Die Mär vom bösen Hybridsaatgut

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Kunstdünger und Pestizide? Teufelszeug! Jeglicher, wenn auch nur peripherer Kontakt von Saatgut zu einem Labor? Blasphemie! “Bio-Saatgut” sei das einzig Wahre, lernen wir in diesem haarsträubenden Artikel von “Nachhaltigleben”. Der Text stammt eigentlich von unseren Berufslobbyisten “VielfaltErleben”, generelle Vorsicht ist also angeraten und auch angebracht, wenn man solche Phrasen lesen muss:

Die Hybride aus dem Labor indes, sind eine genetische Sackgasse.

Neben solchen Nebensächlichkeiten, und dass man “Hybrid” mit dem griechischen “Hybris” gleichsetzt (ernsthaft!), dass Hybridsorten nicht im Labor gezüchtet werden und einfach mal die Supermarkt-Tomate pauschal als “geschmacksneutral” abstempelt, findet man auch echte Juwelen, bei denen kein Auge trocken bleibt. Hier etwa erklärt man dem ungebildeten Leser, weshalb Schädlingsbekämpfung ganze Ökosysteme bedroht:

Schädlinge fressende Nützlinge kommen nicht mehr zu gespritzten Pflanzen, leiden unter Nahrungsmangel, werden weniger und dienen somit nicht mehr als Futter für nächst größere Tiere wie beispielsweise Vögel. Deren Art ist dann auch wieder bedroht und so weiter.

Ohje. Muss man wirklich erklären, warum das im besten Fall hanebüchener Mumpitz ist? Dass landwirtschaftlicher Flächenverbrauch praktisch immer die Zerstörung von natürlichen Biotopen bedeutet? Dass Hochertragssorten genau das vermeiden sollen und dass Bio-Landbau dabei nicht unbedingt am besten abschneidet? Dass resistente Pflanzen ja exakt bedeuten, dass sie Schädlinge abtöten oder zumindest sich nicht von ihnen auffressen lassen? Und dass im Bio-Landbau auch – wenn auch möglichst schonende – Schädlingsbekämpfung praktiziert wird?

Aber gut, sehen wir darüber ganz großzügig hinweg und kümmern uns um die Kernaussage des Artikels: traditionell gezüchtetes und samenfestes Saatgut sei viel besser als moderne Sorten, die oft Hybrid-Sorten sind. Samenfestigkeit bedeutet hier, dass man im ersten Jahr gewonnene Samen wieder aussäen (“nachbauen”) kann, wofür man beim Züchter in der Regel eine Gebühr entrichten muss. Schließlich hat dieser viele Jahre bis Jahrzehnte in die Entwicklung der Sorte investiert und möchte dafür auch etwas zurück bekommen. Der Sortenschutz bietet diese Möglichkeit. Hybrid-Sorten dagegen nutzen den Heterosis-Effekt der Pflanzen aus: kreuzt man zwei genetisch reinerbige Elterpflanzen, haben die Nachkommen (Hybride, von lat. hybrida = Mischling, nix mit Hybris) mitunter sehr viel mehr Ertrag als die Elternpflanzen. Die Genotypen der nachfolgenden Generationen vermischen sich aber zunehmend, sodass diese in der Regel weniger Ertrag bringen. Also kauft der Landwirt das Saatgut beim Hersteller nach. Das lohnt sich, denn er muss sein Saatgut sonst selbst ernten, reinigen, beizen und hat weder eine garantierte Reinheit, noch eine garantierte Keimfähigkeit. Das Nachkaufen hat also einen echten Mehrwehrt für den Landwirt, nicht nur Nachteile, wie im Artikel suggeriert.

Die Kehrseite ist die Abhängigkeit vom Hersteller, den man aber für mistige Ware auch zur Rechenschaft ziehen kann. Aber natürlich ist es immer gut, auf samenfeste Sorten zurückgreifen zu können, um weniger abhängig sein zu können. Man ist schließlich auch auf die Auwahl an Sorten durch die Hersteller festgelegt, im Sinne der Arten- und Sortenvielfalt ist die Entwicklung dieser nachbaufähigen Sorten zu begrüßen.

