Die Vorsokratiker: Die Mathematik der Pythagoreer

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Ansichten eines Physikers
Die Natur der Naturwissenschaft


Zu der Zeit, als Anaximenes in Milet die Tradition der ionischen Schule vertrat, wirkte in einem anderen Teil des griechischen Kulturkreises Pythagoras (ca. -570 bis -490).  Auf der Insel Samos geboren und aufgewachsen, soll er sich in seiner Jugend in Babylonien und Ägypten aufgehalten haben. Dort lernte er wohl die religiösen Anschauungen und auch das mathematische Wissen dieser Kulturen kennen. Um etwa -530 ließ er sich dann in Kroton nieder, einer durch Handel reich gewordenen Stadt in einer süditalienischen griechischen Siedlung und gründete dort eine Schule. Diese wurde zu einer verschworenen Gemeinschaft; er selbst wurde für seine Schüler eine unhinterfragte Autorität. Ein charismatischer Redner muss er auch gewesen sein, und er muss sie mit seinen Ideen, die er in Babylonien und Ägypten aufgenommen hat, stark beeindruckt haben. Mit dem Satz „Er hat es selbst gesagt“, soll bei den Pythagoreern manche Diskussion gar nicht erst aufgekommen sein (Schupp I, S.63). So sehen wir heute in dieser Schule starke religiöse Züge.

Vieles ist über Pythagoras geschrieben worden, vieles ihm zugeschrieben. Nichts davon gilt heute als gesichert. Es gibt keine Schriften von ihm, auch nicht von seinen Schülern, den Pythagoreern. Aus den antiken Quellen wie denen von Heraklit, Empedokles, Aristoteles und aus der Spätantike von Diogenes Laertios oder Jamblichos erfahren wir Widersprüchliches und höchst unterschiedliche Einschätzungen. 

Zwei Themen standen bei Pythagoras und seinen Schülern, den Pythagoreern, aber jedenfalls im Vordergrund: Die Seelenwanderung und die Mathematik. Zu beiden Themen war Pythagoras vermutlich durch seine Reisen inspiriert worden. 

Auf die Vorstellungen, die sich die Pythagoreer von einer „Seele“ und einer „Seelenwanderung“ gemacht haben, will ich nicht eingehen. Die Pythagoreische Seelenlehre hat zwar eine große Wirkung entfaltet und spätere Philosophen wie insbesondere Platon stark beeinflusst. Sie war dominantes Thema des Neuplatonismus in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten und ist über diese philosophische Strömung auch ins Christentum eingeflossen. Zum Erstarken des Logos im Denken der Menschen hat diese Lehre aber nichts beigetragen.

Ganz anders verhielt es sich in dieser Beziehung aber mit dem Studium mathematischer Probleme. Eine Fülle von mathematischen Einsichten wurde gefunden. Ein ganz neues Feld für philosophische Überlegungen wurde entdeckt. Aristoteles berichtet in seiner Metaphysik:

„In der gleichen Zeit, als jene Philosophen [Parmenides, Empedokles, Anaxagoras, Leukipp, Demokrit] tätig waren, aber auch schon vorher, fingen die als „Pythagoreer“ Bezeichneten an, mathematische Studien zu betreiben. Sie waren die ersten, welche diese Studien voranbrachten; und als sie darin erzogen worden waren, waren sie überzeugt, dass die konstitutiven Prinzipien des Mathematischen auch die konstitutiven Prinzipien der seienden Dinge seien.“ (Mansfeld & Primavesi, 2011, pp. 147, Nr.31).

Die Pythagoreer waren nach Aristoteles also die ersten, die das mathematische Wissen vermehrten, und Pythagoras hatte den Anstoß dazu gegeben. Dieses war der zweite große Anstoß in der Geistesgeschichte. Den ersten Anstoß hatten die ionischen Philosophen gegeben, als sie begannen, die Welt aus sich heraus zu erklären, nämlich mit Argumenten, die sich auf Regelmäßigkeit in der Natur stützten. Hier nun, im zweiten Schritt entdeckte man eine Sprache, in der man Regelmäßigkeiten notieren kann. Aber nicht nur dieses; man konnte in dieser Sprache auch Argumentationen liefern, die unabweisbar sind.  Und für das Verhältnis der „konstitutiven Prinzipien des Mathematischen“ zu den „konstitutiven Prinzipien der seienden Dinge“ haben die Pythagoreer nach Aristoteles eine erste Antwort geliefert. Wir werden im nächsten Blogbeitrag sehen, wie es ihnen damit ging. Später wird die Frage nach einem solchen Verhältnis noch sehr aktuell werden.

Aber schauen wir uns erst einmal die Studien an, welche die Pythagoreer und auch andere Philosophen, angesteckt durch diese, betrieben haben:

Arithmetik

Mit dem Namen Pythagoras verbinden die Meisten den Satz von Pythagoras über die Beziehung zwischen den Quadraten der Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks: Bezeichnet man die Katheten eines solchen Dreiecks mit a und b, die Hypotenuse mit c, so gilt a2 + b2 = c2. Diese Beziehung kannten schon die Babylonier und Ägypter und Pythagoras hatte wohl, wie übrigens Thales auch, solches Wissen von seinen Reisen mitgebracht. Die Legende berichtet, dass Pythagoras bei Betrachtung einer ägyptischen Kachel zu einem Beweis dieses Satzes angeregt worden war (Abb.1). 


