Der raffinierte Flügelschlag des Kolibris
BLOG: Der Nesthocker
Unter den Vögeln gelten die Kolibris (Trochilidae) zu Recht als Flugakrobaten und zeichnen sich vor allem durch eine sehr hohe Flügelschlagfrequenz (bis zu 50 Schläge/Sekunde) aus. Sie können nicht nur rückwärts und seitwärts fliegen, sondern sind aufgrund der hohen Schlagfrequenz auch dazu in der Lage „in der Luft zu stehen“, was ihnen besonders bei der Nahrungsaufnahme zu Gute kommt. Sie ernähren sich hauptsächlich von Blütennektar, der ihnen die Energie für ihren kräfteraubenden Flugstil zur Verfügung stellt. Obwohl es der Flug der Kolibris nicht vermuten lässt, zählen sie gemeinsam mit den Seglern, Baumseglern und Höhenschwalmen zur Ordnung der Seglervögel (Apodiformes) und bilden innerhalb dieses Taxons mit über 330 Arten die artenreichste Familie. Ihr Flug erinnert ein wenig an den der flugfähigen Insekten, die genau wie die Kolibris nicht nur beim Flügelschlag nach unten, sondern auch bei der Aufwärtsbewegung der Flügel Auftrieb erzeugen, was für Vögel eher untypisch ist. Unter der Leitung von Tyson Hedrick, einem Biologen an der University of North Carolina versuchte ein Forscherteam den Kolibriflug nun etwas genauer zu durchleuchten und bediente sich dazu spezieller Hochgeschwindigkeits-Röntgenkameras. (Photo: Archilochus colubris; by Dick Daniels)
Welche Bewegungsmechanismen ermöglichen den Kolibris, die im Gegensatz zu den Fluginsekten an ein mehr oder weniger starres Endoskelett gebunden sind, diesen Flugstil? Zur Beantwortung dieser Frage filmten die Wissenschaftler Rubinkehlkolibris (Archilochus colubris) während des Fluges. Zuvor mussten die Kolibris aber noch mit kleinen Platin-Kügelchen versehen werden, da die zarten Knochen des Rubinkehlkolibris für die Röntgenkameras unsichtbar waren. Dank dieser Markierungen konnten die einzelnen Knochenbewegungen während des Flugs der Kolibris ermittelt, und später in einem Computermodell dargestellt werden. Dabei fand man heraus, dass der Flügelschlag der Kolibris anders als bei anderen Vögeln abläuft. Während die meisten Vögel ihre Flügel bei der Aufwärtsbewegung zusammenklappen und damit näher an den Körper heranziehen um weniger Luftwiderstand zu erzeugen, lässt sich bei den Kolibris eine Drehbewegung der Flügel bzw. des Handgelenks feststellen, wodurch die Aufwärtsbewegung sogar aerodynamisch effizient wird. Auch der Oberarmknochen wird beim Schlagen der Flügel in eine Drehbewegung versetzt und nicht einfach nur nach oben bzw. unten bewegt. Durch diese Drehbewegungen wird der Flügelschlag nicht nur energieeffizienter sondern auch kräftiger.
Dank dieses raffinierten Flügelschlagprinzips reichen bereits kleine Kontraktionen der Brustmuskeln, um die für den Auftrieb benötigte Schlagbewegung durchzuführen. Diese Technik ist ähnlich jener der Fluginsekten, die aufgrund ihrer geringen Größe ebenfalls eine hohe Schlagfrequenz zum Fliegen benötigen und ihre Muskelkraft effizient einsetzen müssen. Dafür sind kleine, aber besonders schnelle Bewegungen der Flügelknochen bzw. des Flügelapparats notwendig. Bei den Rubinkehlkolibris handelt es sich um besonders kleine Vertreter der Kolibris und es ist noch nicht klar, ob der gleiche Bewegungsablauf auch bei größeren Arten zu beobachten ist. Um das herauszufinden will Hedrick auch den Riesengnom bzw. Riesenkolibri (Patagona gigas), den größten aller Kolibris vor seine Röntgenkameras bitten. Dieser schlägt zwar „nur“ 10 bis 15 Mal pro Sekunde mit den Flügeln, könnte aber ein ähnliches Flügelschlagprinzip wie seine kleineren Verwandten nutzen. Um ihn zu filmen müsste sich das Forscherteam samt Spezial-Kameras aber auf eine Reise in die südamerikanischen Anden vorbereiten, was mit entsprechenden Mehrkosten verbunden wäre.
Dass Kolibris durch eine Drehung des Handgelenks und einer damit verbundenen Invertierung der Flügel beim Aufschlag Auftrieb erzeugen können, wurde bereits 1939 von deutschen Ornithologen vermutet1. Ihre Annahmen konnte durch diese Studie bestätigt werden und die Wissenschaftler sind sich einig, dass die neuen Erkenntnisse zur weiteren Erforschung der unterschiedlichen Formen des Flügelschlags motivieren. Ihre Studie wurde im Fachblatt Proceedings of the Royal Society (B) unter dem Titel „Morphological and kinematic basis of the hummingbird flight stroke: scaling of flight muscle transmission ratio“ veröffentlicht.
Links:
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Hedrick, T. L., Tobalske, B. W., Ros, I. G., Warrick, D. R. & Biewener, A. A. Proc. R. Soc. B http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2011.2238 (2011)
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Hummingbird flight has a clever twist (Nature News / by Ed Yong)
Dann stammt der Kolibri womöglich von fliegenden Urinsekten ab. Mal so rein evolutionsbiologisch betrachtet. 😉
Linktip
Weil es es zu diesem Beitrag so hervorragend paßt noch ein Linktip.
Kolibris in Deutschland
Danke für den Tipp. Glaub sogar, den Post von Sören schon mal gelesen zu haben. Die Ähnlichkeiten zwischen dem Flug der Schwärmer und dem der Kolibris sind meiner Meinung nach ein tolles Beispiel für konvergente Evolution. Da fällt mir ein, dass ich darauf gar nicht eingengangen bin. Naja… 😉