Der Informationsbegriff in der Physik
BLOG: Die Natur der Naturwissenschaft
Der Begriff der Information spielte lange Zeit in der Physik keine Rolle. Wie sollte er auch? Die Physik beschäftigt sich ja mit den unbelebten Dingen dieser Welt, mit Planeten, elektromagnetischen Feldern, Gasen, festen Körpern, mit Elektronen und Atomen.
Information ist aber zunächst etwas, was von einem Gehirn, einem Denkorgan eines lebenden Wesens in die Welt gesetzt wird oder was im Gehirn eines solchen Wesens einen Denkvorgang beeinflussen kann. Gedanken sind somit keine Dinge, mit denen sich die Physik beschäftigt, und bei der Wechselwirkung von Dingen der Physik spielt die Information keine Rolle. Physikalische Systeme können z.B. Energie austauschen, aber keine Information, sie werden durch Kräfte beeinflusst, nicht durch Information. In einer Welt, in der es noch keine denkenden Wesen gab, hat es nach allem, was wir wissen, die anderen Dinge dieser Welt schon gegeben und sie werden sich nicht anders verhalten haben als heute. Information aber – was sollte das in einer solchen Welt gewesen sein?
Dennoch tauchte im Laufe des 20. Jahrhunderts im Umfeld der Physik der Begriff der Information auf und heute spekulieren manche Physiker, dass die Information eine bestimmte Form einer fundamentalen Ursubstanz sei so wie Materie eine Form der Energie ist. Ich kann dieser Spekulation nichts abgewinnen. Viel bedeutender für die Rolle des Informationsbegriffes in der Physik ist die Tatsache, dass im Gefolge der Entwicklung der Quantenphysik die Halbleiter-Technologie entwickelt, der elektronische Rechenautomat und schließlich der PC erfunden wurde. Das stimulierte mathematische Untersuchungen zur systematischen Verarbeitung von Information, die heute im Fach Informatik oder „Computer science“ angesiedelt sind. Insofern ist also die Physik ein Wegbereiter der Informatik gewesen.
Wenn also die Wissenschaft von der Informationsverarbeitung auch ein Kind der Physik ist, dann muss ja wohl der Begriff der Information irgendwie in der Physik angelegt sein, und ich will beschreiben, wie das auf verschiedene Weise der Fall ist.
Der Begriff der Entropie
Der heute am meisten zitierte Versuch, den Begriff der Information in der Physik heimisch zu machen, geschah im Zusammenhang mit dem Begriff der Entropie. Diesen Begriff kennt kaum ein Nichtphysiker, und sogar manche Physiker haben ihre Probleme damit. In der Tat ist das ein sehr abstrakter Begriff, ähnlich wie die Energie. Aber an die Energie haben sich alle gewöhnt und viele können auch fehlerfrei damit umgehen. Während aber die Energie eine physikalische Eigenschaft ist, die jedem einzelnem Teilchen, Elektron oder Atom zukommt, ist Entropie eine Größe, mit der man sinnvoll nur Systeme von vielen Teilchen beschreibt, also z.B. Gase, die ja aus Abermilliarden von einzelnen Molekülen oder Atomen bestehen, die sich in heftigster regelloser Bewegung befinden.
Den Zustand eines solchen Gases zu einer bestimmten Zeit kann man auf zwei verschiedene Weisen beschreiben.
Einmal auf der Ebene der Moleküle, indem man die Orte und Geschwindigkeiten der einzelnen Moleküle zu jeder Zeit angibt. Das definiert den so genannten Mikrozustand, also den Zustand auf der Mikroebene.
Die Orte und Geschwindigkeiten der einzelnen Moleküle zu jeder Zeit sind natürlich keine Größen, mit denen man die in der Praxis relevanten Eigenschaften eines Gases beschreibt. Dazu taugen eher Begriffe wie die Gesamtenergie eines Gases, das Volumen, in dem es sich befindet, oder die Anzahl der Moleküle, ebenso auch Größen wie Temperatur oder Druck. Alle diese Größen charakterisieren das Gas als solches, das – wie wir Menschen auch – zur Welt mittlerer bzw. makroskopischer Dimensionen gehört, und man nennt sie deshalb auch makroskopische Größen.
Man hat gelernt, dass man bei einem einfachen Gas nur die Werte von dreien dieser Größen vorgeben muss. Die Werte der anderen makroskopischen Größen stellen sich dann aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten ein. Auf der Ebene dieser makroskopischen Größen genügt also z.B. die Angabe von Energie, Teilchenzahl und Volumen, um den Zustand eines Gases zu beschreiben. Das definiert den Makrozustand des Gases.
Nun ist offensichtlich, dass ein bestimmter Makrozustand durch sehr viele verschiedene Mikrozustände realisiert werden kann. Die Energien der einzelnen Teilchen müssen sich ja z.B. nur zu der Energie des Gases aufsummieren, und das kann auf sehr viele Weisen geschehen. Die Entropie des Gases ist nun, bis auf eine Konstante, nichts anderes als eine simple Funktion der Anzahl der Mikrozustände in Abhängigkeit vom Makrozustand. Diese Funktion muss übrigens aus bestimmten Gründen eine Logarithmus-Funktion sein.
Man könnte noch viel Genaueres zur Entropie sagen, mit welchen Argumenten sie 1865 von Rudolf Clausius eingeführt worden ist, wie man sie allgemeiner definiert, wie sie den Abstand des Zustands eines Gases vom thermodynamischen Gleichgewicht beschreibt und wie sie irreversible Vorgänge charakterisieren kann. Aber hier soll ja keine Einführung in die Thermodynamik gegeben werden, sondern es geht um den Begriff der Information. Und der Begründer der Informationstheorie, Claude Shannon, der 1948 in seiner Arbeit „A Mathematical Theory of Communication“ den Begriff der Information so präzisiert hat, dass er zu einer messbaren Größe wurde, hat sich von dem Begriff der Entropie stark inspirieren lassen. Und ausschlaggebend dabei war genau der Aspekt der Entropie, der oben erwähnt wurde, nämlich, dass die Entropie ein Maß ist für die Anzahl der Mikrozustände bei gegebenem Makrozustand.
Entropie als Mangel an Information
Wenn man die Entropie mit irgendeiner Vorstellung von Information in Verbindung bringen will, muss man allerdings einen Perspektivwechsel vornehmen, und zwar von der reinen Betrachtung der Natur zur Beobachtung dieser Betrachtung. Die Anzahl der Mikrozustände bei gegebenem Makrozustand ist eine reine Sache der Natur. Andererseits kann ich als denkendes Wesen, das die Natur analysiert, aber auch fragen, welchen Mikrozustand ich zu einer bestimmten Zeit bei gegebenem Makrozustand finden würde, wenn ich denn so etwas messen könnte. Oder: Wir groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, bei einer Messung einen ganz bestimmten Mikrozustand zu finden? Wenn alle Mikrozustände gleich wahrscheinlich sind, ist das leicht anzugeben und es ist sofort klar: Je größer die Anzahl der Mikrozustände ist, umso kleiner ist die Wahrscheinlichkeit für einen einzelnen, also dafür, einen ganz bestimmten von diesen zu finden – umso weniger Information hat man also darüber, welcher von diesen gerade realisiert ist.
Die Entropie, die Anzahl der Mikrozustände, ist somit ein Maß für den Mangel an Information darüber, welcher der Mikrozustände zu bestimmter Zeit vorliegt. Man sieht, der Begriff der Information erscheint erst, wenn man einen betrachtenden, denkenden Menschen ins Spiel bringt.
Physik wird aber wie jede Wissenschaft von denkenden Wesen betrieben, und somit ist es plausibel, dass die Information, die über ein physikalisches System, in welcher Form auch immer, vorliegt, in die Beschreibung des Systems mit eingeht. Im Prinzip gilt das natürlich immer, aber praktisch relevant wurde das erst, als man im letzten Jahrhundert allmählich begann, auch komplexere Systeme, z.B. die Brownsche Bewegung zu untersuchen. So nennt man die regellose Zitterbewegung von kleinsten in einem Gas oder einer Flüssigkeit schwebenden Teilchen. Schon im Jahre 1827 hatte der schottische Botaniker Robert Brown entdeckt, dass sich kleine, nur unter einem Mikroskop sichtbare Teilchen, wie z.B. Pollen- oder Stärkekörner, in wässriger Lösung in einer permanent unregelmäßigen Bewegung befinden. Im Jahre 1900 hat dann Felix Exner die richtige Erklärung gegeben: Die suspendierten Teilchen werden ununterbrochen durch die Moleküle des Lösungsmittels gestoßen. Die Kräfte, die die Moleküle dabei auf die sichtbaren Teilchen ausüben, kann man im Einzelnen nicht spezifizieren, man hat nur grobe Anhaltspunkte, z.B., dass sie im Mittel mit der Temperatur der Lösung stärker werden. Trotz dieser Unkenntnis, dieses Mangels an Information möchte man aber eine mathematische Gleichung für die Bewegung der schwebenden Teilchen formulieren.
Albert Einstein hat das in einer seiner berühmten Arbeiten von 1905 getan, indem er den Einfluss der Moleküle des Lösungsmittels durch eine stochastische Kraft – also durch eine Zufallsvariable, die eine Kraft darstellt – beschrieb und alle Information, die man über die Kräfte kennt, in die Eigenschaft dieser Zufallskraft steckte. Er entwickelte so die erste Bewegungsgleichung in der Physik, in der Zufallsgrößen auftreten, und diese Gleichung wurde zum Prototyp für die mathematische Beschreibung eines physikalischen Szenariums, in dem man nicht alle Eigenschaften der Objekte zu jeder Zeit genau kennt, in dem eben Mangel an Information herrscht.
Statistische Physik: Quantitative Beschreibung bei unvollständigem Wissen
Damit wurde ein ganz neuer Phänomenbereich für die Physik zugänglich. Die bis dahin so spektakulären Erfolge der Physiker auf dem Gebiet der Mechanik und Elektrodynamik fußten ja immer auf der Annahme, dass das Verhalten der Objekte nur von wenigen anderen Objekten entscheidend beeinflusst wird. So ließ sich mit relativ wenigen Objekten ein physikalisches System konstruieren, das man als isoliert von der übrigen Welt betrachten durfte. Man konnte so z.B. die Bahnen der Planeten um die Sonne genau berechnen und auch Sonnenfinsternisse exakt voraussagen. Man nennt solche Systeme abschließbar, was eben ausdrückt, dass man ihr Verhalten auch ohne Berücksichtigung einer Beeinflussung von außen schon genügend gut beschreiben kann.
Für die Entwicklung der Physik war es ganz wesentlich, dass man solche abschließbaren Systeme in der Natur überhaupt finden kann, dass also nicht alles mit allem unentwirrbar zusammenhängt, sondern dass sich eben Teile der Welt aus sich heraus erklären lassen. Aber manchmal kann – wie bei der Brownschen Bewegung – eine Aufteilung in System und in Umgebung des Systems nicht so gelingen, dass die Umgebung nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Dinge im System hat. Dann muss man diesen Einfluss der Umgebung irgendwie berücksichtigen, auch wenn er nicht präzise spezifizierbar ist. Dieser Mangel an Information führt dazu, dass man stochastische Größen einführen muss, um zu einer Formulierung einer Gesetzmäßigkeit zu gelangen. Die Ergebnisse solcher Rechnungen lassen sich natürlich dann auch nur durch statistische Größen wie Mittelwerte und Varianzen ausdrücken.
Albert Einstein gehört neben Ludwig Boltzmann so zu den Vätern der Statistischen Physik, in der man alle solche Systeme untersucht, bei denen man aus Mangel an Information stochastische Größen wie Wahrscheinlichkeitsverteilungen oder Zufallsvariablen einführen muss.
Dass es bei dem Versuch, ein physikalisches System mathematisch zu modellieren, einen Mangel an Information geben kann, ist eigentlich selbstverständlich. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass man damit umgehen kann, dass man aus solchen stochastischen Gleichungen trotz des Mangels noch verlässliche Schlüsse ziehen kann. So konnte Einstein aus seinen Gleichungen „Tatsachen finden, welche die Existenz von Atomen von bestimmter endlicher Größe“ sicherstellen.
Es ist plausibel, dass man immer mehr solche Methoden nutzen muss, je komplexer die Systeme sind, und in unserem täglichen Leben erfährt man ja mehr scheinbar Zufälliges als Deterministisches, denn viele Einflüsse lassen sich nicht exakt beschreiben sondern höchstens durch ihre statistischen Eigenschaften charakterisieren. In der Statistischen Physik hat man gelernt, mit dem Mangel an Information umzugehen. Auch bei unvollständigem Wissen, mit dem man bei komplexen Systemen der Natur immer zu rechnen hat, muss man also auf eine quantitative Beschreibung nicht verzichten.
