Ich hab’s im Urin: Es ist Spargelzeit!

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Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Manchmal sitzt man einfach da und der schönste Moment des Tages passiert Revue“ – und zwar auf der Toilette. Zur Spargelzeit wird man dann durch einen charakteristischen Geruch daran erinnert, ob man innerhalb der letzten Stunden das leckere Stangengemüse verzehrt hat. Der Urin scheint durch Spargel verändert zu werden und bestimmte volatile Stoffe zu enthalten, denen man zu anderen Jahreszeiten nicht begegnet.

Man kann hergehen und einfach jeden Spargelurin analysieren, und anhand der gefundenen Moleküle die Ursache für den Geruch identifizieren. Mir ist besonders Methanthiol in diesem Zusammenhang bekannt, aber wie es aussieht, sind aber seit 1956 noch viel mehr solcher Stoffe in Spargel-Urin gefunden worden. Eine Auflistung findet sich hier bei Pelchat et al. (2011) – es sind vor allem Schwefelverbindungen.

Aber: nicht jeder scheint dieses Phänomen aus eigener Erfahrung zu kennen, und man vollzieht „das Geschäft“ ja für gewöhnlich nicht in Gesellschaft. Damit steht die folgende Frage im Raum:

Gibt es Menschen, die a) diese schwefeligen Stoffe nicht produzieren, weil sie einen besonderen Stoffwechsel haben, oder b) können Einige diese Stoffe einfach nicht riechen?

Es gibt Versuche, bei denen verschiedenen Personen Spargelurin und normaler Urin unter die Nase gehalten wurde. Dabei stellte sich heraus, dass einige Menschen den Geruch von Spargelurin nicht wahrnehmen können, auch wenn die jeweilige Probe von anderen Versuchspersonen eindeutig als Stinke-Urin identifiziert wurde (Lison et al. 1980). Zurückgeführt wurde das Vermögen, den Geruch wahrnehmen zu können, vor allem auf ein Genvariante mit dem Namen rs4481887. Mehr zu speziell zu dieser Genvariante und wie man Heimversuche durchführt nebenan bei Bastian Greshake.

In anderen Untersuchungen soll aber gezeigt worden sein, dass es auch Unterschiede im Stoffwechsel der Geruchsmoleküle gibt. Spektrum Direkt berichtete, dass etwa 70% der Bevölkerung die Geruchsmoleküle nicht produzieren könnten.

Diese beiden Hypothesen schließen sich nicht gegenseitig aus. In der Tat ist es sogar denkbar, dass beide Eigenschaften die selbe Ursache haben. So könnten Enzyme, die am biochemischen Abbauweg beteiligt sind, gleichzeitig auch in der Riechschleimhaut sitzen und dort Geruchsmoleküle so verändern, dass sie detektiert werden können. In dem Fall hätte also die Unfähigkeit, die Stinkestoffe zu produzieren, und die Stoffe auch wahrzunehmen, die selbe Ursache – nämlich die Abwesenheit eines bestimmten Enzyms. Es ist aber genauso gut denkbar, dass beide Merkmale unabhängig voneinander in der Population vorliegen.

Marcia Pelchant und ihre Kollegen untersuchten beide Eigenschaften an 37 Frauen und Männern. Die Versuchspersonen mussten an einem Tag Spargel essen und viel Wasser trinken, um dann eine Spargelurin-Probe abzugeben. An einem zweiten Termin aßen sie Brot, tranken wieder viel Wasser und gaben eine Nicht-Spargelurin-Probe ab. Beide Proben wurden später gleichzeitig in den Geruchstests verwendet, bei denen die Versuchspersonen entscheiden mussten, welche der beiden Proben nun der Spargelurin ist. Als eine Positivkontrolle wurde eine dritte, neutrale Urinprobe mit Basilikum-Extrakt versetzt – damit sollte sichergestellt werden, dass die Versuchspersonen die Aufgabenstellung verstanden haben und nicht unter einer generellen „Riechschwäche“ litten. Außerdem wurden DNA-Proben genommen, um die Genvarianten des oben genannten Geruchsrezeptors festzustellen.

