Wie kam es zu dem „Séralini-Shitstorm“?

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Ende des Jahres hat Annelie Wendeberg vom benachbarten ScienceZest ein paar interessante Fragen zu einer weithin kritisierten und inzwischen zurückgezogenen Publikation aufgeworfen. Gilles-Eric Séralini hatte 2012 eine Arbeit veröffentlicht, deren Hauptschlussfolgerung war IIRC, dass gentechnisch veränderter Mais und das Herbizid Roundup innerhalb des Versuchszeitraums von zwei Jahren schwerwiegende Gewebeveränderungen in Rattenorganen verursachen und die Sterblichkeit in weiblichen Tieren (nicht klar dosisabhängig) erhöhen könne. Séralini forderte eine Anpassung der EU-Zulassungsbedingungen für gentechnisch veränderte Agrarpflanzen. Er gibt dabei zu, dass seine Studie mit lediglich zehn Tieren je Gruppe für eine richtige Krebsstudie viel zu wenig statistische Power hatte, und trotzdem wurden Bilder von tumorübersäten Tieren übergroß in der Arbeit herausgestellt und weitere solcher Bilder auch durch die Presse gereicht. Diese übernahm dann dankbar die Schlussfolgerung, die Séralini selbst nicht im Paper unterbringen konnte: nämlich, dass „Genmais“ Krebs verursacht. Und diese Nachricht war natürlich Wasser auf die Mühlen von radikalen Gentechnikgegnern.

Aufgrund der methodischen Mängel, etwa einen extrem tumoranfälligen Stamm für die Studie zu nehmen, der Präsentation der Daten, tierethischen Überlegungen und vor allem wegen der an den Haaren herbeigezogenen Schlussfolgerungen wurde die Arbeit heftigst kritisiert – von internationalen und nationalen Forschungsverbänden, von Universitäten, Regulierungsbehörden, von Forscher/innen und Wissenschaftsjournalist/innen, und nicht zuletzt war da die Häme von Blogger/innen wie mir. Dieser „Shitstorm“, den Annelie vermutlich meinte, war in der Tat heftig. Er war aber berechtigt und vielleicht war er auch von Séralini einkalkuliert.

Eine Antwort auf Annelie Wendebergs Fragen hatte ich bereits herbeigesenft, und in der Zwischenzeit ist ihr Beitrag leider wegen massiven Trollbefalls offline genommen worden und ich hatte keinen Ort mehr, wo ich meine konfusen Gedanken dazu loswerden könnte. Deswegen gibt es die Antwort jetzt mal ganz klassisch als eigenen Beitrag, quasi als aufgepimpter Kommentar.

Im Folgenden also die Fragen, um die es ihr ging:

1.) Wäre das selbe passiert wenn die Autoren geschlussfolgert hätten, dass diese Maissorte unbedenklich ist?

Es gibt ja einige vergleichbare Arbeiten, welche mit negativem Ergebnis, und welche wo das weniger eindeutig war. Eine Übersicht geben Chelsea Snell et al. im selben Journal Food & Chemical Toxicology. Ich wüsste nicht, dass es dazu je einen solchen Medienaufruhr gegeben hätte.

2.) Was genau hat diese Kritik-Lawine in Gang gesetzt? Durch den (von mir unterstellten) Glauben der Autoren, GMO-Nahrung sei böse, und/oder durch das geschärfte öffentliche Interesse am Thema GMO und dadurch einem erhöhten Druck auf die GMO-Beführworter, alles “gut” ausschauen zu lassen?

Die Debatte ist in meinen Augen viel weniger eine Debatte zwischen Gegnern und Befürwortern gewesen, als vielmehr eine Debatte zwischen „guter“ und „schlechter“ Wissenschaft. Zum Schluss waren auch die Redakteure des veröffentlichenden Journals der Meinung, dass die Arbeit eigentlich zu schlecht gewesen sei, um das Peer Review zu passieren und haben sie zurückgezogen.

Natürlich gibt es die extremen Lager der „Gegner“ und „Befürworter“, aber sämtliche Séralini-Kritiker in eine Schublade zu stecken, finde ein bißchen unfair. Der „Shitstorm“ der Entrüstung, der über Séralinis Arbeit hereinbrach, kam zunächst nicht von breiter öffentlicher Seite (und den Mainstream-Medien), sondern aus der wissenschaftlichen Community und der Fachpresse. Und das waren beileibe nicht ausschließlich Gentechnik-Befürworter. Selbst die Gentechnik-Skeptikerin Marion Nestle konnte der Arbeit nicht viel abgewinnen.

Im Gegenteil wurde die Arbeit trotz ihrer offensichtlichen Mängel von der TAZ, dem ZDF und anderen Medien sehr unkritisch und wohlwollend aufgenommen, man hat dort weitestgehend die Botschaft „Genfood macht Krebs“ gesehen, und in der Regenbogenpresse war das sowieso ganz groß. Kritische Stimmen, etwa von Spiegel Online, kamen erst viel später.

Soll heißen: das geschärfte öffentliche Interesse an GM-Technologie und die negative Voreingenommenheit hat wohl erst einmal nicht dazu geführt, dass Séralini so viel Kritik abbekommen hat. Die Medien und die Öffentlichkeit waren sogar (zunächst) sehr wohlwollend.

3.) Wie einfach (oder: möglich) ist es, korrekt wissenschaftlich in einem hoch kontroversen Bereich zu arbeiten, wenn man bei Publikation der eigenen Ergebnisse und Hypothesen einen “shit storm” fürchten muss?

Je kontroverser und im stärker im öffentlichen Fokus ein Themengebiet steht, desto schwieriger wird es – keine Frage. Das ist ja zum Beispiel in der Klimaforschung nicht anders. Dort gibt es auch immer wieder Querschläger, die entgegen dem wissenschaftlichen Konsens den Klimawandel leugnen und regelmäßig eins auf den Deckel bekommen.