Informativ
Da haben Sie einen ausgesprochen komplizierten Sachverhalt sehr leicht verständlich erklärt. Aus diesem Beitrag lässt sich bestimmt für viele Leser so mancherlei lernen!
Zu einer Ihrer Formulierungen möchte ich gerne dennoch etwas nachhaken, auch mit einem Bezug zu Ihren früheren Ausführungen über Emergenz. Sie schreiben oben
Das Wort “sinnvoll” verstehe ich hierbei eher als “in Hinblick auf die praktischen Belange in der Physik”. Die angesprochene simple Funktion, welche die Entropie als Anzahl der Mikrozustände pro Makrozustand festlegt, ist ja auch dann noch wohldefiniert, wenn das betrachtete System beliebig wenige Mikrozustände besitzt. Mithin ist die Entropie nach meiner Vorstellung jedenfalls formal kein emergentes Phänomen, auch wenn sie in der Thermodynamik mit den emergenten Grössen Druck, Temperatur, Volumen in Beziehung gesetzt wird — was dann allerdings tatsächlich nur für grosse Teilchenzahl sinnvoll ist.
Information als schöpferisches Wort
Als jemand, der die wissenschaftlich erkärte Information, wie sie sie beschreiben als das verstehen will, was die Antike schöpfersches Wort/Vernunft nannte und was in der alten Glaubenslehre einzig auf den Unsagbaren Grund des bildlosen Kultes (Monotheismus) verwies, kann man auch für die Geisteswissenschaft/Kulturentwicklung was lernen.
Wenn die Information fehlt, nur alte Bücher, Mythen und Dogem gewält werden, die ihren Informationsgehalt für die moderne Welt verloren haben, bleibt das, was der Physiker Entropie nennt.
Aber so wie der Kosmos nicht zerfällt, bleibt m.E. auch Gewissheit auf die Information in Sachen Kultur.
@Chris
Ja, Sie haben völlig recht. Der Ausdruck “sinnvoll” ist in Ihrem Sinne zu verstehen, insofern ist er in dem Text nicht ganz sinnvoll -:). Aus dem mathematischen Ausdruck für die Entropie kann man ja auch jeder Zufallsvariablen eine Entropie zuordnen. Für die Normalverteilung ergibt sich z.B. ein Ausdruck, der von der Varianz abhängt: Sinnvoll, da mit der Varianz die Unkenntnis darüber anwächst, welches Ergebnis bei einer Realisierung eintritt.
Warum Quanten?
“Why the Quantum?”
John A. Wheeler.
Und bezeichnete diese Frage als eine der “großen ungelösten Fragen” der Menschheit.
Sie rollen über und rollen sich ab – die Epochen der Geschichte. Tektonik, Gebirge und Täler, ja, es widerholt sich alles, nein, es wiederholt sich nichts. Doch in ihrer Bewegung zeigen sie ein Schema, die Art, wie sie ihre Menschengenerationen dabei zu sich in die Höhe spülen und wieder niedersenken, indes der Tidenhub der Sinuswellenberge den Epochen-Scheitel abwechselnd niederrollt zu asketischer Weltflucht gefolgt von aufbäumenden Em-Phasen erotischer Zueignung. Oder, wenn man die Bewegung erkenntniskritisch nähme, wirkt da ein Niedergehen von Epochen mit stark gnostischer Tendenz, gefolgt vom Anschäumen eines Zeitalters dynamischen Handelns, physischer Pragmatik und hedonistischer Fraglosigkeit.
Dass hier aber eine peristaltische Bewegung sich abwechselnd bäumt, aufhügelt und absenkt, deren Morphologie sich über die Berge und Täler wirtschaftlicher Wachstums- und Krisenphasen bis in die biophysiologische “Portionik” der Füllung und Senkung von Ernährung hineinspüren lässt, kann plausibel erwogen werden.
Denn was bildet sich anderes ab im Wechsel von Weltnähe und Weltferne als der peristaltische Wechsel von emphatischer Weltzufuhr im portionierenden und quantisierenden ZUBISS mit wegschschluckender Vergessenheit hinein ins Gegessene der peristaltisch (trans)portierenden Verdauung bis zum Ausscheiden (Deportieren) von Welt, sprich: bis zur Verabschiedung von religiösen Gesetzen oder – den jeweils – angeblich unantastbaren “Naturkonstanten” von Wissenschaft und Technik.
Denn das Quantum entspricht einem energetischem Abbruch, einem Stück von Selbstvergewisserung, das gegen die eigene Strömung der Verwässerung in Intervallen gesetzt werden muss.
Normalerweiser sucht das individuelle Erwachsenwerden eines Menschen eine lebbare, rhythmisierte Mittellage, in der er sich auf Fragen einübt, die ihn selbst höchst persönlich etwas angehen. Er bemüht sich um so genannte Lebensqualitäten, in denen er nach den für ihn angemessenen Zimmer – und Millieutemperaturen fahndet, und – was noch viel wichtiger ist: nach seinen liebsten Mitmenschen, denn insgeheim weiß jeder um die Dauer, also um sein eigenes Quantsein, um den kurzen Schauer seiner eigenen Existenz….ein Schauer, der gehegt und gepflegt, konstruiert oder phantasmagoriert – ja auch genossen und gegessen sein will – und der wenn auch immer nur kurzfristig in intimer Vertrautheit mit einem anderen Menschen für schöne Momente “entschauert” werden kann.
Da steht so eine Frage – “Why the Quantum?” – von John Wheeler beinahe schon beantwortet im Zimmer herum, wo sie zunächst nur eine Gegenfrage provoziert: Wer das denn so dringend wissen will? Und warum?
Aber genau diese Gegenfrage macht ja die Frage so fragend. Denn es war ein großer Instinkt von John Wheeler, der seine Frage in eine Ahnung hineinstellte, in der sie durchaus kein Orchideenthema, nämlich überphysikalisch von Bedeutung bleibt.
Die Natur, die “im Menschen die Augen aufschlagen hat” (Schelling) war und ist immer ein Gegenwart, eine Gegen-Wärterin, die das Gegen wartet. Die “Wartung” aber kann garnicht anders als in Intervallen sich vollziehen, so in wiederholten Übungen des Augenoffenhaltens gegen den eigenen Schatten des Lides, dem das Öffnen und Schließen am beißenden Mund als zuführende und abführenden (portierende) Seins-Zufuhr unserer vorfahrenden Tiere immer schon entsprochen hat.
Obwohl alles Leben und auch der Mensch fraglos aus einer ununterbrochenen Linie historischer Gewordenheit, man könnte auch sagen: aus einer kausalen Anströmung und Zumutung hervorwirbelte, so braucht das Bewusstsein doch, um bewusst zu sein – die ständige Vergewisserung, Wartung und Vergegenwartung seines Augenaufschlags.
Diese wiederholte Vergegenwärtigung macht aber nötig, dass ein “Jetzt” immer wieder neu hergestellt und eindrehend stabilisiert werden muss – gegen – die fluide Anströmung seiner Vergangenheit und – gegen – das Wegströmen in Richtung Zukunft. Deshalb muss auch das Bewusstsein “blinzeln” – das heißt: Die Macht seines Gewärtigseins in Selbstbwusstheit braucht zur Stabilisierung die Wartungs-Intervalle der Vergessenheit, des scheinbar bewusstlosen “unmittelbaren” Handelns.
Nur so kann es aus einem strömendem Geschehen heraus sich selbst zu einem Ereignis formen, dass sich er-eignet.
Wie und warum das John Wheelers Frage sehr stark berührt oder sogar beantworten kann, soll hier kurz verfolgt werden.
Friedrich Nietzsche also. In seiner Betrachtung “Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben” schreibt er: “Bei dem kleinsten aber und bei dem größten Glücke ist es immer eins, wodurch Glück zum Glücke wird: das Vergessenkönnen oder, gelehrter ausgedrückt, das Vermögen, während seiner Dauer unhistorisch zu empfinden. Wer sich nicht auf der Schwelle des Augenblicks, alle Vergangenheiten vergessend, niederlassen kann, wer nicht auf einem Punkte wie eine Siegesgöttin ohne Schwindel und Furcht zu stehen vermag, der wird nie wissen, was Glück ist, und noch schlimmer: er wird nie etwas tun, was andre glücklich macht. Denkt euch das äußerste Beispiel, einen Menschen, der die Kraft zu vergessen gar nicht besäße, der verurteilt wäre, überall ein Werden zu sehen: ein solcher glaubt nicht mehr an sein eigenes Sein, glaubt nicht mehr an sich, sieht alles in bewegte Punkte auseinanderfließen und verliert sich in diesem Strome des Werdens: er wird wie der rechte Schüler Heraklits zuletzt kaum mehr wagen, den Finger zu heben. Zu allem Handeln gehört Vergessen…”
“Zu allem Handeln gehört Vergessen.” Ja, Friedrich, da ist was dran. Das hat Heinrich von Kleist vor dir auch schon einmal sehr pointiert untersucht. Aber warum sollte man nicht wagen, den Finger zu erheben? Wir befinden uns hier immerhin am oberen Kolben-Zünd-Punkt unserer Kultur, der für das abendländische Denken immer ein Zündpunkt zum explosiven Weiterdrehen war. Da darf man schon mal den Finger heben.
Wie funktioniert das? Warum kommen Menschen immer mal wieder auf dieses Thema zu sprechen, dass im “unmittelbaren” Moment, im Nunc des Handelns, die ganze Historie, die in diesen Moment des Handelns eingeströmt war, bewusstseinsseitig ausgeblendet oder verklappt werden muss. Hinein – in die jubilierende Bewusstlosigkeit einer blind handelnden “reinen” Gegenwart.
Im “Prinz von Homburg” lässt Kleist einen Offizier in die Schlacht gegen den Feind reiten – und siegen. Der Prinz von Homburg handelt und siegt – allerdings: in “Vergessenheit” einer historisch gewachsenen Befehlskette. Der Prinz gewinnt die Schlacht, weil er im Handeln vergessen hat, vergessen musste, dass er eigentlich nicht vorpreschen hätte dürfen ohne Befehl des Kurfürsten. Er hat “eigenmächtig” gesiegt. Aber trotz seines Sieges wird er dann von den eigenen Leuten vor Gericht gestellt, weil er eigenmächtig siegte und nicht die historisch gewachsenen Befehlskette beachtete.
Zu allem Handeln gehört Vergessen. Kleist also und sein Schüler Nietzsche. Auch Nietzsche gehört in die Reihe der Schuster, die selbst barfuß gingen. Wer Ende des 19. Jahrhunderts “vom Augenblick” spricht und dabei die Metapher einer “Siegesgöttin” benutzt – wird selbst nur selten im Augenblick geweilt haben. Auch hier gilt wieder: Nietzsche selbst war kein Nietzscheaner. Dafür war er zu empfindlich.
“Zu allem Handeln gehört Vergessen.”
Diese Feststellung kann in eine biophysiologische Peristaltik des Vergessens dynamisiert und verflüssigt werden:
Ich nenne es den Kehlkopf der Kultur, der das nunc des Handeln separiert und abschneidet von der ganzen Anströmung seiner eigenen Historie – und diesen Moment im augenblicklichen Erfahren des Moments separiert – ihn im Umklappen geschichtslos oder geschichtsvergessen erscheinen lässt. Der Kehlkopf trennt das Schlucken von der Strömung. Strömung und Schlucken schließen sich wechselseitig aus. Beides in Gleichzeitigkeit bleibt einem Menschen versagt. Oder er verschluckt sich. Im Augenblick des Schluckens (Handelns) muss die Stimme schweigen und das Anströmen der Historie wird unterbrochen. Im Augenblick des Handelns, das immer der Ernährung im Strom für den Strom dient, muss das Wissen um die heraklitische Strömung meines Ernährungs-Handelns “geschluckt werden” Sie wird regelrecht verklappt.
Und auf dem Grat dieses Handelns, im umittelbaren Moment des Handelns – bin ich dann ganz Gegenwart, ganz geschichtslos, ganz ahistorisch. Der Augenblick, der auf der Spitze seines Momentums jubiliert und dabei seine ganze Historie in einem kurzen allein gestellten “Höhepunkt”auslöscht.
Was bisher immer nur dem Orgasmus zugestanden wurde, der kleine Tod, muss hier einmal dringend und ausnahmsweise auch auf den Komplex der Ernährung ausgeweitet werden, wenn man sie als Muster für “Handeln” begreift. Weil es primär die Ernährung ist, die jedes Lebewesen in den heraklitischen Strom allen Werdens und Geschehens mit hineindreht. – Das Atmen. Das Essen.
Das Trinken.