Abb. 1: links: Veranschaulichung des Satzes von Pythagoras:
rechts: So könnte die Kachel (aber überall mit gleichen Strichen) ausgesehen haben, von welcher Pythagoras nach der Legende zu einem Beweis des Satzes inspiriert wurde. Die Quadrate über der Hypotenuse sind durch Strich-Punkte markiert. Die Quadrate über a, b, c enthalten zwei bzw. vier gleich große Dreiecke. (aus Honerkamp, 2018).

Hier haben wir es mit einer geometrischen Figur zu tun, aus der wir eine Aussage über die Beziehung dreier Zahlen, also eine arithmetische Relation, ableiten können. Das ist die wohl erste Verbindung von Geometrie und Arithmetik. Etwa 2.000 Jahre später sollte Descartes mit der „Analytischen Geometrie“ diese Verbindung noch so verstärken, dass fortan die Arithmetik zum Schwerpunkt der Mathematik wurde.

Die Griechen stellten ihre Zahlen damals noch durch Buchstaben dar, d.h. es gab prominente Zahlen, nämlich jene, welche wir heute 1, 2, …, 9, 10, 100,… nennen; jede andere Zahl wurde als Summe dieser Prominenten gesehen, und die Summanden wurden dann der Größe nach in Form von Buchstaben notiert. Wir kennen solch ein Additionssystem heute noch von den römischen Zahlen.

Im Rahmen einer solchen Zahlschrift ist das Rechnen sehr schwierig. Das mag Pythagoras dazu geführt haben, eine geometrische Zahlendarstellung zu erfinden, in der jede Zahl als eine Summe von Einsen gesehen wird. Für jede Eins wird ein Punkt notiert, wobei die Punkte dann zu einer bestimmten geometrischen Figur angeordnet werden (Abb.2). So gibt es dann z.B. Quadratzahlen, Dreieckszahlen, Kubikzahlen, usw.


Abb.2: Eine Quadratzahl (16=42), Dreieckzahl (10 = 1+2+3+4) und eine Kubikzahl (8= 23).

Aus solchen Figuren kann man dann schon viele weitere Beziehungen zwischen verschieden Zahlen ablesen, z.B. die Aussage, dass die Summe aufeinander folgender ungeraden Zahlen, wenn sie mit 1 beginnt, immer eine Quadratzahl ist (Abb.3).

Abb. 3: Eine Folgerung aus Quadratzahlen (aus (Schupp, 2003a, p. 74))

Wenn man noch auf der rechten Seite dieser Abbildung die letzte Zeile schreibt als:

(1 + 3 + 5 + 7) + 9 = 25, also 16 + 9 = 25, oder 42 + 32 = 52,

erhält man ein so genanntes pythagoräisches Zahlentripel, d.h. drei Zahlen, bei der sich das Quadrat der größten als Summe der Quadrate der beiden kleineren Zahlen darstellen lässt. Auf diese Weise entdeckt man, wie einfach man solche Zahlentripel bilden kann:  Jede Summe solcher ungeraden Zahlen, die mit einer Quadratzahl endet, liefert ein Tripel. Man nehme also nur eine ungerade Quadratzahl, sagen wir 25 = 52, und bilde

1 + 3 + … + 23 + 25 = 169, also 144 + 25 = 169, oder 122 + 52 = 132.

Solche Zahlentripel kannten schon die Babylonier, und da man auf deren Keilschrifttafeln eine große Anzahl von solchen Tripeln fand, müssen Verfahren zur Bildung solcher Tripel schon viel länger bekannt gewesen sein.  Selbst in der Megalith-Kultur Südenglands soll man für Konstruktionen das Wissen um solche Tripel benutzt haben (van der Waerden, 1983, p. 9).

Inspiriert durch solche Erfahrungen entdeckten die Pythagoreer viele Beziehungen zwischen zwei, drei oder vier Zahlen, z.B. das arithmetische und das geometrische Mittel, auch das harmonische Mittel. Vermutlich kannten sie auch schon den „goldenen Schnitt“. Heute würde man solche Studien unter dem Titel „Zahlentheorie“ verbuchen.

Geometrie

Die Geometrie wurde bei allen diesen Studien über Verhältnisse von Zahlen nicht vernachlässigt. Besonders in Ägypten haben Thales und Pythagoras viel über Geometrie lernen können. Nach Nilüberschwemmungen mussten die Ägypter oft ihre Felder wieder rekonstruieren. Da war es sehr nützlich, wenn man wusste, wie man Rechtecke konstruieren konnte, und vor allen Dingen, wenn man den Flächeninhalt eines Feldes berechnen konnte.

Nicht nur rechte Winkel und Rechtecke waren wichtig. Auch Kreise, Dreiecke und andere Vielecke wollten konstruiert werden, in der Praxis – und bei den Griechen dann auch auf dem Papyrus mit Zirkel und Lineal, ganz ohne Hinblick auf einen Nutzen. Und man wollte die Flächeninhalte auch solcher Flächen berechnen können.

Ein notorisches Problem war bei den Babyloniern und Ägyptern die Berechnung des Flächeninhaltes F eines Kreises gewesen. Man wusste wohl, dass F proportional zum Quadrat des Radius sein muss, aber die Proportionalkonstante, die wir heute mit π bezeichnen, war nicht genau bestimmbar. Die Babylonier hatten den Wert 3 für diese Konstante benutzt, die Ägypter (16/9)2 = 3,1604…, der Pythagoreer Antiphon der Sophist (5. Jhdt.v.Chr.) machte sich zunutze, dass man den Flächeninhalt von regelmäßigen Vielecken schon zu bestimmen wusste, näherte den Kreis durch solche Vielecke, und erhielt dadurch einen Näherungswert, der umso besser ist, je mehr Ecken dieses Vieleck hat. Diese Methode sollte Schule machen. Bryson von Herakleia (-450 bis -390) betrachtete nicht nur regelmäßige Vielecke, die in den Kreis einbeschrieben sind, sondern auch solche, die den Kreis umschreiben. Er erhielt somit zwei Näherungen, eine, die kleiner, eine andere, die größer als der gesuchte Wert ist. Archimedes sollte die Methode dann zu einer Perfektion treiben, die man heute nur bewundern kann  (Honerkamp, 2018, p. 82ff).

