Beda Stadler über Gentechnologie und Vernunft (Video)

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Dieser Eintrag ist schamlos aus dem Esowatch-Blog geklaut, die es von Achter haben: Ein einstündiger Vortrag von Beda Stadler, den er am 17. Mai vor den schweizer Freidenkern gehalten hat. Ihr erinnert euch, das ist der Typ, der schon bei der skandalösen „Hart, aber Fair“-Sendung gegenüber dem Wundermittel Regividerm sehr ordentlichen Tacheles geredet hat.

Er spricht über genetische und gentechnische Manipulation, und bewertet die derzeitige Hysterie um gentechnisch veränderte Lebensmittel, indem er Parallelen zur Jahrtausende währenden Züchtung zieht, durch die unsere Nahrungspflanzen ertragsreicher, gesünder, weniger allergen und weniger giftig, oder überhaupt genießbar geworden sind. Ein Beispiel, das mehrmals im Vortrag auftaucht und mir besonders gut gefällt, ist der Weizen. Wie man in der englischen Wikipedia nachlesen kann, liegt das Genom vieler unserer heutigen Weizensorten mehrfach vor und stammt von dem wilden Emmer Triticum dicoccoides ab. Der wilde Emmer ist aber selbst schon das Ergebnis einer Hybridisierung zwischen zwei Wildgrasarten, nämlich T. urartu und einem unbekannten Gras aus der Gattung Aegilops. Ein Überschreiten der Artgrenze fand lange vor der Domestizierung statt, und ist das Resultat von natürlicher Selektion! Und die hexaploiden Weizensorten, die also drei doppelte Chromosomensätze besitzen, haben noch ein zusätzliches Chromosomenpaar aus Aegilops cylindrica dazubekommen.
Und das wichtige Futtergetreide Triticale ist eine Kreuzung aus Weizen und Roggen. 
Auf jeden Fall ist der einstündige Vortrag sehr sehenswert, auch wenn Beda Stadler es sich nicht nehmen lässt, sich über sein Gegenüber lustig zu machen. Allzu dünnhäutige Gentech-Gegner sollten sich den Vortrag also vielleicht nicht ansehen.

Teil 1:
 

Teil 2:

Teil 3:

Teil 4:

Teil 5:

Teil 6:

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

11 Kommentare

  1. Fefe

    Moin,

    Du wurdest bei Fefe verlinkt. Das dürfte deine Besucherzahlen explodieren lassen. Da unter dem Leserkreis von Fefes Blog mit großer Sicherheit sehr viele der “dünnhäutigen” Gentechnikgegner sind, wird hier bestimmt noch einiges losgehen… 😉

  2. Der Mob ist ja dann erfreulicherweise doch friedlich geblieben. Villeicht, weil ich hier nur interessanten Fremdcontent wiedergekäut habe? Kotzen die sich vielleicht im Youtube-Channel aus? 🙂

  3. Vermutlich haben die sich das nicht näher angesehen. Der gute Mann diskutiert ja so sauber an sämtlichen Kritikpunkten vorbei, dass es nicht wirklich Sinn macht, auf irgendeines seiner Argumente einzugehen. Im 4. Teil hatte er mich fast soweit, abzuschalten.

    Oder aber (was mir lieber wäre): Fefe-Leser sind aufgeklärt genug, um den Unterschied zwischen normaler grüner Gentechnik und rein kommerzorientiertem rumgepfusche gewisser Konzerne mit großem M am Anfang zu kennen. Und wenn man das tut, braucht man diesen Vortrag nicht mehr…

  4. @Sebastian

    Ich halte seine Herangehensweise für absolut gerechtfertigt, weil er die üblichen Vorurteile der typischen ahnungslosen Gentech-Gegner auseinander nimmt.

    Was, denkst du, sind denn die konkreten Kritikpunkte an der kommerzialisierten grünen Gentechnik von Monsanto, Bayer oder BASF? Kochen die nicht auch nur mit Wasser, wie wir in unseren Laboren?

