Was ist ein Virus eigentlich?

In den letzten Monaten haben die meisten von uns das Wort „Virus“ vermutlich häufiger verwendet, als uns lieb ist. Aber was genau ist ein Virus eigentlich? Und wieso sind Virusinfektionen so schwer zu bekämpfen? Hier gibt es einfache Antworten für Laien.

Viren sind eigentlich nur ein bisschen Erbinformation in einer Hülle

Viren haben mich schon immer fasziniert. Vielleicht, weil ich als Kind den Film Outbreak gesehen habe. Vielleicht aber auch, weil es ganz einfach ziemlich faszinierend ist, dass Viren nur aus ein bisschen Erbinformation in einer Hülle bestehen und uns doch so krank machen können.

Aber von vorn: Viren sind winzige Strukturen aus Erbinformation und etwas Zusatzmaterial. Sie können sich selbstständig nicht vermehren. Strenggenommen leben Viren nicht.

Ich könnte eine Schale voller Blut mit Viren darin in meinem Zimmer aufstellen. Die Viren würden nicht herauskrabbeln, sich nicht vermehren, mit der Zeit würden sie sogar einfach kaputtgehen. (Dennoch sollten Sie das nicht nachmachen)

Viren missbrauchen unsere Zellen als Fabriken

Unser Körper besteht aus vielen kleinen Baueinheiten: den Zellen. Die Arbeiter in den Zellen, die, die alles erledigen und zum Beispiel dafür sorgen, Nährstoffe in Energie umzuwandeln, das sind sogenannte Proteine. Und die Bauanleitung für diese Proteine ist unser Erbgut.

Weil die Arbeiter für die Abläufe in den Zellen so unheimlich wichtig sind, sind unsere Zellen darauf getrimmt, ständig Proteine herzustellen. Sie sind kleine Proteinherstellungsmaschinen.

Genau das nutzen Viren aus. Viren können selbst keine Arbeiter (Proteine) herstellen und sich nicht selbstständig vermehren. Sie missbrauchen deshalb Wirtszellen als Fabriken.

Viren schleusen ihre Erbinformation in unsere Zellen ein

Grob vereinfacht funktioniert das folgendermaßen: Viren docken an Zellen an (zu den Vorlieben von Viren für bestimmte Arten von Zellen kommen wir weiter unten), schleusen ihr Erbgut hinein, und unsere Zellen tun dann genau das, was sie gewohnt sind: sie stellen daraus Proteine her. Nur sind es dann eben Virusproteine.

Diese Virusproteine setzen sich zu neuen Viren zusammen, werden aus den Zellen ausgeschleust und befallen neue Zellen. Wenn wir mit einem Virus infiziert sind, dann stellt unser Körper die Viren also selbst her!

Symptome entstehen durch zerstörte Zellen und Immunreaktion

Würde es Ihnen gefallen, wenn Sie noch mehr als sonst arbeiten müssten? Nein? Unseren Zellen gefällt es auch nicht, wenn sie als Fabriken missbraucht werden. Werden Zellen von einem Virus gekapert, können sie dadurch kaputtgehen.

Auch startet unser Körper eine Abwehrreaktion gegen die Virusinfektion. Immunzellen können Zellen erkennen, die Virus in sich tragen und sie zerstören. Eine Immunreaktion kann sich auch im ganzen Körper bemerkbar machen, etwa in Form von Fieber. Durch die Immunreaktion können weitere Zellen unseres Körpers in Mitleidenschaft gezogen werden.

Unterschiedliche Vorlieben für Zellen führen zu unterschiedlichen Beschwerden

An welche Arten von Zellen Viren andocken können, ist ganz unterschiedlich. Viren befallen übrigens nicht nur Menschen, sondern viele Tiere, Pflanzen und sogar Bakterien. Je nachdem, wie die Oberfläche eines Viruspartikels aufgebaut ist, kann es besonders gut an bestimmte Arten von Zellen andocken. Und je nachdem, welche Arten von Zellen infiziert werden, entstehen ganz unterschiedliche Beschwerden. Erkältungsviren befallen gerne die Atemwege, das HI-Virus bestimmte Immunzellen, Durchfallviren den Verdauungstrakt.

Viren leben nicht – und können deshalb nicht einfach getötet werden

Was nicht lebt, ist nicht so leicht zu töten. Was nun, wenn wir therapeutisch gegen Virusinfektionen vorgehen wollen? Wir haben gelernt, dass Viren sich in unseren Zellen aufhalten und vermehren. Um Viren aus dem Körper zu bekommen, müssten wir also gezielt diejenigen Zellen kaputtmachen, die Virus enthalten. Aber wie können wir diese Zellen erkennen und sie zerstören? Die Antwort ist: das können wir nicht (jedenfalls noch nicht).

