Koranübersetzungen und Literaturtipps

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Auf unserem Bloggerwochenende in Deidesheim wurde ich danach gefragt, ob ich denn eine Koranübersetzung empfehlen könnte. Das möchte ich hier nun zum Anlass nehmen um eine Idee, die ich schon länger im Kopf hatte, in die Tat umzusetzen, und kurz zwei Koranübersetzungen und zwei Einführungen in den Koran vorstellen.

Als Islamwissenschaftler bin ich zunächst verpflichtet, auf die wissenschaftlich anerkannteste deutsche Übersetzung einzugehen. Die Rede ist hier von der im Jahre 1962 erschienenen Übersetzung von Rudi Paret (1901-1983), der an der Universität Tübingen Semitische Philologie und Islamkunde lehrte. Während meines Studiums wurde uns schon im ersten Semester in der Einführung in die Islamkunde die Regel mitgegeben, dass bei wissenschaftlichen Arbeiten (sprich: Haus- und Magisterarbeiten) grundsätzlich nur die Paret‘sche Übersetzung benützt werden dürfe. Parets Werk, bei dem er die Methoden der historisch-kritischen Forschung, wie sie auch auf die Texte der Bibel angewendet wird, verwendete, ist für den Wissenschaftler deshalb wertvoll, weil er insbesondere an schwer zu übersetzenden Stellen verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten anbietet und teilweise in Klammern Anmerkungen macht, die zum besseren Verständnis einzelner Verse beisteuern können. Der Islamwissenschaftler Hartmut Bobzin merkt im Vorwort seiner Einführung in den Koran an, dass Parets Übersetzung die vor allem philologisch nach wie vor am besten begründete Übersetzung sei. Neben der Übersetzung lieferte Paret einen Korankommentar und eine Konkordanz, die fortlaufend nach Suren und Versen angeordnet und miteinander kombiniert sind. Beim seinem Kommentar hat Paret den Anspruch, den historischen Kontext des Korans zu beleuchten. Er versucht also, wie in seinem Vorwort zu lesen ist, zu interpretieren, was Muhammad, den er damit offensichtlich zum Autor des Korans erklärt „ursprünglich in einer durch bestimmte Zeitumstände und Milieuverhältnisse gegebenen Situation damit sagen wollte.“ Damit wird eigentlich bekräftigt, dass die Hintergrundinformationen für die Entstehung der koranischen Texte für ihr Verständnis essentiell sind. Bei all der Präzision, die Paret insbesondere bei seiner Übersetzung an den Tag legt, ist die Paret‘sche Übersetzung jedoch für den Laien aufgrund der vielen Anmerkungen und Kommentare, die ein flüssiges Lesen des Textes extrem erschweren, nicht unbedingt geeignet. Vor allem, wenn man sich zum ersten Mal mit dem Koran beschäftigt, dürfte man große Mühe mit der Paret‘schen Übersetzung haben.

  • Paret, Rudi. 1962. Der Koran. Stuttgart; Berlin; Köln. Kohlhammer. 11. Auflage 2010 erschienen. ISBN-13: 9783170211568
  • Paret, Rudi. 1971. Der Koran. Kommentar und Konkordanz. Stuttgart; Berlin; Köln; Mainz. Kohlhammer. 7. Auflage 2005 erscheinen. ISBN-13: 978-3170189904

Laien sollten daher vor allem bei der ersten Lektüre des Korans zunächst andere Übersetzungen in die Hand nehmen. Sehr empfehlen kann ich die Fassung von Max Henning (1861-1927), die von Murad Wilfried Hofmann überarbeitet und herausgegeben wurde. Bei dem Namen Hennings wird vermutet, dass es sich um ein Pseudonym des Orientalisten August Müller handelt. Seine Übersetzung ist im Jahre 1901 erschienen und galt bis Mitte des 20. Jahrhunderts als die genaueste deutsche Übersetzung, die vor allem in ihrer Treue zum arabischen Original herausragt und von ihrer sprachlichen Flüssigkeit lebt. Murad Wilfried Hofmann, der einst deutscher Botschafter in Algerien war und 1991 zum Islam konvertierte, gab seine überabeitete Version der Henningschen Übersetzung erstmals 1998 heraus. Besonders hilfreich sind seine Einführung, in der er unter anderem auf die Aktualität und die Herkunft des Korans eingeht, aber auch die Erläuterungen, die er im Gegensatz zu Paret nicht in den Text selbst, sondern in Fußnoten setzt. Damit werden also auch Hintergrundinformationen gegeben, ohne das flüssige Lesen des Texts zu beeinträchtigen.