  5. @Martin

    Ich für meinen Teil bin ja der Meinung, dass niemand ernsthaft gegen Projekte wie die Bananen-Rettung aus Deinem anderen Beitrag vom 1.10. oder die von Stadler auch kurz erwähnten Forschungen zum Reis klimaerwärmungsfest machen sein kann. Oder künstliches Insulin.
    Von daher: ja, diverse Ökospinner halte ich da durchaus für Spinner.

    Auf der anderen Seite erlaube ich mir mal ein paar Fefe-Links der letzten Tage, die das Problem schon recht gut illustrieren: http://blog.fefe.de/?ts=b25a5dca und http://blog.fefe.de/?ts=b25a71ae.
    Links zu Bestrebungen, (natürlich vorkommende) Gensequenzen zu patentieren suche ich jetzt mal nicht raus.
    Stadler führt im 4. Video Zulassungsverfahren an, die uns vor toxischen Bestandteilen schützen sollen (nur um kurze Zeit später gegen diese zu wettern). Aber was passiert? Mit genug Geld kriegt man alles zugelassen; das hat Monsanto oft genug bewiesen. Ich muss sagen, BASF hat da durchaus weniger schlechte Presse. Ob das jetzt daran liegt, dass sie sorgfältiger Arbeiten, oder einfach bessere PR haben, kann nicht nicht sagen.
    Dazu kommt, dass Monsanto (ja, man merkt ich hab’ die gefressen…) eben nicht das gleiche tut wie “ihr” in euren Laboren. Das wäre ja viel zu aufwendig und erst recht zu teuer. Gut, man kann jetzt keiner Firma vorwerfen, Geld verdienen zu wollen. Aber dieses “so billig wie nur geht; Nebenwirkungen? Bezahlen wir mal ‘ne Studie!”, ohne eben so gezielt zu arbeiten wie das die Wissenschaft tut, das erzeugt mit Sicherheit einen großen Teil des schlechten Rufes der gesamten Gentechnik”branche”.

    In kurz: nicht die Gentechnik ist das Problem, sondern Konzernmonopole. Jedenfalls für mich…

  6. @Sebastian

    Ich denke, in einigen Kernpunkten stimmen wir weitestgehend überein. Gentechnologie ist ein Werkzeug von vielen, das man für bestimmte Zwecke benutzen kann und auch sollte. Ich denke auch, dass intensives Lobbying durch Großkonzerne oder auch NGOs letztendlich schädlich für die Bürger sein kann. Genpatente sind sicher ebenfalls ein Problem.

    Die Zulassungsverfahren haben sicher Optimierungspotential. Zumindest in der EU sind sie langwierig und teuer, dass sich praktisch nur große Konzerne so etwas leisten können. Außerdem ist der Prozess intransparent, sodass man im Grunde auf die zulassenden Institute und Behörden vertrauen und verlassen muss. Die Auffassung, dass man die Zulassung „kaufen“ könnte, teile ich aber nicht. Allein, dass man mehr als 10 Jahre immer wieder neue Daten über Amflora gefordert hat, scheint mir ein Indiz zu sein, dass die EFSA nicht zimperlich mit den Konzernen umspringt.

    Den Konzernen stehen auch keine anderen Methoden zur Erbgutveränderung zur Verfügung, als anderen auch. Die verwenden da Standardmethoden.

    Mit Fefes Links zum Thema habe ich aber definitiv ein Problem (das hab ich ihm geschrieben, was dann die Flutwelle hier im Blog zur Folge hatte). Er hat keine Ahnung vom Thema, übertitelt seine Zitate aber als „Horrorschocker“, ignoriert dabei die Toxikologie von Glyphosat/Roundup und Bt-Toxin und stellt die üblichen Transformations-Verfahren mit Bacillus thuringiensis indirekt als problematisch dar.

    Er verlinkt dann auch noch auf einen Blogpost über die Untersuchungen von Vendomois und Seralini (die mit den „gruseligen Effekten“ in Nagern: Vendomois/Seralini 2009 und Seralini 2007), über die ich hier schon diskutiert habe.