Doch glücklicherweise ist unser Immunsystem genau dazu in der Lage. Aber leider funktioniert das nicht immer so einfach. Manchmal ist die Immunabwehr des Körpers überfordert – Viren vermehren sich schneller, als das Immunsystem nachkommt. Dann gibt es Viren, die sich im Körper verstecken können und dort verbleiben – etwa bestimmte Herpesviren. Manche Virusinfektionen, etwa mit dem HI-Virus, kann der Körper nicht selbst bekämpfen. Die Mechanismen dahinter sind sehr komplex.

Dann kann auch noch unser eigenes Immunsystem uns schaden. Im Kampf gegen die Infektion muss es manchmal alle Geschütze hochfahren. Der Kampf unseres Körpers gegen Viren richtet sich letztlich gegen unsere eigenen Zellen – das ist das Gemeine an der Sache. Selbst wenn der Körper ein Virus von selbst wieder loswird, überlebt nicht immer jeder Infizierte diesen Prozess – das sehen wir gerade am Beispiel von SARS-CoV-2.

Medikamente können Virusvermehrung und Immunsystem bremsen

Wie kann man dann überhaupt therapeutisch gegen Viren vorgehen? In manchen Fällen ist es möglich, bestimmte Virusproteine, die unsere Zellen herstellen, medikamentös zu blockieren und zu verhindern, dass unsere Zellen neue Viren produzieren und ausschleusen. Etwa in der HIV-Therapie hat das geklappt: zwar verbleiben die Viren in kleiner Anzahl versteckt im Körper, aber zumindest kann durch Medikamente eine Ausbreitung im Körper gebremst werden, Infizierte haben unter Therapie inzwischen eine normale Lebenserwartung.

Eine andere therapeutische Möglichkeit ist, die zum Teil überschießende Reaktion des Immunsystems zu bremsen.

Gezielt Viren in unserem Körper auszulöschen, das geht aber leider nicht.

Das beste Mittel gegen Virusinfektionen ist sie nicht zu bekommen

Es gibt Virusinfektionen, die unser Leben nicht bedrohen. Doch bei denen, die es tun, ist das beste Mittel im Kampf gegen sie, sie gar nicht erst zu bekommen. Denn wenn Viren einmal im Körper sind, dann sind sie nicht so leicht wieder loszuwerden. Schützen können etwa Impfungen. Dabei wird unser Immunsystem nur mit einem Teil eines Virus konfrontiert. Eine Immunreaktion entsteht, ohne, dass wir die Infektion tatsächlich durchmachen müssen und ohne, dass unsere Zellen Viren herstellen und sie sich im ganzen Körper verbreiten.

Ein Virus (Pixabay, TheDigitalArtist)

Zum Weiterlesen:

Meine Erfahrungen von einer COVID-19-Station: https://scilogs.spektrum.de/die-monacologin/lockdown-euphorie-gehts-noch/

Meine Erfahrung mit der SARS-CoV-2-Impfung von Biontech: https://scilogs.spektrum.de/die-monacologin/fuenf-monate-nach-meiner-biontech-impfung/

Ist Krebs ansteckend? https://scilogs.spektrum.de/die-monacologin/ist-krebs-ansteckend/

Veröffentlicht von

Marisa Kurz ist Assistenzärztin an einem Universitätsklinikum und befindet sich in der Ausbildung zur Fachärztin für Hämatologie und Onkologie. Vor dem Medizinstudium hat sie ein Studium der Biochemie (M. Sc., B. Sc.) und der Philosophie mit Nebenfach Sprache, Literatur und Kultur (B. A.) abgeschlossen. Nebenbei schreibt sie als freie Journalistin, u. a. für den Georg Thieme-Verlag. Sie promoviert in der Krebsforschung zu Immuncheckpoints bei Lungenkrebs. Mein Ziel: Ich will, dass Patienten ihre Erkrankungen und Therapien besser verstehen. Deshalb möchte ich Medizin leicht verständlich ohne Fachbegriffe erklären. Nur gut informierte Patienten können autonome Entscheidungen über ihre Behandlungen treffen. Und gut informierte Patienten fühlen sich, so bin ich überzeugt, besser aufgehoben.

8 Kommentare

  1. Guter, für seine Kürze sehr informativer Beitrag.
    Etwas hätte man hinzufügen können, nämlich: Gewisse Viren (genauer ihre Erbinformation) können sich selbst ins menschlichen Genom einfügen. Das menschliche Genom 🧬 enthält etwa 100‘000 kurze DNA-Stücke viralen Ursprungs.