Aber trotzdem: Niemand hindert einen daran, sortenfestes Saatgut anzubauen und zu verkaufen. Dass diese Sorten offensichtlich so unpopulär sind, kann man nicht ausschließlich damit erklären, dass Konzerne ihre Macht um Abhängigkeitsverhältnisse ausspielen. Ich vermute, dass aus der Sicht des Landwirts zu wenig gegen die zahlreichen Hybridsorten spricht und traditionelle Sorten einfach unökonomisch sind, aus welchen Gründen auch immer. Denn die Einstellung auf “Bodengegebenheiten”, eine “planbare Erntezeit, bestmöglicher Geschmack sowie wertvolle Inhaltstoffe, und, nicht zuletzt, ein ansprechendes Aussehen” sind nicht etwa Alleinstellungsmerkmal von konventionellem “Bio-Saatgut”, damit wird in der Regel Hybridsaatgut beworben.

Ich finde, die Situation ist durchaus komplexer, als es der tendenziöse Artikel darstellt. Etwas Differenzierung hätte ihm gut zu Gesicht gestanden. Warum also werden in dieser Art von Artikeln vor allem dumme Vorurteile bedient? Warum muss immer an “Natürlichkeit” und das Idyll der Landwirtschaft des vorletzten Jahrhunderts apelliert werden? Ganz einfach: um es dem Leser leicht zu machen und ihm den Bauch zu pinseln. Und weil “VielfaltErleben” ein Lobbyverein ist, der nicht anders kann.

Hinweis: Heute vormittag habe ich mich gegenüber dem geschätzten Twitter-User @entropie42 recht negativ über den Artikel geäußert. Hier kann ich aber viel besser erklären, was mich an dem Artikel gestört hat, als in dem 140-Zeichen-Medium. Dass ich nun wenig erklärt hab, und viel mehr gemeckert, ist nicht so schlimm, finde ich, denn ich fühle mich schon gleich viel besser.

Hinweis 2: Der Artikel ist auf einem iPad mit Textastic erstellt worden, und von Hand escaped, weil unser Blogsystem kein Unicode kann und auch keine iPads mag. Man möge mir eventuelle Fehler und die niedrige Zahl Links nachsehen. Geflattred werden darf natürlich trotzdem, einfach den Link in der Seitenleiste nehmen.

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

26 Kommentare

  1. Danke

    Hi Martin,
    Danke erstmal, dass du die Kritik in einen Artikel gegossen hast. Ist übersichtlicher als auf 140 Zeichen irgendwo in den Tiefen von Twitter.

    Du fragst im dritten Absatz hinter “Oje.”, ob man wirklich einige wichtige Grundlagen erklären muss. Ich denke, ja! Und dein Blog wäre der absolut richtige Platz dafür. Vielleicht hast du ja mal Lust, auf eine dieser Grundlegenden Fragen detailliert einzugehen. Ich fände das großartig.

  2. @Joachim

    Danke für deine Anmerkungen!

    Einen Artikel zum Thema Flächenverbrauch und Vor- und Nachteile von Hochertrag und High-Input-Sorten könnte ich mir gut vorstellen. Der Pflanzenschutz spielt da ja auch mit rein.

  3. Lobby-Verein

    Es ist richtig und wichtig herauszustellen, dass man es mit einer Ökolobby zu tun hat, die unausgewogen berichtet und sich um wissenschaftliche Argumente nur schert, wenn sie gerade mal zufällig ihren Standpunkt unterstützen. Generell wird versucht über die früher-war-alles-besser und Natur-ist-gut Schiene, Ressentiments ihrer Klientel zu bedienen. Und sei es nur, um sich selber mal wieder auf die Schulter klopfen zu können.

  4. Groß oder klein

    Ich finde es auch wichtig, den Bioverbänden auf die Finger zu gucken, gerade wenn sie wissenschaftlich unsauber argumentieren. Da regst du dich zu recht auf.