Eine schöne Einführung in den Koran stammt vom bereits schon erwähnten Hartmut Bobzin, der Professor für Islamwissenschaft und Semitische Philologie an der Universität Erlangen-Nürnberg ist. Zunächst beginnt Bobzin mit einer historischen Betrachtung des Korans und den ersten Übersetzungsversuchen im Abendland und hält fest, dass der Koran lange Zeit nur als eine Verfälschung der Bibel bzw. als die schlechtere Bibel angesehen wurde. So erschien die erste deutsche Koranübersetzung von David Friedrich Megerlin (1699-1778) im Jahre 1772 mit dem Titel „Die türkische Bibel, oder des Korans allererste deutsche Übersetzung“. Sie enthielt unter anderem die Abbildung eines Mannes, der als „Mahumed, der Falsche Prophet“ bezeichnet wird. Des Weiteren erklärt Bobzin in einer auch für den Laien gut verständlichen und angenehmen Art Grundbegriffe des Korans, geht auf die Entwicklung der „Offenbarungen“ ein, ehe er sich dann unter anderem den Grundlehren des Korans und seiner Funktion als Gesetzbuch sowie seiner sprachlichen Form und der Koranredaktion unter dem 3. Kalifen Uthman (reg. 644-656) widmet. Besonders hervorzuheben ist, dass Bobzin auf den gut 120 Seiten seines Buches etwa 200 Koranstellen anführt. Wie er selbst im Vorwort erklärt, zitiert er häufig aus dem Koran, um das Buch so verständlich wie möglich zu machen. Eine Absicht, deren Umsetzung meiner Meinung nach gut gelungen ist.

Zum Abschluss möchte ich noch kurz auf Murad Wilfried Hofmanns Buch „Koran“ eingehen. Hofmann erklärt das Offenbarungsverständnis im Islam und behandelt neben der Entstehungsgeschichte, der Sammlung und Organisation des Korans auch Eigenheiten wie die Basmalaformel (Im Namen Gottes des Erbarmers des Barmherzigen), die bis auf die 9. Sure alle Suren einleitet, und „eine Art 10 Gebote“ (siehe dazu Sure 17, 22-39) im Koran. Zwei weitere Kategorien mit denen er sich auseinandersetzt sind das Verhältnis des Korans zur Wissenschaft und der Koran in der Kunst. Im Bezug auf die Wissenschaft diskutiert er unter anderem die Frage, ob denn der Koran eine naturwissenschaftliche Kompetenz hätte. Er erklärt hierbei, dass der Koran aus muslimischer Sicht eine Wissenschaftsphilosophie enthalte, jedoch hält Hofmann es für fatal den Koran als naturwissenschaftliches Lehrbuch anzusehen. Was die Kunst anbelangt, so beschäftigt er sich vor allem mit der arabischen Kalligraphie und deren verschiedene Stilformen, die sich im Laufe der Geschichte entwickelten. Außerdem macht er auf die Koranrezitation aufmerksam, die mit schöner Stimme vorgetragen zu einer „islam-spezifischen Kunstform“ wurde. Koranrezitationen auf Kassette oder CD sind erfahrungsgemäß im Übrigen keine Seltenheit in muslimischen Haushalten.