Nicht nur Flächen, sondern auch dreidimensionale Körper im Raum wurden studiert, neben der Kugel waren insbesondere die Vielflächner (Polyeder, nach ἔδρα gr. = Sitzplatz, καδ-έδρα gr. = Katheder) interessant. Diese sind Körper, die von mehreren regelmäßigen Flächen begrenzt sind. So gibt es einen Tetraeder (Vierflächner), der Würfel ist ein Hexaeder, es gibt einen Oktaeder (Achtflächner), einen Dodekaeder (Zwölfflächner) und einen Ikosaeder (Zwanzigflächner) (siehe Abb.4).

kAbb.4: Die fünf platonischen Körper: Tetrader, Hexaeder, Oktaeder, Dodekaeder, Ikosaeder.

Wie der Mathematiker Theaitetos (-415 bis -369) zeigen konnte, besitzen alle diese einen bestimmten Punkt im Innern, der von allen Ecken gleich weit entfernt ist, sodass sich alle diese Vielflächner in einer Kugel einschreiben lassen. Er bewies auch, dass es keine weiteren Polyeder dieser Art geben kann. Die Regelmäßigkeit dieser Körper und ihre Einzigartigkeit hat Platon später veranlasst, Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder und Ikosaeder den Elementen Feuer, Erde, Luft und Wasser zuzuordnen, ganz im Sinne der Pythagoreer, die ja alles in der Natur von der Zahl beherrscht sehen. Platon hat diesen Körpern also einen mythischen Glanz gegeben; das führte dazu, dass man sie später „platonische Körper“ nannte.

Der französische Wissenschaftshistoriker André Pichot listet in seinem Werk Die Geburt der Wissenschaft einundzwanzig griechische Mathematiker des 6. und 5. Jahrhunderts v.Chr. auf (Pichot, 2000, p. 371ff). Viele mathematische Theoreme in Geometrie und Arithmetik sind von diesen gefunden worden. Auch Lehrbücher, „Elemente“ genannt, muss es in vorsokratischer Zeit gegeben haben, mit denen man Neulinge in die Mathematik einführen wollte. Keines davon ist uns überliefert worden. Erst aus der Zeit um -300 liegt uns ein solches Lehrbuch vor. Dafür ist es wohl das vollständigste und ausgereifteste Werk, aus dem wir den Stand der damaligen Mathematik entnehmen können. Es sind die „Elemente“ des Euklid von Alexandria. Dieses Werk besteht aus drei Kapiteln („Büchern“) über Arithmetik und 10 Kapiteln über Geometrie. Es hat einen kaum überbietbaren Einfluss in der Geistesgeschichte der westlichen Welt gehabt hat, vor allem, weil es die Geometrie in Form eines axiomatisch deduktiven Systems darstellen konnte und damit die logische Ordnung des dargestellten Wissens transparent machte. Ich werde zu entsprechender Zeit darauf zurückkommen.

Musik

Es gab noch ein anderes, sogar konkreteres Feld, auf dem die Pythagoreer entdeckten, dass sich Beziehungen im Raum auf Beziehungen zwischen Zahlen abbilden lassen. Dieses Feld war die Musik, die sie auf der Lyra spielten, und hier konnte man sogar mit den Sinnen Beziehungen zwischen Natur und Zahlen erfahren.

Das „Tetrachord“ besaß vier Saiten, denen man je nach Länge und Spannung durch Zupfen, Streichen oder Schlagen einen bestimmten Ton entlocken konnte. Wenn man zwei Saiten gleichzeitig zupfte, hörte man einen Klang, den man als harmonisch empfand, wenn die Längen der beiden Saiten in einem ganzzahligen Verhältnis wie 1:2, 2:3, 3:4 standen. Insbesondere bei dem Verhältnis 2:1 hörte sich der Klang fast wie ein einzelner Ton an. Betrachten wir hier die einfachste Form eines Tetrachords (s.a. Wikipedia: Tetrachord).

Abb. 5:  Die Saiten eines Tetrachords und die Verhältnisse der Längen benachbarter Saiten (nach (Pichot, 2000)). Achtung: Hier werden die Töne von links nach rechts tiefer!

Sei die erste Saite ganz links die kürzeste. Die zweite, dritte und vierte Saite mögen dann 4/3, 3/2 bzw. 2/1 mal der Länge der ersten, sein. Wir nennen die Töne dann C’, G, F und C, die Frequenz der Töne G, F, C sind 3/4, 2/3 und 1/2 mal der Frequenz des Tons C’ der linken Saite. Der Pythagoreer Philolaos gibt den Intervallen bestimmte Namen, später hießen diese dann Quarte (von C’ nach G), Quinte (von C nach F) und Oktave (von C’ nach C) (Abb.5).

Abb.6: Die Saiten eines Oktochords und die Verhältnisse der Frequenzen benachbarter Saiten in der pythagoreischen Stimmung (nach Pichot,200, p.385).