    Ich bin seit ein paar Jahren dazu übergegangen, beim Gemüsekauf vor allem nach der Größe zu gehen. Bei Tomaten ist es augenfällig, aber auch bei Auberginen: je kleiner und hutzeliger, desto besser schmecken sie. Und das ist dann meist kein Hybrid. Ist aber meine private Messung ohne Anspruch darauf, repräsentativ zu sein.

  5. hybris

    Das ist unfreiwillige Komik, was da diese Interessenvertretung der Ökoverbände mit der bewussten Gleichsetzung von Hybris und Hybride macht:
    „Die Hybris (griechisch „der Übermut“, „die Anmaßung“) bezeichnet eine Selbstüberhebung, die unter Berufung auf einen gerechten göttlichen Zorn, die Nemesis, gerächt wird. Die Hybris ist der Auslöser des Falls vieler Hauptfiguren in griechischen Tragödien. Die Hauptfigur ignoriert in ihrer Überheblichkeit Befehle und Gesetze der Götter, was unvermeidlich zu ihrem Fall und Tod führt.“
    Im vorliegenden Fall ignorieren die Verfasser in ihrer Überheblichkeit die Erkenntnisse moderner Wissenschaft. Seit wann kommen Hybriden überhaupt aus dem Labor ? Die werden genauso im Freiland erzeugt wie die sog. samenfesten Sorten. Klar kommen hier auch moderne Züchtungsverfahren zum Einsatz wie cms (cytoplasmatisch männliche Sterilität), um die Züchtungsarbeit zu erleichtern und Handarbeit zu ersetzen (z.B. bei Mais das Fahneneintüten), um unerwünschte Kreuzungen zu verhindern. Letztendlich dient das der Beschleunigung des Züchtungsfortschritts bei gleichzeitiger Bereitstellung großer Mengen hochwertigen Saatguts. Das ist etwas, was die langwierige Züchtung „samenfester“ Sorten nicht leisten kann. Es wäre auch ganz o.k., wenn diese Züchter und der der Biolandbau insgesamt für sich beanspruchen würde, eine Nische zu bedienen. Eben die der Bedienung eines sich als moralisch höherwertig einschätzenden lifestyles. Aber nein, die Hybris geht so weit mit ihren „nachhaltigen“ Methoden die Landwirtschaft zu ändern und die Ernährung der Menschheit sichern zu können: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/umwelt/865005/
    Man sollte die Verfasser der „nachhaltigleben“ – Zeilen einfach mal zu einem mittelständischen Saatgutzüchter einladen. Aber ich fürchte die haben an Erkenntniszuwachs kein Interesse. Wie Martin schon schreibt, die bedienen ein meist großstädterisches Klientel und pinseln dem mit Wohlfühlvokabular den Bauch. Im Gespräch mit Bekannten, die einen Bauernhof noch nie gesehen haben und ihr „Wissen“ meist aus solchen Quellen wie nachhaltigleben generieren muss ich immer wieder eklatante Wissenslücken in biologischen und landwirtschaftlichen Grundlagen feststellen. Da kann man nur eines konstatieren: Die Schule hat mächtig versagt.
    Daher auch meine Anregung hier im Wissenschaftsblog mal sehr ausführlich auf die Grundlagen von Züchtung und Hybridzüchtung einzugehen. Es sollten dann auch „richtige“ Praktiker zu Wort kommen.
    Übrigens ist man den „Geheimnissen“ des Heterosis-Effektes – der Grundlage für Ertragssteigerungen durch Hybride – sehr dicht auf den Fersen:
    http://www.pnas.org/…early/2012/02/10/1201043109
    Stichworte sind: Modellpflanze Arabidopsis thaliana und Epigenetik. Offenbar beeinflussen sich die chromosomalen Methylierungsmuster der sehr verschiedenen Eltern gegenseitig, was zu Veränderungen in der Expression von Genen führt.