Am Komplex der Ernährung erkennt man, warum sich das Sein als gehackt, als gequantelt zeigt. Oder in Konvulsionen. Weil im Moment der Ernährungshandlung ein mental-informeller Kehlkopf die im Augenblick erfahrbare Handlung von ihrer Historie, der Erfahrung, trennt. Er klappt um und zerhackt oder quantelt unser energetisches Weltverhältnis in einen expansiv glücklichen – erotisch-technischen Teil (das geschichtsvergessene Handeln entropisch, energetisch) und einen impansiv kritischen Teil der Demut und der informellen Introspektion. (Die nachfolgende Verdauung, Kontemplation, Religion)
Ich schätze, dass noch niemand die Bedeutung dieser Tatsache für die Informationsproblematik herangezogen hat, die in der Historie unserer eigenen Biophysis gründet.
Bei manchen Lurchen, Echsen, oder Fröschen kann man es sehr direkt sehen: Wenn sie große Insekten oder Brocken in einem Stück hinunterschlingen, klappen im Moment des Schluckens die Augen nach innen weg oder verschließen sich mit einem zweiten Lid. Da wirkt ein sehr kurzer AUGENBLICK, der nicht statt findet, er wird geschluckt, gequantelt, verdunkelt. So auch das Nick-Lid beim Hai, der beim Zubeissen sein Nick-Lid schließt, kurzzeitig erblindet – als wolle er nicht sehen, was er da tut. (Tatsächlich schützt er seine Augen, weil er ausgerechnet im Moment des Zubeissens besonders angreifbar ist. ) Ein Vorgang, der nicht nur beim Fressen, bei der Nahrungsaufnahme zu beobachten ist. Auch beim Ausscheiden der Nahrung, beim Scheißen, zeigt sich bei Hunden und Katzen ein plötzlich und kurzzeitig nach innen gekehrter Blick, wenn nicht sogar, wie auch beim Menschen, ein kurzes Verschließen, Zusammenkneifen oder Wegdrehen der Augen. Hier wird die Historie der Ernährung im AUGENBLICK nicht geschluckt, dafür verpresst von einer dringenden “unmittelbaren” und essentiellen Gegenwart.
Das ernährungsseitige und energetische Weltverhältnis beinahe aller Lebewesen ist peristaltisch organisiert, also gequantelt oder portioniert. Die Peristaltik oder besser: Die Portioniertheit als konvulsivische Quantelung eines sich nährenden Weltverhältnisses beginnt im umklappenden Trennungsverhalten des Kehlkopfs läuft über die portionierende Peristaltik des Verdauungstrakts und endet schließlich im abpackenden Verhalten des Enddarms.
Der Eros im Orgasmus schließlich verdichtet die Portionierung dieses
Verhältnisses in “Schauern” – kleinen Glücksschüben, Glücksquanten.
Der große vorsokratische Gegensatz zwischen einem alles durchdringendem Fließen in ständiger Veränderung (Heraklit) und einem ewigen unveränderlichen Moment (Parmenides) kann mit der Biophysik der Konvulsion als Peristaltik des Vergessens zu einer Funktion vereinigt werden. Beide bedingen einander.
In dem Wort “Unmittelbar” konserviert sich
die Illusion, es gäbe ein Leben ohne “Mittel” – also ohne Technik.
Daher ist die Technik immer das Vergessene im Handeln. Und jeder Musiker, eigentlich jeder Mensch übt und übt und übt das Sein in Quanten und Portionen der Wiederholung – damit er eben diese Technik vergessen kann. Indem er aber die Technik vergisst, baut er sie in den Körper ein. Er verschmilzt “organisch” mit seinem Instrument – so durchdringend –
dass er selbst wird, was er immer schon war: Technik der Natur.
Die abstrahierende Quantentheorie ist deshalb ein Entsprechnung der portionierenden oder konvulsivischen Existenz, die selbst im heraklitischen Fluss nur “am Stück” – oder “zuckend” – oder “portioniert” – oder “gehackt” in Quanten des Glücks ein Weltverhältnis aufnimmt, dass von Episoden des Vergessens rhythmisiert oder gequantelt also – geformt- wird.
Mit anderen Worten: Die Quantentheorie und das Leben bestätigen sich gegenseitig, jedoch nicht die gesamte Natur (des Universums) als solche.
Existenz in Schauern, in Episoden. Existenz des in die Rhythmik einer Peristaltik verpackten – technologischen Gelingens. Vom Vergessen geformt zu glücklichen oder geglückten Paketen.
Sehr geehrter Herr Sloterdijk,
(eine Rezension zu: Peter Sloterdijk. Scheintod im Denken. Von Philosophie und Wissenschaft, Suhrkamp 2010)
Verteiler an:
Mister Buckminster Fuller
Carl Friedrich von Weizsäcker
John Archibald Wheeler.
*
Ich schreibe diese Rezension als ein Brief, Herr Sloterdijk, nicht direkt an Sie persönlich, deshalb auch die Namen in den Verteilern. Ich schreibe diesen Brief an ein Problem und auch an eine bestimmte Art des Sprechens, oder an die Art, wie eine bestimmte Art des Sprechens zu einer bestimmten Art von Fragen oder auch Problemen (ge)führt. (hat.) Wenn ich hier also im folgenden Namen anspreche, dann spreche ich sie als Gefäße oder Träger an, die ein qicklebendiges Denken und Leben beinhalten oder sich “zum Tragen” darum herum geformt haben, so zum Tragen auch gekommen sind.
Öffnung und Schließung der Kapsel. Einatmen. Ausatmen. Das Raumschiff Erde leben lernen.
Ontologie zwischen Entry und Re-Entry
Persona (griech: Die Maske) hat mich zu einer Modifikation oder Weiterentwicklung meines Illusionenbeschleunigers inspiriert, den ich hier als Personenbeschleuniger in den Bestand des Labors mit aufnehme. Wenn hier also “Personen” beschleunigt werden, dann nur in einem erweiterten Verfahren der Illusionenbeschleunigung – jedoch nicht – wie man vielleicht meinen könnte, im Sinne einer “Masken” – Beschleunigung oder “Menschen” – Beschleunigung.
Deshalb möchte ich Sie vorab meiner Hochachtung versichern; und wenn ich im Folgenden hier und da etwas polemisch werde oder geworden bin, dann zielt das nicht ad hominem oder ad personam, sondern will einfach nur etwas Gewürz beigeben, denn schließlich – wo leben wir denn, und sie wissen es auch: Es waren in der Geschichte der Menschheit nicht zuletzt diverse Gewürze, die uns zu intelligenten Wesen geformt haben, denn unter ihnen fanden sich immer auch solche Gewürze, welche es vermochten, die Blut-Hirnschranke zu durchdringen, nicht zu zerschlagen oder zu perforieren, das sage ich deutlich – also – Herr Sloterdijk – in dem diese pfefferartigen Gewürze dosiert diese Blut-Hirnschranke evolutionär trainierten, weltempfindlich hielten, und damit den Kontakt mit der wirklichen Wirklichkeit in Intervallen einübten, – also in zeitlichen Wartungsintervallen formulierten – denn eine solche Gegenwärterin in quantisierenden Intervallen ist diese Schranke ganz sicher.
Ausserdem haben Sie, Herr Sloterdijk, auf Ihrer eigenen Internetseite einen schönen und engagierten Text zu einer großen Metapher von Mister Buckminster Fuller eingestellt, auf den ich hier ausdrücklich hinweise:
Ihr Text “Wie groß ist groß” zu “Unserem Planeten als Raumschiff Erde”
Dazu möchte ich Ihnen oder Herrn Buckminster Fuller, obwohl er nicht mehr unter uns weilt, gerne etwas antworten und beifügen.
Sie, Herr Sloterdijk, haben in letzter Zeit häufiger den Namen Carl Friedrich von Weizsäcker in ihrem Schreiben erwähnt, und machten dabei immer den Eindruck eines etwas ratlosen oder nachdenklichen Pflichtübenden. – so als könnten Sie selbst nicht so richtig entscheiden, ob dieser Philosoph und Wissenschaftler nun in den Leitzordnern Ihres philosophischen Wahrneh-mungsbüros einfach nur im Regal steht, aussortiert gehört, oder vielleicht doch einmal etwas genauer gelesen werden muss.
Zuletzt in ihrem Buch “Du musst dein Leben ändern”, dem ich hier auch schon eine Rezension gewidmet hatte, sowie in ihrem letzten Suhrkamp-Heft zum Thema “Wissenschaft und Philosophie.” Sie erwähnten Weizsäcker auch hier zwar, ließen ihn aber dann doch irgendwie eher unangetastet bei Seite liegen; gerade hier, in diesem letzten Heft von 2010, das eigentlich nur eine längere Rede von Ihnen abdruckte, hatte ich mir dazu etwas mehr versprochen in dieser Richtung. Es kam dann aber nicht, nun gut.
So beschränkten Sie sich auf eine sorgfältige Aufzählung einer Historie der “Monster” – so nannten Sie die, also einer Historie der Sektierer, der Abgekapselten und Eingeschlossenen, die aus idealisierten Laborbedingungen heraus – sozusagen als scheinbar perfekt daneben stehende Beobachter glaubten, die Welt distinkt beobachten zu können – und ja, auch zum Teil nicht nur beobachtet sondern auch wirklich verändert haben, nicht immer zum Besseren, das wissen wir, aber zumeist dann irreversibel. Etwas marginal und nur zwischen den Zeilen räumten Sie dabei ein, dass man hier auch die eher autarke Vorgehensweise Albert Einsteins wohl zu den Wirkmächtigsten zählen müsse, da auch er – aus einer zunächst ziemlich abgeschotteten Situation heraus eine ungeheure Weltverschiebung in Gang setzte – in dem er nämlich Beobachter beobachtete. Bis heute noch erstaunlich und beunruhigend, wie ein Mensch es vermochte, einen eigentlich grundsätzlich unbeobachtbaren Sachverhalt zu entbergen, indem er gegen alle Kantische Maßstäbe einen Schleier lüftete.
Danach aber zeigten Sie, Herr Slotterdijk, dann sehr vollständig all die “Monsieure Testes’ ” in die Runde, angefangen von Platons (pythagoräischer) Akademie von vor beinahe 2500 Jahren bis zu Paul Valerys gleichnamigem Held und schließlich auch Musils “Mann ohne Eigenschaften”, den Sie dann tatsächlich als “Monster” – kann ich sagen – ein wenig denunzierten?
Herr Sloterdijk, dem aufmerksamen Leser dieser Schrift konnte nicht entgehen, wie sehr sie hier auf dem von ihnen gern beschrittenen Grad zwischen kolloquial seriösem Aufzählen, sich enthaltender Wertung, und einer microdimensionierten Ironie – bei halbem Warnton in dieser Historie herumballancierten – eine Herumbalanciererei – oder Ziererei – die ich manchmal als Stärke und manchmal auch als groteske Masche empfinde, die auch schon mal zum vorzeitigen Zuklappen ihrer Bücher geführt hat. Denn Sie müssen natürlich damit rechnen, dass Sie auch halbwegs informierte Leser haben, auch solche, die “Töne” in der Sprache mitlesen können.
(Ich komme gleich zu Carl Friedrich von Weizsäcker und weiter unten auf die globale Relevanz des Themas, dass ich hier anschreibe in Richtung Buckminster Fullers schöner Metapher von “Unserem Planeten als Raumschiff Erde”)
Darüber hinaus waren Sie auch in dieser zuletzt veröffentlichten Rede erneut von einem Gedanken angeregt, den Sie nicht zum ersten Mal vorbrachten, und den ich mal eben kurz zusammenfassen darf:
Sie haben immer mal wieder darauf hingewiesen, dass Platon seine Akademie in einem historischen Zeitfenster begründete, als das hellenistische Imperium bereits auf dem absteigenden Ast sich bewegte, oder anders gesagt: Sie notierten den Eintritt des platonischen, also metaphysischen Denkens der griechischen academia, als Kompensationsgeschäft von “Loosern”, als Symptom eines Zeitalters, als man da draussen, ausserhalb der Akademie, nicht viel mehr vorfand als imperialen Niedergang, von Kriegen ermüdet und fortschreitender Dekadenz gezeichnet – demzufolge Platon sich dann über den Umweg eines Besuchs bei Pythagoras dann flüchtete in die platonischen Gleichgewichtsräume der “platonischen” Ideen, die ja den großen Vorteil der Unantastbakeit, Unvergänglichkeit und Reinheit haben, im Gegensatz zu Imperien, Straßen und Plätzen und einer dazu gehörigen “unreinen” Realität.
Ihr Hinweis hat zweifellos etwas Zwingendes, und lässt sich als Muster auch immer wieder vorbringen. So zum Beispiel in der Geschichte des Christentums, das mit Kaiser Constantin genau zu dem Zeitpunkt erst weltmächtig erstarkte und sich kommunikativ im großen Stil vermarkten ließ, als das Römische Imperium – wie man so schön sagt – abkackte.