Vermutlich ist es bei kontroversen Themen einfach noch wichtiger, methodisch besonders sauber zu arbeiten – dann macht man sich auch nicht angreifbar. Das ist, was IMO Carl Sagan mit „extraordinary claims require extraordinary evidence“ meinte – dass die Belege gut genug sein müssen, um jemanden zu überzeugen (und ggf. einen Paradigmenwechsel einzuleiten). Séralini hat das Gegenteil gemacht: Methodisch unterirdisch war die Studie sehr leicht angreifbar. Vielleicht war auch deswegen der ganze konzertierte Medienrummel nötig, um die politische Botschaft an die Öffentlichkeit zu bekommen. Damit war Séralini ja auch erfolgreich.

Die Séralini-Affäre hat immerhin eine längere Vorgeschichte und seine selbstgewählte Rolle als wissenschaftlicher Herätiker hat der rollenden Kritik-Lawine erst den Boden bereitet.

Immerhin ist er ein international verehrter Held der Anti-GMO-Bewegung und ein Lobbyist, der die radikale Gentechnik-kritische Lobbyorganisation CRIIGEN gründete. Vor drei Jahren ist er aufgefallen, als er einfache biotechnologische Experimente in französischen Klassenzimmern verbieten lassen wollte, und er einen Kritiker auf Rufschädigung verklagte. Er hat eine Historie von teilweise von Greenpeace unterstützten und kontroversen Arbeiten zu gentechnischen Problemen veröffentlicht, die von der Community überwiegend abgelehnt wurden (in erster Linie wegen methodischer Mängel).

Den Vogel abgeschossen hat Séralini aber wahrscheinlich mit der Aktion, wie er die neue Arbeit an die Öffentlichkeit verkaufte. Er hat vor der Veröffentlichung selektiv Journalisten kontaktiert, und ihnen gedroht, sie müssten die Kosten der Studie tragen, wenn sie von anderen Wissenschaftlern Meinungen zur Arbeit einholen würden. Dieser Missbrauch des Embargo-Systems wurde nicht besonders gut aufgenommen. Dazu gab es eine Pressekonferenz zur Publikation, außerdem noch zeitgleich abgefahrene Fernseh-Doku und Buch mit dem vielsagenden Titel „Tous cobayes?“ – „Sind wir alle Versuchskaninchen?“.

Wenn weil man als Wissenschaftler mit eine eigene Meinung haben darf, ist es zulässig, derart manipulatives Verhalten zu kritisieren – selbst, wenn es in einem „Shitstorm“ mündet.

4.) Auch Wissenschaftler sind Menschen mit Meinungen. Wenn der eigene Forschungsbereich Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion wird, in wie weit kann man sich von der eigenen Meinung/Überzeugung/Glauben zurückziehen und unbeeinflusst forschen und publizieren?

Sind die eigenen Überzeugungen nicht der Antrieb für jede Art von Forschung? Verfolgt man eine Hypothese nicht etwa weiter, weil man an ihr hängt? Ich persönlich hatte immer das Gefühl, dass aus dem Diskurs und der Konsensfindung die beste Lösung herauskommt. Man muss nur eben auch in der Lage sein, von eine geliebten Hypothese wieder Abstand zu nehmen.

Die negative Grundstimmung macht biotechnologisches Arbeiten im Agrarsektor derzeit, nach allem, was ich gehört habe, in Deutschland ziemlich schwer. Die Leute wandern ab nach Australien oder in die USA, um dort weiterzuarbeiten. Die wenigsten wollen doch Gegenstand einer öffentlichen Debatte sein. Also: Ja, ich denke, dass das ein Problem ist.

Andererseits würde das ja auch heißen, dass Evolutionsbiologen in den USA ein ganz mieses Forschungklima haben – ist das so?


Eins noch. Annelie schrieb:

Ich möchte hier kurz daran erinnern, dass Food & Chemical Toxicology einen eher unauffälligen Impact Factor von 3.01 hat (Quelle) und eine unzulängliche Datenlage kein Hinderungsgrund ist, einen wissenschaftlichen Artikel zur Publikation zu bringen (Ja doch, das passiert).

Eine kurze Anmerkung dazu: Der Journal Impact Factor für Food & Chemical Toxicology ist in der Tat unauffällig – das heißt aber lediglich, dass das Journal vergleichsweise wenig gelesen wird. Die meisten Papers, die ich lese, haben so einen niedrigen Impact Factor, einfach weil mein Feld NMR und nicht Krebsforschung ist. Ein niedriger JIF macht ein Paper nicht schlechter, aber auch nicht besser als andere.

„Unzulängliche Datenlage“ bezieht sich vermutlich auf die Erklärung, weshalb die Arbeit zurückgezogen wurde (die retraction notice).


*Nochwas: Wenn hier einer auf die Idee kommt, laut herumzukrakeelen, dann wird er gnadenlos gelöscht. Bitte seid zivilisiert in den Kommentaren. *

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

18 Kommentare

  1. Ein niedriger Impactfactor soll eine Publikation mit (Zitat) “unzulänglicher Datenlage” rechtfertigen. Mit anderen Worten, in bestimmten Journalen muss man auch Arbeiten zweifelhafter Aussagekraft veröffentlichen können, denn schliesslich müssen die vielen Forscher, die es gibt, irgendwo publizieren können, sonst sind sie weg vom Fenster.
    Ich möchte hier einmal den Spielverderber spielen und die Sicht des einfachen Steierzahlers einnehmen, der sich einbilden möchte, Forschung diene der Öffentlichkeit, mindestens aber dem Autraggeber und nicht in erster Libie der Profilierung von Forschern. Aus dieser Sicht stiftet die Veröffentlichung einer Arbeit mit nur für den Spezialisten erkennbarern Schwächen nur Verwirrung und ist eine Verschwendung von Geld und Arbeitskraft. Zudem wird diese Situation – das Wissen, das gewisse Journale auch zweifelhafte Arbeiten veröffentlichen – eben von Leuten wie Seralini, die eine politische und weltanschauliche Agenda verfolgen, ausgenützt.
    Die höchsten Standards soll es nach wie vor in der Physik geben und es wäre gut, wenn auch die übrigen Naturwissenschaften wieder mehr Aussagekraft von eingereichten Studien und Papieren fordern würden.