  6. Glaube

    In diesem Zusammenhang verweise ich auf einen interessanten link in einem wissenschaftlichen Nachbarblog: http://www.scienceblogs.de/…ningkrugereffekt.php
    Hier wird erklärt, warum nur mit Wissen und Fertigkeiten die Leistung anderer – wie z.B. der modernen Züchtungsforschung – richtig eingeschätzt werden kann.
    Ich fürchte nur im Zusammenhang mit dem Komplex Biolandbau wird auch diese Erkenntnis nicht viel weiter helfen, weil Vertreter dieser Richtung i.d.R. immun sind gegen Aufklärung und neue Erkenntnisse und sich dem Glaubensmantra von „samenfesten“ Sorten, „einfach nachhaltig“ und „besser weil bio“ verschrieben haben.

  7. pikarl

    Ohne Frage, auch die Walderdbeeren aus meinem “Waldgarten” haben einen sehr guten, aromatischen Geschmack. Da kommen die aus dem Supermarkt nicht mit, auch nicht die aus dem Ökomarkt. Walderdbeeren haben nur einen klitzekleinen Nachteil: Man muss lange sammeln, um 500 g zusammen zu kriegen. Und ob Geschmack und Nährwert irgendwie zusammenhängen ist auch mit einem großen Fragezeichen versehen. In der Regel sind Kulturformen süßer und daher im Nährwert besser. Aber darauf kommt es in unserer Zeit natürlich nicht mehr an und wir können uns den Luxus der kleineren, aber vielleicht geschmacklich besseren Variante leisten. Beim Apfel stimmt das aber z.B. nicht !

  8. @Torben:

    Daher auch meine Anregung hier im Wissenschaftsblog mal sehr ausführlich auf die Grundlagen von Züchtung und Hybridzüchtung einzugehen. Es sollten dann auch „richtige“ Praktiker zu Wort kommen.

    Ich habe für einen tiefgründigen Artikel zum dem Thema gar nicht genug Fachwissen – insofern ist die Idee mit einem externen Experten gut. Kennst du jemanden, den man zu dem Thema interviewen könnte bzw. der auch einen Gastartikel für das Blog schreiben könnte? (Meine E-Mail-Adresse findest du ganz oben rechts)

  9. Was der Artikel von “Nachhaltigerleben” als “Biozüchtung” ausgibt, ist nichts weiter als die klassische Züchtung, wie sie in der gesamten Landwirtschaft betrieben wird. Die Vorteile die beschrieben werden, wie Pflanzengesundheit, Ertragsstabilität, Nährstoffeffizienz und Geschmack, sowie die Zucht auf resistenz gegen Hitze, Schädlinge usw., um den Dünge- und PSM-aufwand so gering wie möglich zu halten, sind aber alles erwünschte Eigenschaften die bei jeder Züchtung berücksichtigt werden. Das hat nichts mit Bio zu tun.

  10. @Reuben

    Schon klar, aber in dem Video in dem Artikel wird erklärt, dass die Sorten auf Hinblick auf die Anforderungen des Bio-Landbaus gezüchtet werden. Wenn die es glücklich macht, es dann so zu nennen …

  11. Hallo Martin,
    ich wollte dich nicht kritisieren, vielleicht hattest du den Eindruck. Dein Artikel ist sehr gut. Ich finde es nur unverschämt, wenn eine Minderheit immer wieder versucht Keile in die Landwirtschaft zu schlagen, allerdings auf fachlich doch sehr zweifelhafte Weise.

  12. Ich bekenne mich zum Anbau von Hybriden

    Ich bekenne mich dazu auf meinen Flächen Hybridsorten anzubauen. Bei Roggen und Mais sind es ausschließlich Hybridsorten, bei Raps sind es 80 % und beim Weizen sind es gut 25 %.
    Und ich bin von keinem Züchter dazu gezwungen worden. Ich mache es, da mich die Eigenschaften der Sorten überzeugen. Hybridroggen hat einen fast doppelt so hohen Ertrag wie der herkömmliche Populationsroggen. Auf den Ertrag will ich nicht verzichten. Da nehme ich es gerne in Kauf mir das Saatgut jedes Jahr neu kaufen zu müssen.
    Hybridweizen wächst auf so leichten / sandigen Böden, auf denen kein Populationsweizen wachsen würde und Hybridraps kann man im Herbst später Aussäen als Liniensorten, was auch ein Vorteil ist.
    Wer will kann herkömmliche Sorten kaufen, muss dann aber auf die Vorteile verzichten.
    Es ist schon erschreckend wie manche ihre Feindbilder pflegen.