Man hat es also, wenn man Ihnen darin folgt, bei jeglicher Form von Platonismus – und auch die monotheistischen Religionen sind Derivate des Platonismus – mit einem “Platonismus für Arme” zu tun; oder anders ausgedrückt: Die platonische Akademie wäre eigentlich nur für “Verlierer” interessant, die sich an unvergänglichen “reinen” platonischen Ideen-Konstruktionen aufrichten müssen oder sich an Idealen schadlos halten, heißen Sie nun “Gott” oder “Oktaeder” oder “Der Satz des Pythagoras” oder der so genannte “Ideale Vergleichsprozess” – den ich hier in meinem Labor mit einem durchaus nicht nur platonisch denkenden und handelnden Menschen gerade untersucht habe und weiter untersuchen werde.
Sogar die so genannte “reine Sinnlichkeit und Körperlichkeit” ist heute zu einem Platonismus für Verlierer mutiert. Das sind die Verlierer, die heute einen Verlust verspüren, einen Abort des Lebendigen, Vitalen, Chtonischen und Sinnlichen in Richtung technischer oder ökonomischer Ratio – und nun also als Verlierer dagegen eine Religion des Körpers, der Vitalität und der Sinnlichkeit glauben aufrichten zu müssen, so in antidirekter Spiegelung eines Verlierertums im Verlierertum. Diese Entwicklung hatte bekanntlich Stanislav Lem schon mal in den 70iger Jahren vorausgesagt, in einer Prophetie, der heute die Bioläden und die “biologisch somatisch Gestik” des künstlich wiederhergestellten “Natürlichen” entsprechen, zu denen auch ganze Sparten von “Berufs-Lebendigen” zählen.
Herr Sloterdijk, wollen wir dieses Ping-Pong-Spiel nun noch bis in alle Ewigkeit blind weiterspielen? Ich meine jetzt – nicht aufs wahre Leben bezogen – sondern denkerisch, philosophisch?
Vitalismus-Platonismus-Vitalismus-Platonismus/ Somatismus – Technologismus – Somatismus- Rationalismus?
Sicher werden wir das Ping-Pong-Spiel weiter spielen müssen, solange keine anderen globalen Beschäftigungstherapien in Aussicht stehen.
Aber man muss heute einfach auch mal darauf hinweisen dürfen, dass dieses Spiel, also das Ping-Pong-Spiel Platonismus versus Vitalismus bis in alle Ewigkeiten vorhersehbar bleiben wird, wenn wir nicht irgendwann einmal von dieser verrosteten Hin-und-Her-Schaukel, von diesem mäßigem Fahrgeschäft eines vorstädtischen Armuts-Zirkus Abstand nehmen. (Und jetzt schon kann ich hier andeuten: Dieser Abstand wurde bereits genommen.)
Denn zunehmend, das muss man sagen, leben wir – als Philosophen – heute nicht mehr in einer wirklich “Neuen Welt” – vielmehr stolpern wir uns alle heute mehr oder weniger durch bereits vorgelatschte und denkerisch verausgabte Wellenpfade von philosophischer Weltmaßnahme, so dass man sich – wäre man pessimistisch eingestellt – nur noch als Erfüllungsgehilfe von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen (Watzlawik) empfinden könnte. Und hier käme es dann nur noch darauf an, in die sich gerade darbietenden Wellendynamik gut hineinzuspüren – sozusagen als Gegenwartsbegleiterscheinung.
Aus diesem Grunde ist es auch keine große Kunst, heute gewisse Bewegungen vorherzusehen, zwar nicht detailiert, aber wenigstens ihrer Morphologie nach – sie sprachen das in ihrem Text sehr schön an: “Den Erlösern folgen immer auch die Erlöser, die uns von den Erlösern erlösen.” So sehen Sie eine Epoche der Erlösereitelkeiten heraufziehen, hierin sicher den selben prophetischen Instinkten folgend wie Stanislav Lem zu seiner Zeit.
Wo aber Gefähr ist, da wächst das Rettende auch – dem bekannten Hölderlin-Wort könnte man dialektisch hinzufügen:
Wo das Heilige stuhlt, da tront das Unheil abgrundhoch.
Deshalb ginge es darum, die Vertikalitäten, die hier in den Worten “Wachsen” und “Stuhlen” anklingen, zu Amplituden umzudeuten, zwischen denen ein sich vollziehendes planetares Leben wie zwischen den Hoch-und Tief-Punkten einer sich fortpflanzenden Wellendynamik dynamisiert und so in einem Entry/Re-Enty – Verhältnis die katastrophischen Erstarrungen meidet, jedoch die Energien der Vertikal-Spannungen in die ZEIT – hinein – lösend, entspannend, produktiv macht.
Aber was solls – die (fragwürdige) Idee des “Verlierertums im Platonismus” war ja schon bei Nietzsche deutlich virulent, der aber gerade hier und in genau diesem Punkt sich selbst und anderen gegenüber immer etwas ungreifbar blieb, in Folge dessen sich die Exegeten bei Nietzsche immer heraussuchen können, was Ihnen gerade wichtig erscheint. Aber bis heute stehen wir vor dem Dilemma, dass wir nicht genau sagen können, ob “Die Macht” im technologischen Zeitalter subjektlos wurde und immer subjektloser wird – sich in Folge dessen auf einen statistischen “Mann ohne Eigenschaften” überträgt, oder ob sie den so genannten “Übermenschen” generiert – als “Neues Subjekt.”
Und weil Nietzsche genau in dieser Frage nie so ganz eindeutig interpretiert werden kann, eiert es sich auch so schön bei ihm herum, weil er selbst herumeierte. Ich selbst habe hier schon einmal gesagt, dass man in Kleists Aufsatz zum Marionetten-Theater eine weitaus subtilere oder wenigstens kompensierende Beschreibung der Problematik finden kann, und bleibe auch weiter dabei.
Aber finden Sie nicht, dass es langsam Zeit wäre, von dem Ping-Pong-Spiel Vitalismus versus Platonismus versus Vitalismus versus Platonismus versus Vitalismus Abstand zu nehmen. Ich meine das nicht im budhistischen Sinn.
Denn heute wären wir in solchem Widerstreit doch zum überwiederholten Male eingekehrt, denn – und das wissen Sie auch, Herr Sloterdijk, war es ja gerade seit zweitausendfünfhundert Jahren das platonische Denken, dass die angeblichen Verlierer dann doch verwandelte in technologisch Mächtige, ungeheuer Mächtige, um nicht zusagen: Ungeheuer oder Monster an technologischer Mächtigkeit. Denn unsere Technologien beruhen auf Mathematik und unsere Mathematik beruht auf Platonismus, also auf der ewig verschiebbaren Illusion von Symmetrie, Gleichgewicht oder pythagoräischen Harmonie, welche die “Gleichheitszeichen” in unseren Köpfen zu unantastbaren IDEALEN VEGLEICHSPROZESSEN stabilisierten, die wir natürlich alle brauchen, weil sie notwendig sind. Und daran ändern auch die hochverfeinerten Methoden der höhere Mathematik nichts, weil auch diese Mathematik nur in einem stabilisierten oder harmoniserten Habitat innerhalb eines Fließgleichgewichts (als stabilisierter Zustand) vor und zurück rechnen kann, das von der Blut-Hirnschranke reguliert und schließlich als kognitives Bewusstsein aktiviert wird.
Sie selbst haben, und das achte ich sehr, in ihren Büchern gelegentlich auf die “Immunologische Geschichte” der Menschheit hingewiesen, von Menschen, die sich auch mittels psychopolitischer Immunologisierung vor “Kränkungen” schützten.
Einer These von Siegmund Freud folgend schützen sich diese Menschen immer vor solchen Kränkungen, die Ihn als “das Maß aller Dinge” aus dem Mittelpunkt des Geschehens rückten, so dass er in den Strom des Geschehens selbst hineingestoßen wurde, was ihm nicht immer angenehm war.
Nietzsches zum Teil hysterische Denkbewegungen sind womöglich auch einem unangenehmen Gefühl aus dieser Ecke heraus geschuldet.
Regelmäßig wurde der Mensch aus der Illusion einer Existenz als Zentralgeschöpf vertrieben von Erkenntnissen, die ihn seiner Zentrumsposition beraubten und in die Peripherie des Geschehens stellten.
Aber diesen Vertreibungen folgten auch immer – um eine Metapher von Ihnen einmal umzudrehen – Ptolemäische Mobilmachungen – Rückbefestigungen hinter neuen, geradezu künstlich errichteten immunologischen Brandmauern.
Immer mussten lange Zeiten vergehen, bis für diesen Menschen die unabweisbare narzisstische Kränkung annehmbar geworden war – so wie die Erde, als Beispiel, nicht im Mittelpunkt der Welt sich drehte; in kleinen Dosen mutete er sich diese Tatsache irgendwann doch zu, begleitet von Kämpfen und Krämpfen und erst nach wiederholt ausgefüllten Anträgen der unabweisbaren Vernunft, nahm er sie dann an.
Oder vielleicht gewöhnte er sich auch nur an Gifte?
Bis die Kränkung schließlich immunologisch eingebaut und akzeptiert wurde als wissenschaftliches Paradigma in den historischen Körper der Entwicklung. Nach langen Krämpfen und Fieberschüben der Verletzung.
Vielleicht haben Sie vergessen zu erwähnen, dass jede eingebaute und als Paradigma akzeptierte Kränkung, die Immunologiserungstendenz dieses Menschen ja nicht aufhebt, sondern sie nur etwas weiter nach innen verschiebt, wo sie dann andere psychopolitischen Immunsysteme gegen nachfolgende Kränkungen zunächst einmal umso stärker rückbefestigt oder aktiviert.
Die Erde also und der Mensch ist nicht der Mittelpunkt der Welt.
Sie, Herr Sloterdijk, müssen sich demzufolge auch sehr wohl darüber im Klaren sein, dass der Platonismus und seine Derivate zu den großen Immunologie-Geschichten überhaupt gezählt werden muss. Wenn nicht sogar d i e Immunologisierungs – Revolution schlechthin bedeutet.
Der Platoniker, und wir alle sind immer auch ein wenig Platoniker, “immunisiert” sich in gleichbleibenden Gleichheitszeichen, in Ideen, sei es als Pfarrer oder Antipfarrer “in Gott”, sei es als Denker “in Gedanken”, sei es als Mathematiker, in “Funktionen” oder sei es als Psychologe in “Kategorien der Neurose”, sei es als Künstler in “Arbeit und Werken” oder als Händler “in Geld” sei es als Systemtheoretiker in der Figur des “Beobachters” , als Liebende in dem Geliebten – oder einfach als Mensch im “Sein.”
An der Breite meiner Aufzählung können Sie bereits sehen, dass Immuniesierung immer ein Vollzug ist und nicht nur Ergebnis. Weil der Vollzug im Sein uns selbst in Zeit, also Form verwandelt, in Form hält, die Zeit, die wir ohne Vollzug nur einfach erleiden müssten.
Und ja, auch ein Nietzsche war ganz unfreiwillig ein Platoniker, da auch er nur “in Gedanken” denken konnte.
So also stabilisiert jeder seine Welt oder transportiert sie reflektorisch zunächst in platonischen Waggons der Kategorien und Begriffe, der Zahlen, der Funktionen, der Werke und Ideen auf vital-grammatikalischen Gleisen hinein in die Bahnhöfe seiner Überzeugungen und Haltungen. Und wenn es gut geht – dann auch wieder hinaus in die Weiterfahrt, den Weiterbau.
Tätigkeiten, Beziehungen, Funktionen, Arbeiten, die selbst zugleich im wahrsten Sinne des Wortes ZEITVERWANDLUNG und IMMUNISIERUNG leisten – aber damit immer auch Hoffnung produzieren. Denn solange wir an unseren vital-grammatikalischen, vitalistischen oder ästheischem Gleisbau mit samt den zu Güterzügen verkoppelten Seins-Waggons uns abarbeiten, sind wir unterwegs – doch nicht verloren.
Der sich immunisierende Mensch immunisiert sich also psychopolitisch durch platonistische Aktiva, die entweder Zahlen, Ideen, Zeichen, Begriffe, Funktionen oder Gott genannt werden und physiologisch primär an der Blut-Hirn-Schranke gegen die Entropie der Thermodynamik abgeschirmt oder ausballanciert werden.
Anders gesagt: Der Mensch, seine gesamte Psychopolitik kann nur immer hinter einem Schließmuskel existierend, gedacht werden, der aber zur Öffnung fähig und – verdammt bleibt, solange er lebt. Er ist Bahnhof aber kein Kopfbahnhof.
Und der Primär-Schließmuskel hierfür ist unsere permeable Blut-Hirn-Schranke, an der die Natur über Jahrmillionen von Jahren Abwägung vornahm: Blut gegen Geist – und sich schließlich irgendwann dazu “ermächtigt” hatte, der Blut-Seite eine Geist-Seite als Tauschobjekt zu offerieren, vielleicht die allergrößte und entscheidendste Öffnungs-Schließung als schwerster immunologischer Vollzug – der einem Wesen von der Natur jemals zugefügt wurde. Wenn auch die konstruktivste und folgenreichste für den Planeten Erde, und dieses Wesens selbst.
