll, und ihre begriffliche Inkonsistenz behindert richtige Vorhersagen nicht.

    Wenn man aber von den Physikern verlangt, oder wenn sie sich selbst bemühen, aus Ihren Modellvorstellungen herauszutreten, und daraus auf die Welt, wie sie nun tatsächlich beschaffen ist, rückzuschliessen, und sie unter Zuhilfenahme der in den Modellen verwendeten Begriffen zu erklären, so scheitern alle diese Erklärungen vollständig. Das meinte ich, als ich sagte, man sei mit dem Wissen, was denn nun Materie ist, keinen Schritt weiter als von hundert Jahren.

    Bernd @ Josef Honerkamp

    ich hoffe, Sie lesen meine Antwort an Frau Pottel, um meinen vorhergehenden Beitrag besser zu verstehen.

    Es ist doch menschlich, von den Physikern zu verlangen, dass sie anschaulich erklären, was sie denn nun über das Wesen der materiellen Welt herausgefunden haben, obwohl das herauszufinden und zu erklären gar nicht zu ihren Aufgaben gehört. Aber an wen soll sich der Wissensdurstige denn sonst wenden ? Auch die Physiker selbst stellen sich doch die gleiche Frage – und erliegen dann leicht der Versuchung, ihre Modelle als mit der Wirklichkeit übereinstimmend zu erklären.

    Also wird diese Frage auf der Tagesordnung bleiben, egal wie weit wir evolutionsbiologisch zur Erkenntnis befähigt sind. Selbst die Erkenntnis unserer eigenen Unfähigkeit kann uns nicht hindern, die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit immer weiter auszutesten, auch das ist evolutionsbiologisch begründet, und diese stellt sich hier selbst ein Bein.

    Wir sind auch nicht nur von mittelgrossen Dingen umgeben. Auch Licht besteht auch Quantensystemen. Seit der Entstehung des Menschengeschlechts baden alle Menschen ab ihrer Geburt in einem Quantenmeer, und strahlen selbst Quanten ab, und – wer weiss – welche Quantenvorgänge
    in unseren empfindlichsten Sinnesorganen noch eine wesentliche Rolle spielen. Warum sollten wir unfähig sein, diese so lebenswichtigen Prozesse verstehen zu lernen ?

    Ich denke, wir werden dadurch gehindert, dass wir nur in „Teilchen“ denken, und die Welt in immer kleinere Teile teilen. Hat sie uns nicht längst mitgeteilt, dass das im ganz Kleinen nicht mehr die Methode der Wahl ist ?

  24. @Chris

    Lassen wir mal gängige Terminologien beiseite, Sie wissen ja auch, wie die durch Gewohnheiten entstehen und verfestigt werden. Die Zitate von Weyl aber sind sehr interessant:
    – “Materie als ein offspring eines Feldes”? Das könnte auch heißen: Teilchen d.h. Quanten als offspring .. . wie es in der QFT aussieht. Was wäre dann das Photon, das in der gleichen Weise ein offspring eines Quantenfeldes ist wie ein Elektron? Warum soll man einen Unterschied machen zwischen Quanten mit m=0 und m ungleich 0?
    – Die Gravitationsfelder auszuschließen – das ist ein interessanter Gedanke. Entsprechende Quanten kennen wir noch nicht, im Energie-Impuls-Tensor kommen sie nicht vor. Mit dem Gedanken könnte ich mich anfreunden, denke ich (jetzt). Passt auch zu der Idee, dass die Gravitation ganz anders zu beschreiben ist und die ART nur eine phänomenologische Theorie ist (deshalb man von ihr als QFT auch nicht Renormierbarkeit erwarten darf). Ich werde das “im Herzen bewahren”. Vielen Dank für den Hinweis.

  25. Bevor es Menschen gab, existierten

    … diese nicht. (Mathematik, Musik, Kunst, Literatur, Religionen und Wissenschaft)

    Das ist m.E. nicht bewiesen. Klar ist nur, dass sie bis dahin nicht von Menschen zum Ausdruck gebracht wurden.

  26. Materiebegriff

    Endlich ein Bericht, in dem Masse und Materie nicht mehr durcheinandergewürfelt werden! Ich habe in der 10 Schulklasse vor 51 Jahren bereits gelernt, dass Masse plus Energie zusammen die Materie darstellen. Die Bewusstseinzustände des Menschen sind nichts als Energieszustände, also doch auch Materie im quantenmechanischen Sinne. Was wäre nach dem Urknall geschehen, wenn es nicht auch noch die Information (zur Herausbildung von Struktur und Funktion) gäbe, die der Materie offenkundig immanent ist? Es gibt Stimmen, die behaupten, dass auch die Information ebenso wie die Energie ein Zustand der Materie ist und sich Masse, Energie und Information in einer Art Tripelpunkt, wie wir ihn vom Wasser kennen, zusammenfinden. Mir leuchtet das jedenfalls ein.

  27. @Josef: CERN-Neutrinos vs. Einstein

    Offenkundig steht nicht nur der Materiebegriff zur Disposition, sondern gar die Reichweite zentraler Axiome der Relativitästheorie(n), siehe hier:
    http://www.zeit.de/…2011-09/neutrinos-cern-licht

    Man weiß ja gar nicht, ob man auf einen Messfehler hoffen soll – oder eben gerade nicht… Auf einen Blogpost von Dir dazu warte ich (und sicher nicht nur ich) aber auf jeden Fall!

  28. Materiebegriff

    Es wird gesagt: “…in schriftlicher oder elektronischer Form irgendwelchen materiellen Objekten aufgeprägt sind, diese in Form gebracht, also “informiert” haben. Bevor es Menschen gab, existierten diese nicht.”

    Wie steht es nun um jene Information, die zu Struktur und Funktion der Materie führt? Ein Impuls ist doch bereits “Information”. Oder ist etwa “Information” neben Masse und Energie der dritte Zustand der Materie?

  29. @Dr. Bernd Walter

    Ein Teilchen trägt einen Impuls, aber ein Impuls ist keine Information. Eine Information gibt es für Menschen, nicht in der Natur, dort gibt es nur Strukturen.
    (siehe mein Beitrag “Der Informationsbegriff in der Physik”
    Leider wird häufig Struktur mit Information gleich gesetzt.

  30. Geist UND Materie? oder Geist IN Materie

    gelesen.
    gern gelesen.
    amüsiert gelesen und verstanden.
    keine Fragen, nur dies als Zustimmung:
    “Bei der Frage aber, wie eine Evolution auf materieller Ebene zum Phänomen Geist führen kann, stehen wir erst am Anfang.”!

    Allerdings frage ich mich, wieso wir den Geist (bisher) stets außerhalb von Materie vermuten, ist das eine physikalische oder eine religiös geprägte Vorstellung?
    Finden wir doch einfach nmal ein anderes Wort für Geist, das wir dann versuchen, uns zu erklären, denn Geist ist derrart überfrachtet mit launigen und seltsamen Vorstellungen, die das verhindern und bremsen.
    Wenn damit fertig, werden wir auch für den Geist wieder einen Platz haben, dann allerdings in seiner ursprünglichsten Deutung.
    Lediglich der von Ihnen als gegeben akzeptierte Dualismus, längst weltweit in frage gestellt und als unhaltbar bezeichnet, verwundert mich, und zwar die Frage, woher SIE das nehmen, ist das Ihre Erkenntnis oder Ihre Annahme?
    Denke mal, Sie stellen schnell die Verbindung her zu einer anderen Meinungsäußerung von mir.

Schreibe einen Kommentar