Wo man nicht hinsieht, findet man auch nichts: Eine mögliche Rolle von β-2-Mikroglobulin in Morbus Bechterew

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Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus
b2m
β-2-Mikroglobulin

Seht euch nur dieses kleine, unschuldige Protein dort rechts an. Wenn sich jemand überhaupt für β-2-Mikroglobulin (β2M) interessiert, dann nur, weil es sich in den Gelenken von Dialysepatienten ablagert, denn ohne Nieren bekommt man es nicht so ohne weiteres aus dem Blutstrom gefiltert.

Das strukturelle Motiv von β2M ist wirklich nichts exotisches, ganz im Gegenteil: der immunoglobulin fold findet sich bei unzähligen anderen Proteinen des Immunsystems wieder. Antikörper etwa bestehen aus zwölf dieser Einheiten. Die eigentliche Aufgabe von β2M im Körper besteht darin, zusammen mit einem weiteren Protein einen MHC-Klasse-I Komplex zu bilden. Ohne β2M fällt dieser auseinander und kann seine Funktion nicht mehr erfüllen – es ist also mindestens ein sehr wichtiges strukturgebendes Element.

Aber war es das schon?

Ig fold
Gerade einmal 100 Aminosäuren lang, besteht β2M aus zwei antiparallelen β-Faltblättern. Die Struktur ist weit verbreitet und entspricht einem grundlegenden Baustein vieler Immunproteine: Der Immunglobulin-Domäne. Sie ist homolog zum zweiten „Beinchen“ des MHC-I-Komplexes (hier in dunkelgrau), entspricht den beiden grau markierten Domänen des nah verwandten MHC-II-Komplexes, und im Antikörper findet sie sich ganze zwölf Mal.

MHC-Komplexe sind dynamische Signalgeber für das Immunsystem

Das Immunsystem kann eigentlich nicht in die Zellen des Körpers hineinsehen, und hier kommen MHC-Komplexe ins Spiel: In einer dafür ausgeformten Tasche binden sie Proteinfragmente von Krankheitserregern oder krankhaft veränderten Proteinen, wie sie etwa bei Krebszellen vorkommen. Die fertigen Komplexe wandern an die Außenseite der Zelle und machen die Proteinfragmente so für das Immunsystem erst zugänglich. T-Zellen des Immunsystems können dann mit ihrem T-Zell-Rezeptor binden, erkennen körperfremde Fragmente und töten virusinfizierte und krankhaft veränderte Zellen ab. Wie diese „Immunsynapse“ genau funktioniert, ist noch nicht vollständig verstanden. Sie funktioniert auch leider nicht perfekt, weshalb Menschen und Tiere an Krebs erkranken oder an Autoimmunerkrankungen leiden, die sich auf MHC-Gene zurückführen lassen.

Nicht nur die Form, sondern auch die interne Beweglichkeit und Verformbarkeit der Oberfläche der MHC-Proteine sind für eine erfolgreiche Bindung an die T-Zell-Rezeptoren entscheidend. Wenn beide Oberflächen sehr beweglich sind, können sie sich vielleicht sehr gut aneinander anpassen, allerdings wird die Bindung nicht sehr langlebig sein. Wären die Oberflächen zu starr, könnte der T-Zell-Rezeptor nur wenige Strukturen erkennen und binden – dabei ist aber eine breite Erkennungsspezifität wünschenswert, um möglichst viele unterschiedliche Erreger aufspüren zu können.

Es ist schwierig, diese dynamischen Vorgänge und das damit zusammenhängende Bindungsverhalten zu erforschen, weil es so wenige Methoden gibt, mit denen man Dynamiken mit entsprechender Auflösung untersuchen kann. Dabei ist es wichtig, dass wir mehr darüber erfahren: peptidbasierte Impfstoffe etwa gegen Hautkrebs befinden sich derzeit in klinischen Tests, aber um ihre Funktion (oder auch Nicht-Funktion) zu verstehen, müssen wir die Immunsynapse besser verstehen. Auch beim Verständnis der molekularen Ursachen bestimmter Autoimmunkrankheiten kann Information über interne Proteindynamik weiterhelfen.    