So ist der Mensch also per se das gekränkte Wesen, dessen “Gesundheit am Sein” sich nur durch öffnende und schließende Ballance-Handlungen bei trainierender Schließmuskel-Aktivität in platonische oder vitalistische Funktionen-Modi überführt, wobei eine Einkapselung oder Abkapselung immer auch die totale Entkapselung also Öffnung ausgleichen muss, die totale Öffnung, die nur der Tod leisten kann – schließlich.
Damit ich hier nicht zu einseitig verstanden werde: Solche Schließungs-Öffnungs-Muskel sind auch der sprechende Mund, der schluckende Kehlkopf und letztlich auch das nervös – arterielle und venöse Spiel zwischen Systole und Diastole – bis hinein in die Herzkammern gewährter oder verbotener Blicke, Augenaufschläge und Techniken des Schweigens und der Verlautbarung, welche als Öffnungen und Schließungen von Gesprächs- oder Kommunikations-Zeit-Kapseln verstanden werden können.
Sie selbst nannten all diese platonischen Techniken der Stabiliserung einmal “Homöotechniken” – ohne jedoch hier auf die Thermodynamik näher einzugehen.
So immunisiert sich der Mensch in einer ständigen Mitte zwischen Klausur und Aperture, Zusammenziehung und Streuung, Entry und Re-Entry.
Aber nicht der Mensch, Pflanzen und Tiere immunisieren sich allein so, sondern sie alle sind das Ergebnis von Vorgänger- immunologsierungen des Universums.
Es wird Sie vielleicht nicht überraschen, wenn ich hier anführe, dass diese Blut-Hirn-Schranke, nun die Primär-Immunologie aller Human-Imunologien abbildet. Und ich sie damit als primäre Homöotechnik der Natur und grundlegende Vorraussetzung für alle nachfolgenden Homöotechniken benenne.
Und dies eben gerade nicht nur in Bezug auf Viren oder Bakterien – nein. Denn diese Schranke markiert ein Gebiet oder ein Strand, an dem sich seit Jahrmillionen von Jahren der Tidenhub und die Wellen-Pulsation des Flüssigen in “gleichgleiche” Substanz von Festem verwandelt hat – und hier – mit ihrer immunologischen Funktion im Vollzug für die Dauer unseres Lebens auch für ein ungefähres thermodynamisches “Vollzugs-Gleichgwicht” sorgt – die uns zu dem formuliert, was wir sind – ein ungefähres-Ufer an einem ungefährem Fluss. Ein halb-festes Ufer, das aber eines strömenden Flusses bedarf, um sich als Ufer dagegen abzuheben und zu formulieren, in dem es sich selbst zugleich kenntlich und unkenntlich macht.
Und hier also eine physisch – metaphysische Komplementarität ausbildete, die man ausdrücken kann mit den Worten:
Der Fluss weiß nichts von seinen Ufern, denn der Fluss sind seine Ufer.
Die Ufer wissen nichts von ihrem Fluss, denn die Ufer sind der Fluss.
Und darin, Herr Sloterdijk, wiederholt auch die Blut-Hirnschranke nur eine Immunologische Komplementarität, wie sie unser Planet als “Raumschiff Erde” stabilisiert in seiner dialogischen Routine um die eigene Achse als auch um die Sonne in “Immunisierung” also Abkapselung gegen das Anströmen der Entropie zu einem System – im Vollzugs-Gleichgewicht – ; ein System, dass seine “Routinen” als Lagrange-Gleichgewichte der Immunisierung auslegt – gegen – das treibende expandierende Ungleich-gewicht einer vorangegangenen Supernova, der es aber bedurfte zum Anschub der Stabiliserungsbewegungen in die Routinen hinein.
Denn dass wir uns stabil um unsere Achse drehen, ist eine Folge im Ausgleich von Implosion (Zusammenziehung) und Explosion (Ausdehnung) in einer “immunologischen Routine” stabilisiert zu einem System mit Namen Erde-Mond-Sonne.
Denn auch eine Drehung kann nach einer Umdrehung als ein Vollzug von Entry nach Re-Entry bezeichnet werden. Sie ist eine Atmung.
Insofern sind Erde Mond und Sonne zwar nicht eine atmosphärisch klimatisierte Kapsel wie die Erde, sehr wohl aber eine mehrkörpermechanisch stabilisierte Kapsel, in einem statistischen “Lagrange-Klima” des ungefähren Gleichgewichts.
Die informationelle Komplementarität des Universums lässt sich deshalb ungefähr so ausdrücken:
Ohne Explosion (Expansion) gäbe es keine stabilisierten Details, aber nur in Details kann sich eine Explosion ereignen und abbilden.
Mit anderen Worten: Wir selbst sind das wahrscheinliche Ergebnis einer ganzen Abfolge von physikalischen “Immuno-logisierungen”, die sich im Universum immer in Routinen, also Rotationen, zu “Systemen” also temporären Lagrange-Mehr-Körper-Gleichgewichten stabilisiert haben – gegen – die Expansion – imitten – der Expansion.
Deshalb ist alles, was wir als “stimmige” oder “funktionierende Funktion” erleben, nur eine Perpetuierung eines ganz speziellen immunologischen Gleichgewichts, dass uns schließlich hier unten auf der Erde den schwer bürdenden Luxus eines Bewusstsein eröffnete/erschloss als ungefähr gleichbleibend stabilisierte Beobachter hier auf unserem Raumschiff Erde, dass seine Gleich-Gewichte öffnend – schließend und damit GEQUANTELT oder ROTIEREND balancieren muss.
So will ich hier jetzt auf Carl Friedrich von Weizsäcker zurückkommen. Ein durchaus respektabler Physiker und Philosoph, der bekanntlich ahnte, dass so eine Frage wie: Was ist Information? – dringend auf der Tagesordnung steht. Ebenso wie John Archibald Wheeler, der diese Frage ebenfalls stellte.
Vielleicht ahnen Sie es schon, Herr Sloterdijk, ich kann Ihnen dazu nur sagen: Weizsäckers Quantentheorie der Information ist leider falsch, weil er sich selbst nie dazu durchringen konnte, die Quantentheorie, auf der sein Konzept der “Ure” beruht, als das zu betrachten, was sie ist: Sie ist keine Wahrheit der Natur, sondern das Quantum ergibt sich als Stabilisierung aus der immuno-logischen Stabiliserung von Bewusstsein, das nur in einem gequantelten Modus von Öffnung nach Schließung denkbar ist. Das Bewusstsein muss bis in die Techniken hinein – blinzeln. Das Quantum ist keine Konstante, sondern ein perpetuiertes Verhältnis seines Blinzelns in einer Öffnungs – Schließungs – Routine. ES blinzelt.
Bisher war es üblich, ähnliche (nicht diese) Überlegungen in die Ecke von philosophischer Geschmäcklerei zu rücken, wo man sie dann als “anthropische Prinzipien” entweder “stark” oder “schwach” mehr oder weniger schulterzuckend zu einem Orchideenthema der Ansichtssachen degradierte.
Diese Zeiten sollten nun aber, davon bin ich überzeugt, langsam vorbei sein, da sich bei eingehender Betrachtung herausstellt, dass wir bis heute, bis in die Ingenieur-Akademien hinein eine zum Teil haarsträubend missverstandene oder pragmatisch verkürzte Thermodynamik pflegen, die noch nicht mal in der Lage ist, die beiden Hauptsätze in ihrer dialektischen Komplementarität zu vermitteln. Und nur selten werden historische Zusammenhänge der Wissenschaften in Philosophie-, Ingenieurs- oder Physik-Seminaren mehr als oberflächlich, wenn überhaupt, behandelt. Von den soziologischen und pädagogischen Fakultäten ganz zu schweigen.
Ich will damit also sagen: Unsere Techniken, Geräte, Apparate und Schulen funktionieren wohl, aber wie sie funktionieren, sagt noch nichts darüber aus, ob das Universum als Ganzes so funktioniert und zwar, weil wir die nächste große Kränkung noch nicht einmal anrücken sehen wollen und diese Kränkung lautet, um mit Schopenhauer zu sprechen:
Wir können – vielleicht – tun was wir wollen, aber wir können nicht wollen, was wir wollen.
So kann hier auch deutlich in Richtung Prof. Holger Lyre und Frau Prof. Brigitte Falkenburg gesagt werden:
Das Quantum und mit ihm auch alle so genannten “Naturkonstanten” sind stabilisierte und konstruktive “Real-Halluzinationen” – die sich aus dem Umstand herleiten, dass die gesamte Mathematik, ebenso wie die gesamte anthropotechnische Evolution aus einer platonisch immunologischen Kapsel gegen die Entropie – mit der Entropie – homöostatisch dialektisch stabilisiert wurde in einem bestimmten harmonisierten Verhältnis – und sich auch darin weiter stabilisiert in der ständigen Übergabe von Fehler nach Funktion, von Öffnung nach Schließung, von Entry nach Re-Entry, von Verifikation nach Falsifikation – so in die Ausdifferenzierung weiter überwechselt in Richtung Technik und Erkenntnis. Das “harmonisierte Verhältnis” soll besagen, dass wir innerhalb nur eines ganz bestimmten Verhältnisses “Teilchen” zerteilen oder erzeugen können, aber dieses Verhältnis weist eben nur wieder auf u n s e r immunologisch stabilisertes Bewusstseins-Verhältnis hin, das nicht für das gesamte Universum verbindlich ist.
Die Planckzahl ist ein anthropotechnisches kapsel-klimatisches Verhältnis, evolutionär harmonisert, aber keine Naturkonstante. Weil es in einem expandierenden Universum keine echten Konstanten geben kann.
Aus diesem Grunde kommt man hier, kosmologisch betrachtet, mit klassisch mathematischen Argumenten nur noch sehr bedingt bis gar nicht mehr weiter, obschon es für die Zukunft nicht ganz ausgeschlossen bleibt, dass man weiter kommt, wenn man die Mathematik modifiziert, und sie aus ihrer arithmetischen und geometrischen Sterilität heraus bewusst vermischt mit natürlichen dialogischen Gesprächssprachen – und nicht nur unbewusst, wie es bis jetzt Praxis war.
Sonnen, Planeten, Staubkörner, Leben, Menschen und Technik, Funktionen – und sogar Zeichen und Sprachen sind also die platonischen Verlierer – Gewinner. Sie sind in ihrem Verhältnis zu unserem Bewusstsein durchaus real existierend. Aber die Werte und Größen, mit denen wir ihre Funktionen beschreiben sind – in den Werten – nicht verbindlich für das ganze Universum.
Da unser Bewusstsein AUS DER THERMODYNAMISCHEN ZEIT sich herausgedreht und eingekapselt hat, steht es seit dem in einem bestimmten expliziten Verhältnis zu seiner Herausdrehung – in einem bestimmten Gleichgewicht – das es zugleich auch in sich selbst eindreht.
Das bedeutet konkret, Herr Sloterdijk: Es ist völlig sinnlos, gegen die Metaphysik zu ironisieren oder zu polemisieren, (was Sie klugerweise auch immer nur eher verschmitzt getan haben, so weit ich weiß) und zwar deshalb sinnlos, weil weder eine “Meta-Physik” noch eine davon irgendwie getrennte “Physik” obwirkt. Das einzige, das real wirkt, wäre ein informationelles Potential, dass sich per Expansion und Explosion (Aktualität) in die Potentiale von Materie (Potentialität) ausdetailiert oder zu Kognition über Falsifikations-Routinen in Erkenntnisse, Begriffen, Symmetrien oder Techniken diversifiziert.
Deshalb muss, Herr Sloterdijk, wer heute ernsthaft Philosophie und kosmologische Physik betreiben will, sich mit der Geschichte der Thermodynamik bezogen auf die evolutionäre Erkennntistheorie beschäftigen und damit also auch mit den immunologischen Blut-Organschranken- die in eine kosmologische und thermodynamische Erwägung von Energie, Rotation, Information UND DIVERSIFIKATION zu ziehen sind. Womöglich auch statistisch. Und zwar seit der Bildung der ersten Protozeller.
Und jetzt schreibe ich Ihnen gleich noch etwas dazu, falls Sie auf die Idee kommen sollten, ich litte an Erlöser – oder Aufklärer-Größenwahn. Mich also mit der Frage befangen wollten, woher ich, also Tim Boson, denn meine Wassersuppe nähme, kraft welcher ich Ihnen das Universum erklärte. Denn auch ich könne mich ja selbst ganz unmöglich ohne blinden Fleck bewegen. Oder gar ausserhalb der Prozesse mich verorten, auf einem Punkt, von dem ich dann das alles überblicken könne. Es müsse sich ja auch unter meinen Füssen ein blinder Fleck befinden, der mir selbst unbeschreibbar bleibt.