    • Ja, schwache Arbeiten sind eine Verschwendung. Die forcierte Profilierung steht dem eigentlichen Erkenntnisgewinn oft entgegen. Aber ich finde nicht, dass Wissenschaft immer einem unmittelbaren Zweck (für den Steuerzahler) dienen muss. Und ich glaube auch nicht, dass man in den übrigen Naturwissenschaften zu niedrige Standards anlegt. Das Peer Review-System ist einfach nicht perfekt, es kann jederzeit mal was “durchrutschen”.

      Und die Sache mit den Impact Faktoren verstehe ich nicht. Der JIF hat wenig mit “unzulänglicher Datenlage” zu tun – die unzuverlässigsten Arbeiten erscheinen schließlich in den High-Impact Journals, aber das ist nicht das, was Sie gemeint haben, oder?

  2. Hier geht es ja auch um das Thema Verpolitisierung der Wissenschaft hat doch Seralini als unmittelbare Folgerung seiner “Forschungs”-Ergebnisse (Zitat)“eine Anpassung der EU-Zulassungsbedingungen für gentechnisch veränderte Agrarpflanzen” gefordert.
    Solch eine Politisierung kann sich in allen Wissenschaftszweigen mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen abspielen. Ja, man kann die Politik sogar in den Grundlagenwissenschaften am Werk sehen, wenn man nach den Gründen sucht, warum ein Forschungszweig gefördert wird. So sieht das jedenfalls der Physik-Nobelpreisträger Robert Laughlin in Bezug auf die Forschung am Cern (Zitat aus der Staat der Physiker):“«In Wahrheit hängt alles mit der Atombombe zusammen. Es ist offensichtlich, warum die Regierungen weltweit bereit waren, Geld für solche Riesenmaschinen auszugeben: Sie wollten sich versichern für den Fall, dass es an den Rändern der Teilchenphysik etwas geben sollte, aus dem man schreckliche Waffen bauen könnte – schlimmer als Atomwaffen. Kein Land konnte es sich erlauben, dass ihm ein anderes zuvorkommt. Darum haben alle investiert. Das war eine reine Versicherungspolitik.»
    Doch immerhin werden am CERN die Forschungsergebnisse sicher nicht frisiert um einem Zweck entgegenzukommen, etwas was man als Vorwurf eher den Klimawissenschaftlern oder eben den Gentechnikforschern oder den forschenden Gentechnikkritikern macht. Rolf Heuer, der General Director des Cern, ist allenfalls bereit den Klimawissenschaften eine Verpolitisierung zuzuschreiben (Zitat) “Heute, versichert er, spüre er am Cern jedenfalls «nichts von politischer Einflussnahme. In dem Moment, wo unsere Forschung ähnlich verpolitisiert würde wie die Klimaforschung, wären wir verloren.» “

    Es ist ganz klar, dass man den „Séralini-Shitstorm“ nur verstehen kann, wenn man um die Absichten der beteiligten Wissenschafter und Organisiationen weiss. Und damit ist auch klar wie man Punkt (1) der obigen Frageliste beantworten muss:

    1.) Wäre das selbe passiert wenn die Autoren geschlussfolgert hätten, dass diese Maissorte unbedenklich ist?

    Der Unbedenklichkeits-“nachweis” wäre kaum ein öffentliches Thema geworden, denn das würde den Erwartungen entsprechen. Schliesslich gibt es keinen Grund warum eine gentechnisch gezüchtete Maissorte sich von einer mit konventionellen Mitteln gezüchtete Maissorte in ihren Umweltauswirkungen grundsätzlich unterscheiden soll. Wobei es natürlich keinen generellen Unbedenklichkeitsnachweis geben kann genau so wenig wie man in den Naturwissenschaften kaum je etwas beweisen kann, jedoch oft leicht etwas widerlegen oder in Frage stellen kann.

    Seralini weiss also, dass die Aufgabe, die er sich gestellt hat, die GMO-Technik in Frage zu stellen, relativ einfach zu erfüllen ist: Es muss ihm nur gelingen, eine Studie zu veröffentlichen, die einen möglichen Zusammenhang zwischen GMO-Pflanzen und Krebs oder anderen Kranhkeiten oder Problemen herstellt. Selbst wenn die Studie nur schwach signifikant ist wird sie Aufsehen erregen, den sie fällt in ein gesellschaftliches Minenfeld.

    Fazit: Wissenschaft spielt sich sicher und zum Glück nicht im Elfenbeinturm ab. Doch an Studien, die politsche und gesellschaftliche Konsequenzen haben, sollten besonders hohe Anforderungen an ihre Signifikanz gestellt werden und nicht umgekehrt vorschnelle Schlussfolgerungen gezogen werden. Eine Instrumentalisiserung der Wissenschaft schadet letztlich allen. Der Wissenschaft und der Gesellschaft.

    • Interessante Sichtweise auf die Politisierung der Wissenschaft. Die Frage ist für mich, wie man diesen Fehlentwicklungen etwas entgegensetzen kann – versagt hier bei uns nicht regelmäßig die vierte Gewalt, wenn es um Wissenschaft geht? Würde ein Science Media Centre nach britischem Vorbild dabei helfen, solche Sachverhalte besser einzuordnen? Im Vereinigten Königreich war die Séralini-Studie keine große Nummer, weil sich die Medien auf taufrische Expertenmeinungen vom SMC berufen konnten.