  2. Schützen können etwa Impfungen.

    Offensichtlich nur bedingt:

    https://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/00000359.htm

    ________

    Dabei wird unser Immunsystem nur mit einem Teil eines Virus konfrontiert. Eine Immunreaktion entsteht, ohne, dass wir die Infektion tatsächlich durchmachen müssen und ohne, dass unsere Zellen Viren herstellen und sie sich im ganzen Körper verbreiten.

    Sie suggerieren, dass es sich bei der mRNA-Technologie um eine reguläre Impfung handelt, wenn Sie den Unterschied nicht klar herausstellen.

      • Für mich eher verwunderlich. Sie sind ja in einer Altersgruppe, in der Corona nicht gefährlicher ist als eine normale Grippe. Der Impfstoff dagegen ist in den nächsten Jahren noch in der Experimentierphase. Was ist, wenn eventuelle Nebenwirkungen sich als schlimmer herausstellen?

        • @Mutiertes Spike-Protein: mRNA-Impfstoffe sind vom Wirkungsmechanismus her vergleichbar mit Vektorimpfstoffen, die schon für einige Impfungen ohne Probleme eingesetzt wurden. mRNA-Impfstoffe sind aber konzeptionell (nicht technisch) einfacher als Vektorimpfstoffe und sollten von unserem biologischen Wissen her weniger Nebenwirkungen haben als Vektorimpfstoffe. Zudem: Bei Impfungen allgemein sind keine Langzeitnebenwirkungen zu erwarten – ausser natürlich die wichtigste Langzeitwirkung von Impfungen, dass sie nämlich eine Erkrankung mit möglicherweise ernsten Langzeitwirkungen verhindern oder mindestens weniger wahrscheinlich machen.
          Sie schreiben: „ Sie sind ja in einer Altersgruppe, in der Corona nicht gefährlicher ist als eine normale Grippe. „
          Das stimmt nicht, denn wer an Corona schwer erkrankt war hat in einem recht hohen Prozentsatz auch ein Jahr nach Erkrankung noch ernsthafte Symptome. Bei der Grippe ist das anders. Wer die überlebt ist wieder gesund.

          • Lieber Herr Holzherr,

            wie hoch genau ist denn dieser “recht hohe Prozentsatz” junger Leute, die ein Jahr nach Erkrankung (meinen Sie einen positiven Test?) noch “ernsthafte Symptome” hat?

  3. The International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) announced “severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2)” as the name of the new virus on 11 February 2020. This name was chosen because the virus is genetically related to the coronavirus responsible for the SARS outbreak of 2003. While related, the two viruses are different.

    • @Mutiertes Spike-Protein (Zitat):“ wie hoch genau ist denn dieser “recht hohe Prozentsatz” junger Leute, die ein Jahr nach Erkrankung (meinen Sie einen positiven Test?) noch “ernsthafte Symptome” hat?„
      1) Je stärker die Covid-Erkrankung, desto wahrscheinlicher ist Long Covid. In seltenen Fällen haben auch asymptomatisch Infizierte Long Covid
      2) Über alle Altersgruppen schätzt man die Häufigkeit von Long Covid auf 10 bis 20% der Infizierten
      3) Gemäss Prevalence of ongoing symptoms following coronavirus (COVID-19) infection in the UK: 2 September 2021, einer britischen Studie gilt:
      A) Schätzungsweise 970.000 in Privathaushalten in Großbritannien lebende Personen (1,5% der Bevölkerung) litten an selbst berichtetem „langem COVID“ (Symptome, die nach der ersten vermuteten COVID-19-Infektion länger als vier Wochen andauerten und nicht durch etwas anderes erklärt werden konnten .) ) am 1. August 2021.
      B) Im Verhältnis zur Bevölkerung des Vereinigten Königreichs war die Prävalenz von selbst gemeldetem Langzeit-COVID am höchsten bei Personen im Alter von 35 bis 69 Jahren, bei Frauen, Personen, die in den am stärksten benachteiligten Gebieten leben, Personen, die im Gesundheits- oder Sozialwesen tätig sind, und Personen mit einer anderen Aktivitätseinschränkung Gesundheitszustand oder Behinderung.

      Fazit:Long Covid ist im Alter von 35 bis 69 Jahren am häufigsten. In Grossbritannien leiden heute 1.5% aller Briten an Long-Covid. Das ist sehr viel, denn gemäss Statistik gab es 7 Millionen Briten, bei denen eine Sars Cov-2 Infektion bis zum 10.September 2021 medizinisch nachgewiesen wurde. Grossbritannien hat aber 66 Millionen Einwohner. Es gibt also trotz einer Impfquote von 72% sicherlich noch viele Briten, die sich noch infizieren könnten und die Erkranken könnten.

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