Dynamik konkret

Lässt man T-Zell-Rezeptoren und dazu passende MHC-Komplexe im Reagenzglas aneinander binden, werden die Kontaktflächen unbeweglicher, das ist nicht weiter überraschend. Aber auch relativ weit entfernte Regionen des Proteins verändern ihre Dynamik – als wenn sich das ganze Protein nach der Bindung versteift. Das betrifft auch Regionen, die vom CD8-Korezeptor der T-Zelle erkannt werden. Dieser Korezeptor hilft der T-Zelle bei der Bindung an den MHC-Komplex. Möglicherweise beeinflusst das dynamische Geschehen zwischen T-Zell-Rezeptor und MHC auch die Bindeeffizienz am anderen Ende des Proteins zwischen CD8 und MHC-Komplex – eine Signalweiterleitung durch eine veränderte molekulare Dynamik also.

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Links: MHC-Komplexe werden von Immunzellen mit ihren Rezeptoren (hier T-Zell-Rezeptor (TCR) und CD8-Corezeptor) gebunden. Rechts: Der MHC-Komplex in Großaufnahme. Das Proteinfragment, das vom TCR erkannt werden soll, ist in magenta dargestellt.

β2M verändert sich abhängig von MHC-Typ und gebundenem Peptid

Meine Arbeitsgruppe schaut sich MHC-Komplexe und β2M nun schon seit einiger Zeit genauer mit Kernmagnetresonanz (NMR)-Spektroskopie an – einer Methode, mit der man molekulare Beweglichkeiten indirekt mit atomarer Auflösung messen kann. Am einfachsten geht das, indem man sich die Signale im NMR-Spektrum anschaut, das Unterschiede von subatomaren Magnetfeldern innerhalb des Proteins sichtbar macht. Jedes Atom im Protein hat ein charakteristisches Magnetfeld um sich herum, und über die Position des Signals im Spektrum kann man einzelne Aminosäuren identifizieren. Die Intensität des Signals gibt erste Hinweise auf die Beweglichkeit. Wechselt das Atom etwa langsam zwischen zwei Positionen, sieht man zwei Signale, nämlich für jede Position eine. Werden die Positionen sehr schnell getauscht, dann fallen die beiden Signale zusammen und man sieht nur noch ein einziges Signal. Liegt die Beweglichkeit irgendwo dazwischen, werden die Signale schwächer und sie können sogar verschwinden. Wir haben festgestellt, das bei β2M allein in einer wässrigen Lösung einige Signale völlig verschwinden – das ist ein starkes Indiz für erhöhte Beweglichkeit.

NMR
Oben: das Rückgrat eines kurzen Proteins. Grün markiert sind die Atome, die im 1H/15N-Spektrum rechts ein Signal erzeugen. Links: Am β2M sind die Regionen markiert, die sich im Spektrum rechts nicht wiederfinden – genau die Stelle, an denen β2M den Kontakt zum „Hauptprotein” herstellt.

Sobald man sich β2M aber gebunden am MHC-Komplex anschaut, kann man fast alle Signale sehen. Wenn das Protein an seinen natürlichen Bindungsstelle im MHC-Komplex bindet, verliert es also seine ausgeprägte Beweglichkeit.

Dass es trotzdem eine Plastizität an dieser Stelle gibt, konnten wir durch den Vergleich von verschiedenen Komplexen zeigen. In Abhängigkeit von MHC-Protein und gebundenem Peptid verändert sich das Signal von Tryptophan an der Position 60 so stark seine Position, dass wir so sogar vorhersagen könnten, um welchen Komplextyp es sich handelt. Das lässt sich nur teilweise durch die unterschiedliche Aminosäuresequenz von MHC-Bindepartner und gebundenem Proteinfragment erklären, es muss subtile Unterschiede in der Struktur geben, die an das β2M durchgereicht werden.

trp-65
Wie verändern sich β2M-Signale, wenn sich in der Bindetasche etwas ändert? Links: Positionen der Signale der beiden Tryptophan-Seitenkettenamide. Tryptophan 95 (W95) bleibt recht unbeeindruckt, schließlich ist es auch sehr weit entfernt und eher in das Innere von β2M orientiert (siehe recht, roter Pfeil). Tryptophan 60 dagegen liegt direkt in der flexiblen Region und reagiert sehr sensibel auf Veränderungen des Hauptproteins bzw., was in der Bindetasche herumliegt. Abbildung links modifiziert nach [1].
Die spannende Frage ist natürlich, ob die gebundenen Proteinfragmente auch die Dynamik des β2M verändern. Bisher haben wir darauf allerdings noch keine Antwort (aber wir arbeiten dran!). Die Frage, ob β2M also wirklich zu Unrecht als Gerüstprotein vernachlässigt wird, bleibt vorerst noch offen: Unsere Daten zeigen aber, dass β2M immerhin so flexibel zu sein scheint, dass es strukturelle Unterschiede wahrnimmt, die recht weit entfernt stattfinden.