Darauf würde ich so antworten: Nun, ich bin ja – hier in diesem Text – nicht ich. Ich bin ein Boson. Zudem wird ja hier auch nicht das ganze Universum erklärt. Durchaus nicht. Aber in der Bewegung von Information, die eine Bewegung von Potentialität nach Aktualität nach Potentialität darstellt, die immer auch eine Reflektion abbildet, wirkt eine sedimentierende Gang-Abfolge, welche die Reflektion in die Lage versetzt, nach einem wiederholtem generationenlangen Durchlauf von Wiederholungen auf eine nächste Reflektionsschwelle zu gelangen. Sie nannten solches Wiederholen einmal “ÜBEN”. Ein solches ÜBEN findet auch im Gang wissenschaftlich-philosophischer Erkenntnis statt.
Sie kennen den berühmten Ausspruch von Gotthard Günther, den er seinerseits sich von einem Lehrer sehr zu Herzen nahm:
Wenn man seit zweitausend Jahren immer wieder die selben Fragen wälzt (routiniert) und keine befriedigenden Antworten erhält, dann könnte es sein, dass nicht die Antworten falsch sind, sondern die Art der Fragen.
Sie wissen, Gotthard Günther war dem Thema sehr nahe auf der Spur. Sein Pech aber war eine zu einseitige Fokussierung des Themas auf der “metapyhsischen” Zeichen-Seite. Die Thermodynamik hat er nicht im großen Stil behandelt und beachtet.
Man muss es sich klarmachen wie bei den Wachstumsringen eines Baumes oder den sedimentierenden Schichten am Grunde eines Sees. Oder in Eisbohrkernen. Da wirken Grenzschichtereignisse, die auf Zyklen, Routinen, Rotationen, ergo Jahreszeiten verweisen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist eine Routine oder ein Zyklus umrundet und es wächst ein neues Jahr, ein neuer Frühling – ein neuer Baum-Ring der Reflexion, ein neues Sediment, das nun im Abstand zu den Vorgänger-Schichten deutlich erkennbar sich abhebt, in dem es hier Abstandnahme markiert, aber zugleich auch den Vorgängerring mit einschließt und umfasst. Die “Fehler” oder die Widersprüche einer alten Weltbeschreibung wirken als “negative” Konstruktionselemente in eine neue Theorie hinein. Die jeweils neue Weltfunktionenbeschreibung “ernährt” sich von den “Fehlern” der Vorgängerfunktion.
Die Fehler werden regelrecht aufgegessen oder absorbiert per Falsifikation und immunologisch eingebaut, funktionalisiert, in die neue Funktionenbeschreibung. Ungefähr so, wie die Mitochondrien, die ursprünglich autonome Einzeller waren, sich dann aber im Laufer der Evolution als Energie-Zubringer in die mehrzelligen Organismen integrierten, wo sie heute als “Energie-Kraftwerke” eine Funktion ausüben.
Deshalb war das Wort “Falsifikation” von Raymund Popper im Grunde genommen immer zu einseitig in die Diskussion getragen worden oder vielmehr: Undialektisch. Denn in Wahrheit wird nie etwas einfach nur falsifiziert. Die Falsifikation ist zugleich immer der notwendige Nährboden oder die sedimentierende Schicht für “Richtigstellungen” in Folgeschichten, die dann über diese Falsifikationen wie über Räuberleitern der nächsten Erkenntnisschwelle entgegenklettern oder entgegenwachsen. Den Rest kennen wir von Paul Kuhn.
Aus genau diesem Grunde konnte auch ein Einstein vor beinahe 100 Jahren die Newtonsche Physik in seine Relativitätstheorien als unteren Ring oder innere Schicht mit einschließen, als Spezialfall. Die Zeit war einfach reif. Und ob es einen Einstein, einen Luther, einen Kopernikus, einen Gallilei oder wen auch immer dann erwischt, der dann die Formulierungsaufgaben übernimmt, das ist beinahe – nur eine Frage der Statistik. Einstein formulierte in vollkommen durchsichtiger Bescheidenheit: “Ich stehe nur als Zwerg auf den Schultern von Riesen.”
Weizsäckers Quantentheorie der Information, bringt uns hier nicht mehr viel weiter als ihn selbst, und das war schon weit, weil sie die ontologisch falsche Quantentheorie zu einer ontologisch falschen Informationstheorie erweitern wollte. Aber natürlich eignet sich die Falsifikation von Weizsäcker als brauchbare Räuberleiter, um weiter zu klettern. So sind alle “Falsifikationen” zugleich die notwendigen Räuberleitern, um eine nächste Stufe der Reflektionsfähigkeit zu erringen.
Denn Weizsäckers “Ure” sind als zeitlose – also platonische Elemente konzipiert, und damit eben wieder nur von einem thermo-dynamisch stabilisierten homöostatischen Gehirn her gedacht. Aber die idealen Stabilisierungen existieren nur in unserem Kopf. Sie dienen uns als “platonische Schneiderpuppen” auf denen wir die Maßanzüge unserer Funktionen schneidern, indem wir ITERIEREN – also mathematisch annähern, bis die Funktion oder ein Gerät funktioniert. Die Dinge funktionieren, aber die Gleichungen bleiben jeweils nur angenähert infinitisimal, jedoch real immer ein wenig unvollständig. Das hat uns bisher nur deshalb nicht interessiert, weil das Gerät selbst ja nicht ewig (infinitisimal) funktionieren soll, und kann, sondern nur solange seine Funktion gebraucht wird. Und weil aber unsere Funktionen und Geräte immer wieder per Energiezufuhr “gewartet” also erneuert werden, fällt uns nicht auf, dass unter den Funktionen die platonischen Schneiderpuppen derweil weiter sich entropisch bewegegen und ausgedehnt haben – wie alles. So halten wir unsere “gleichen Funktionen” immer für die “selben Funktionen” – was sie aber nicht sind. Denn auch innerhalb der Wartungs- Intervalle ist ja Zeit vergangen.
Mit anderen Worten: Der Graphitabrieb einer Bleistiftmine, die eine Formel zur Entropie auf ein Blatt Papier schreibt, kann mit dieser Formel nicht vollständig abgebildet werden. Hierin reichen sich sowohl Kurt Goedel als auch Rudolph Clausius die Hand.
Und damit schließt sich ein “meta-physischer” Cern – Ring. In dem sich aber dieser Ring schließt, können wir ihn jetzt verlassen.
Ein nächster Wachstumsring liegt an.
Man muss deshalb hier wieder auf Eckard von Hochheim verweisen, der das Erkennen selbst als eine Struktur der Welt bezeichnete, allerdings in dem man heute Struktur durch die Worte “Prozess” oder “Routine” oder “Diversifikation” ersetzen muss. Eine Diversifikation, in der die “Erkenner” also die “Mathematiker” oder der “Physiker” selbst mit eingeschlossen bleiben.
Denn die Diversifikation in Details ist die Fortsetzung der Entropie (Expansion) auf der Informationsseite. Zugleich aber inte- grieren sich die neuen Details wieder in neue technische Funktionen-Gefäße, unsere Geräte, die alle als Homöostate der Information eine “neue Funktion” – vorrübergehend – stabilisieren – aber zugleich auch weiter in Gang halten – bis zum nächsten Verschleiß. Auch die “neuen Funktionen” dienen dann als Räuber-Leitern für nächste Erkenntnisse. Siehe Space- Shuttle. Siehe Hubble-Teleskop.
Was hat das alles nun, Herr Sloterdijk, mit ihrem Text zu Buckminster Fuller zu tun –
Zurecht fragen Sie am Beginn ihres Textes auf ihrer Internetseite: Wie groß ist groß? Wie groß dürfen wir denken? Und umspielen dann Buckminster Fullers Metapher vom Raumschiff Erde.
Eine Metapher, die darin Ihre Qualität zeigt, weil Sie klarmacht, dass unser bewohnbarer Raum vorerst begrenzt ist, und wir für die Zukunft uns darüber einig werden müssen, wie wir dieses bewohnbare Raumschiff Erde “betriebsfähig” halten, so dass solches Raumschiff Erde uns Menschen als darauf lebende “Raumfahrer” ungefährdet weiter beherrbergt. Dazu haben Sie nun viel Wichtiges gesagt.
Aber – und diese Anmerkung – gehört hier her, Herr Sloterdijk – Das Jahr 1969, in dem Mister Buckminster Fuller seine Metapher vom Raumschiff Erde prägte – war das Jahr der Mondlandung! Und es waren die Jahre, in denen der Mensch zum ersten Mal einen ganzen BLICK ZURÜCK auf diese blaue Erde werfen konnte, ja gezwungen wurde, es zu tun. Und Buckminster Fullers Metapher vom “Raumschiff Erde” kann nur aus einem großen raumfahrenden Blick zurück generiert worden sein und dadurch verständlich werden. Ich will Ihnen damit andeuten, dass wir uns vor einer allzu blauäugigen oder blauerdigen Naivität und Rhetorik schützen sollten, die unterstellt, wir Menschen bewohnten einfach nur ein Raumschiff Erde, so wie man Käse auf ein Stück Brot legt – nein, Herr Sloterdijk, die Metapher vom Raumschiff Erde muss dahin gehend präzisiert werden, dass wir das Raumschiff Erde nur durch einen Blick weiter ausbauen und betriebsfähig halten können, der selbst nicht mehr von dieser Erde kommt, sondern von ausserhalb. Das ist die Abstandnahme, von der ich oben sprach! Ein Blick der erkennt, dass wir, unsere Gattung samt Erde kein Raumschiff bewohnen, sondern wir selbst sind der BLICK, der das Raumschiff konstruiert. Und dieser Blick eröffnet uns erst einen RE-ENTRY – einen WIEDEREINTRITT in die Unterscheidung!
Und damit Herr Sloterdijk, soll gesagt sein, zum wiederholten Mal gesagt sein, denn ich bin nicht der Erste, dem das auffällt, dass das Jahr 1969 die Überschreitung eine Reflexionsschwelle markiert, hinter die es kein Zurück mehr geben darf und kann. Die Brücken sind verbrannt.
Es sollte also deutlich klar gemacht werden, Herr Sloterdijk, dass das Jahr 1969 ein Monster generierte in einer bis dahin nie da gewesenen Extremform von Abkapselung, Sektierertum, Askese, Klausur und Selbsteinschließung, Autarkie und Akademie. Und diese neue platonische Akademie, diese Abkapselungen waren die KAPSELN der Apollo-Missionen, die uns als fliegende platonische Akademien darüber aufklärten, dass unser Planet ein Raumschiff Erde ist, das man nur deshalb bewusst und sorgsam bewohnen kann, weil diese Erde ab jetzt und für immer auch als ein Objekt von Verlassensein und Verlassenheit erkannt sein wird. Wir haben uns im Jahre 1969 von oben und von hinten gesehen!
Der Blick der Apollomissionen zurück auf die Erde war der Blick eines Sterbenden, die Nahtoderfahrung in einer Agonie, der im Sterben zurück auf seinen ganzen eigenen Körper blickt. Der RE-ENTRY in Form von zurückgefunkten Signalen dieser Bilder und der geglückte Wiedereintritt seiner Astronauten – nun als unfreiwillig platonische Belehrte – liegen in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft zur Kuba-Krise, was sicher ein Zufall sein mag, aber man kann auch diesen Zufall als Metapher deuten.
Das bedeutet, dass wir spätestens seit dem Jahr 1969 in ein neues Zeitalter der ANSCHAULICHKEIT eingetreten sind. Dies als Ergebnis von Wegen, welche die Wissenschaften über lange Zeiträume hinweg in aller mathematischen und physikalischen Unanschaulichkeit zurückgelegt hatte.
Und es bedeutet weiterhin, dass wir die “Kapseln” also die verklausulierten “platonischen Monster” auch in Zukunft notwendigerweise brauchen, jetzt allerdings mit wissendem Bedacht, um die notwendige Entry-Re-Entry-Dynamik überführen zu können in eine operationsfähige Dialektik, die mit der Rotation und der Entropie der Thermodynamik rechnet. Alle Trennungen zwischen Physik und Metaphysik sind damit obsolet geworden. Die Höhen und Abgründe, die seit Jahrtausenden zwischen Physik und Metaphysik sich vertikal aufgespannt haben, müssen und können nur noch als Tauschprozess einer operativen Dialektik von Entry und Re-Entry zwischen Austritt, Eintritt, Blick und Rückblick, Wiedereintritt und Wiederaustritt erkannt werden!