      • In Grossbritannien haben sich tatsächlich Foren und Institutionen ausgebildet, wie
        1) das Science Media Center, welches das Verhältnis Wissenschaft/Öffentlichkeit im Blickfeld hat
        2) die Fachzeitschrift Lancet, welche die Forschungslandschaft selbst verbessern will indem sie die Frage stellt wie Forschung relevanter und signifikanter werden kann und wie man “Abfall” im Forschungsbereich vermeidet. Diesem Thema widmet sich der Lancet-Artikel Research: increasing value, reducing waste

        Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Briten mit dem Empirismus und Pragmatismus einen anderen philosophischen und gesellschaftlichen Hintergrund haben und dort ein starker Impetus besteht, Leben und Forschung zu verbessern während Deutschland, aber auch Frankreich und einige andere kontinentaleuropäische Länder aus einer Tradition von Ideologisierung und von ungeprüfter gesellschaftspolitischer Theoretisierung kommen.

  3. Die Geduld mit der hier Martin Ballaschk noch einmal die Hintergründe der Seralini – „Studie“ beleuchtet, ist beneidenswert. Frau Wendeberg hat da sicher unabsichtlich in ein Wespennest gestochen. Aus den Beiträgen, die ich noch lesen konnte, ist allerdings nicht nachvollziehbar, warum sich Frau Wendeberg als Laternenpfosten fühlt und sich beleidigt zurückzieht. Die Atmosphäre in der einschlägigen wissenschaftlichen Community ist deshalb so aufgeladen, weil in der Öffentlichkeit insbesondere durch die gut vernetzten und medial extrem überbewerteten NGO`s in Bezug auf die grüne Gentechnik immer wieder Behauptungen aufgestellt und durch die Medien willig verbreitet werden, die einer x-ten Überprüfung nicht standhalten – und das bereits seit gefühlten 100 Jahren. Schlussfolgerungen wie die der EU-Forschungsgremien oder der wissenschaftlichen Akademien in Auswertung inzwischen unzähliger Studien zu Sicherheitsfragen, dass Gentechnik an Pflanzen nicht unsicherer ist als konventionelle Züchtung, werden einfach nicht wahrgenommen, nicht akzeptiert oder es wird dagegen polemisiert. Aus Gründen der Berücksichtigung der wissenschaftlich nicht haltbaren Widerstände sind die Zulassungsverfahren auf EU-Ebene so aufwändig und kompliziert gestaltet worden, dass sie sich nur große Firmen leisten und wie im Fall des Mais-events 1507 schon mal 12 Jahre ohne Abschluss dauern können. Dabei werden auch ökologisch sinnvolle Entwicklungen wie die Phytophthora-tolerante Kartoffel ausgebremst, die die sonst üblichen x-maligen Fungizid- oder Kupferspritzungen überflüssig macht. Und da kommt ein Herr Seralini wiederholt mit einer unterirdischen wissenschaftlichen, aber medial inszenierten Arbeit daher, wohl wissend, dass ihm mit den in die Kamera gehaltenen Ratten mit übergroßen Tumoren in Verbindung mit dem Thema GMO mehr Aufmerksamkeit zuteil wird als z.B. dem in der Schweiz kürzlich als bedeutende Persönlichkeit eingestuften Biologen Ingo Potrykus, der trotz großer ideologischer Widerstände mit dem humanitären golden rice – Projekt hoffentlich eine große Lebensleistung noch vollenden wird. Da das Feld der Anwendung grüner Gentechnik in D inzwischen plattgewalzt wurde, versucht die Gegnerschaft auch gegen Versuche in Forschungseinrichtungen und Gewächshäusern vorzugehen. Hier ist der shit-storm zu verorten und nicht bei Seralini ! In einer solchen Atmosphäre kann man jungen Wissenschaftlern, die den Mut haben, auf diesem Gebiet noch zu forschen nur empfehlen, das Weite zu suchen. Firmen haben es längst getan.

  4. @Torben Langsam verkommt die Zulassung ja zur reinen gerichtlichen Angelegenheit. Im Sommer hat ein Gericht in Frankreich das Anbauverbot gekippt, jetzt müssen die Politiker sich was neues ausdenken und wieder ein mal dem Druck der NGOs nachgeben.
    1507 wurde ja auch vom EuGH auf die Agenda gesetzt, wenn es keine mehrheitliche Ablehnung gibt, dann muss der Mais eine Zulassung erhalten, weil das Gericht zu einer Unbedenklichkeit gekommen ist.

    Und zu Seralini, ohne diese mediale Vermarktung seiner selbst mit den aufreißerischen Bilder, hätte es sicher keine solche Reaktion gegeben. Aber die wollte er auch haben, hat ja auch sofort von “Verschwörung” gesprochen…

  5. Die “mothodisch unterirdische” Studie hat nun also verhindert, das das Thema/Problem aufgeklärt werden konnte. Durch die statistisch nicht signifikante versuchstieranzahl ist die ganze Studie nun Gegenstandslos. Die verwendung besonders Krebsempfindlicher Tiere ist hier erstmal völlig nebensächlich (im Kern sogar produktiv in dieser Studienstrategie – nämlich deswegen, weil gewisse Ungewissheiten nur dann klarer werden, wenn jeweils ungünstigste Primärbedingungen bestehen – die Situationen also forciert zur Exkalation gebracht werden – bei völliger Unbedenklichkeit dann nämlich keine Folgen entstehen dürften) ( hiesst: es dürften normalerweise keine Tiere an Krebs erkranken, wenn das Nahrungssystem eben völlig unbedenklich sei – oder eben nicht signifikant mehr, als ohne beteiligung von Nahrungssystemen mit vergleichbaren Eigenschaften (Genmanipulation und Giften) aber hier besteht das Problem, dass es kein unbelastetes Nahrungssystem mehr gibt).