Für ein „Oktochord“ mit acht Saiten brauchte man eine feinere Unterteilung (Abb.6). So führte Philolaos zunächst eine „Sekunde“ als Abstand zwischen Quarte und Quinte ein (von G nach F, von Mese zu Paramese). Für diesen ergibt sich das Verhältnis der Frequenzen von (3/4):(2/3) = 9/8. Mit zwei auf einander folgenden Sekunden (Ganztönen) kann man vom tiefsten Ton C (Nete) ausgehend aber noch nicht den Ton F (Paramese) erreichen. Der verbleibende “Abstand” ist (4/3):(9/8)2= 256/243. Dieses Intervall nennt man einen „Halbton“, die Griechen nannten es Diёsis (von δί-ειμι, gr. =hindurchgehen).

Das Intervall von G nach C’, von der Mese zu der Hypate, ist auch eine Quarte und es ergibt sich ein gleiches Bild wie von C nach F.

Solch ein „Halbton“ ist also ein Intervall, bestehend aus zwei Tönen mit einem Frequenzverhältnis von 256/243. Es ist aber nicht wirklich so etwas wie die Hälfte des Intervalls eines Ganztons. Denn setzt man zwei solcher Intervalle auf einander, so ergibt sich ein Intervall mit dem Frequenzverhältnis von (256/243)2, was nicht gleich 9/8 ist. Es fehlt noch ein ganz kleines Intervall mit Frequenzverhältnis

(9/8) : (256/243)2 = 531441/524288.

Dieses Intervall nannte man heute das pythagoreische Komma (von gr. κόπτειν->κόμμα = so etwas wie “Abschnitt”, siehe Duden, Herkunftswörterbuch). Man müsste den „Halbton“ also genauer einen kleinen Halbton nennen, und es gibt dann auch einen großen Halbton, ein Intervall, das um das pythagoreische Komma größer ist. 

Solange man auf dem Oktochord spielt, und alle, die gleichzeitig spielen, den gleichen Grundton C benutzen, spielt dieses pythagoreische Komma keine Rolle. 

Diese Bestimmung eines Vorrates von sechs Tönen zwischen den zwei Tönen einer Oktav bei gegebenem Grundton führt zur so genannten Pythagoreischen Stimmung. Sie wird also bei einem solchen Oktochord verwirklicht.

Die sechs Töne (nun von “unten” beginnend: D, E, F, G, A, H) kann man auch so bestimmen: Von einem gegebenen Ton aus finde man jeweils die reine Quinte (Frequenzverhältnis 3/2). Ergibt sich dabei ein Ton oberhalb des betrachteten Intervalls, setze man den Ton eine Oktave tiefer, halbiere also die Frequenz. Geht man also von C aus, so erhält man nach und nach: G, D‘->D, A, E‘->E, H. Jetzt fehlt noch das F. Dann sollte man doch von F an beginnen, erhält also nun: F, C, G, D, A, E, H.

Will man nun den Vorrat an Tönen vergrößern, so kann man dafür weiterhin die Quintenregel nutzen, erhält also Töne, die wir Fis, Cis, Gis, Dis, Ais nennen könnten, weil deren Frequenzen jeweils um eine Diёsis höher als F, C, … sind. Der nächste Ton wäre dann Eis, und das müsste wieder F sein. Das stimmt aber nicht, denn zwischen H und dem Fis dieser Konstruktion liegen zwei kleine Halbtöne (H-C und E-F), statt nur eine wie bei den anderen solchen Intervallen. Das Intervall H-Fis ist also eine zu kleine, keine reine Quinte, eine „Wolfsquinte“ (weil sie „heult wie ein Wolf“). Man muss also, wenn man die Regel strikt befolgen will, die Frequenz des Fis noch um das Pythagoreische Komma erhöhen und damit alle folgenden Töne auch. Die Frequenz des dann schließlich erreichten Eis wäre also um dieses Komma höher als F. Das zeigt sich auch, wenn man diese Konstruktion rechnerisch nachvollzieht. Es ist

(3/2)12: 27 = 531441/524288.

Würde man von F „abwärts“ im gleichen Maße die Töne B, Es, As konstruieren, erhielte man die Quintenzirkel in der üblichen Form. Dann zeigt sich bei den Tönen Gis/As, dass sich der „Zirkel“ nicht ganz schließt. Der Ton Gis ist um das Pythagoreische Komma höher als das As.

Das Pythagoräische Stimmungssystem war bis ins 16.Jahrhundert in Mode. Nach langem Experimentieren hat man im 16./17. Jhdt. die gleichstufige Stimmung kennen gelernt. In dieser ist die Oktave in zwölf Intervalle gleicher Frequenzverhältnisse f aufgeteilt. ES muss also f12 = 2 sein, damit ist f = 1,05946…. > 1,05349… = (256/243).

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Josef Honerkamp war mehr als 30 Jahre als Professor für Theoretische Physik tätig, zunächst an der Universität Bonn, dann viele Jahre an der Universität Freiburg. Er hat er auf den Gebieten Quantenfeldtheorie, Statistische Mechanik und Stochastische Dynamische Systeme gearbeitet und ist Autor mehrerer Lehr- und Sachbücher. Nach seiner Emeritierung im Jahre 2006 möchte er sich noch mehr dem interdisziplinären Gespräch widmen. Er interessiert sich insbesondere für das jeweilige Selbstverständnis einer Wissenschaft, für ihre Methoden sowie für ihre grundsätzlichen Ausgangspunkte und Fragestellungen und kann berichten, zu welchen Ansichten ein Physiker angesichts der Entwicklung seines Faches gelangt. Insgesamt versteht er sich heute als Physiker und "wirklich freier Schriftsteller".