Wer ab jetzt auf diesem Planeten sein religiöses “Stuhlen” sein weltliches “Tronen” oder sein handelndes “Wachsen” in die physischen Hochsteigerungen oder in die metaphysischen Abgründe als seine persönliche Lebensentscheidung einer bloß subjektiv definierten Kategorie von “Willensfreiheit” oder “Religionsfreiheit” oder “Handelsfreiheit” oder “Meinungsfreiheit” einbettet, der muss dabei ab sofort immer mitbedenken, dass er – ob er das “will” oder “nicht will” in einer historisch begründeten und determinierten fließenden Dynamik mitströmt, die ihn selbst ernährt, ebenso wie auch alle seine “Widerstände” also Gegenbewegungen, Verweigerungen und Abstoßungen, die er – gegen – den Strom vorbringen mag. Und er sollte wissen, dass nicht er allein wollen kann, was er will, dass nicht er allein verliert, was er verliert, und dass nicht er allein gewinnt, was er gewinnt.
Das Raumschiff Erde bewegt sich nicht durch den Raum, indem es sich als Planet durch den Raum um die Sonne dreht. Das Raumschiff Erde bewegt sich mit seiner Gattung durch die Zeit. Und diese Bewegung heißt EXPLOSION und EXPANSION.
Die EXPLOSION FAHREN LERNEN heißt: Dissipation und Diversifikation unterscheiden lernen und sie als physisch – metaphysische Entry – Re-Entry – Tausch-Dynamik zu ATMEN. In einer Geschichte der Blicke und Rückblicke, der Austritte und Wiedereintritte. Die EXPANSION fahren lernen bedeutet: Physische Explosionen (Entkapselung, Ausstreuung) im Tausch gegen metaphysische Inversion (Verkapselung, Einstreuung, Klausur) als Informations – und Tausch-Dynamik zu begreifen – und so – produktiv in eine gelingende nichtkatastrophische Wellenbewegung einer technischen Zukunft hinein quantisiert zu entspannen.
Wenn verstanden wurde, dass die treibende Kraft dieser operativen Dialektik die informationelle Themodynamik ist, in der Diversifikation und Dissipation als Phänomene ein und des selben Effekts sich blickend und rückblickend austretend und wiedereintretend – also atmend – in einem Verhältnis zueinander konstruiert.
Und die erste Kapsel, oder das erste “Monster”, das sich in einer solchen operationsfähigen Dialektik von Entry nach Re-Entry sich verklausulierte, und sich damit der Entropie dankbar zeigte, indem es sich mit der Entropie gegen die Entropie in ein eigenes inneres Gleichgewicht hinein verkapselte – dieses Monster nennen wir den EINZELLER.
Sinn?
Das Üble an diesen Diskusionen hier ist, daß sie immer sehr schnell abgebrochen werden, wenn es interessant wird.
Josef Honerkamp und chrys benutzen ein wichtiges Wort, das mir jedoch als „blinder Fleck“ der Physik, als „terra incognita“ in der Landkarte der Naturwissenschaft äußerst fragwürdig erscheint:
Das Wort „sinnvoll“ bzw. „Sinn“ wird hier auf die „praktischen Belange der Physik“ reduziert, was ich sehr ungenau und unvollständig finde.
„Sinn“ als rein subjektive Kategorie kann von den Naturwissenschaften bisher nicht erklärt werden und wird deshalb nur den Geisteswissenschaften zugebilligt, die ihm mit dem hermeneutischen Zirkel auf den Grund gehen.
Für eine interdisziplinäre Betrachtung von „Sinn“ und „Information“ spricht der offensichtliche Zusammenhang, in dem uns die Begriffe erscheinen.
„Was ist Sinn und wie wirkt Information darin“, ist deshalb meine Frage an die Runde.
@Tim Boson
liest sich wie die Reinkarnation von Gottfried Benn, und ich finde einen Gedanken darin gut „durchgekaut“, den Hans von Bülow kurz formulierte:
„Am Anfang war der Rhythmus“.
Daß auch „Sinn“ und das „Bewußtsein“ gequantelt „blinzeln“, kann ich bestätigen und mit einer neurophysiologischen Beschreibung der Hirnwellenfunktion (Hirnschrittmacher) unterstützen.
http://de.wikipedia.org/…4res_Aktivierungssystem
@Steffen Rehm
Hier wird nicht das Wort “Sinn” oder “sinnvoll” reduziert sondern nur in einem speziellen Sinn benutzt. Auch in der Mathematik kann man von sinnvollen Argumenten reden. Ich stimme aber dem zu, dass die Naturwissenschaften nicht für den Sinn in Ihrem Sinne zuständig sind. So wenig wie das “Sollen” aus den “Sein” folgt (siehe naturalistischer Fehlschluss), folgt “Sinn” aus dem “Sein”. So wird ja auch der Sinn von irgendetwas von jedem Subjekt anders gesehen, abhängig von seiner bisher erhaltenen Information. Man kann höchstens Sinn im Lichte naturwissenschaftlicher Erkenntnisse suchen. Und das ist gar nicht übel :-).
@ Honerkamp
Spontan vielen mir die Gene ein. Das ist natürlich keine Physik sondern Biologie, aber für mich ist das ein Grenzfall. Gene sind Teile lebendiger Zellen, aber sie selbst leben nicht. Und sie sind unabhängig von unserer Denkfähigkeit. Wahrscheinlich kann die Biologie auch nicht viel mit diesen Informationen anfangen, weil der Code nicht verstanden wird.
@steffen rehm
Lieber Herr Rehm – danke für die Bestätigung, aber ich denke, es geht hier um mehr als nur um Durchgekautes oder Gottfried Benn – es geht hier darum – in wie fern dieses “Blinzeln” anthropotechnisch harmonisert uns von der Quantenphysik widergespiegelt wird – und ich behaupte – dass dieses Blinzeln tatsächlich eine Routinenrhythmisierung wiederspiegelt – die uns heute in einer absurden Selbstbegegnung in eine Kosmologie geführt hat, die in einer Sackgasse steckt.
Kurz gesagt – es geht um die Frage, ob wir uns nicht allmählich darüber im Klaren sein müssen, dass die Quantentheorie ebenfalls nichts anderes darstellt als eine Perpetuierung dieses Blinzelns. Oder anders ausgedrückt geht es darum, dass unsere Kosmologie deshalb nicht weiterkommt, weil sie die Quantentheorie nicht erkennt als das was sie ist – sie ist eine “harmonische” Wechselwirkung zwischen einem nicht geschlossenen Beobachter, der sein blinzeln bis in die Techniken hinein mit nichtgeschlossenen Systemen perpetuiert. Das heißt: Auch bis in die Symmetrien hinein, solche Symmetrien, die ihm dann in seinem “Teilchenzoo” wiederbegegnen in Form von “Teilchen”. Also um es deutlich zu sagen: Es geht darum, dass die Quantentheorie zwar zivilisatorisch und technisch “richtig” – aber kosmologisch falsch ist.
Jedenfalls nicht verbindlich in den Werten und Größen.
Das bedeutet – Herr Rehm – dass unser Beobachterstatus nicht mehr “autark” von thermodynamischen Entropie aufgefasst werden kann. Das die Quantentheorie “funktionier” sagt nur aus dass und wie sie hier mit uns “funktioniert” – jedoch nicht, ob das verbindlich für das ganze Universum ist. Und das bedeutet weiterhin, dass jeder Versuch – die Relativitätstheorie und die Quantentheorie rein mathematisch zu vereinigen, Zeit – und Geld – verschwendung ist. Und zwar deshalb, weil nicht Massen die Raumzeit krümmen, sondern die Entropie ist die Expansion des Universums – die zu Raumzeiten, ergo dann auch Massen verwirbelt. Die Komplementaritätsproblematik in der Quantentheorie kommt nur deshalb zu stande, weil wir immernoch einen thermodynamisch “sterilen” also geschlossenen Beobachter halluzinieren.
Unsere Mathematik, zum Beispiel der Hilbertraum, kann nur in einem thermodynamisch stabiliserten Gehirn existieren, ebenso wie ein sogenannter “Eulerscher” Massepunkt. Wer immer noch glaubt, unsere Mathematik sei unsere wunderhafte Erfindung, die irgendwie metaphysisch oder nichtthermodynamisch irgendwie quasi-religiös ausserhalb der thermodynmischen Entropie agiert, handelt irrational und unwissenschaftlich.
und zwar deshalb – weil es thermodynamisch im ganzen Universum kein einziges wirklich total geschlossenes System geben kann. Wer einmal die Funktion der Blut- Hirnschranke thermodynamisch also informationell betrachtet, erkennt sofort, dass die gesamte Quantentheorie nur eine “harmoniserte” Perpetuierung unserer eigenen Öffnungs-schließungs – Routine ist. Unser hübscher Teilchenzoo wiederholt brav unser eigenens harmonisches Verhältnis. Aber dieses Verhältnis ist nicht verbindlich….
Und weil das so ist, bringt uns weder das Cern noch die sogenannte “Schleifen-Quanten-Gravitation hier weiter. Jedenfalls nicht, solange wir nicht endlich einsehen, dass die Planckkonstante h ebenso wie die Lichtgeschwindigkeit nur selbstadjustierende Verhältniskonstanten sind – hier an unserem Zeitort. Die aber nicht für das gesamte Universum gelten. Weil in einem expandierenden Universum alle Werte und Größen viskos also nichtkonstant sind.
…und noch etwas
hinterher, Herr Rehm: Das einzige, dass unserer Zivilisation zur Problematik der Verschränkung und der Quanteninformation eingefallen ist – oder jednfalls das einzige, das auch sofort anwendbar war, ist die “Verschlüsselung” die Quantenverschlüsselung. Geheimhaltung.Zuschließen. Abdichten. Sichern. Kann hier überhaupt jemand nachvollziehen, wie traurig das ist? Hat hier überhaupt jemand ein Begrif davon, wie unwürdig es für eine Zivilisation ist? Das erste, dass Ihr zur Anwendung der Verschränkung einfällt – die ja eigentlich ein Gegenteiliges meint, nämlich Zusammenkommen, Verbindung – also das Schnellste was ihr dazu einfällt – das ist das Abschließen, das Zuschließen, das Geheimhalten…das ist sehr sehr arm. Sehr sehr traurig.
Und als nächstes kommt – wie sollte es anders sein – der Quantencomputer.
INFORMATION und SYSTEM: nicht erkennbar
Sehr geehrter Herr Pofessor Josef Honerkamp,
Sie verführen den geneigten Leser dazu anzunehmen, daß er in Ihrem Text aus sachkundigem Munde etwas erfährt über Information, über solche in der Physik.
Das ist bei mir so nicht eingetreten. Weder über die Information noch über diese in der Physik habe ich etwas lesen können, obwohl ich einem anderen Kommentator beipflichten muß, der ihren offrenen und verständlichen Schreibstil lobt.
An keiner Stelle hanben Sie wie allgemein üblich, Ihr Begriffsverständnis von Information erklärt: Was ist das überhaupt, wie entsteht das, wo entsteht das, spielt das in der außerhumanen Welt (biologisch, physikalisch oder chemisch) eine Rolle und welche – nichts davon habe ich erfahren. Sehr wohl konnte ich jedoch erkennen, daß Sie mit diesem Begriff hantieren, wie in der Alltagsjournalistik Information verstanden wird, das ist nicht nur deplaziert, wenn es um Naturwisswenschaft geht, sondern auch äußerst fragwürdig in den darauf aufbauenden Folgerungen.
So sagen Sie u.a.:
“Man sieht, der Begriff der Information erscheint erst, wenn man einen betrachtenden, denkenden Menschen ins Spiel bringt” – das ist so leider völlig falsch, da es nur auf das reine journalistische Begriffsvermögen dieses Wortes orientiert, und nicht auf ein naturwissenschaftliches, besser noch philosophisch und damit interdisziplinäres Verständnis dieses Phänomens – was wohl eine Ihrer Spezialitäten ist.
Lange bevor irgendein Lebewesen existiert, existiert Information. Während Sie die Materie als eine Erscheinung der Energie ansehen (wo könnte man denn dieses ausgeführt nachlesen?), datf ich Ihnen eine Aklamation entgegenhalten, die unter Materie deren drei Hauptelemente Energie, Masse und Information versteht, unteilbar verbunden. Damit ist die Information eine der wesentlichsten (zunächst) physikalischen Triebkräfte bei der Entstehung eines jeden SYSTEMS, gleich ob mikro oder makro, und damit auch des Lebens, des Menschen, des sozialen Systems Gesellschaft.
Sie erwähnen zwar komplexe Systeme, aber nicht was ein System ist, sein muß und wie es entsteht – Das wäre Ihr Inhalt hier gewesen: Die INFORMATION in einem (hier physikalischen?) SYSTEM als Grundvoraussetzung für das Entstehen, Entwickeln und Stabilisieren eines JEDEN Systems.
Man gelangt sehr schnell zu diesen Übnerlegungen, wenn SWie sich mal die Mühe machen wollen, und bevor Sie die vion Ihnen angesprochenen Komplexe entwickeln glashart nach den Phänomenen Information, ihrer Entstehung und der Funktion in der NATURWISSENSCHAFT (!! ohne MENSCH) ergründen und daraus erklären, wie z.B. solche “Systeme” wie Atome, Moleküle usw. sich (!) bilden, und anschließend natürlich auf dieser Grundlage auch (lebende) Organismen als SYSTEME sich entwickeln.
