Steirischen Krähen geht’s an den Kragen

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Wissenswertes aus der Vogelwelt
Der Nesthocker

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Im Juni 2011 wurde im steirischen Landtag eine Novelle des Naturschutzgesetzes beschlossen. Seitdem bedarf es zum Abschuss von Krähen, Raben, Graureihern und Kormoranen nicht mehr einer Einzelgenehmigung der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft, sondern die Landesregierung kann im „Bedarfsfall“ den Abschuss der Vögel verordnen. 2011 wurden insgesamt 35.000 Krähen zum Abschuss freigegeben und seit letzten Samstag stehen wieder 17.000 auf der Abschussliste. Die Grünen, die KPÖ sowie Tier- und Umweltschützer kritisieren das Vorgehen der steirischen Landesregierung und sprachen sich gegen die verordnete Bejagung der landwirtschaftlichen Schädlinge aus.

Dem Agrarlandesrat Johann Seitinger von der ÖVP, der selbst auch Besitzer eines Jagdscheins ist, ist das noch immer zu wenig. Er will nicht nur die oben genannten Vögel bejagen, sondern auch Eichelhäher und Elstern zum Abschuss freigegeben sehen.

Aber was ist überhaupt davon zu halten, dass Krähen (hauptsächlich Nebel- u. Rabenkrähen) und andere Vögel in so großer Zahl zwecks Schadensbegrenzung in der Landwirtschaft getötet werden? Es existieren weder zuverlässige Bestandszahlen, noch lässt sich genau sagen, wie groß die durch die Vögel entstandenen Schäden tatsächlich sind. Die meisten der zum Abschuss freigegeben Vögel sind nicht einfach nur lästige Schädlinge, sondern spielen auch selbst in ihrer Eigenschaft als Insektenfresser eine Rolle in der Schädlingsbekämpfung. Und dann stellt sich natürlich noch die Frage, warum man die Vögel nicht mit alternativen Methoden bekämpft und vom Acker fernhält.

Neben der Bestandsreduzierung durch Bejagung gibt es ja eine Reihe anderer wirkungsvoller Vertreibungsmaßnahmen und auch anbautechnische Lösungen, um die landwirtschaftlichen Schäden gering zu halten. Intelligente Vögel wie Krähen lassen sich von einer einfachen Vogelscheuche nicht so leicht abschrecken. Sie erkennen schon nach kurzer Zeit, dass es sich dabei um keine ernstzunehmende Gefahr für sie handelt. Akustische Warnsignale ihrer Artgenossen abzuspielen ist da schon eine wirkungsvollere Methode. Zur erfolgreichen Vergrämung empfiehlt sich die Kombination verschiedener Abwehrmaßnahmen. Optische und akustische Warnsignale, anbautechnische Maßnahmen und Einzelabschüsse sollten eigentlich vollkommen ausreichen.

Die alternativen bzw. weniger brutalen Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung sind aber in den meisten Fällen mit geringen Kosten verbunden. Die Vögel in großer Zahl zum Abschuss freizugeben ist eindeutig die billigste Methode. Ob sie auch wirkungsvoll ist, das wage ich zu bezweifeln. Während Einzelabschüsse im Rahmen eines Schädlingbekämpfungskonzepts Wirkung zeigen, gelten Versuche den Bestand durch Bejagung über einen längeren Zeitraum gering zu halten als nicht besonders erfolgversprechend. Vielleicht sollte sich die steirische Landesregierung mal beim österreichischen Bundesheer in Sachen „nicht-letale Vergrämung“ informieren. Die haben ja bekanntlich einige Erfahrung damit.

