Lässt der Klimawandel Vögel schrumpfen?

BLOG: Der Nesthocker

Wissenswertes aus der Vogelwelt
Der Nesthocker

Dass es bestimmte Zusammenhänge zwischen der Körpergröße von endothermen gleichwarmen Tieren (Säugetiere, Vögel) und dem Klima ihres Verbreitungsgebietes gibt, ist schon länger bekannt. Im Jahr 1847 veröffentlichte der deutsche Physiologe Carl Bergmann seine Arbeit Über die Verhältnisse der Wärmeökonomie der Tiere zu ihrer Grösse, aus welcher sich die sogenannte Bergmannsche Regel ableitet. Sie besagt, dass Individuen einer Art bzw. einer Familie in kälteren Regionen größer sind als in wärmeren Gebieten. Verändert sich die Größe eines Organismus, so wirkt sich das auch auf das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen des Körpers aus.

Bei einer Vergrößerung nimmt das Körpervolumen stärker zu als die Oberfläche, über die der Körper seine Wärme abgibt. Mit zunehmender Größe verringert sich also der relative Wärmeverlust eines Organismus. Pinguine sind ein gutes Beispiel um diese Regel zu demonstrieren. So ist der Galápagos-Pinguin um einiges kleiner als der in der Antarktis beheimatete Kaiser-Pinguin:

Wenn sich das regionale Klima wie im Fall der globalen Erwärmung verändert, kann man nun davon ausgehen, dass die dort lebenden Tiere auch in irgendeiner Weise darauf reagieren. Der logisch anmutende Schluss: Der Klimawandel lässt diese Arten tendenziell schrumpfen. Josh Van Buskirk von der Universität Zürich studierte Vögel im Westen Pennsylvanias und stellte fest, dass ihre Körpergröße gemäß der Bergmannschen Regel durch die Klimaerwärmung kleiner wurde.

In einer von der Univerity of Camebridge und der University of Tel Aviv durchgeführten Studie konnte dieser Effekt auch bei israelischen Singvögeln beobachtet werden. Doch es scheint, als würden sich nicht alle Vögel an Bergmanns Regel halten: Rae Goodman und Gretchen LeBuhn von der San Francisco State University analysierten die Daten von über 32.000 Vögeln Zentralkaliforniens und fanden heraus, dass diese in den letzten 40 bis 30 Jahren tendenziell größer, und nicht wie erwartet kleiner wurden. Die Flügelspannweite und die Masse der von ihnen studierten Vögel nahm in diesem Zeitraum um durchschnittlich 2% zu.

Sie veröffentlichten ihre Studie im Journal Global Change Biology und präsentierten zwei Erklärungsversuche für diese unerwarteten Ergebnisse:

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Vögel größere Fettspeicher anlegen um mit den, durch den Klimawandel verursachten Wetterextremen besser zurechtzukommen. Für größere Vögel mit entsprechend längeren Flügelspannweiten stellen beispielsweise Stürme eine deutlich geringere Gefahr dar als für kleinere Vögel. Nach dieser Interpretation haben größere Vögel also einen gewissen Selektionsvorteil gegenüber ihren kleineren Artgenossen. Die Forscher liefern auch eine alternative Erklärung, in der die größere Masse bzw. Spannweite der Vögel auf Ernährungsumstellungen zurückzuführen ist. Diese Umstellungen könnten ebenfalls durch klimatische Veränderungen bedingt sein: Ihre Auswirkungen auf die Flora sorgen dafür, dass sich der Bestand an Insekten einer Region und damit auch das Nahrungsangebot der Vögel ändert.

Die Frage ist nun, inwiefern die Bergmannsche Regel im Bezug auf globale Erwärmung und deren Einfluss auf die Größe von Vögeln Gültigkeit besitzt. Eine Veränderung der Körpergröße ausschließlich als eine Anpassung an klimatische Verhältnisse zwecks optimaler Wärmespeicherung zu verstehen ist sicher nicht sinnvoll. Es gibt noch viele andere ökologische Faktoren, die ebenfalls die Größe eines Tieres beeinflussen können. Möglicherweise sind sie dafür verantwortlich, dass sich nicht alle Vögel an die Regel von Bergmann halten.

Ob Vögel durch den Klimawandel nun größer oder kleiner werden ist also gar nicht so einfach zu sagen. Wie genau sich klimatische Veränderungen auf die Körpergröße von Vögeln bzw. Säugetieren auswirken, wird die Biologen also vermutlich noch länger beschäftigen. Dafür sprechen zumindest die teilweise sehr widersprüchlichen Erkenntnisse aus diesen Studien.

 

Tabelle: Wikipedia (Artikel "Ökogeographische Regel")

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Ich studiere Biologie in Wien und bin ein leidenschaftlicher Vogelbeobachter und Hobbyornithologe.

2 Kommentare

  1. GEO 12/2011

    Im GEO 12/2011 ist auf S. 173 ein kurzer Artikel mit Hinweisen, dass sich nicht nur die Vogelgröße mit zunehmender Erwärmung ändert. Auch andere Tiere und Pflanzen werden kleiner bzw. bilden weniger Biomasse aus

Schreibe einen Kommentar