  13. Hallo Daniel,
    wie wirkt sich denn der Einsatz von Hybridsorten, in deinem Fall, auf die Einsatzmenge von PSM und Dünger im Vergleich zu herkömmlichen Sorten aus? Das war ja auch ein Kritikpunkt des Arikels “Nachhaltigleben”.

  14. Daniel

    Schön, dass sich hier auch mal ein Praktiker zu Wort meldet. Ich habe zu Reubens Frage eine weitere: Wie sieht das mit den Preisen für Hybridsaatgut im Vergleich zu Liniensorten aus ? Wie Daniel seinen Beitrag beginnt, ist schon bemerkenswert. Er bekennt sich dazu. Soweit ist es in diesem Land, dass man sich für die Nutzung moderner Technologien schon beinahe entschuldigen muss. Allerdings wird das Argument des Ertragszuwachses das Klientel von „nachhaltigleben“ nicht interessieren. Die satten Ökokonsumenten sind auf einen besonderen Kick oder lifestyle aus, der da heißt „natürlich“ und zur moralischen Überhöhung „nachhaltig“. Und was das ist, das wird aus dem Bauch heraus bestimmt. Wie auch anders, wenn man so wenig Kenntnis von der Materie hat ? Denen ist auch nicht bewusst, dass es z.B. den „Naturapfel“ so gut wie nicht mehr gibt und wenn, dann wäre er ungenießbar. Es lässt auch tief blicken, sich zu vergegenwärtigen, wer solche Abhandlungen schreibt – ein Journalist und Marketingexperte. Es kommt nicht auf den Inhalt an, sondern auf die Vermarktung einer Idee. Allerdings hindert das die Vertreter dieser Schule nicht andere, wie z.B. Saatgutfirmen, für ihr Profitstreben zu kritisieren.

  15. @ Reuben C und Torben Hoffmeister

    Das mit dem Bekenntnis war mit einer gewissen Ironie zu verstehen, weil in dem Ausgangsartikel auch “Nachhaltigleben” ein ganz schöner Popanz aufgeblasen wurde, was das Hybridsaatgut angeht. Der Einsatz von Hybridsaatgut ist in der konventionellen Landwirtschaft kein besonderes Thema, es wird eingesetzt wie jedes andere Saatgut auch, allein die Vorzüge, die eine Sorte mitsichbringt ist ausschlaggebend.

    Nach meiner Erfahrung die Wahl von Hybridsorten keinen Einfluss auf die Höhe des Einsatzes der Dünge- oder Pflanzenschutzmittel. Es gibt zwischen den Sorten Unterschiede, die sind aber nicht in Zusammenhang mit der Züchtungsmethode zu sehen.
    Wenn ich allerdings eine höhere Ertragserwartung habe, dann kann es sinnvoll sein mehr zu düngen, da die Pflanze dem Boden auch mehr Nährstoffe entzieht. Da sollte man dann allerdings nicht auf die kg Dünger je Hektar schielen, sondern auf die Effizienz. Mehr Dünger, kann bei höherem Ertrag durchaus mehr Effizienz bedeuten.