Insgesamt drei Person haben im Test offenbar nicht genug Spargel-Geruch in den Urin abgeben, denn deren Urin konnte von den Versuchspersonen nicht sicher als Spargelurin identifiziert werden. Der Spargelurin der anderen Versuchspersonen konnte sicher als solcher identifiziert werden, auch wenn deutliche Varation in der Stärke des Geruchs beobachtet wurde.

Zwei Personen von 31 konnten Spargelurin nicht von dem neutralen „Brot-Urin“ unterscheiden. Auch hier gab es Variation in dieser Wahrnehmungsfähigkeit. Eine Person konnte den Geruch sowohl nicht wahrnehmen, als auch nicht produzieren. Sechs Leute fanden das Urinschnüffeln so widerwärtig, dass sie aus dem Versuch ausstiegen.

Bei der genetischen Analyse wurde bestätigt, was vorher schon entdeckt worden war: Die genetische Variante rs4481887, die zwischen zwei Geruchsrezeptoren-Genen liegt, verbessert über die Wahrnehmungsfähigkeit für Spargelurin. Allerdings gab es auch hier Variationen, man muss wohl auf beiden Chromosomen die Variante „A“ (für Adenin) tragen, um besonders sensibel auf Spargelurin zu reagieren.

Schlusswort

Der Versuchsaufbau ist nach Auskunft der Autoren besonders wenig anfällig für Verfälschungen, womit sie erklären, weshalb ihre Ergebnisse weniger eindeutig sind, als bei anderen Experimenten. Natürlich ist das beschriebenen Experiment auch ziemlich klein, aber es liefert einem deutliche Hinweise drauf, dass die Sache mit dem Spargelgeruch im Urin keine einfache Erklärung zu bieten hat.

Die Welt ist meistens doch komplexer, als man denkt! Im Endeffekt holt uns die Realität mit ihren Zwischentönen ein: Die Versuchspersonen unterschieden sich sowohl in der Produktion der als Spargelgeruch charakterisierten Stoffe, als auch in der Wahrnehmung, und zwar entlang eines Spektrums.

Was brauchen wir also? Richtig – mehr Experimente zu Spargelgeruch im Urin!

 

Literatur:

Lison, M., Blondheim, S. H., & Melmed, R. N. (1980). A polymorphism of the ability to smell urinary metabolites of asparagus BMJ (Clinical research ed), 281(6256), 1676-1678.

Pelchat, M. L., Bykowski, C., Duke, F. F., & Reed, D. R. (2011). Excretion and perception of a characteristic odor in urine after asparagus ingestion: a psychophysical and genetic study. Chemical senses, 36(1), 9-17. doi:10.1093/chemse/bjq081

Joachim Schüring: Warum hat der Urin nach einer Spargelmahlzeit so einen merkwürdigen Geruch? – Spektrum Direkt/NaKlar! 18.05.2003

Bildnachweis: CC-BY-SA-Spargel von dynet.

 

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

9 Kommentare

  1. Spezifische Anosmien

    @ Tilmann Schneider:

    Davon wusste ich gerade eben noch nichts. Für denkbar hielt ich es aber, so ein Geruchsrezeptor kann ja schnell mal mutieren. Eine kurze Suche im Web fördert folgendes zutage:

    Es existieren offenbar spezifische Anosmien gegen:

    Es scheint noch mehr zu geben, aber die finde ich jetzt nicht alle auf die Schnelle 😉

  2. Ob von anderen Lebensmitteln ähnliche Phänomene bekannt sind würde mich allerdings auch interessieren.
    Mit hoher wahrscheinlichkeit wird diese Frage natürlich mit ja beantwortet werden müssen, aber bei welchen Lebensmitteln würde ich doch gerne wissen.

  3. Genotyp/@Bastian

    Hoppla, ich hab auch GG, kann das Zeug aber definitiv riechen. Was aber nicht so schlimm ist, laut SNPedia können immerhin fast 60% der GGler Spargelurin riechen.

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