  • Hofmann, Murad Wilfried. 2002. Der Koran. Kreuzlingen, München. Diederichs. ISBN-13: 978-3720523165

Neben diesen beiden Koranübersetzungen und den beiden Büchern zum Koran gibt es natürlich zig weitere, die man hier hätte aufzählen und behandeln können. Diese Vorschläge sind nur eine erste Empfehlung von mir.

Da ich zukünftig immer wieder auf Literatur zum Islam eingehen möchte, eröffne ich hiermit die Kategorie „Literatur“.

Gerne mache ich auch auf meinen Artikel „Der Koran- eine kurze Einführung“ aufmerksam, indem ich versucht habe die wesentlichen Grundkenntnisse zur heiligen Schrift des Islam kurz und knapp zu vermitteln.

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Hussein Hamdan M.A., geb. 1979 studierte Islam- und Religionswissenschaft sowie Irankunde in Tübingen und schloss sein Studium 2007 mit einem Magister ab. Anschließend folgte, ebenfalls an der Universität Tübingen, die Doktorarbeit über das Wirken der Azhar-Universität im christlichen-islamischen Dialog, die im März 2013 abgeschlossen wurde. Hussein Hamdan war die ersten beiden Jahre seiner Promotion Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, ehe er 2009 für zwei Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für interkulturelle Kommunikation in Heidelberg wurde. Dort verfasste er u.a. den Band „Muslime in Deutschland. Geschichte, Gegenwart und Chancen“. Aktuell ist er an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angestellt und für das Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Hussein Hamdan ist Autor und Sprecher der Kolumne „Islam in Deutschland“ (SWR) und Referent zu diversen Themen des Islam. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Zudem ist er Mitglied des Runden Tischs Islam von Integrationsministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg. Hamdan hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen des interreligiösen und interkulturellen Dialogs engagiert. Von 2004-2007 moderierte er in Tübingen den Arabisch-Amerikanischen Dialog. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Bendorfer Forums.

15 Kommentare

  1. Koranübersetzungen und Literaturtipps

    Hello Hussein, sehr gut vorgetragen – wie immer. Ich denke genau wie bei der Bibel: überabeitete Version/verschiedene Stilformen/verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten – wenn man sich dann zum ersten Mal mit dem Koran beschäftigt, dürfte man große Mühe mit der Paret‘schen Übersetzung haben ?

    So finde ich auch:
    „Der Koran- eine kurze Einführung“, hier die wesentlichen Grundkenntnisse des Islam kurz und knapp vermitteln.

    Das kommt bei jedem an ?

    Liebe Gruesse Charly

  2. Luther

    Lieber Hussein,

    vielen Dank für den informativen Beitrag! Ich hätte dazu eine Frage: Oft habe ich gehört, dass schon Luther eine Übersetzung des Korans befürwortet und dazu ein Vorwort geschrieben habe. Nach Deinem obigen Text erfolgte die erste Übersetzung aber ja erst Ende des 18. Jahrhunderts. Gab es vorher keine bzw. diese Kontroverse zur Zeit Luthers also gar nicht? Ich dachte, da frage ich Dich als Experten! 🙂

    Herzliche Grüße!

  3. @ Luther

    Hallo Michael,

    vielen Dank für diese interessante Frage. Zu Luthers Zeiten gab es eine lateinische Übersetzung des Korans, die im 12. Jh. entstanden war. Diese Übersetzung war trotz ihrer Mängel lange Zeit die wichtigste Quelle für die Korankenntnis unter den westlichen Christen. 1543 ist sie in Basel gedruckt wurden. Zuvor wurde kontrovers diskutiert, ob man denn ein Buch wie den Koran drucken solle. Die einen erhofften sich dadurch bessere Informationen über den Gegner im Glauben, andere wiederum befürchteten, der Koran könne Laien dazu bewegen vom Christentum abzufallen. Hier griff Luther ein, indem er den Druck befürwortete. Diese lateinische Übersetzung ist m.W. später dann auch ins Deutsche übertragen worden. Megerlins Arbeit ist aber die erste deutsche Übersetzung direkt aus dem Arabischen.

    Viele Grüße!