 

Literatur

1. Beerbaum M, Ballaschk M, Erdmann N, Schnick C, Diehl A, et al. (2013) NMR spectroscopy reveals unexpected structural variation at the protein–protein interface in MHC class I molecules. J Biomol NMR 57: 167–178. doi:10.1007/s10858-013-9777-z.

2. Hee CS, Beerbaum M, Loll B, Ballaschk M, Schmieder P, et al. (2013) Dynamics of free versus complexed β(2)-microglobulin and the evolution of interfaces in MHC class I molecules. Immunogenetics 65: 157–172. doi:10.1007/s00251-012-0667-4.

3. Baker BM, Scott DR, Blevins SJ, Hawse WF (2012) Structural and dynamic control of T-cell receptor specificity, cross-reactivity, and binding mechanism. Immunol Rev 250: 10–31. doi:10.1111/j.1600-065X.2012.01165.x.

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

10 Kommentare

  1. Was soll das sein, eine “Autoimmunkrankheit”?
    Ich tippte Ebringer in die Suchfunktion ein und bekam Nichts. Nie vom Immunologen Prof. Alan Ebringer gehört, King’s College, London? Der forscht immerhin seit Jahrzehnten (auch) zum Morbus Bechterew…
    Er zeigte, daß offenbar per molecular mimicry eine Kreuzreaktion mit irgendwelchen Antikörpern gegen Klebsiellen stattfindet. Also die Klebsiellen vermindern, um die AK-Produktion herunterzubringen. Das gelang durch eine Diät – Einzelheiten füllen inzwischen “Bücher” bzw. nicht wenige Internetseiten. (Ein Betroffener aus Österreicht hat sich über die Jahre sehr verdient gemacht zu dem Thema, ein Prof. P… – müßte ich neu recherchieren…)

    Dann ungleich bedeutsamer die RA, angeblich fast 1% der Bevölkerung betroffen, Frauen etwa 3x so häufig wie Männer. WENN auch hier eine Kreuzreaktion gegen Bakterien zugrundeliegen würde: welche Infektion ist bei Frauen erheblich häufiger als bei Männern? HWI = Harnwegsinfekte (wegen der kurzen Harnröhre). An erster Stelle der Erreger E.coli: kommt im Darm massenhaft vor, natürlich auch bei Männern.

    An 2.Stelle (oft) P.mirabilis: also höchst simpel nach AK gegen P.mirabilis im Blut von RA-Patienten schauen, natürlich mit Kontrollen. Ergebnis von Prof. Ebringer et al. (ich zitiere aus dem Gedächtnis): Hypothese bestätigt, signifikant, veröffentlicht im LANCET 1985. (Vor fast 30 Jahren!! Aber ignoriert…)

    Seither hat die Ebringer-Gruppe bis in molekulare Details nachgewiesen, daß diese Erklärung der RA als Kreuzreaktion (an einem bestimmten Kollagentyp, der vorwiegend in kleinen Gelenken vorkommt, sofern eine bestimmte erbliche Prädisposition vorliegt) auf Anti-Proteus-AK tragfähig ist. Dementsprechend hat die Gruppe immer wieder – auch per Editorial in Top-Rheumatologen-Zeitschriften – vorgeschlagen, gegen den Proteus-HWI antibiotisch vorzugehen – aber die Rheumatologen denken ganz offensichtlich nicht daran, sich ihr “Geschäftsmodell” zu gefährden: hunderttausende chronisch Kranke werden gebraucht, um die Praxen und Rheuma-Kliniken zu füllen!
    Die wollen ja nicht das Schicksal der Lungenfachärzte erleiden, nachdem es in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts gelang, die Tbc dramatisch zurückzudrängen…