    Das das Studiendesign (Anzahl und (Eigen)Art der Tiere) hiernicht ausreichend verlässliche Ergebnisse ergibt, mag zwar ein Grund für einenStreit zur Wissenschaftlichkeit sein, aber überlagert dennoch tatsächliche Ergebnisse. Und die Fragen, warum diese Mäuseart neben ihrer Anfälligkeit Krebs entwickelte, ist nicht geklärt – scheint es doch zu einleuchtend, dass sie sowieso krebs bekommt.

    Jetzt aber gab es den Skandal um die Studie, wobei die Aufmerksamkeit auf das Design hier den Skandal auslöste, aber der Skandal auf den Studiengegenstand austrahlt, der es nun verhindert, dass zukünftig sich noch jemand mit dem Thema beschäftigt … also eine Aussagekräftige Studie durchführen wollte, da das Thema einfach zu heiss sei. Die Frage ist berechtigt, warum andere Studien dazu weniger Aufruhr verursachten – etwas nur, weil bei jenen bisher ein hinreichendes Studiendesign erkannt wurde?

    Ich erkläre hier Seralinis Studie als vorsätzlich gefaked, damit der öffentliche Streit um Genmanipulation und Pfanzenschutzgifte (Herbizide/Pestizide) dadurch an Angriffsfläche und Argumentationsfreiheit erleidet. Der Streit sollte dadurch an die Wand fahren und so die Luft ausgehen. Hier war schlechtes Studiendesign eine Strategie, um die Fragestellung unbemerkt ungelöst zu lassen. Wie wir wissen, besteht noch heute keine gesicherte Erkenntnis darüber, ob Genmais oder derzeit gängige Pestizide wirklich “ungefährlich” seien. Wobei “ungefährlich” hier fast ein Euphemismus für ein Gift sei, der die Realitäten verdreht. Ein Gift kann nicht ungefährlich sein – auch, wenn die Dosis letztlich offenbar noch so gering sein solle. Es wird immer Wirkungen geben (in der Nahrungskette), die über die primäre Wirkung hinausgehen (Pfanzenschutz).

    • Hallo schrittmacherm,

      danke für den Kommentar.

      Die Verwendung besonders empfindlicher Tiere macht vielleicht Sinn bei kurzen Versuchszeiträumen, nicht aber bei Séralinis zwei Jahren, bei denen garantiert ist, dass praktisch alle Tier spontane Tumore entwickeln. Sie haben ganz richtig erkannt, dass sich die beiden Testgruppen signifikant voneinander unterscheiden müssen, um Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Dafür müssen die Gruppen groß genug sein. Bei Séralini sehen wir lediglich statistisches Rauschen.

      Wenn es um die Reproduktion der Studie geht, dann schauen sie sich mal die Arbeit von Chelsea Snell und Kollegen über Langzeitfütterungsstudien an, die ich im Artikel verlinkt habe. Ich halte das Forschungsgebiet nicht für vergiftet, Nicolia et al haben im letzten Jahr sogar über tausend Studien zur Sicherheitsforschung rund um GMOs ausgegraben. Die Fragestellung, die uns hier eigentlich gar nicht beschäftigen braucht, wird also immer noch fleißig bearbeitet.

      Und sie haben natürlich Recht – kein Lebensmittel ist frei von Giften, denn die Dosis macht das Gift. Ob wir nun synthetische Pestizide oder natürliche Abwehrstoffe der Pflanzen, Kontaminanten oder endogene Gifte zu uns nehmen, macht da herzlich wenig Unterschied. Auch die toxikologischen hergeleiteten Grenzwerte für Höchstmengen in Lebensmitteln sind wie immer eine Abwägung von Nutzen und Risiko.

      Dass von einer gentechnisch veränderten Pflanze per se eine gesundheitliche Gefahr ausgeht, gilt meines Wissens als widerlegt, auch wenn wir uns natürlich alle klar darüber sind, dass man empirisch nie 100% Sicherheit über etwas hat, und schon gar nicht über etwas, was wahrscheinlich gar nicht existiert.

  6. Ich vermute, dass es einfach so ist, dass die meissten Menschen in Europa grundsätzlich keine Gentechnik in der Landwirtschaft haben wollen, was ist sicherlich ein “Erfolg” von Greenpeace & Co. ist. Andrerseits ist bzw. war aber auch das Problem, dass die Befürworter mögliche Gefahren systematisch verharmlost haben, weshalb die Gegner sie systematisch übertrieben haben. Eine wirklich sachliche Diskussion auf gesamtgesellschaftlicher Ebene ist insbesondere in der Anfangszeit, also den 80er und 90er Jahren nie zustande gekommen. – Ist jedenfalls mein Eindruck. Und daran wird sich beim derzeitigen gesellschaftlichen und in der Tendenz leider auch fast schon naturwissenschaftsfeindlichen Klima nicht viel ändern. Insofern ist es vielleicht ganz gut, wenn Herr Séralini es mit seiner miserablen Studie geschafft hat, dass das Thema wieder in grösseren Kreisen diskutiert wird. Dabei ist aber zu hoffen, das die Sachlichkeit nicht auf der Strecke bleibt.