    Der Preis für Hybridsaatgut ist höher als der für Saatgut aus konventioneller Züchtung. Der Preisunterschied liegt aber in einem verkraftbaren Rahmen.
    Bei Rapssaat sind es etwa 25 € je Hektar. Man müsste bei aktuellen Rapspreisen etwa 1,5 % mehr ernten, um den Mehraufwand bezahlt zu bekommen. Wenn man den Raps Ende August / Anfang September aussät und die teurere Hybridsorten anstatt konventionelle Liniensorten wählt, einsetzt, dann ist das allemal drin.
    Bei Hybridweizen kann das Saatgut u.U. anstatt 50 € / Hektar mit 100 € / Hektar fast doppelt so teuer sein. Bei mir im Betrieb rechnet es sich aber trotzdem, da ich sonst auf diesen Schlägen gar keinen Weizen anbauen könnte und der Weizenanbau auch mit höheren Saatgutkosten ökonomisch sinnvoller ist, als der Anbau von Roggen.

  16. und wer mal die tatsächlich verwendeten Sorten der Biobauern anschaut stellt ganz schnell fest das diese auch sehr gerne Hybridsaatgut einsetzen. Vorallem bei Gemüse, Salate, Roggen und Mais.

  17. @ pfiffig – so ist es

    Auch das ist richtig, aber das weiß der normaler Verbraucher dem die landwirtschaftlichen oder pflanzenzüchterischen Grundlagen fehlen nicht. Und der fühlt sich durch solche Artikel in seinem wie auch immer fundierten Unbehagen der konventionellen Landwirtschaft und moderner Züchtungsmethoden gegenüber bestätigt. Es wird suggeriert, als würde es eine gute, sanfte, im Einklang mit der Natur verlaufende, schonende Züchtung geben, die die alten Sorten erhält oder sanft weiterentwickelt, bei der sich Landwirt und Pflanze wohlfühlen. Ergbnisse dieser Züchtung werden selberverständlich nur in der Biolandwirtschaft eingesetz. Ihr gegenüber wird die von der bösen Industrie durchgeführte Hybridzüchtung gestellt, die Landwirte und Pflanzen ausbeutet.
    Es wird ein unnötiger Keil zwischen anerkannte Züchtungsmethoden und Landwirte getrieben. Das perfide daran ist, dass im Ökologischen Landbau aus den verschiedensten Gründen FREIWILLIG Hybridsorten von den Landwirten eingesetzt werden. Bis sich das aber in der allgemeinen Bevölkerung herumgesprochen hat, ist es interessierten Gruppen mal wieder gelungen anerkannte Züchtungemethoden zu diskreditieren.

  18. >Und dass im Bio-Landbau auch – wenn auch möglichst schonende – Schädlingsbekämpfung praktiziert wird?

    Das kann man nichtmal sagen. Die gegenwärtigen Marienkäferplagen verursachen die Biobauern, da sie den asiatischen Marienkäfer gegen Blattläuse einschleppen. Der heimische wirt dadurch verdrängt.

    Von so einer Negativbilanz können die Bt-Mais-Gegner nur träumen.

  19. @earli

    Ist das denn wirklich so? Hast du dafür eine Quelle, dass es sich hier um entkommene „Nützlinge“ aus der Bio-Landwirtschaft handelt?

    Ich dachte nämlich immer, dass die unabhängig davon eingeschleppt wurden.

  20. @MartinB

    Die asiatischen Marienkäfer stammen tatsächlich aus Gewächshäusern.
    Wurden zum erstenmal in Belgien eingesetzt weshalb diese Land auch als Ausbreitungsort gilt. Wobei die Käfer wurden sehr schnell in den vielen Gewächshäusern in Europa eingesetzt weil Pflanzenschutzmittel=böse und biologische Schädlingsbekämpfer immer=gut.
    Nach meinem Kenntnisstand haben aber einige Biolandwirte diese Käfer auch im Freiland eingesetzt weshalb ich an die Verbreitungsgeschichte aus Belgien nicht so ganz glaube und die Biolandwirtschaft massiv zur Ausbreitung beigetragen hat.
    Doch über dieses Thema findet man leider sehr schwer öffentlich zugängliche und verlässliche Angaben denn die Bioverbände schweigen lieber zu dieser von ihnen hauptsächlich mitverursachten Artenverdrängung.