    Ich habe zahllose Rheumatologen (auch “Kompetenznetzwerk”…) angeschrieben / kontaktiert: NULL INTERESSE / RESONANZ!!
    Also versucht man, die Ebringer-Hypothese selbst zu widerlegen (Sir Karl Popper: science advances by disproof, zitiert nach der berühmten “Strong inference”- Arbeit von John R. Platt vor genau 50 Jahren in SCIENCE.
    Dank PubMed kann man ‘zig Millionen wissenschaftliche Arbeiten durchforsten – und stößt so etwa auf den Rheumatologen O’Dell aus Nebraska, der Ende der 90er Jahre Minocyclin bei frischer RA prüfte – mit fast durchschlagendem Erfolg!! O’Dell angeschrieben… – nein, die Ebringer-Arbeiten kenne er nicht. Ebringer angeschrieben: keine Antwort… (O’Dell in späteren Arbeiten: es handele sich um eine MMP-Hemmung – die Ebringer-Hypothese / -Ergebnisse unterschlägt er einfach!! Das ist med. “Wissenschaft” zu Beginn des 21. Jahrhunderts, einfach AB-AR-TIG!

    Ich habe es in Foren und sonstwo “kundgetan”: es interessiert offensichtlich niemand! Auch sogenannte “Gesundheits”-PolitikerInnen nicht! (Typischerweise bekommt man keinerlei Antwort, wenn man die anschreibt…)
    Also immer weiter versucht, selbst einen Fehler in der logischen Argumentationskette zu finden (wäre ja vorstellbar, manchmal “steht man auf dem Schlauch”…). Die RA wird mit einem gewissen Erfolg mit zytotoxischen Arzneimitteln wie MTX oder Leflunomid behandelt (sog. “Basistherapie” oder DMARDs, disease modifying anti-rheumatic drugs): wie ist das erklärbar?
    Nun, ganz einfach (jedenfalls so sehe ich das): Bakterien = Zellen, also werden zytotox. AM nicht selten auch antibakteriell wirken. (Ich kann jetzt nicht die Einzelheiten von Stunden entsprechender Recherchen verteilt über Jahre reproduzieren…)
    Der Vorteil guter antimikrobieller Arzneimittel ist, daß sie recht gezielt auf Krankheitserreger wirken und den Wirt / Kranken schonen. Aber diese grandiose Errungenschaft des 20. Jahrhunderts wird den vielen Millionen RA-PatientInnen weltweit vorenthalten!

    Ich setzte die Argumentation sehr gerne mit der MS fort, meinem “Lieblingsthema”, wo der der IRRSINN des “Autoimmun”-Konzepts schon durch reines Nachdenken aufzuzeigen ist. Aber für den Moment erst einmal genug.

    • Was konkret wollen Sie von mir wissen?

      Ich bin an den der Erkrankung zugrundeliegenden molekularen Mechanismen interessiert. Dafür untersuchen wir das “arthritogene Gen” HLA-B2705 mit Hilfe von NMR-Spektroskopie, weil diese Methode Daten über Mobilitätsparameter auf atomarer Ebene liefert. Wir vergleichen es mit dem Subtyp B-2709, von dem keine eindeutigen AS-Fälle bekannt sind.

      Sie sehen sicher ein, dass ein Blogartikel kein Review sein kann und nicht alle Aspekte hier Platz finden können, darunter die Epidemiologie, die Unmasse klinischer Berichte, die zahlreichen genetischen Assoziationsstudien (inkl. die ganz neuen, u.a. zu anderen Risikofaktoren wie ERAP1-Polymorphismen), Therapieansätze, Fortschritte in der Radiologie, andere B27-Subtypen, etc. Dafür gibt es zum Beispiel Sammelbände wie Adv Exp Med Biol 649 von 2009. Dass Klebsiella oder andere Umweltfaktoren Auslöser für AS sein können, wird seit Jahrzehnten diskutiert und ist sicher nicht vom Tisch, das Problem ist allerdings: „Observations regarding Klebsiella have been controversial and difficult to replicate“ (Rosenbaum JT, Davey MP (2011) Arthritis Rheum 63: 3195–98). Dass es eine Rolle des Immunsystems gibt, es IMO recht unstrittig, ich finde die Ergebnisse von Sorrentino und Fiorillo recht überzeugend.

      An einer Diskussion von MS bin ich nicht interessiert, davon habe ich überhaupt gar keine Ahnung.