  7. Hans
    „dass die Befürworter mögliche Gefahren systematisch verharmlost haben“ Welche „Gefahren“ sind das ? Mir sind bisher keine Vorfälle bekannt, wo es zur unkontrollierten Ausbreitung von transgenen Kulturpflanzen oder zu Problemen nach Verzehr von Produkten aus solchen Pflanzen gekommen ist. Wo keine Gefahren sind – außer vielleicht in der Phantasie, kann man sie auch nicht verharmlosen. Zudem haben wir im Bereich der grünen Gentechnik eine der stringentesten Gesetzgebung, die zwar keinesfalls adäquat zu den möglichen (wissenschaftsbasierten !) Risiken ist, aber mögliche Gefahren gar nicht erst entstehen lassen sollte. Die medizinische Gentechnikanwendung wurde anfangs auch stark bekämpft. Inzwischen ist sie akzeptiert, obwohl die zu postulierenden Risiken wesentlich höher sind als bei der grünen Gentechnik. Aber die unmittelbaren Vorteile waren nicht mehr von der Hand zu weisen (Beispiele Insulin und Impfstoffe). Die grüne Gentechnik wurde zur Spielwiese der NGO`s , auf die man alle vermeintlichen Probleme der modernen Landwirtschaft projizieren kann. Die Vorteile sind nicht unmittelbar ermessbar (außer für die 1 – 2 % Beschäftigter in der Landwirtschaft) und wirtschaftliche Nachteile aufgrund der totalen Blockade (noch) nicht spürbar. Folglich ließ man seitens der Politik dieser „Bewegung“ freien Lauf oder machte sie sich wie die CSU sogar zu eigen, um billig an Wählerstimmen zu kommen. Die Krux der grünen Gentechnik sind nicht ihr Gefahrenpotenzial, sondern der nicht für alle erfühlbare Nutzen und die wunderbare Eigenschaft negative Gefühle erzeugen zu können (Gene im Essen, der Natur ins Handwerk pfuschen etc.), um dann eine Drohkulisse aufzubauen, vor der die Menschen geschützt werden müssen. Damit kann man zugleich auch seine Daseinsberechtigung wunderbar untermauern, weshalb alle Spendensammelorganisationen eine auffallen einheitliche ablehnende Meinung zu dem Thema haben. Und dank des extrem kurzen Drahtes zu den Medien gelingt es auch diese Meinung in den Köpfen vieler Menschen zu verankern Aber bei einigen Journalisten dämmert es allmählich
    http://www.svz.de/nachrichten/deutschland-welt/meinung/nur-noch-kurz-die-welt-retten-id5335241.html
    und viele Verfechter der reinen Anti-Lehre sind inzwischen vom Glauben abgefallen wie ein Mark Lynas oder ein Patrick Moore.
    http://www.allowgoldenricenow.org/
    Das macht ein wenig Hoffnung, dass sich doch noch Vernunft und Aufklärung durchsetzen.

    • Gegen die medizinische Gentechnik läuft niemand Sturm, weil bei eindetig indizierten medizinischen Einsätzen eine Blockade zu Toten und Kranken führen könnte. In Bezug auf die Nahrung hört man aber oft das Argument, wir als Konsumenten bräuchten GMO-Nahrung nicht. Das trifft hier in den Industrieländern sicher zu. Wie aber steht es damit in den Entwicklungsländern? Es ist durchaus möglich, dass der Golden Rice mit seinem hohen Beta-Karotin- Gehalt vielen Menschen geholfen hätte. Doch so genau weiss man das nicht, weil wir über die Lebensumstände in den Entwicklungsländern hier sowieso nicht allzuviel wissen bezugsweise nicht wissen wollen. Doch selbst hier im Westen sind irrationale Blockadehaltungen gegenüber Technologien, die mit negativen Emotionen besetzt wurden – “Handystrahlung”, Hochspannunsleitungen, AKWs, Genfood – kein gutes Zeichen, bedeuten sie doch, dass sich immr mehr Leute, ja ganze Gesellschaften durch Ängste leiten lassen, was Politikern und anderen Scharlatanen Tür und Tor öffnet.

  8. @torben hoffmeister
    Soweit ich mich noch erinnere, bestand in den 80er und 90er Jahren die Befürchtung, dass biologische Regelkreisläufe durch genetisch veränderte Pflanzen soweit durcheinander gebracht werden könnten, das sie zusammenbrechen. Zum Beispiel ein Gift gegen einen Fressfeind im Mais oder Getreide. Dadurch, dass die Pflanze mehr von diesem Gift in ihrem Organismus hat, das ihre Fressfeinde tötet, wird die Population dieser Tiere eingeschränkt. Das ist ja bis zu einem gewissen Grad gewünscht, aber die Gefahr besteht, dass die Population u.U. ausgerottet wird. Wenn es sich bei diesem Fressfeind der Pflanze nun um Insekten handelt, könnte das dazu führen, dass bestimmte andere Pflanzen nicht mehr bestäubt werden, weil das eben nur durch diese Insekten passiert. Das andere ist, wenn es sich nun eine Lebensmittelpflanze für Menschen oder Säugetiere handelt: Wie schädlich ist die Giftdosis im Körper jener Tiere oder der Menschen? (Ganz abgesehen davon, wie sich die erhöhte Giftkonzentration im Organismus der Pflanze selbst auswirkt.) Kann deren Organismaus langfristig damit umgehen, wobei mit “langfristig” Zeiträume von mindestens 10 Jahren, eher so 30 bis 50 Jahre gemeint sind. Und wie wirkt es sich aus, wenn solche Pflanzen im Freiland wachsen und ihre Pollen sich ausbreiten? Welche langfristigen Folgen hat das, wobei auch hier wieder Zeiträume von Jahrzehnten gemeint sind?
    Derartige biologische Regelkreise, die möglicherweise auch chaotische Elemente enthalten, wo eine kleine Änderung der Eingangesparameter eine grosse Veränderung der Ausgangsparameter zur Folge hat, sind nach meinem Wissen bis heute nicht vollständig erforscht oder gar verstanden. Denn nach meinem Kenntnisstand, der zugegebenermassen nicht aktuell ist, sind bisher nicht mal alle Ein- und Ausgangsparameter solcher Regelkreise bekannt. Zumindest, wenn es um die grossen Zeiträume geht. Und das war soweit ich weis, bzw. ich es verstanden habe, auch immer ein Kritikpunkt der Gentechkritiker, die lieber erst mal gesehen hätten (und immer noch sehen wollen), dass man derartige Regelkreise vollständig erforscht, bevor man da an irgendwelchen Stellschrauben dreht, von denen man nur ungefähre Vorstellungen darüber hat, wozu sie eigentlich gut sind, es im Grunde aber gar nicht so genau weis.
    Das andere ist, das man den Sinn sämtlicher Gene noch nicht kennt. Und das wäre auch einer meiner persönlichen Kritikpunkte: Erst wenn wirklich 100% der Pflanzen-DNA nicht nur vollständig sequenziert, sondern auch deren Bedeutung vollständig aufgeklärt ist, darf man sich daran machen, die Sequenzen zu ändern. Vorher nicht. Und davon sind wir meines Wissens nach auch noch Meilenweit entfernt. Ich weis es zwar bisher nur vom menschlichen Genom: da gab es ja einen riesigen Medienrummel, als Herr Venter der Welt verkündete, die menschliche DNA vollständig sequenziert zu haben. Zu der Zeit war die gängige Meinung, das ca. 2% davon einen Sinn hat, der Rest wurde als Junk-DNA betrachtet, der im Grunde nutzlos sei. Inzwischen stellt man fest, dass auch diese DNA-Stränge einen Sinn haben, der sich aber nur langsam erschliesst. Und ich denke, dass verhält sich bei Pflanzen nicht viel anders. Okay, man hat es sicher nicht mit sovielen Genen zu tun, wie beim Menschen, aber ist denn von jeder Nutzpflanze nicht nur die komplette DNA bekannt, sondern auch die Bedeutung eines jeden Gens? – Ich wage das zu bezweifeln.