22 Kommentare

  1. Das Interessante am Satz des Pythagoras ist,
    dass seine Mathematik ein fester Bestandteil der Relativitätstheorie wurde.

    Es finden sich darin letztendlich auch Ansätze für die Quantenphysik der Gravitation.

    Unbegreifbar aber einfach, wenn man das mal begriffen hat!!!

  2. Pythagoras als Begründer der mathematischen Analyse der Musik bedeutet auch: Pythagoras war der erste der Mathematik als Beschreibungsmittel von physikalischen Phänomenen einsetzte.
    Erst viel später sprache man von Mathematik als Sprache für die Naturbeschreibung oder gar als Sprache der Natur. Doch bereits Pythagoras hat hier erste Gehversuche gemacht.

  3. Hallo Prof. Honerkamp. 

    Meine Mittagspausen-Entspannung ist der nächste kleine Kommentar.

    Gerade das Ende zu einem “pythagoreischen Komma” war interessant, das kannte ich so noch nicht. Danke. 

    Vielleicht haben sie einen Gedanken von Pythagoras noch für eine spätere Stelle bei Platon aufgespart, aber ich vermisse diesen und halte ihn für sehr bedeutsam: Das Wissen um die Geometrie offenbart einen besonderen Weg im Finden von Wahrheiten, nämlich z. B. sich von “gezeichneten” Dreiecken zu lösen und zu erkennen, dass es nicht darauf ankommt, die Winkel wirklich zu messen, um dann eine Winkelsumme von 179° oder 181° in Summe zu errechnen. Oder noch tragischer: Mit einem Lineal hat ein Quadrat mit der gesetzten Seitenlänge 1 eine messbare Diagonale. Aber es keimte das Verständnis auf: Wow, man kann “vor dem geistigen Auge” eine höhere Wahrheit erblicken, gezeichnete Dinge auf dem Papyrus sind immer “weniger wahr”!

    Das ist meines Erachtens der Kern des Höhlengleichnisses: Das Messen ist ein schwaches Deuten von Schatten, man muss die “idealen” Formen betrachten, nicht messen.

    Mahlzeit

    Bührig

  4. @Berechenbare Welt

    Die beiden Revolutionen bei den alten Griechen haben die Menschheit entscheidend weiter gebracht:

    Den ersten Anstoß hatten die ionischen Philosophen gegeben, als sie begannen, die Welt aus sich heraus zu erklären, nämlich mit Argumenten, die sich auf Regelmäßigkeit in der Natur stützten.

    Und für das Verhältnis der „konstitutiven Prinzipien des Mathematischen“ zu den „konstitutiven Prinzipien der seienden Dinge“ haben die Pythagoreer nach Aristoteles eine erste Antwort geliefert

    So ist die Erforschung des Regelmäßigen zur Grundlage der heutigen Kultur geworden. Von der Raumfahrt über Teilchenbeschleuniger und Computertechnik sind hier Welten entstanden, die früher unvorstellbar waren.

    Psychologische Fakten sind aber auch heute noch in der Komplexität des Gehirns versteckt, und man kann immer noch behaupten, dass sie sich keineswegs auf Gehirnprozesse reduzieren lassen. Das gilt nicht nur insofern, dass man nur noch nicht das Gehirn im Detail verstanden hat, auch muss ich hier anmerken, das z.B. meine Vorstellung des Bewusstseins als Synthese vom kosmischen Bewusstsein mit einem lokalem Gehirn auch heute noch im Bereich des Möglichen zu suchen wäre.

    Mit gutem Grund haben auch die alten Griechen nicht die ganze Wirklichkeit auf die regelmäßigen oder gar mathematisch fassbaren Dinge reduziert. Das wäre damals blanker Unsinn gewesen, wusste man doch noch rein gar nichts von der Funktionalität des Gehirns. Psychologische Fakten konnte man damals nur in eigenen Geisteswelten denken, ansonsten wäre das Verständnis des Menschen von sich selbst damals unmöglich gewesen.

    Auf die Vorstellungen, die sich die Pythagoreer von einer „Seele“ und einer „Seelenwanderung“ gemacht haben, will ich nicht eingehen.

    Ich will da auch nicht weiter drauf eingehen, nur will ich hier angemerkt haben, dass sich psychologische Fakten eben immer noch nicht mathematisch fassen lassen, und hier noch Platz für echte Geisteswelten übrig geblieben ist.

  5. Die Metamorphosen sind von Ovid, die wohl gemeinte Metaphysik hingegen von Aristoteles!
    Weiterhin verstehe ich nicht warum Jahreszahlen vor Christus ein zusätliches Minus benötigen…

  6. @Tobias Jeckenburger(Zitat): Psychologische Fakten sind aber auch heute noch in der Komplexität des Gehirns versteckt, und man kann immer noch behaupten, dass sie sich keineswegs auf Gehirnprozesse reduzieren lassen.
    Nicht nur psychologische Fakten auch die Musik ist nicht identisch mit der Beschreibung von musikalischen Phänomen mittels der Mathematik. Es gilt aber: Man kann nur über etwas nachdenken, wovon man eine Abstraktion geschaffen hat. Diese Abstraktion kann sich mathematischer Mittel bedienen, aber auch anderer Mittel. Auch wer mit gesundem Menschenverstand oder Gefühlen an etwas herangeht, benutzt eine Abstraktion. Nur ist er sich oft gar nicht dessen bewusst, sondern hält die Begriffe, Gefühle und wiederkehrenden Denkschablonen für etwas Natürliches. Doch das Denken in Begriffen ist nie wirklich natürlich, sondern etwas Geschaffenes – denn die Begriffe und “Wahrheiten”, die man beim Denken benutzt, haben sich alle durch Lernprozesse herausgebildet.