Interessieren würde mich auch, wer die Anzahl der zum Abschuss freigegebenen Vögel bestimmt und ab welchem finanziellen Schaden Bedarf nach einer solchen Freigabe besteht? Da habe ich ehrlich gesagt keine Ahnung, aber ich gehe davon aus, dass diese Entscheidungen eher nach wirtschaftlichen, und nicht nach ökologischen Kriterien getroffen werden. Ich bezweifle außerdem, dass alle den Vögeln zugeschriebenen Schäden auch wirklich auf sie zurückzuführen sind – das lässt sich ja schließlich nicht genau beurteilen und liegt wohl im Ermessen der geschädigten Bauern. Bei so vielen zum Abschuss freigegeben Vögeln ist außerdem zu befürchten, dass ein Jäger auch mal versehentlich eine Art schießt, die eigentlich gar nicht auf einer Abschussliste steht.

Wie intelligent die Vögel sind, die den Landwirten das Leben schwer machen, das dürfte sie selbst und die Jäger vermutlich nur in geringem Ausmaß interessieren. Mich hingegen freut es nicht sonderlich, dass man so intelligente Tiere wie Raben und Krähen zwecks Wirtschaftlichkeit in so großer Zahl zum Abschuss freigibt. Besonders kreativ ist diese Form der Problembewältigung jedenfalls nicht, das ist zumindest mein Eindruck. Eure Meinung zu den verordneten Abschüssen und der Vertreibung landwirtschaftlicher Schadvögel würde mich natürlich auch interessieren.

Bild: Richard Bartz (CC BY-SA 2.5)

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Veröffentlicht von

Ich studiere Biologie in Wien und bin ein leidenschaftlicher Vogelbeobachter und Hobbyornithologe.

8 Kommentare

  1. Komplettabschuss

    Josef H. Reichholf hatte mal vor 2 oder 3 Jahren ein Buch über diese Vögel geschrieben und dort auch eine Studie geschildert. Habe das Buch gerade nicht zur Hand, daher aus dem Gedächtnis:

    Im Saarland wurde mal der komplette Abschuss all der in Deinem Artikel ebenfalls erwähnten Vögel erlaubt, um zu beobachten, was passiert. Die Erkenntnis dieses Versuches war, dass es immer mehr Vögel gab und nicht weniger, die Idee ist also völlig nach hinten losgegangen. Warum sollte das hier anders sein?

    Das lag wohl an der Lebensstruktur der Vögel mit Revieren, Parntern usw.

  2. Ah, ich glaube sogar, dass ich das Buch auch gelesen habe, falls du “Rabenschwarze Intelligenz” meinst. Der Erkenntnisgewinn aus dieser Studie hat sich aber anscheinend noch nicht überall herumgesprochen…

  3. Genau das meinte ich. Und ja, es ist sehr bedauerlich, dass die Knarrenträger immer noch einen größeren Einfluss haben als wissenschaftliche Erkenntnisse.

  4. Rabenschwarz,

    die lernen auch nie dazu!

    Ich kenne das Buch auch und dachte eigentlich, es wäre klar genug formuliert (und untersucht)worden. Ist das Wissenschaft gegen Beharrungsvermögen?

  5. “Letale Vergrämung”

    Wenn man so liest, was die Zeitungen über die Situation in der Steiermark schreiben, dann fragt man sich ernsthaft, ob da nicht einigen Leuten der Hausverstand abhanden gekommen ist. Zum Beispiel wird ein Bezirksjägermeister aus Hartberg in der Steiermark zitiert, der über die Krähen sagt: “Die werden bis zu 100 Jahre alt. Oben am Hochwechsel haben sie den Kälbern die Augen ausgehackt. Und frisch geborene Lämmer auf den Weiden, die töten sie auch.”

    Bei so viel Sachverstand kann man als Außenstehender natürlich auch den Zahlen keinen Glauben schenken, die hier herangezogen werden, um zu illustrieren welch immense Schäden die Krähenvögel in der Landwirtschaft anrichten. In Österreich wurde die EU-Vogelschutzrichtlinie angeblich sowieso nur “aus Versehen” unterzeichnet. Und ich finde es sehr befremdlich, dass sich die Steiermark jetzt auch noch darüber hinwegsetzt, vor allem weil das Urlaubsland ja damit wirbt, “das grüne Herz Österreichs” zu sein. Man kann die Steiermärker natürlich nicht zwingen mit dieser sinnlosen Jagd Schlusszumachen, aber für Tierfreunde ist “das blutige Herz Österreichs” wohl kein geeignetes Ferienland mehr.