  21. Harmonia axyridis

    Auch hier http://ias.biodiversity.be/species/show/102
    steht: introduction: biological control
    Trotz negativer Erfahrungen in den USA und Kanada, wo einheimische Arten verdrängt wurden, ist der Neozoon auch in Europa eingeführt worden, vermutlich als es schick wurde, anstelle chemischer PSM Fraßfeinde einzusetzen. Das Problem mit dem asiatischen Marienkäfer wird dadurch verschärft, dass neben Blattläusen auch Nützlinge wie Schmetterlinge, andere Marienkäferlarven und Schwebfliegen zum Beutespektrum gehören. Aber wir in Europa regulieren lieber die Gentechnik streng und diskutieren ganz heiß über mögliche Schäden von Bt-Maispollen für den vielleicht bald verdrängten einheimischen bipunctata-Marienkäfer. http://www.biosicherheit.de/…t-marienkaefer.html
    Das führt dann dazu, dass wirkliche Probleme nicht wahr genommen werden. Schuld an dieser Situation ist allerdings auch die Vormachtstellung von Umweltverbänden und ihren Lieblingsthemen in den Medien.
    Der letzte große Aufreger, diesmal um einen Neomycet, stammt aus den USA. Hier verenden massenweise Fledermäuse an einem aus Europa eingeschleppten Pilz (Geomyces destructans). http://www.pnas.org/…2/04/03/1200374109.abstract

  22. Bio nicht gleich öko

    … im Sinne von ökologisch gut,
    ökonomisch …
    Das habe ich längst verstanden, nur nicht so gut belegen können.
    Danke für den Artikel, wollte ich eigentlich nur sagen 😉

  23. Hallo ihr Lieben, ich finde es ja toll dass hier gerade so viel diskutiert wird! wir sind gerade dabei, in meiner Heimatstadt ein SoLawi- Netzwerk aufzubauen, und kooperieren mit einem Biobauern der uns ein ungespritztes Feld verpachtet sowie ein Feld von einem vorher konventionell genutzten Obstbaumfeld das letztes Jahr zuletzt mit chemischen Pflanzenschutzmitteln behandelt worden ist.

    Ich finde die Diskussion gut, die ihr fuehrt. Wir in der SoLawigruppe sind uns sicher, das wir nicht spritzen oder Insektizide verwenden wollen. (Voll wissenschaftlich fundiert: > http://www.uni-koblenz-landau.de/de/landau/aktuelles/archiv-2013/fungizide )
    Wir werden moeglichst nach Biolandrichtlinien anbauen.

    unsere ca 50 SoLawi Mitglieder sind auch gerade in einer Diskussion ob wir beim Anbau Hybridsamen benutzen sollen- zumindest im ersten Jahr, das die “Kisten vollwerden” …
    Es ist eine sehr schwierige (Wohlstands!)Frage, ob wir lieber garantiert volle Obstkisten moechten, oder die alten Sorten schuetzen!

    Ich finde es gut, dass hier gegen Vorurteile der Hybridsamennutzung relativ wissenschaftlich diskutiert wird, allerdings wuerde ich mir wuenschen dass genau so unvoreingenommen auch ueber die Biobauern und Hybridkritiker geredet wird. die samenfeste Sorten bevorzugen.

    Es wird doch immer wieder eins klar>

    Hybride werden wegen den Ertraegen gekauft.

    Da steckt oft wirtschaftliches Interesse dahinter.

    Es braucht auch in einem hungernden Entwicklungsland finanziellen und zeitlichen Aufwand, um HYBRIDE ueberhaupt erst zur Verfuegung zu stellen, und diesen Aufwand muessten die reichen Laender oder Organisationen uebernehmen, die dann wieder nur an die armen Laender das Saatgut verkaufen koennten! So werden auf lange Sicht evtl wirklich viele Leben gerettet, aber die Bauern der armen Laender bleiben weiter abhaengig vom Hybridsaatgut, da sie in jedem Jahr, in dem sie Hybride kaufen (und das gilt auch fuer uns hier), auf die Moeglichkeit verzichten, eigene samenfeste Sorten zu zuechten.
    Wir sind uns sicher, auch wenn wir einen teil Hybride verwenden werden, werden wir einen Erhaltungsgarten einrichten zusammen mit dem Verein freisaaten.org, in dem wir samenfeste Sorten pflanzen und sehen was bei rauskommt!