    Mit der Abkehr vom mystischen Denken und von althergebrachten Erklärungen und Geschichten und der Hinwendung zum deduktiven Denken und der Mathematik wollten die Vorsokratiker Erkenntnisse gewinnen, die von anderen kritisch nachvollzogen werden konnten. Beweise für mathematische Sachverhalte konnten dabei als eine Art Goldstandard dienen für das Unterfangen Wissen auf eine neue Basis zu stellen.

  7. @Delischer Taucher:

    Das Messen ist ein schwaches Deuten von Schatten, man muss die “idealen” Formen betrachten, nicht messen.

    Kann man das wirklich so sehen? Stellen denn alle mathematischen Strukturen “höhere” Wahrheiten dar? Da wird der Begriff “Wahrheit” doch im mythischen Sinne gebraucht, und jeder wird wieder etwas anderes darunter verstehen.
    Ich sehe das so: Diese “idealen” Formen sind unsere geistigen Konstrukte. So beschreiben wir die Gesetze der Natur auch durch mathematische Modelle, die deshalb immer nur eine idealisierte Welt darstellen. Warum das so gut funktioniert, wird noch zu diskutieren sein.

  8. @Scrrr
    – Ja, nicht Metamorphosen, sondern die Metaphysik war gemeint. Vielen Dank.
    – warum für Jahreszahlen vor Christus ein zusätzliches Minus?
    Auf einem Zahlenstrahl befinden sich links der 0 die negativen, rechts der 0 die positiven Zahlen.

  9. @Joseph Honerkamp 12.02.19 22:11

    Diese “idealen” Formen sind unsere geistigen Konstrukte. So beschreiben wir die Gesetze der Natur auch durch mathematische Modelle, die deshalb immer nur eine idealisierte Welt darstellen.

    Die idealen Formen von mathematischen Konstrukten finde ich auch als Elemente der Phantasie schon wunderschön, um so besser noch, wenn man das praktisch anwenden kann.

    Aber vieles im Leben ist nicht allgemeingültig fassbar, und schon gar nicht mathematisch fassbar. Bei den alten Griechen war das sehr viel mehr als heute, und obwohl diese Pioniere des Denkens das nachvollziehbare Argumentieren erfunden haben, hatten sie doch noch eine umfangreiche Welt des Mythischen, die wohl auch den Lebensalltag ihre Zeit bestimmt hat, vermute ich mal. Das Berechenbare dürfte damals noch eher seltene Ausnahme gewesen sein.

    Im Laufe der Geschichte hat sich das Wissen über die Regelmäßigkeiten in der Wirklichkeit immer weiter ausgebreitet, und so immer mehr Mythos in Logos verwandelt. Aber die ganze Erfahrungswelt ist keineswegs erklärt und wissenschaftlich eingeordnet, auch heute noch nicht. Es gibt viele, die sagen einfach, den Rest werden wir auch noch genauso einordnen. Hier wird einfach extrapoliert, und übersehen, das gerade die unbekannten Sachen gerade deswegen noch unbekannt sein können, weil sie eben ganz anders funktionieren als das, was man mit wissenschaftlicher Methode gut erforschen kann.

    Die Philosophie selbst ist ja schon nicht mehr mathematisch, und in der persönlichen Lebensphilosophie gibt es viele Konzepte, die neben einander stehen. Jeder Mensch hat seine eigene Kollektion von Ansichten über den Menschen und das Leben. Trotz aller Wissenschaft ist Religion immer noch nicht ausgestorben, auch bei gebildeten Menschen nicht. Vermutlich liegt das einfach an den geistigen Erfahrungen, die die Menschen machen. Persönliche Fakten sind persönliche Evidenz. Kein materialistisches Konstrukt der Psychologie oder Hirnforschung kann die Menschen dazu bringen, ihre eigene Erfahrung zu verwerfen.

    Selbst die katholische Kirche passt ihre Auslegung des Glaubens an neue wissenschaftliche Erkenntnisse an, mit einer gewissen Verspätung zumindest. Einen hinreichenden Grund, sich aufzulösen, hat sie offenbar noch nicht gefunden. Obwohl ich das vielleicht sogar begrüßen würde, will ich nicht in einer im wesentlichen geistlosen Welt leben.

  10. @Tobias Jeckenburger
    Ich stimme Ihnen voll zu; Religion wird es immer geben, wie andersartige Weltanschauungen auch. Aber sie schreiben zum Schluss:

    Obwohl ich das vielleicht sogar begrüßen würde, will ich nicht in einer im wesentlichen geistlosen Welt leben.

    Was wäre denn eine wesentlich geistlose Welt?

  11. Tobias Jeckenburger,
    “Trotz aller Wissenschaft ist Religion immer noch nicht ausgestorben, auch bei gebildeten Menschen nicht. ”

    Das ist eine sehr einseitige Sicht von Religion. Religiosität steht nicht im Gegensatz zur Wissenschaft. Selbst C.F. Gauss äußerte einmal: “Zwei Dinge erstaunen mich immer wieder, der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.”
    Das ist doch eine sehr bemerkenswerte Äußerung von einem Wissenschaftler erster Güte.

  12. @Joseph Honerkamp „Was wäre denn eine wesentlich geistlose Welt?“

    Wenn meine Erfahrungen von Verbindung mit Natur und Kosmos nur die Illusion einer rein materialistischen Biomaschine wären, die nur der Fortpflanzung dient.
    Wenn meine Beziehung zu meinen geliebten Mitmenschen nur biologisch programmierte Kooperation wäre.
    Wenn ich in wirklich wichtigen Lebenslagen nicht auf die Unterstützung kosmischen Geistes – was immer das sein mag – hoffen könnte.
    Wenn mein Bewusstsein keinen direkten Kontakt zur Wirklichkeit hätte.