  2. Sie schreiben von “molekularen Ursachen bestimmter Autoimmunkrannkheiten” (hier sicherlich die ankylosierende Spondylitis, “Bechterew” gemeint): Ich frage, was das sein soll, eine “Autoimmunkrankheit”.
    Zu Ihrem Blog schreiben Sie: “Traditionell befasst sich „Detritus“ mit Themen rund um den Wissenschaftsbetrieb und das akademische Publikationswesen, aber auch Pseudowissenschaft, und Mythen rund um Ernährung und Gesundheit und dem Versagen der Medien, wissenschaftliche Sachverhalte adäquat zu erklären.” Daraus schließe ich, daß Sie etwas gegen Pseudowissenschaft und Mythen in Gesundheitsdingen haben und einen Beitrag dazu leisten wollen, wissenschaftliche Sachverhalte adäquat zu erklären.

    Ich beschäftige mich seit mehr als 2 Jahrzehnten intensiv mit sogenannten “Autoimmunerkrankungen” (Beispielsweise früher in Lehrveranstaltungen für Medizinstudierende zur Rheumatoiden Arthritis) und halte den Begriff “Autoimmunkrankheit” für einen Mythos, der seit inzwischen wohl mehr als einem halben Jahrhundert entscheidenden Fortschritt bei dieser großen und ziemlich heterogenen Krankheitsgruppe blockiert.
    Ich finde es bedenklich, daß Sie als junger Naturwissenschaftler diesen Begriff offenbar unhinterfragt übernehmen, möchte Sie zum Nachdenken anregen. Ich hoffe, wir sind uns einig, daß öffentlich finanzierte Forschung zu Ursachen und Mechanismen von Krankheiten Wahrheit und Fortschritt für die Betroffenen bringen sollen.

    Ich habe gestern seit langen ‘mal wieder den “Leuchtturm-Artikel” von John R. Platt “Strong Inference” gelesen, der vor (knapp) einem halben Jahrhundert in SCIENCE erschien: http://pages.cs.wisc.edu/~markhill/science64_strong_inference.pdf
    Der Physiker Platt nimmt hier ganz speziell auf die damals junge “molekulare Biologie” Bezug, und ich denke, daß es Zeit wird, seine Anregungen endlich in die Tat umzusetzen.
    Er berichtet, daß mitunter Jahrzehnte ohne wirkliche Fortschritte vergehen, weil Glauben, nicht Wissenschaft die Agenda prägt. So ist es mit dem total schwammigen Glaubensinhalt “Autoimmunkrankheit”: Das muß endlich ein Ende haben.

    Der Immunologen Ebringer hat für die beiden Krankheiten “Bechterew” und mehr noch die Rheumatoide Arthritis / RA die Alternativ-Hypothese INFEKTIONSKRANKHEIT mit Fernwirkung von antibakteriellen Antikörpern auf Gelenkstrukturen glaubhaft gemacht (übrigends nicht als erster: das Konzept “reaktive Arthritis” ist älter), womit für mich das Autoimmunkonzept nicht nur für diese beiden Krankheiten, sondern insgesamt unglaubwürdig / mehr als zweifelhaft geworden ist. (Am Beispiel der MS könnte ich Ihnen das noch leichter demonstrieren, aber daran sind Sie nicht interessiert.)

    Wenn Sie Interesse daran haben, den von den genannten Krankheiten Betroffenen zu helfen, dann sollten Sie sich damit beschäftigen, was das für Antikörper sind, die an das von Ihnen genauer untersuchte B27-Epitop binden. Laut Ebringer und Mitarbeiter sind diese AK eigentlich gegen im Körper vorhandene Mikroorganismen gerichtet (Konzept der reaktiven Arthritis) und binden wegen “molecular mimikry” an körpereigene Strukturen beim Vorliegen einer erblichen Prädisposition, B2705, korrekt? (Wenn ich das richtig verstehe, haben die Mikroorganismen durch das Ausbilden humaner Epitope einen Vorteil: sie tarnen sich auf diese Weise gewissermaßen – das ist es ja wohl, was mit Mimikry gemeint ist.)