  4. Weitere wichtige Koranübersetzungen

    Guten Tag,
    vielen Dank für Ihren Blog.
    Ich würde gerne, der Vollständigkeit halber, drei wichtige und teilweise aktuelle Koranübersetzungen nachtragen. Einen sehr interessanten Übersetzungsversuch unternahm vor knapp 200 Jahren Friedich Rückert. Zwar ist es nur eine auszugsweise Übersetzung, aber Rückert war der erste Übersetzer, der neben dem Inhalt auch die Form des arabischsprachigen Originaltextes wiedergeben wollte.
    In dieser Tradition erschien letztes Jahr auch die Übersetzung von Ahmad Milad Karimi: auch er versucht, die arabische Reimprosa ins Deutsche zu übertragen. Natürlich gehen solche Versuche oft zu Lasten des Inhaltes, aber dennoch kann man zumindest einen Eindruck von der Sprachgewalt des arabischen Originals gewinnen.
    Und, last but not least, erschien dieses Jahr eine Übersetzung von Hartmut Bobzin, die als Neuauflage von Paret gelten kann und diese sehr schwer lesbare Übersetzung sicherlich früher oder später als wissenschaftliches Standardwerk ablösen wird.
    Mit besten Grüßen
    Semiramis

  5. @ Semiramis

    Hallo Semiramis,

    super, dass Sie auf drei weitere Koranübersetzungen aufmerksam gemacht haben, zumal mir die Übersetzung von Hartmut Bobzin noch nicht bekannt war.
    Vielen Dank dafür und viele Grüße,
    Hussein

  6. Quranübersetzungen

    Dabei haben Sie vergessen dass die Übersetzungen lediglich den Inhalt zu übersetzten versuchen. Die Melodie einiger mekaanischen Suren bleibt auf der Strecke. Deshalbe möchte ich auf Freidrich Rückerts Teilübersetzung des Qurans machen. Hier versucht der Verfasser den Lesern die musiklaische Seite nahzubringen. Texte wie Quran oder andere Literaturgattung verlieren durch die Übersetzung Anspielungen znd Meldoie.
    http://de.wikipedia.org/…/Friedrich_R%C3%BCckert

  7. @ Michael

    Nach einem Brainstorming sind mir etwa 20 verschiedene deutsche Übersetzungen eingefallen. Wieviele Übersetzungen es insgesamt gibt, kann ich nicht genau sagen. Der Koran dürfte aber in jede Sprache der Welt übersetzt worden sein.

  8. Andere Übersetzungen

    Hallo!
    Ich besuchte vor kurzem eine Bibliothek, wo ich eine andere Übersetzung des Koran gefunden hat. Leider habe ich der Name des Autors vergessen. Aber nach der Lektüre einige Teile davon verstand ich, dass es einfach zu verstehen ist. Und meiner Meinung nach, Hartmut Bobzin im Jahre 1999 hat einen fantastishe Job gemacht! Seinen Koran Finde ich auch einfach und klar. Aber es ware gut mehr Übersetzungen zu lesen, weil jedes Mal ich etwas neu finde.

  9. Hallo,
    übersetzen ist eigentlich auch interpretieren? Ich würde auch gerne den Koran lesen, beherrsche aber die arabische Sprache nicht und wollte stattdessen eine Übersetzung lesen, aber das ist ja eine Sünde oder etwa nicht?

    Danke im Voraus (:

  10. Hallo

    Was halten Sie eigentlich von der Übersetzung von Muhammad Asad (geb. Leopold Weiss)? Ist sie genau und vor allem, wie ist der Kommentar? Kennen Sie sie überhaupt?

    Viele Grüsse aus der Schweiz

  11. Salam Hussein,
    Gute Arbeit. Toll!
    ich suche gerade eine möglichst gute Zusammenfassung der deutschen Literatur über den Koran in den letzten 20 Jahren. Ich habe zwar einiges aber wäre für jeden Vorschlag diesbezüglich dankbar.
    LG,
    Khaled

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