    Das wäre die im wesentlichen geistlose Welt, in der ich nicht freiwillig leben möchte.

    @bote19

    Ich meine auch, dass Religiösität nicht im Gegensatz zur Wissenschaft stehen sollte. Solange die Religion weltoffen ist, ist das auch möglich. Wenn aber religiöse Überlieferungen direkt konkurrierendem gesicherten wissenschaftlichem Wissen vorgezogen wird, gibt es dann wohl doch Konflikte.

    Wenn Kreationisten sagen, dass Gott die etwa 4 Milliarden Jahre dauernde Evolution auf de Erde hilfreich begleitet hat, indem er bei Mutationen und beim Mixen der Erbanlagen mit gezielten Zufällen immer wieder mal nachgeholfen hat, finde ich das eine gute Idee. Wenn andere Arten Kreationisten sagen, die Erde sei vor ca. 8000 Jahren von Gott geschaffen worden, weil das in der Bibel steht, und die ganzen Geologen haben nur die vom Teufel versteckten Scheinfossilien ausgegraben, dann ist bei mir die Schmerzgrenze überschritten. Das tut weh.

    Ich fühle mich keiner speziellen religiösen Tradition verpflichtet. Ich fände das eine gute Idee, sich mal komplett neue Mythen auszudenken, die auf dem modernen Stand der Wissenschaft aufbauen, und nur noch die Bereiche abdecken, die von der Wissenschaft nicht so recht durchdrungen sind. Also eher ernst gemeinte Sciencefiction, nicht Bibellesen. Starwars fand ich spannend, mit diesen Molekülen im Blut – ich weis nicht mehr wie die das genannt haben -, die die Verbindung zwischen Macht und Mensch herstellen.

  13. @bote 19: Der Satz (Zitat): “Zwei Dinge erstaunen mich immer wieder, der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.” stammt von Emmanuel Kant und nicht von C.F.Gauss

  14. Tobias Jeckenburger
    ….neue Mythen ?
    Die im AT beschriebenen Mythen sind zeitlos, weil die Seele des Menschen zeitlos ist.
    Die Sehnsuch nach Liebe und Sicherheit ist zeitlos.
    Die Bibel kann nicht wörtlich gelesen werden, sie muss ausglegt werden. Die darin angesprochen Probleme im Verhältnis von Menschen zu Menschen , im Verhältnis zum Sinn des Lebens, zum Tode sind seit 3000 Jahren unverändert.
    Ein wissenschaftliches update ist absolut unpassend.
    Die Gleichnisse im NT sind auch zeitlos und immer gültig.
    Das macht doch die Bibel so einzigartig, dass sie kein update braucht.
    Sprachlich natürlich schon. Die Bibel wird im 4jährigen Turnus der Alltagssprache angeglichen.

  15. @bote19

    Dann bleiben Sie doch bei ihrer Bibel, wenn sie von ihrer Einzigartigkeit überzeugt sind.

    Nebenbei fällt mir auf, dass es zu Zeiten der griechischen Philosophen noch keine richtigen Weltreligionen gab. Soweit ich weiß hatte das jüdische Volk zwar ihre Schriften, war aber nicht missionarisch tätig und hatte keine Religion, die die ganze Welt bekehren wollte. Die vielen lokalen Mythologien damals im Mittelmeerraum waren recht unterschiedlich, und die alten Griechen haben durch ihre rege Handelstätigkeit viele verschiedene Mythen kennen gelernt.

    Gerade dass sich die verschiedenen Mythen widersprachen, und nicht gleichzeitig wahr sein konnten, mag die Philosophen motiviert haben, hier Evidenz und Methode zu entwickeln, die in der modernen Zeit zur Kulturrevolution der Wissenschaft geworden ist.

    Dazwischen kam aber noch das finstere Mittelalter, dass dann in Europa von der christlichen Weltreligion geprägt war. Wer es da gewagt hatte zu widersprechen, wurde sofort massakriert. Das könnte sogar im europäischem Genpool Spuren hinterlassen haben. Die Seele des Menschen ist wandelbar. So wie sich Individuen einer Population unterscheiden, ändern sich ganze Populationen von Generation zu Generation auch über die Zeiträume. 1000 Jahre Unkultur werden eine Wirkung auf die Menschen gehabt haben.

    Gerade die Psyche des Steinzeitmenschen war anders als die Psyche des Ackerbauern, und die des modernen Menschen ändert sich auch über die Generationen. Das Patriarchat war vor dem Ackerbau noch nicht ausgeprägt, hat das Mittelalter dominiert und verschwindet ohne rechtlich-gewaltsame Unterstützung gerade wieder. Die Frauen machen was sie wollen, wenn es ihnen nicht verboten wird.

  16. Martin Holzherr
    danke für den Hinweis. Wenn man diesen Ausspruch liest, dann öffnet sich der geistige Horizont wie auch der sichtbare Horizont.
    Wie großartig muss sich den Menschen vor 2500 Jahren der Sternenhimmel präsentiert haben, als es noch kaum künstliche Lichtquellen gab.
    Und wie haben sich die Gedanken über Freiheit , Recht und Gesetzgebung und über die Götterwelt entwickelt.
    Und dass diese Gedanken auch aufgeschrieben wurden, dass ist ein Verdienst der Griechen.
    Und in diesen Hype der Naturphilosophie ist die Nachbarkultur der Griechen, die Jüdische Kultur eingebrochen, mit der Idee von “einem einzigen” Gott.
    Und diese Kombination von Logik und Glauben hat die europäische Kultur hervorgebracht, von der wir heute noch zehren.