    Hybridsaatgut ist NICHT die einzige Loesung Menschen generell zu ernaehren.

    Es gibt nicht NUR die einseitigen BIOfanatiker, sondern auch welche, die die Ohren offen haben fuer alle Argumente.

    Daran wollte ich euch nur anbei erinnern,

    Denn mit dem schwarzweiss Denken kommt niemand weiter,

    also alles Gute fuer uns alle und bis bald,

    🙂

    • Hallo IchbindDU

      Zitat
      “Es wird doch immer wieder eins klar>
      Hybride werden wegen den Ertraegen gekauft.
      Da steckt oft wirtschaftliches Interesse dahinter”

      Warum Hybride sinnvoll sein können hat viele Aspekte,
      einer ist der Ertrag.
      Homogenität des Erzeugnisses waren gerade im Bereich Gemüse von Bedeutung.
      Es gibt aber weitere Eigenschaft wie höhere Wurzelleistung etc

      Wirtschaftliches Interesse bei einem Züchter steckt auch hinter der sortenfesten Züchtung, da unterscheiden sich beide Varianten nicht.
      Um das zu ändern müsste sich die gesellschaftliche Ordnung im Gesamten ändern, das sollte aber dann nicht beim Züchter anfangen.

      Und Deine Bedenken gegenüber Hybriden widersprechen sich dann auch direkt selbst, warum haben Länder ohne starke, wirtschaftlich erfolgreiche Züchter keine leistungsfähigen Sorten?

      Das wirtschaftliche Interesse an Hybride für den Züchter liegt eher an dem mangelnden Willen seine Arbeit zu honorieren. Züchter könnten den Verkaufspreis von Liniensorten ja so anpassen, dass sich die Sorte nur einmal verkaufen müsste, damit der Zuchtaufwand bezahlt ist. Stellt sich die Frage, wer sich dann das Saatgut noch leisten kann.
      Wären die Züchter ähnlich aktiv gegen “Raubkopien” wie die Musikbranche, dann gäbe es einen Aufschrei, da werden Einzelfälle schon weltweit bekannt (Percy Schmeiser).
      In Deutschland ist es “normal” geworden, wenn ein Kind für einen Musiktitel-Download bestraft wird, den es nicht mal kommerziell weiterverwendet.
      Auf der anderen Seite kritisiert man Züchter, die Jahrzehnte lange Arbeit bezahlt haben möchten.

      Die Erhaltung alter “Landsorten” ist für den Anbauer oder Verbraucher ähnlich wichtig, wie ein 100 Jahre alter Daimler. Nostalgie, mehr nicht.
      Für Züchter ist das aber von Interesse, um einen großen Genpool zu haben.

  24. Etwas sehr Wichtiges wird hier leider nicht korrekt dargestellt. Es wird behauptet: “Niemand hindert einen daran, sortenfestes Saatgut anzubauen und zu verkaufen. Dass diese Sorten offensichtlich so unpopulär sind, kann man nicht ausschließlich damit erklären, dass Konzerne ihre Macht um Abhängigkeitsverhältnisse ausspielen.”

    Es dürfen GEWERBLICH nur Sorten angebaut und verkauft werden, die beim Bundessortenamt zugelassen sind. Eine Sortenzulassung zu bekommen, ist erst einmal sehr aufwendig und teuer; darüber hinaus müssen neue Sorten Kriterien (wie z.B. Einförmigkeit) erfüllen, die “alte”, samenfeste Sorten niemals erfüllen können.

    Über diese Zulassung kontrollieren Konzerne die Sortenvielfalt, hier nehmen Konzerne direkt Einfluss (über die Politik natürlich, die solche Gesetze verabschiedet).

    Es kann also nicht jeder einfach sortenfestes Saatgut verwenden und die Früchte verkaufen!!!

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