    Sobald diese Sicht der Dinge akzeptiert wird, verschiebt sich das therapeutische Interesse von sogenannter “Immunmodulation” (oder noch “primitiver” Schmerz- und Entzündungs-Dämpfung) hin zur Bekämpfung der eigentlichen Ursache, nämlich der jeweiligen Infektion. Bei der RA ist das ziemlich unproblematisch, weil P.mirabilis in den Harnwegen nichts verloren hat und durch geeignete antimikrobielle Substanzen (die etwa im Urin konzentriert ausgeschieden werden) eliminiert werden kann.
    Die Klebsiellen dagegen sitzen vorzugsweise im Darm, der physiologischerweise von Billionen Mikroorganismen besiedelt ist. Aber auch hier haben Ebringer et al. eine Lösungsmöglichkeit vorgeschlagen und erfolgreich getestet, nämlich eine Diät, die zwar nicht einfach umzusetzen ist, aber diejenigen, die das schaffen, offenbar weitgehend von ihren Krankheitserscheinungen befreit. Als Beispiel (es gibt weitere):
    http://bechterew-alternative.de/

  3. Mir ist nicht recht klar, welche Ziele Sie verfolgen. Ich sehe unendliches Leid durch sogenannte “Autoimmunkrankheiten”, nicht zuletzt auch die gigantischen Kosten (ärgere mich jeden Monat über meinen horrenden KV-Beitrag). Mir kommt es darauf an, endlich die Ursachenfragen zu klären, als Basis für KAUSAL-Therapien, letztlich Prävention. (Ähnlich, wie die medizinische Revolution ab Ende des 19. Jahrhunderts mit Pasteur, R.Koch usw. ablief.)

    John R. Platt, “Strong Inference…”, 5.Seite links: “… a theory is not a theory unless it can be disproved. That is, unless it can be falsified by some possible
    experimental outcome.”
    Das Autoimmunkonzept ist keine Theorie, sondern ein diffuses Glaubensgebäude. Es ist wie ein Pudding, der bekanntlich nicht an die Wand genagelt werden kann. Es ist eine “Kulturschande”, daß es im entsprechenden Wikipedia-Artikel nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird – demonstriert das unterirdische Niveau heutiger “Wissenschaft”.

    Findet man irgendetwas, was sich widerlegen ließe? Ja: eine Richtung behauptet etwa, daß Frauen grundsätzlich anfälliger wären als Männer. Das Goodpasture-Syndrom gilt als Autoimmunkrankheit und ist bei Männern definitiv erheblich häufiger: Spekulation WIDERLEGT!! Aber die Wikipedia-Schmierfinken scheint das nicht zu beeindrucken (ganz zu schweigen von den beiden großen bunten BILD-Zeitungen der sogenannten Wissenschaft).
    Roland Martin wies in einer Übersicht nachdrücklich darauf hin, daß sich das Geschlechtsverhältnis bei der MS seit Jahrzehnten zu den Frauen hin verschiebe. In “grauer Vorzeit” lagen eher die Männer vorne, bei der primär progressiven MS ist das wohl immer noch der Fall. Bei der häufigen schubförmigen MS dageben überwiegen die Frauen inzwischen bis etwa zum Faktor 3. Sämtliche Überlegungen / Arbeiten zur angeblich generell höheren Betroffenheit der Frauen sind für den MÜLL!

    Wikipedia behauptet: “Da die Ursachen von Autoimmunerkrankungen nicht bekannt sind, ist keine kausale Therapie möglich.”
    Eine derart diffuse Behauptung ist der reine Schwachsinn. Die entscheidende exogene Ursache der MS beispielsweise wurde vor mehr als 80 Jahren von dem (damaligen) Heidelberger Neuropathologen Prof. Gabriel Steiner glasklar nachgewiesen. (Kurz danach wurde er als Jude aus seinem Amt geworfen – und die Neurologen ignorieren seine “jüdische Wissenschaft” bis heute…)
    Nach Steiner handelt es sich um eine Neuroborreliose, übertragen durch Zecken (Übersichten von 1922 und 1931, Monografie “Die multiple Sklerose”, Springer Verlag 1962.) Die Neuroborreliose ist selbstverständlich mit geeigneten ZNS-gängigen Anti”biotika” wie Mino- oder Doxycyclin KAUSAL behandelbar. (G.Steiner war es offenbar noch nicht klar, daß es neben der MS mit ausgeprägter Demyelinisierung auf Basis einer entsprechenden erblichen Disposition auch eine (oft) weniger schwer verlaufende Neuroborreliose gibt.)