    Die Arbeiten wurden von vielen Seiten, unter anderem wegen der ungewöhnlichen statitischen Verfahren kritisiert: Das BVL hat zu dieser früheren Arbeit eine Stellungnahme abgegeben, wie auch das unabhängige Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Antwort zur von Monsanto selbst (zur neueren Arbeit) sind hier zu finden. Der erste Kommentar unter dem von Fefe verlinkten Blogpost fasst das ganz gut zusammen:

    de Vendomois’ statistics are poor and not applicable to the Monsanto research data they used. The funding for their research was also funded in its entirity by Greenpeace. You have to ask yourself why Greenpeace/de Vendemois used the statistical approach they did knowing its flaws (as pointed out to them by the European Food Safety Authority in 2007). A cynic would suggest they conspired to use whatever method appeared to shed a negative light on GM crops. Would this collaboration have published truly independant research that showed no difference in toxicity between GM and Non-GM plants?
    I’m no fan of multinational corporations profiting from our basic food needs, but the dodgy, deceitful and blindly prejudiced approaches used by NGOs such as Greenpeace as part of their scaremongering campaigns is far worse than the in-house research by companies like Monsanto as far as I can see.

  7. @Laborsklave

    Hi Laborsklave,

    das viel gescholtene industriell vermarktete Saatgut wird meist als Vorteil angesehen, wie Maulwurf hier anmerkt, sind die Bauern nicht so blöd, wie man sie immer darstellt. Sterile Pflanzen sind in der Regel auch ein Zugeständnis an die Biosicherheit, denn sterile Pflanzen können ihr verändertes Erbgut nicht auf fremde Pflanzen übertragen.

    Der Fall Percy Schmeiser wird zwar immer wieder als Vorzeigebesipiel gebracht, ist aber laut der Urteilsbegründung etwas anders, als es meist dargestellt wird. Hier gibt es einen aufbereiteten Artikel zum Prozess. Er hat nämlich, nachdem in der Tat etwas Roundup-Ready-Raps auf einem seiner Felder wuchs, 3 Morgen Raps komplett mit Roundup totgespritzt, um die Monsanto-Pflanzen zu finden. Die daraus gewonnen Samen hat im nächsten Jahr auf mehr als 1000 Morgen ausgesät und mit Roundup gespritzt, schließlich wurden auch 95%-98% seiner Pflanzen als „Roundup-Ready“ indentifiziert. Er hat dafür keine Lizenzgebühren an Monsanto gezahlt. Kein Wunder also, dass die Firma dagegen vorging. Schmeiser wurde daraufhin in 2001 als schuldig befunden und die Berufung wurde zurückgewiesen.

    Klar hätte Monsanto auch ein Auge zudrücken können oder ein fairen Vergleich anstrengen, aber im Recht waren sie.

    Die Wiederaussaat von Saatgut von Sorten, die dem gesetzlichen Sortenschutz unterliegen, ist hierzulande übrgens auch verbiten: Das alleinige Vermehrungsrecht liegt bei dem Hersteller das Saatguts. Der hat schließlich einiges an Geld in die Entwicklung gesteckt und will daran auch verdienen.

  8. @Laborsklave & @Martin

    Laborsklave:
    Danke, dein Beitrag enthält noch ein paar Sachen die ich so nicht mal erwähnt hatte. Für diese Kurzfassung gleich mal ein Bookmark gesetzt, falls man das mal in einer Diskussion braucht!

    Martin:
    gut, wer solche Studien finanziert ist natürlich immer wichtig zu beachten. Es gibt einfach keine wirklich unabhängigen Stellen; Greenpeace ist da auch nicht anders als ein Konzern, der seine Produkte gut dargestellt sehen will. Nur halt andersrum.
    Ich bezog mich beim verlinkten allerdings auch eher auf das, was dann zitiert wurde (die RoundUp-Anreicherung). Kein eigentlicher Seiteneffekt der Gentechnik, aber gewolltes/in Kauf genommenes Übel des Zieles “Wir möchten mehr RoundUp verkaufen”. Und gegen solche Vorgehensweise darf man dann schon kämpfen.

  9. Wissenschaft und Politik

    Sein biowissenschaftliches Wissen in allen Ehren, aber Hunger ist ein politisches Problem, kein gentechnisch-wissenschaftliches. Schuster, bleib bei Deinen Genen.

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