    Ein letzter Kritikpunkt meinerseits, der aber nicht nur die Gentechnik betrift, sondern den Zeitgeist insgesamt: Das ist die Sicht durch die betriebswirtschaftliche Brille, die einigen Leuten am Gesicht angewachsen zu sein scheint. Also die Angewohnheit alles im Leben, aber auch wirklich alles nur und ausschliesslich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu analysieren und zu bewerten. Und wenn bei derartigen Analysen, meisst Kosten/Nutzenanalysen nicht heraus kommt, dass der Nutzen sehr viel grösser ist als die Kosten, dann wird etwas gar nicht erst gemacht. Die Frage, nach welchen Kriterien Kosten und Nutzen selbst bewertet werden, also nach welchen Kriterien sie als un-/vertretbar eingestuft werden, scheint nur noch selten gestellt zu werden, und ob man daran evtl. mal was ändern müsste, darf nach meinem (subjektiven) Eindruck gar nicht diskutiert werden.
    Das ist dann wieder so ein Punkt, der sich indirekt (und nicht nur) auf die oben angesprochenen biologischen Regelkreise auswirkt, weil Parameter festgelegt werden, die möglicherweise besser Variabel sein sollten. Aber das weis man nicht, weil man es durch die gegebenen Vorgaben nicht heraus finden kann. Dann wären da noch die Probleme, dass die Gesellschaft immer mehr in wissende und unwissende gespalten wird, grosse Teile der Bevölkerung immer weiter verblöden und die Einzelnen dadurch immer weniger in der Lage versetzt werden, sich mit den pro und kontra Argumenten auseinander zu setzen, weil die Grundlagen nicht (mehr) vorhanden sind. Aber das geht hier zu weit Off-Topic.

    • Eine Bemerkung: Das hier vorgebrachte Argument gegen GMO-Nahrung – Regelkreise werden durcheinandergebracht, weil z.B. schädliche Insekten verschwinden – gilt doch wenn schon für die modern Landwirtschaft überhaupt, ändert sie doch ganze Landstriche mit ihren Monokulturen und dem breiten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
      Noch etwas zum Argument man müsse zuerst Pflanzengenome vollkommen verstanden habe bevor man sie ändere: Die eingeschleusten GMO-Gene kenn man meist sehr gut. Und Interaktionen mit allen anderen Genen kann man heute und bis auf weiteres wohl nur im Feldexperiment erschliessen. Und genau solche Abklärungen werden ja von den Zulassungsprotokollen auch gefordert.

    • >>> Zum Beispiel ein Gift gegen einen Fressfeind im Mais oder Getreide. Dadurch, dass die Pflanze mehr von diesem Gift in ihrem Organismus hat, das ihre Fressfeinde tötet, wird die Population dieser Tiere eingeschränkt. Das ist ja bis zu einem gewissen Grad gewünscht, aber die Gefahr besteht, dass die Population u.U. ausgerottet wird. Wenn es sich bei diesem Fressfeind der Pflanze nun um Insekten handelt, könnte das dazu führen, dass bestimmte andere Pflanzen nicht mehr bestäubt werden, weil das eben nur durch diese Insekten passiert.<<<

      Der Maiszünsler wurde nicht ausgerottet durch den Bt-Mais, das war auch zu erwarten.
      Und das Problem es könnten Populationen ausgerottet werden, besteht geringer durch die Gentechnik als eher durch die Natur selbst. Der Biolandbau hat das ja vorgemacht, als die den asiatischen Marienkäfer zur Schädlingsbekämpfung in Europa großflächig eingesetzt haben, heute ist unser einheimischer bedroht.
      Sowas passiert aber auch auf ganz anderen Wegen zB mit dem Schiff und den Krebsen.

      Mit der Gentechnik lässt sich sowas wesentlich genauer, gezielter Steuern und nicht unkontrolliert.

