Zombies in Paris – am schönsten auf dem iPad

BLOG: Denkmale

Es gibt etwas zu sehen
Denkmale

Das französische Software-Unternehmen Dassault Systèmes verkauft normalerweise 3D-Anwendungen für die industrielle Produktentwicklung. Um auch einem größeren Publikum zu zeigen, was sie kann, veröffentlichte die Firma im Mai 2012 eine virtuelle Besichtigungstour durch die Pyramide von Gizeh, in 3D. Seit dem Herbst ist ein noch ehrgeizigeres Projekt online und auch als kostenlose App erhältlich.  

In englischer und in französischer Sprache kann man jetzt auf eine 3D-Zeitreise durch die Stadt Paris gehen.

Weltausstellung Paris 3DSo soll der Palais des Industries bei der Weltausstellung in Paris 1889 etwa ausgesehen haben. Das Gebäude existiert in der Realität schon lang nicht mehr (Foto: Dassault Systèmes).

Teilweise in Zusammenarbeit mit dem Musée Carnavalet, dem Pariser Museum für Stadtgeschichte, entstand eine virtuelle Rekonstruktion der wichtigsten Bauwerke aus den Schlüssel-Epochen der Stadt. Manche Gebäude sind sogar in unterschiedlichen Bauphasen dargestellt. So kann man im Mittelalter beim Bau von Notre-Dame dabei sein oder, vor der Weltausstellung 1889, bei der Erbauung des Eiffelturms. Und siehe da: Der sah mal etwas anders aus als heute, mit hölzernen Pavillons auf der ersten Etage.

Für solche Visualisierungen ist die “Paris 3D Saga” gut geeignet. Besser als auf Grund von Beschreibungen kann man sich so vorstellen, wie das Gebäude einst ausgesehen haben könnte. Allerdings nicht unbedingt schneller: Das Laden des Programms dauert je nach Internet-Zugang ziemlich lang. Während es läuft, sind andere Web-Anwendungen ausgesprochen schwerfällig. Das Ganze schluckt wohl viel Rechnerleistung, dürfte manche Grafikkarte überfordern und ohne High-speed Zugang funktioniert es nicht wirklich. Auf dem iPad ist die Darstellung und Bedienung in meinen Augen eindrucksvoller als am PC. In manchen Ansichten kann man da zum Beispiel per Touchscreen die historische Ansicht wegradieren und es kommt ein aktuelles Foto des Ortes zum Vorschein.

Der Besucher kann an Führungen mit Audio-Kommentar teilnehmen oder sich selbst in Ego-Perspektive durch die Szenerie bewegen. Störend dabei ist die nervige Musik und unnötig dramatisierende Windgeräusche, die man aber auch irgendwo ausstellen kann. Die gesprochenen Texte bieten einen eher konventionellen Zugang, wie man ihn auch aus Doku-Filmen kennt. Eine Themenleiste ermöglicht hier das Überspringen einzelner Abschnitte.

Und die Zombies?

Offensichtlich knüpft die Simulation an Computerspiel-Szenerien an. Dazu gehören dann auch schattenhafte menschliche Silhouetten, die sich als historisch passend kostümierte Untote wie ferngesteuert durch die Gegend bewegen. Außerdem sollen verschiedene “authentische” Geräusche wie Hammerschläge, Glockenklang und Stimmengemurmel für eine realistische Atmosphäre sorgen. Das ist schade, denn eigentlich empfinde ich die artifizielle Glattheit und Leere der Darstellung als wohltuend. So komme ich nicht in Gefahr, alles für bare Münze zu nehmen,was ich sehe – anders als zum Beispiel bei Kostümfilmen, wo alles möglichst echt aussehen soll. Schließlich sind viele Rekonstruktionen alles andere als gesichert.

Die Entwickler versprechen übrigens, die Darstellung nach neuen archäologischen Erkenntnissen zu aktualisieren. Auch wenn also in Details wie immer Skepsis geboten ist: Um sich einen Eindruck von der räumlichen Anordnung zu verschaffen, Größenverhältnisse nachzuvollziehen und sich die Beziehung von Bauwerken zu ihrer Umgebung klarzumachen, ist die “Paris 3D Saga” ein echter Gewinn.

Mein Fazit: Mehr als eine schöne Spielerei, die vor allem auf dem iPad Spaß macht.

Eine Randbemerkung zum Thema Weltausstellung:

Expo 2000 Hannover Niederländischer Pavillon 2012Probleme mit der Nachnutzung: Der niederländische Pavillon der Expo 2000 in Hannover, Zustand im Frühjahr 2012. Von der Weltausstellung 1889 blieb immerhin der Eiffelturm übrig – aber auch dessen Fortbestand und Nutzung war jahrzehntelang umstritten.

Avatar-Foto

Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

Schreibe einen Kommentar