  17. TB
    “Die Frauen machen was sie wollen, wenn es ihnen nicht verboten wird.”
    Diese Bemerkung fand ich lustig. Frauen sind in unserer gesellschaft benachteiligt, die verdienen für die gleiche Arbeit weniger, bekommen weniger Rente, sorgen dafür, dass die Gesellschaft nicht ausstirbt und müssen sich dann von dir sagen lassen, dass sie machen was sie wollen.
    Hätte man sie nur machen lassen, dann wäre das Mittelalter nicht so finster gewesen.
    Frauen sind nicht ideologisch verbohrt, die sind meistens pragmatisch.
    Um wieder zum Thema zu kommen, gibt es auch Vorsokratikerinnen, Herr Honerkamp ?

  18. @Martin Holzherr

    “Emmanuel Kant”

    Der Gemeinte heißt Immanuel Kant.

    Dass bei [@bote19] Namen und Fakten nur untergeordnete Rollen spielen, sollte bekannt sein. Es geht ihm entgegen manchem Anschein immer nur um Geschichten, nie um Geschichte.

  19. Tobias Jeckenburger 15. Februar 2019 @ 15:51

    Nun ja es gab in dieser Zeit in Asien den Buddhismus, der sich mit der Zeit verbreitete. Nur ist das etwas weiter weg gewesen.

  20. @bote19

    Die Frauen machen was sie wollen, wenn es ihnen nicht verboten wird. Damit meine ich, dass sie Sex haben können, mit wem sie wollen, Heiraten können wen sie wollen, Kinder kriegen wie sie wollen und sich auch wieder scheiden lassen können, wann sie wollen. Soweit ist das Patriarchat bei uns schon abgebaut.

    Hier kann noch mehr Patriarchat abgebaut werden: Bezüglich Abtreibungen ist das noch suboptimal, und auch die Gestaltung des Arbeitsmarktes ist noch sehr mangelhaft. Nicht nur geringer Löhne für Frauen sind unbefriedigend, auch die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ist noch sehr schwierig. Die Unterstützung für die Erziehungsleistung bei Geringverdienern und Alleinerziehenden ist auch zu wenig.

    Dass viele Berufe schlecht bezahlt werden, die eher von Frauen ausgeübt werden, werte ich auch noch als Reste des Patriarchats. Parität in den Parlamenten wäre noch eine weitere Maßnahme, die ansteht.

  21. TJ
    Im Fernsehen kam gerade eine Sendung über das “Bauhaus”.
    Und obwohl über 50% der Studenten Studentinnen waren und auch die Mitarbeiter Mitarbeiterinnen, das wird in den Lexika verschwiegen.
    Ich könnte mir vorstellen, dass bei den Vorsokratikern auch Vorsokratikerinnen waren, nur wurden die im Laufe der Geschichte gelöscht.
    In der Anfangszeit des Christentums waren viele Frauen geistlich tätig, das wurde im Laufe der Geschichte gelöscht. Und jetzt denken alle, Frauen waren zu blöde um an der Weiterntwicklung der Kultur mitzuarbeiten.
    Erst wenn in dieser Richtung mal Gleichheit selbstverständlich wird, dann haben wir ein wichtiges Ziel erreicht.

  22. “Hier kann noch mehr Patriarchat abgebaut werden:” Die Frage, ob es zur Zeit X (hier: der Pythagoräer) auch weibliche Mitglieder der kulturellen, politischen oder wissenschaftlichen Gemeinde gegeben hat. Ich denke, es hat sie zu jeder Zeit gegeben – nur werden sie von den männlichen Kollegen gern verschwiegen. Ich erlebe das selbst als Wissenschaftlerin immer wieder: Mache ich etwas als Technikerin oder Physikerin mit einem Kollegen zusammen (weil man nunmal zusammenarbeitet, was normal ist), dann wird die Leistung dem Mann zugeschrieben und wenn ich aus dieser Erfahrung nicht mit anderen zusammenarbeite, sondern allein, dann heißt es entweder ich sei unkollegial oder wird nach einem Vorwand gesucht, warum das Geleistete nicht so wichtig ist. Sage ich etwas in einem Physikkolloquium wird der Beitrag zuerst als falsch oder unwichtig abgetan oder zerredet – und hinterher genau das gemacht, aber so getan als wäre es die Idee der Gruppe oder des (männlichen) Chefs gewesen.
    Das Absprechen von Ideen, eigenen Leistungen oder deren Zuordnung zu anderen, ist auch eine Form von Mobbing! … und die Konsequenz ist die allseits berühmte “Glasdecke”, durch die Frauen oft nicht kommen – auch bei noch so guten Leistungen.

    Ich vermute die Ursache hierfür im Charakter von Männern (insbes. Männern in Machtpositionen) und weiß nicht, wieviel davon anerzogen ist. Darum wird die Frage nach Frauen in historischen Kontexten leider noch eine Weile schwierig bleiben: Man kann sicher sein, dass es sie gegeben hat, aber durch das Unterbinden von Überlieferung (sogar innerhalb einer Generation, unter Kollegen – wie viel mehr dann erst über Generationen hinweg) wird es schwer sein, darüber eine repräsentative Statistik zu machen. Wichtiger, als in der Vergangenheit zu wühlen, finde ich in diesem Punkte gegenwärtig zu handeln und auf die Zukunft zu wirken.

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