      Und zum Bt, China will mit Bt-Zierpflanzen jetzt gezielt Ungeziefer bekämpfen, die Vorzüge im Bt-Mais zur Schädlingsbekämpfung aus 20 Jahren Feldforschung waren sehr positiv, Nützlinge wurden geschont, Zielinsekten reduziert.
      Artikel dazu steht im Nature Magazin.

  9. Martin Hozherr
    „Doch selbst hier im Westen sind irrationale Blockadehaltungen gegenüber Technologien, die mit negativen Emotionen besetzt wurden – “Handystrahlung”, Hochspannunsleitungen, AKWs, Genfood – kein gutes Zeichen, bedeuten sie doch, dass sich immr mehr Leute, ja ganze Gesellschaften durch Ängste leiten lassen, was Politikern und anderen Scharlatanen Tür und Tor öffnet.“
    Ja, die Gesellschaft ist neurotisch geworden, vermutlich weil deren Mitglieder keine wirklichen Probleme mehr kennen.

    Hans
    „Soweit ich mich noch erinnere, bestand in den 80er und 90er Jahren die Befürchtung, dass biologische Regelkreisläufe durch genetisch veränderte Pflanzen soweit durcheinander gebracht werden könnten, das sie zusammenbrechen. Zum Beispiel ein Gift gegen einen Fressfeind im Mais oder Getreide.“
    Wenn diese Befürchtung zum Maßstab des Handelns genommen wird, dürften keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, nicht mal die Kupferbrühen im biologischen Landbau, denn alle greifen irgendwie in Kreisläufe ein und das sollen sie ja auch, um aus den Kulturpflanzen einen maximalen Ertrag zu holen. Mit Gentechnik und dem Einbau eines Insektengifts wie z.B. den Bt-Proteinen vermeidet man hingegen das ungezielte Ausbringen und es sind nur die Insekten betroffen, die an den Pflanzen fressen – also die Fraßfeinde der Pflanze. Es ist nachweislich so, dass diese Proteine nur Insekten schädigen, da die notwendigen Rezeptoren für die Giftwirkung nur in Insekten vorkommen. Übrigens wurde dieses „Gift“ letztes Jahr in Form von Bakteriensuspensionen (aus denen es stammt) zur Kontrolle des Eichenprozessionsspinners in Brandenburg über mehrere 1000 ha Wald versprüht, es wurde auch zur Kontrolle von Mückenplagen verwendet und ist im biologischen Landbau zugelassen.
    „dass man derartige Regelkreise vollständig erforscht, bevor man da an irgendwelchen Stellschrauben dreht“
    Solche komplexen Regelkreise wird man nie vollständig erforschen können. Der Mensch hat bisher immer Komplexitätsreduktion betrieben, um sich von der Natur zu emanzipieren und bestimmte Prozesse zu seinem Vorteil zu beeinflussen und er ist sehr gut gefahren damit. Heute ist es möglich 7 Mrd. Menschen zu ernähren und sogar noch Raumfahrt zu betreiben.
    Schauen Sie mal hier: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/politikberater-die-kompetenzillusion-12739614-p4.html – eine sehr gute Ausführung zu dem Problem.
    „Erst wenn wirklich 100% der Pflanzen-DNA nicht nur vollständig sequenziert, sondern auch deren Bedeutung vollständig aufgeklärt ist, darf man sich daran machen, die Sequenzen zu ändern. Vorher nicht.“
    Wenn unsere Vorfahren auch so gedacht hätten, wären wir wohl noch Jäger und Sammler. Nein, die haben einfach drauf los manipuliert und haben solche „Monster“ geschaffen wie den hexaploiden Weizen, den Artbastard Triticale oder 100 verschiedene Hunderassen und damit alles noch schneller geht auch schon mal mit wilder Mutagenese nachgeholfen.
    Es ist nicht notwendig die Bedeutung eines jeden Gens zu kennen, um für menschliche Bedürfnisse maßgeschneidert Pflanzen zu erzeugen, genauso wenig wie es notwendig ist jedes Detail des Weges zu kennen, um mit einem Auto von A nach B zu gelangen.
    Das mag in Ihre Augen eine verdammenswerte pragmatische oder „betriebswirtschaftliche“ Betrachtung zu sein, aber ohne die gibt es keinen technischen Fortschritt.
    „dass die Gesellschaft immer mehr in wissende und unwissende gespalten wird, grosse Teile der Bevölkerung immer weiter verblöden und die Einzelnen dadurch immer weniger in der Lage versetzt werden, sich mit den pro und kontra Argumenten auseinander zu setzen, weil die Grundlagen nicht (mehr) vorhanden sind.“
    Das ist wohl das Schicksal des Einzelnen in einer weit entwickelten und extrem arbeitsteiligen Welt. Er muss sich, ohne es selbst zu verstehen, auf die Expertise des Arztes oder des Flugzeugbauers verlassen. Und ich denke, das klappt auch ganz gut. Noch nie war die Welt so sicher wie heute (zumindest hier in Europa) und noch nie war die Lebenserwartung so hoch.

  10. Naja, ich will gar nicht mit den vielen, vielen äußerst rationalen Argumenten anfangen, die man vorbringen könnte, z.B. dass von der GM-Industrie beauftragte Studien teilweise die selben Ratten benutzen (die ja soooo krebsanfällig sind) und dass die Kritik in der wissenschaftlichen Community keineswegs einhellig war, einige nahmhafte französische Institute haben sich ja demonstrativ hinter Seralini gestellt.

    Was ich jedoch anmerken will: So statistisch insignifikant das war, so sollte doch die Schlussfolgerung nicht “SHITSTORM => ALLES BULLSHIT” sein, sondern die Schlussfolgerung sollte sein: Wir machen das ganze nochmal mit 300 Ratten.

    PS: Was hier in den Kommentaren teilweise für ein Propaganda Unsinn steht, unglaublich.

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