Bio-Lebensmittel profitieren vom Halo-Effekt

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Den Halo-Effekt, also dass bestimmte als positiv wahrgenommene Eigenschaften andere Eigenschaften überstrahen, kennt wahrscheinlich jeder aus seiner eigenen Erfahrung. Es fällt einem leicht, gutaussehenden oder charismatischen Menschen mehr Kompetenz zuzuschreiben. Das gute Image von Apple’s iPod soll auf andere, weniger erfolgreiche Apple-Produkte abfärben. Oder sogar dokumentiert: man nimmt in als „gesund“ beworbenen Fast-Food-Restaurants mehr Kalorien zu sich, als in „normalen“ Fast-Food-Restaurants, weil offenbar das Gesundheitsversprechen die negativen Aspekte des Junk-Foods überstrahlt.

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Ein Halo um die Sonne, die durch die Person verdeckt wird,
überstrahlt den umgebenden Bereich (Bild: public domain)

Steht „Bio“ auf einem Etikett, scheint das einen ganz ähnlichen Effekt zu haben. Joghurt oder Knabberkram in der Bio-Variante wird systematisch positiver bewertet, als die konventionelle Variante, wie Jenny Wan-Chen Lee von der New Yorker Cornell University gezeigt hat. In einer kleinen kontrollierten Doppelblind-Studie mit 144 Teilnehmern hat sie der Testgruppe Kartoffelchips, Naturjoghurt und Kekse vorgesetzt,  die entweder mit „Bio“ (organic) oder „konventionell“ (regular) beschriftet waren. Alle Produkte waren aber von vornherein ausschließlich „Bio“. Meine Leser ahnen, wie die vermeintlichen Bio-Lebensmittel abgeschnitten haben …

Die Testpersonen haben in der Tat fast immer das Bio-Produkt vorgezogen und sich dessen zehn zu bewertenden Eigenschaften unbewusst geschönt. So wären die Bio-Produkte wohlschmeckender, enthielten weniger fett, würden mehr Ballaststoffe enthalten und würden sogar besser aussehen! Außerdem hätten sie auch weniger Kalorien, also kann man bei Bio-Chips und Bio-Schokokeksen ordentlich zulangen …

Drei Lebensmittel-Sorten reichen natürlich nicht aus, um den Effekt auf das ganze Spektrum an Lebensmitteln zu verallgemeinern. Für die Kekse, Joghurt und Chips sind die Ergebnisse aber offenbar konsistent.

Besonders interessant fand ich, dass besonders die Teilnehmer, die gerne Recycling betreiben, oder die Natur wertschätzen, besonders anfällig für diese Wahrnehmungsstörung, bzw. Fehlwahrnehmung sind. Hier scheinen die positiven Vorurteile gegenüber „Bio“ besonders ausgeprägt zu sein.

Dass Bio aber nicht unbedingt immer das hält, was man sich davon verspricht, habe ich vor einem Jahr schon versucht, für mich in ein paar Artikeln aufzurollen (die inzwischen sicher auch etwas Kritik und Überarbeitungsvorschläge vertragen könnten):

 

Hier hab ich das alles abgeschrieben:

Jenny Wan-Chen Lee: „Do organic snack foods taste healthier because of their label?“ FASEB J. April 2010 24 (Meeting Abstract Supplement) 949.3

Science Daily: „Health Halo Effect: Don’t Judge a Food by Its Organic Label“, Apr. 11, 2011

via @franknfoode

  • Veröffentlicht in: Grün

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

8 Kommentare

  1. systematisch schön gelogen

    eine interessante Feststellung, die ich (leider) auch bei Leuten aus meinem Bekanntenkreis feststellen kann. Sobald “Bio” draufsteht wird nicht mehr nachgedacht sondern es muss einfach gut sein.

    Nur eine kleine Anmerkung:
    systematisch schön gelogen haben die Probanden die “Bio” Lebensmittel nicht, wenn es sich um einen Halo-Effekt handelt.

    Der Effekt ist ein Beurteilungsfehler und die Probanden glauben demnach auch was sie angegeben haben. Beim Lügen wär ihnen zumindest heimlich klar, dass es eigentlich nicht so ist.
    Das macht es natürlich nicht besser sondern zeigt nochmal den unreflektierten Umgang.

  2. Bio richtig bewerten

    Guten Tag!

    Mir fällt immer wieder auf, dass man eigentlich garnicht so recht weiß, was man glauben soll. Ich habe auf der einen Seite schon ein grünes Bewusstsein, auf der anderen Seite kann man sich ja als Otto-Normal-Verbraucher kaum sicher informieren. Manchmal steht die PR-Abteilung hinter den Urhebern, manchmal sind Studien veraltet oder Statistiken falsch interpretiert. Wem soll man da eigentlich glauben. Das schlimmste daran ist: wenn man allzusehr verwirrt ist, verzichtet man am Ende noch ganz auf (durchaus teure) Bio-Produkte. Ich hab mal eine Website mit angegeben, auf der ebenfalls über Vorzüge von Bio-Nahrungsmitteln geschrieben wird. Aber wie seriös diese Quelle is, kann ich ja garnicht beurteilen. Bestimmt wirkt auch hier der Halo-Effekt und ein ansprechendes Webdesign überstrahlt die Frage nach den Inhalten.

    Das sehe ich als grundsätzliches Problem an. Mich würde interessieren, was Sie dazu denken.

    Viele Grüße

  3. Seriöse Informationen @Melanie Siebke

    Wenn man wissen will wer eine Webseite betreibt, dann sollte man sich das Impressum ansehen. Wird da ein “Fachverlag für Gesundheitswissen” genannt, so kann man davon ausgehen, dass es sich um eine eher kommerzielle Seite handelt.

    Eine unabhängige Seite wäre z.B. der “aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V.”, der Informationen aus Wissenschaft und Praxis aufbereitet. Der aid infodienst ist ein gemeinnütziger Verein, der mit öffentlichen Mitteln gefördert wird.

    http://www.aid.de/
    (Biolebensmittel finden sich unter “Verbraucherschutz”.)

    Des weiteren würde ich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) nennen, das ist ebenfalls ein gemeinnütziger eingetragener Verein.

    http://www.dge.de/

  4. Bio ist nicht immer Bio!
    Seid die Industrie und der Staat mit ihrem neuen Biozeichen zusammenarbeiten und Bio auch im Supermarkt (obwohl ich nichts dagegen habe!)auftaucht, wird Bio kommerzialisiert, sieht man auch an dem großen Betrug aus Italien

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