    Die RA beruht laut A.Ebringer et al. auf einem P.mirabilis-HWI, auf der Grundlage einer erblichen Prädisposition. Der Immunologe Ebringer (vermutlich ohne eigene Patienten) fordert seit sicherlich 2 Jahrzehnten, entsprechende Studien mit geeigneten Anti”biotika” durchzuführen. Was er nicht zu wissen scheint: solche Studien gibt es längst (v.a. O’Dell et al.), erfolgreich, wie bei der MS mit Mino- und auch Doxycyclin.
    Der “Bechterew” ist durch eine Diät unter Kontrolle zu bringen, die auf das Zurückdrängen von Klebsiellen im Darm zielt…

    Das Autoimmunkonzept ist “schwachsinnig”, ein Glaubensgebäude, hat mit Wissenschaft nichts zu tun (vgl. die zitierte Arbeit von John R. Platt, SCIENCE 1964).
    Wer sich Wissenschaftler nennen will, sollte sich davon verabschieden und bitte jede einzelne Krankheit separat betrachten, analysieren. Was macht es beispielsweise für einen Sinn, die MS und die RA “in einen Topf zu werfen”? Die MS ist per Definition asymmetrisch, die RA symmetrisch verteilt. Indem man diesen grundlegenden Unterschied zur Kenntnis nimmt, sucht man die entscheidende Ursache der MS in den Krankheitsherden im ZNS (wie von G.Steiner vor mehr als 100 Jahren zielstrebing angegangen), die Ursache der RA dagegen zum Beispiel dort, wo Frauen erheblich häufiger eine Infektion haben als Männer, nämlich in den Harnwegen (vgl. A.Ebringer et al.).
    NUR SO sind Fortschritte zu erreichen! Durch logisches Denken, Argumentieren, Handeln, nicht durch Autoimmun-Beschwörungstänze.

    • Sie können sich sicher denken, wie viel Lust ich habe, mich auf eine Diskussion mit Ihnen einzulassen. Bitte tragen Sie Ihren heiligen Krieg gegen die Verschwörung der Autoimmunerkrankungen woanders aus.

      • War John R. Platt mit seinem SCIENCE-Artikel vor 50 Jahren (der generell als bedeutsam eingestuft wird) auch ein “Verschwörungs-Theoretiker”? Er fordert, daß Hypothesen bzw. Theorien falsifizierbar sein müssen: Ihre Meinung dazu?

        Ich habe Sie gefragt, was Sie unter “Autoimmun-Krankheit” verstehen: wären Sie so freundlich, diese Frage zu beantworten? Sie verwenden den Begriff, stufen sich mit Ihrem Blog als Wissenschaftler ein – also sollten Sie mir doch auf wissenschaftlichem Niveau erklären können, was das sein soll, eine “Auto-Immunkrankheit”?
        (Es bedarf offensichtlich einer genetischen Prädisposition, aber es handelt sich nicht um eine typische Erbkrankheit, die intrauterin oder im Kindesalter beginnt. Dann gibt es noch erbliche Speicherkrankheiten, die durchaus Jahrzehnte benötigen können, um manifest zu werden, wie etwa die recht häufige Hämochromatose. Auch dieser Typ ist sicherlich auszuschließen.)

        Bei der MS (über die ich am meisten weiß) liegt die Konkordanz bei eineiigen Zwillingen nach neuesten Zahlen vom Karolinska-Institut aus Schweden, Herbst 2013, bei nur knapp 17%. EZ sind erbgleich – es ist “150”% klar, daß mindestens eine ÄUSSERE Ursache entscheidend sein muß.
        Das war auch vor mehr als 100 Jahren schon klar, und Gabriel Steiner hat diese Ursache bis ca. 1931 geklärt: offensichtlich eine Neurospirochätose, übertragen durch Zecken.
        Zumindest seine Übersichtsarbeit von 1931 dürfte in einer Bibliothek in Berlin vorhanden sein, kann man neuerdings auch als Reprint kaufen (ich zögere noch, die 50€ zu investieren), auf verschiedenen Internetseiten sogar Teile davon lesen. Seine Übersichtsarbeit von 1922 habe ich vor Jahren teuer antiquarisch gekauft, gleichfalls sein Buch von 1962.
        Steiner war Professor der hochangesehenen Uni Heidelberg (heute “Elite-Uni”) und veröffentlichte etwa im gleichfalls hochangesehenen Springer-Wissenschaftsverlag: Verschwörung?

        MS, RA, AS gelten als typische “Autoimmunkrankheiten”. Ich habe Ihnen Belege aus der wissenschaftlichen Literatur für eine jeweils zugrundeliegende Infektion geliefert, einschließlich darauf fußender / damit begründbarer (Kausal-)Therapien.
        Sehe ich das falsch, daß damit das Autoimmunkonzept (nach John R. Platt sicherlich als Glauben einzustufen) nicht länger haltbar ist?