    Quelle: http://www.datum.at/artikel/die-voegel/

  6. wenn sich Jäger und Bauern …

    … zusammenrotten, ist nichts Gutes zu erwarten.
    Reichholf legt sich dementsprechend gerne mit denen an.
    Was er (Reichholf) in seinem Buch “Rabenschwarze Intelligenz” allerdings versäumt hat, und was ich in dem Blog hier auch wieder lese, ist, mit der Unterscheidung in Krähen und Raben aufzuhören: Krähen sind “richtige Raben”, die Rabenkrähe eine “kleinere Ausgabe” des Kolkraben, wissenschaftlich sind beide “Corvus”.
    Ich schlage hiermit für die “Rabenkrähe” den deutschen (vulgär-) Namen: “Krährabe” vor.
    Warum? Weil das Wort “Krähe” einen diffamierenden Unterton hat und oft diffamierend gebraucht wird. Während “Rabe” erstens besser klingt und zweites auch traditionell mit Intelligenz konotiert wird. (Das Buch heißt auch “rabenschwarze – und nicht krähenschwarze Intelligenz”.)

    Für die anderen “Krähenarten” gilt natürlich das Gleiche: Saatrabe, Nebelrabe usw.

  7. @Sören @Theres Letztendlich ist die Politik dafür verantwortlich, die es zulässt bzw. sogar verordnet. Auch wenn es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Sinn macht, den gewählten Volksvertretern bringt es anscheinend die Gewissheit, dass die betroffenen Bauern sie auch weiterhin wählen werden…

    @Mona Danke für den Link zum Datum-Artikel. Ziemlich absurd, was dieser Hartberger Jäger sagt bzw. glaubt. Reinste Schauermärchen. Dass sich diese Aktionen negativ auf den Tourismus auswirken, glaub ich zwar nicht, aber du hast Recht: Der Slogan „Das grüne Herz Österreichs“ passt in diesem Zusammenhang nicht wirklich.

    @Detlef Piepke „Was er in seinem Buch versäumt hat, und was ich in dem Blog hier auch wieder lese, ist, mit der Unterscheidung in Krähen und Raben aufzuhören“ – Ganz klar ist mir nicht, was damit gemeint ist. Auch wenn sie sich eine Gattung teilen, sind Kolkraben, Aaskrähen und Dohlen trotzdem unterschiedliche Arten. Dass das Wort „Krähe“ angeblich einen diffamierenden Unterton hat, kann ich eigentlich nicht ernst nehmen. Rabenkrähen werden auch weiterhin Rabenkrähen heißen. Man kommt ja auch nicht auf die Idee, Tölpeln, Trottellummen und Dickköpfen einen neuen Namen zu geben. Wieso auch?

  8. Ich wette,
    KEINER von euch wohnt in einem Ort, in dem die Krähern zu einer Plage geworden sind. Ihr müsst das nicht aushalten 24/7 !
    KEINER von euch würde in so einem Ort Urlaub machen wollen. Und wenn er doch in so einem Ort landet, reist er vorzeitig ab!
    KEINER von euch muss die Schäden ertragen.

    Euch interpretiert, müsste es heißen :
    Ratten sind intelligent, auch wenn sie zu einer Plage geworden sind, darf man sie nicht töten, sonder nur vergrähmen. Machen wir doch einfach mal die Ratte zum Nager des Jahres! Ja, nee is klar.

    Es ist einfach unerträglich, dass selbsternannte Ökofutzies, die mit nem SUV beim Bäcker um die Ecke Biobrötchen holen fahren, ihr unwissendes Maul über Land und Leute derart weit aufreißen.
    Da Selbstreflektion und die daraus zu gewinnende Selbsterkenntnis bei Leuten, wie Euch nicht zu erwarten ist, werd ich mich von diesem Forum der Dummschwätzer gleich wieder abmelden.

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