Um es vorweg zu nehmen: Meine Präforation auf die INFORMATION als (zunächst physikalische) Triebkraft des Universums hat nichts, nicht das Geringste mit Kreationismus zu tun, sondern ausschließlich ausgehend von der Frage, was ist das, Information, System.
Information, um es vorweg zu nehmen, ist Unterschied, nichts anderes ist wahrnehmbar, erfaßbar, meßbar, vergleichbar. Wie sie sicher aus Ihrem Fach wissen, existiert nichts auf der Welt oder im Universum, das nicht die eigene Struktur, die eigene Identität, kürzer: die eigenen UNTERSCHIEDE beinhaltet, wie das z.B. Strukturen sind.
Diese benötigen nicht die Existenz von Lebewesen, erst recht nicht von Menschen, sind jedoch als UNTERSCHIEDE INFORMATION.
Ohne Unterschied keine Information
(und erst ab hier dürfen Sie das Verständnis von Information als Darstellung von Unterschieden in die Journalistik tragen, die jedoch oft leider mehr Daten als Informationen fabrizieren)
Ohne Unterschied keine Information und kein Syswtem, kein Organismus, der systemisch innere Bewegung vollziehen kann, bis in das kleinste uns bekannte Teil hinein …
Das auch nur wieder ein – System ist.
Ein solches allgemeines Informationsverständnis und allgemeines Systemverständnis könnte neben seiner aus der Natur der Phänomene sich erklärenden Berechtigung sich als äußerst nützlich im Zusammenwirken der Wissenschaften durch die Beseitigung der dort heute üblichen Begriffs-Kleinstaaterei (zu solchen zentralen Begriffen der Entwicklung der Welt) erweisen. Soweit die Literatur dazu etwas sagt, ist meist nur der enorme Bedarf benannt.
Mich würde nun interessieren, wie Sie sich aufgrund ihrer bekundeten interdisziplinären Interesse zu diesem sagen wir mal zugegebenermaßen nicht “gängigen” Denkmodell stellen und ob aus Ihrer Sicht nicht überhaupt die Funktion von Information in der Physik völlig neu durchdacht und untersucht werden sollte.
Denn daß es in jeder (anorganischen) Materieeinheit eine (oder viele) Struktur gibt, ist unumstößlich, und das ist – wie auch immer betrachtet – Information, Information des jeweiligen Systems.
Für Ihre Aufmerksamkeit bis hierher bedanke ich mich, es wäre schön, Ihr Sicht zu erfahren.
Bitte nennen Sie mich vorerst nur Lusru.
@Tim Boson Warum Qu. 18.09.2010, 17:40
@Tim Boson vom 18.09.2010, 17:40
Hi Tim Boson,
auf meiner Suche nach Kommentaren zum hiesigen Thema – so man lesen kann, ist das dieses: “Der Informationsbegriff in der Physik” – ließ es sich nnicht vermeiden, Ihre sicher versehentlich hier plazierte reichlich ausführliche
Schwärmerei für Nietzsche und die Welt samt der dazwischengeratenen “öffentlichen” Privatkorrespondenz an Herrn Sloterdijk (getarnt als eine Rezension – mit interessantem Verteiler) ebenfalls zu konsumieren.
Obwohl ich zum Thema nichts fand, nicht eine Aussage, trotz der großen Buchstabenmenge, war ich statt dessen sehr beeindruckt, mit welcher geistigen Reichweite und Wortgewalt Sie doch den Leser unterhalten können.
So fiel mir auf, daß Sie trotz der Beschäftigung mit Nietzsche allerdings auch vorsichtige Ressentiments an ihm vorzubringen haben. Sie meinen z.B., Nietzsche sei kein Nietzschianer gewesen – wie wahr, wie wahr. Ist Ihnen in diesem Zusammenhang eventuell schon einmal aufgefallen, daß es keine Nietzsche-Weisheit oder Aussage gibt, die in dem Moment, wo sie auf ihn selber oder seine eigenen Aussagen angewandt werden, sich selbst aufheben, in ihr Gegenteil verkehren oder diese sinnentleeren?
Dieser Umstand könnte sehr wohl etwas mit Information zu tun haben, aber eben nicht in der Physik, dem hiesigen Thema …
Alles hat eben seinen (Hinter)Grund, und seine Ursache.
Um nun sicher zu gehen, daß ich in ihrem riesigen Kommentar hier (ich schreibe auch gern Bandwürmer) nicht doch etwas zur Information (…in der Physik) übersehen oder fehlverstanden habe, machte ich mir die Mühe und folgte dem Link zu Ihrer website, die “vom Deutschen Literaturarchiv Marbach langzeit-dokumentiert.” wird und “kein “nur” poetisches Projekt ist, sondern betreibt auch Informationsforschung zum Thema Technik, Mensch, Natur, Kosmos, mit begrifflichen, semiotischen und epistemologischen Mitteln – naturgemäß mit einem starken Interesse an Philosophie, der Welt und der Sprache.”
Dort findet sich Information, allerdings so:
“Information beschreibt keine Rationalität, sie in-formiert Rationalität.”
Ich erlaube mir, das Gegenteil festzustellen, da es sonst fehlerbehaftet ist:
“Information beschreibt weder Rationalität noch etwas anderes, sie formiert Rationalität.”
Weiter findet sich dort:
“Information möchte der Phantastik des Wissbaren, Denkbaren und Lebbaren auf die Spur kommen, also der Realität; und wenn es passt, kann das auch poetisch sein.”
Nie und nimmer, trotz der märchenhaften Formulierung. Das ist “Shakespeare 2.0”, nicht aber Naturwissenschaft, denn weder “möchte” Information irgendetwas, noch “könnte” sie das, noch hat sie etwas mit “auf die Spur kommen” zu tun, noch hat sie irgendetwas mit Poesie zu tun. Sicherlich meinen Sie hier nicht die Information, sondern eher die Wissenschaft, auf die soetwas bedingt zuträfe.
Das zufällig ähnlich klingende Wort, mit dem sie aber sehr wohl “etwas zu tun” hat, heißt nicht Poesie sondern “Autopoiese” und ist ein Begriff aus der jüngeren Naturwissenschaft.
Weiter meinen Sie ebenda:
“Mensch/Gehirn/Bewusstsein: Meint einen Ort, wo sich Information in Energie umwandelt.”
Nein.
Bitte wie sollte das gehen?
Ich halte das für eine ebenfalls rein poetische Vorstellung, allerdings eine unrealistische nicht durchführbare. Auch wenn es gerade üblich ist, alles Mögliche allein auf die Energie zurückzuführen oder an dieser anzutackern: Information in Energie? Schön wäre es, wenn soetwas mal möglich werden würde.
Die Information ist überall, es gibt nichts, wo sie nicht vorhanden / vertreten ist, sogar “in” der Energie – wie sollte sie, da sie doch Energie “formiert” (im Unterschied strukturiert), Identität verschafft, sich selbst zur Energie erklären wollen? Ich glaube, Sie haben hier versehentlich den Begriff Information eingestreut und meinen im Zusammenhang mit dem Bewußtsein etwas ganz anderes, und erst recht nicht den branchenverhuntzelten Begriff Information aus der Zeitungs- und TV-Branche, das sogenannte “Nach-Gerichtete”, die “Nachricht”
Dann finde ich dort noch:
“Wechselwirkungen: Ist das bewegte Tauschverhalten zwischen Energie und Information, Natur und Technik.” –
Da habe ich natürlich gleich mehrere Bauchschmerzen:
– “Natur” und “Technik” hier in unzulässiger und daher inhaltsleerer Kopplungs-Verwendung. Was als Natur zu verstehen ist, ist allgemein bekannt: Nicht vom Menschen machbar bzw. gemacht.
Das zugehörige Pendant in Ihrem Sinne wäre nicht die Technik sondern die Kultur: Vom / mit / durch den Menschen gemacht.
Was nun Technik in diesem Zusammenhang sein soll, ist eigentlich auch zur Genüge bekannt, es ist das, was der Mensch (oder andere Lebewesen) benötigen, um Kultur machen zu können: Techniken, das sind Fähigkeiten und Fertigkeiten, ererbte und erworbene, ausgebildete Techniken oder “schlummernde” Techniken.
Dieser Begriff füllt jedoch (berechtigt) einen sinnvollen Dualcharakter aus:
Technik ist zugleich aber auch die vergegenständlichten (versachlichten) vergangenen Fähigkeiten und Fertigkeiten gegenwärtiger oder vergangener Menschen, gewissermaßen materiell gespeicherte vergangene Fähigkeit und Fertigkeit als Die Technik.
Und nun prüfen Sie doch eventuell ihre Aussage.
– “bewegtes Tauschverhalten zwischen Energie und Information” – abgesehen davon, daß ein “Verhalten” stets bewegt ist und hier tautologisch formuliert wurde, kann es “zwischen Energie und Information” (und damit erst recht nicht “zwischen Natur und Technik”) ein solches Verhalten geben, wer sollte da der “Verhalter” sein?
Energie und Information sind beides sich bedingende Elemente der Materie, wie sollten die auch noch sich “tauschen” (was allerdings auch für sich schon allein wieder eine “bewegte” Sache wäre)?
Last not least dann noch diese Ihre Aklamation:
“Ist nicht jeder Unterschied, den ich “feststelle” immer ein ge-machter Unterschied, der mit einem Energie – oder Zeitaufwand vertäuscht ist?”
Was sollte ich den hierunter in Zusammenhang mit Information verstehen?
Ich sage das mal etwas einfacher, und dann könnte es werden:
Jeder Unterschied (ob ich oder wer anders ihn feststellt oder nicht) ist systemisch wahrnehmbar, also nur vom betroffenen System, was das auch immer für eines ist, und erfaßt ist das Information. Unterschied ist immer etwas mittels Energie in einer Zeit Gewordenes: Information, ob in der Physik oder anderswo, Nichts daran ist vertäuscht.
Jedenfalls empfinde ich es bedauerlich, daß Sie sich nicht zum Thema geäußert haben.
@Lusru
Von einer Reise zurück finde ich ihre Kommentare zu einigen meiner Posts. Sie scheinen mich als Dualisten zu sehen, und meinem Begriff von Information halten Sie ein andere Vorstellung entgegen, die Sie als nicht “gängig” bezeichnen: Information als Eigenschaft der Materie, vom gleichen Kaliber wie Energie und Masse. Das ist doch gerade das “gängige” Verständnis von Information (siehe z.B. Zeilinger: Einsteins Schleier, insbesondere Görnitz: Der kreative Kosmos) und Biologen reden ständig in dieser Art von Information und meinen immer nur auch “Struktur eines Systems”. Man kann das Wort so gebrauchen. Mir scheint das aber für die Denkökonomie nicht günstig zu sein. Warum soll man das Wort “Information” so verbrauchen? Es gibt doch schon das Wort Struktur oder Freiheitsgrade für das, was man damit ausdrücken will. Bei meinem Verständnis von Information ist dieses ein kultürliches Phänomen (wie der Philosoph Janich es ausdrücken würde) und bei Ihrem bzw. dem gängigen, ist es ein natürliches Phänomen. Und es fördert die Klarheit der Gedanken, diese beiden Sphären aus einander zu halten.
Damit wird man kein Dualist, denn über den Zusammenhang (ob es diesen überhaupt gibt und wie man ihn sich gegebenenfalls vorstellt) ist damit nichts gesagt. Da bin ich Materialist, d.h. Geist folgt aus Materie, und nicht umgekehrt, wie es Platonisten, Essentialisten u.ä. postulieren. Sie finden dieses in meinen anderen Beiträgen immer wieder durchscheinen. Wenn Sie sich so für die Materie interessieren, werden Sie das Buch von Bunge, Mahner: “Die Natur der Dinge” interessant finden.
Zur Aussage: ” Information ist aber zunaechst etwas, das von einem Gehirn, einem Gehirn eines denkenden Wesens in die Welt gesetzt wird oder was im Gehirn eines solchen Wesens einen Denkvorgang beeinflussen kann”.
Dieser Informationsbegriff ist zu eng gefasst. Honerkamp ist zunaechst darin zuzustimmen, dass Information im Anorganischen, also im eigentlichen Gegenstand der Physik, nicht vorkommt. Das Auftreten von Information (Informationsspeicherung, Informationsuebertragung, Informationsverarbeitung) ist vielmehr die Qualitaet, die Organismen von anorganischen Entitaeten prinzipiell unterscheidet. Information wird bereits benoetigt in der Selbstorganisation und dem Metabolismus bei den einfachsten Organismen, also Bakterien, Archaeen, und den Protisten. Also nicht erst in den “Gehirnen denkender Wesen”. Information kam also in die Welt, nicht erst mit den Menschen, sondern mit den ersten Anfaengen des Lebens!