        Die Immunabwehr richtet sich gegen Infektionen, körpereigene Strukturen reagieren als Nebeneffekt mit. Sobald dies akzeptiert wird, muß nicht mehr das Immunsystem “bekämpft” werden, sondern die zugrundeliegende aktive Infektion.
        Damit können wir an die Revolution der Medizin anknüpfen, die Ende des 19. Jahrhunderts von Pasteur, R.Koch und anderen in Gang gesetzt wurde. Gabriel Steiner schloß ca. 1906 offenbar direkt an die späte Entdeckung des Syphilis-Erregers 1905 durch Schaudin an, wurde aber 1933 durch die Nazis ausgeschaltet und wird bis heute durch die Neurologen & Co einfach ignoriert. (A. Ebringer et al. werden durch die Rheumatologen ignoriert.) Wissenschaft sieht anders aus, oder sind Sie da unterschiedlicher Auffassung?

        Ich verstehe, daß Sie wenig “Lust” haben, darüber zu diskutieren. Aber wenn Sie behaupten, ich würde einen “Krieg” führen, wenn ich lediglich auf eine wissenschaftliche Diskussion dränge, dann sagt das ziemlich viel darüber aus, wie Sie Wissenschaft verstehen, angehen. Ich empfehle Ihnen als “Therapie” die Vorschläge von John R. Platt in SCIENCE vor 50 Jahren:
        http://pages.cs.wisc.edu/~markhill/science64_strong_inference.pdf
        Auch das Standardwerk der Wissenschaftssoziologie von Thomas S. Kuhn, “Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen”, könnte hilfreich sein, als Suhrkamp-Taschenbuch preisgünstig zu erwerben.

        • Halten Sie diese Art der „Diskussion“ wirklich für zielführend? Ich verstehe, dass Sie irgendeine Art von Frust loswerden müssen, aber Hand auf’s Herz: Wie erfolgreich waren Sie bisher mit dieser aggressiven Art, „Diskussionen“ anzuzetteln?

          Um ihre Frage zu beantworten, was ich persönlich für eine Autoimmunerkrankung halte: eine Reaktion des Immunsystems gegen Autoantigene. Dass es so etwas gibt, halte ich nicht für weit hergeholt. Im Fall von HLA-B:27*05 wäre es denkbar (Hypothese!), dass sich B*27:05 in der Peripherie anders als 27:09 verhält und dass die Eliminierung von self-reaktiven T-Lymphozyten im Thymus „leaky“ ist im Falle von 05. Für AS ist meines Wissens nicht zweifelsfrei belegt, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, man versteht die zugrundeliegenden Mechanismen nicht. Man kennt für AS nur genetische Risikofaktoren in Form von Polymorphismen etwa in ERAP1 und HLA-B aus Assoziationsstudien, es existieren auch alternative Erklärungsansätze, die sich auf die Biochemie der Komplexe beziehen (die Fähigkeit, mit dem ungepaarten Cystein 67 Dimere zu bilden, die Neigung zu Fehlfaltungen von 2705, die ich bei meinen Proben auch sehe, was toxische Effekte in Zellen hervorruft, etc).

          Ich untersuche lediglich die Unetrschiede in der Dynamik von zwei Proteinen, die genetisch unterschiedlich mit AS assoziiert sind. Ob dabei die Interaktion mit TCRs überhaupt eine Rolle spielt, ist nicht klar. Die Ergebnisse von Maria Fiorillo und Rosa Sorrentino zeigen aber folgendes: aus B2705-positiven Patienten und B2709-Trägern gewinnt man CD8+ Lymphozyten, die gegen das Eppstein-Barr-Virus-Antigen pLMP2 im 05 als auch im 09-Kontext reagieren. Die CTLs von B2705-positiven zeigen eine starke Reaktion gegenüber dem pVIPR-self-Antigen, wieder in beiden Kontexten. Die CTLs aus 09-positiven Gesunden zeigen keien Reaktion gegen das Self-Antigen. Das ist ein Indiz, dass es so etwas wie molekulares Mimikry oder ein „arthritogenes Peptid“ geben und dass es für AS relevant sein könnte.

          Danke übrigens für den interessanten Platt-Artikel. Kuhn ist bekannt, aber in seiner Vagheit kaum zu widersprechen.

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