Masern: ein vermeidbares Gesundheitsrisiko

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Das Masernvirus verursacht eine Erkrankung, die vor allem Kinder betrifft. Neben den bekannten roten Hautflecken, Fieber und allgemein eher harmlosen Symptomen kann es auch zu Komplikationen kommen: Hirnentzündung  (Enzephalitis), Hirnhautentzündung (Meningitis), Lungenentzündung (Pneumonie). Diese schweren Krankheitsverläufe können tödlich sein, weshalb es erklärtes Ziel der WHO ist, den Erreger auszurotten. Masern gibt es nur beim Menschen, weshalb diese Vision realistisch ist – bei den Pocken haben wir es auch geschafft.

Die einzige Möglichkeit für eine Bekämpfung der hoch ansteckenden Infektionskrankheit besteht in der Impfung. Es besteht nur ein Serotyp des Erregers, d.h. die Oberflächenmerkmale sind gleich, sodass ein sehr gut wirksamer Impfstoff entwickelt werden konnte. Eine hohe Durchimpfungsrate in Bevölkerung ist äußerst wichtig, damit etwa krankheits- oder altersbedingt ungeimpfte Personen durch diese „Herdenimmunität“ auch mitgeschützt sind. Das ist der Grund, weshalb ich meine, dass Impfen nie eine Individualentscheidung ist.

Gerade im Entwicklungsländern kommt es bei lokalen Masernepidemien mit hohen Erkrankungszahlen durch vergleichsweise schlechtere hygienische Bedingungen zu hohen Sterblichkeitszahlen, besonders durch Lungenkomplikationen. Der Erfolg der globalen Masernbekämpfung ist jedoch bemerkenswert: die weltweite Durchimpfungsrate stieg von 72% auf 83% im Zeitraum 2000-2008. Im selben Zeitraum sind deshalb die tödlichen Krankheitsverläufe um 78% zurückgegangen.[1] Lokal hat man durch Impfkampagnen die Todesrate sogar um beeindruckende 90% senken können.[2]

Auch wenn in Deutschland die Durchimpfungsrate stetig ansteigt[3], könnte die Situation besser sein. 2005 kam es zu zwei großen Ausbrüchen (Hessen, 223 Erkrankungsfälle und Oberbayern, 110 Fälle), dann in 2007 noch einmal. 2006 erkrankten in NRW 1.700 Personen. Es gab zwei Todesfälle: ein Säugling starb ungeimpft, weil er zu jung für die Impfung war. Ein weiteres Kind musste sterben, weil es wegen eines Immundefektes nicht geimpft werden konnte.[6] Hier zeigt sich, dass der „Herdenschutz“ immanent wichtig ist. Auch in Österreich gibt es ab und zu Ausbrüche mit mehreren hundert Erkrankten. In der Schweiz und in den Niederlanden ist die Situation vergleichsweise übel, denn es gab hier Ausbrüche mit mehreren Tausend Erkrankungen.[4]

Länder mit hohen Durchimpfungsraten zeigen, wie es sein sollte: In Finnland gab es seit 1996 nur vier importierte Krankheitsfälle. Auch in Amerika gilt die Krankheit quasi als ausgerottet.[4] Zu Zeiten der Fußball-WM 2006 wurden amerikanische Deutschland-Reisende vor einem Masernrisiko gewarnt.[5]

Anlass für diesen Beitrag ist die lesenswerte Pressemitteilung des Robert-Koch-Institutes vom 26. April 2010, die verdeutlicht, weshalb eine Impfung auch in Deutschland wichtig ist:

In Deutschland erkrankten in den ersten 15 Wochen des Jahres 2010 bereits 219 Personen an Masern, von denen 35 im Krankenhaus behandelt werden mussten. „Das erinnert daran, dass Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind und die Schutzmöglichkeit durch die Impfung genutzt werden sollte“, sagt Reinhard Burger, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts, anlässlich der Europäischen Impfwoche vom 24.4. bis 1.5.2010.

Dort steht auch, dass es aus Hamburg sogar einen Exportfall nach Bulgarien gab, wo in der Folge 14.000 Menschen erkrankten und 18 Patienten starben.

Zum Schluss will ich noch auf die üblichen Verdächtigen hinweisen, die trotz überwältigender Impf-Erfolge Angst in der Bevölkerung streuen. Andrew Wakefield, jener britische Arzt, der fälschlicherweise die Masern-Mumps-Röteln-Impfung mit Autismus in Verbindung brachte und weltweit für Verunsicherung sorgte, wird gut in diesem FAZ-Artikel abgedeckt. Unbedingt lesen! Als zweites wäre wohl Hans Tolzin zu nennen, der sich selbst als undogmatischen Journalisten sieht und die monatlich erscheinende Anti-Impfpropagande „Impf-Report“ herausgibt. Seine Rechercheergebnisse sind erwartungsgemäß wenig evidenzbasiert, ein Leckerbissen ist dieses Video zur H1N1-Influenza-Impfung, wo er seine Unwissenheit herzeigt. Tolzin und alle anderen Impfgegner beziehen sich auf den widersprüchlichen geistigen Dünnschiss („Impfungen sind wirkungslos und nützen nur der Pharmaindustrie“) von Gerhard Buchwald, den er in einigen Büchern veröffentlichte, der aber keiner noch so oberflächlichen Prüfung standhält. Der Mann behauptete ernsthaft, die Infektionskrankheiten wären durch verbessere Hygiene und Zugang zu frischem Wasser so stark zurückgegangen! Auch wenn der Wohlstand sicher ein wichtiger Faktor ist, kann diese These etwa nicht erklären, weshalb Kontinentaleuropa inzwischen durch den Einsatz von Impfködern tollwutfrei ist. Haben die Füchse angefangen, sich die Pfoten zu waschen?

Einzelnachweise und Links:

[1] WHO-Website zu Masern („Factsheet“)

[2] Konkret in der  Eastern Mediterranean region, die Afghanistan, Pakistan, Somalia, and Sudan umfasst, wo die Todeszahlen von 96.000 auf 10.000 gesenkt wurden. Näheres hier in dieser WHO-Pressemitteilung (2008): „Global measles deaths drop by 74%

[3] C. Meyer, S. Reiter (2004): „Impfgegner und Impfskeptiker – Geschichte, Hintergründe, Thesen, Umgang“ in: Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 47 S.1182–1188.
Robert Koch-Institut, Berlin.  DOI 10.1007/s00103-004-0953-x

[4] Seite „Masern“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. April 2010, 01:00 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Masern&oldid=72875800 (Abgerufen: 6. Mai 2010, 08:04 UTC)

[5] Ärztezeitung, 06.06. 2006: „Speziell zur WM: Reisewarnung wegen Masern“.

[6] Pressemitteilung des Robert-Koch-Institutes vom 26. April 2010: „Masern sind ein vermeidbares Gesundheitsrisiko

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

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