Mohrenkaffee

BLOG: Denkmale

Es gibt etwas zu sehen
Denkmale

Also, das geht ja nun gar nicht: Neulich bekam ich eine Packung Kaffee geschenkt und war nicht nur begeistert von dem wirklich sehr guten Kaffee, sondern auch von der ach so schön nostalgischen Verpackung. Das ist nicht in Ordnung. Auch in Kinderbüchern wollen wir nicht mehr von Negerkönigen lesen.

Kaffeeverpackung Italiensehnsucht Kaffeeverpackung Exotismus Kaffeeverpackung PlantageEbenso wie Astrid Lindgrens Idee vom Negerkönig als Papa von Pippi Langstrumpf wurde auch das Label mit der dunkelhäutigen Kaffeeserviererin in den 1920er Jahren geboren.

Die Familie, die die Kaffeerösterei 1924 gegründet hatte, trug das Wörtchen “Mohr” im Namen. Kaffee war eine Spezialität aus entlegenen Ländern. Die Lust am Exotischen hatte auch in Kunst und Literatur deutliche Spuren hinterlassen. Kein Wunder, dass auch die Produktwerbung entsprechend gestimmt war. Der Schokoladenhersteller Sarotti aus der Mohrenstraße in Berlin kam ungefähr damals ebenso auf seinen “Sarotti-Mohren” wie der österreichische Kaffeehändler Julius Meinl auf den “Meinl-Mohren”. Aber schließlich hat man damals auch noch im Kolonialwarenladen eingekauft und in Völkerschauen die Menschen aus fernen Ländern wie exotische Tiere bestaunt.

Kaffeeeinkauf heute – einfach fair?
Heute kaufen wir bei Edeka (E. d. K. = Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler). Weil wir alles richtig machen wollen, greifen wir beim Kaffee auf biologisch erzeugte Ware aus fairem Handel. Das Angebot ist riesig. Viele Hersteller werben auf ihren Verpackungen ausschließlich mit appetitlichen Farben oder sie zeigen dampfende Kaffeetassen. Daneben gibt es aber auch noch Darstellungen von Menschen. Statt der Mohrin präsentiert uns nun häufig ein stolzer, gepflegt aussehender und irgendwie einheimisch wirkender Plantagenbesitzer/ -manager seine Kaffeebohnen. Alles in Ordnung also.

Kaffeeverpackung Italiensehnsucht Kaffeeverpackung Exotismus Kaffeeverpackung PlantageSüdstaatenflair auf ausgedehnten Ländereien und dabei doch Selbstbestimmung der Einheimischen suggerieren heute viele Verpackungen von Kaffee. Ist ja schließlich auch nur Werbung.

Natürlich nicht. Nach wie vor sind die Menschen in den Kaffeeanbauländern auf Gedeih und Verderb abhängig von den reichen Industriestaaten – selbst wenn die “fairen” Abnehmer doppelt so viel zahlen wie auf dem Weltmarkt üblich. Realistische Schilderungen des Kaffeeanbaus zeigen: Der allergrößte Teil des Kaffees wird von Kleinbetrieben erzeugt und das Management von Einkäufern, Kooperativen und Ähnlichem obliegt dann in der Regel doch nur einem Weißen.

 

 

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

8 Kommentare

  1. “Der allergrößte Teil des Kaffees wird von Kleinbetrieben erzeugt und das Management von Einkäufern, Kooperativen und Ähnlichem obliegt dann in der Regel doch nur einem Weißen.”

    Aber wenigsten sagen wir das N-Wort nicht mehr. Alles in Butter, kann man sich gut fühlen.

  2. Konsum- und Profitautismus

    Ach, wenn heute doch nur alles, was in der Vergangenheit als zeitgeistliche Kopfgeburt unausgegoren auf dem Markt unserer Kommunikation geschmissen wurde, wirklich kritisch und wahrhaftig veränderungswillig betrachtet werden würde – es ist eben alles nur kreislaufender Zeitgeist, mit der vermeintlich besten Spitze der Evolution, im geistigen Stillstand!?

    1995 in den USA, bei einer Konferenz der Weltwirtschaft, sollte den Kleinen, also der vor allem verarmten Mehrheit der Welt- und “Werteordnung” im nun “freiheitlichen” Wettbewerb um …, ganz einfach und endgültig die Bedingungen der Globalisierung der “Dienstleistungsgesellschaft” übergestülpt werden.

    Doch weil diese damals noch nicht so einfach …, trotz des Endes des “Kalten Krieges”, haben sich die Spitzenköpfe wenigstens eine Neudefinition der / ihrer Formel von “Brot und Spiele” einfallen lassen – TITITAINMENT, Titi für Ernährung, tainment für das gewohnte “Unterhaltungsprogramm”, im GLEICHBLEIBENDEN Verhältnis von 1:5 der Weltwirtschaft.

    “Dienstleistungsgesellschaft” bezeichnet übrigens auch nur die herkömmlich-gewohnte Versklavung der Abhängigen der Hierarchie von und zu materialistischer “Absicherung”, globalisiert wird dabei vor allem die Armut, damit “Entwicklungshilfe” möglichst aus besser zu rationalisierenden “Sozial”-Fonds überall hin verteilt werden, also im Sinne der Konfusion in Überproduktion von Kommunikationsmüll und NICHT eindeutiger / richtungsweisender Wahrheit!

  3. Das ist

    Heute kaufen wir bei Edeka (E. d. K. = Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler).

    …natürlich ganz schlimm.

    Ansonsten: der Mohr meint den Mauren, der schwarz war, weil die Araber Schwarze als Sklaven (und andere) verkauft haben, nicht sich selbst.

    Sachlich also “eher falsch”.

    Und das hier

    Der allergrößte Teil des Kaffees wird von Kleinbetrieben erzeugt und das Management von Einkäufern, Kooperativen und Ähnlichem obliegt dann in der Regel doch nur einem Weißen.

    …klingt wieder schwer nach Kritischer Weißseinsfroschung, wenn überhaupt sachlich richtig.

    Last but not least ist anzunehmenderweise auch der Euphemismus “Fair Trade” (das Handeln über Marktpreisen, um sozusagen sein Gewissen zu beruhigen) spätestens in 10 bis 20 Jahren ein No-Go.

    MFG
    Dr. W

  4. Nicht nur bei Kaffee ein Problem…

    Das Problem ist z.B. bei Schokolade genauso schlimm, wenn nicht noch schlimmer. Kinderarbeit ist da leider immer noch die Regel, und der Verbraucher schert sich zu wenig. Und auch wenn bei “Fairtrade” nicht alles regenbogenfarben suppi ist, ist es doch der Schritt in die richtige Richtung. Veränderung beginnt mit dem Bewusstsein, dass Veränderung her muss!

  5. wirklich-wahrhaftige Veränderung

    “… um sozusagen sein Gewissen zu beruhigen”

    – vor Kurzem bin ich eher aus Faulheit in einen Weltladen gegangen um Kaffee zu kaufen (Bio-Kaffee schmeckt wirklich besser). Über das Blinken des Geldes (mir war mein Kleingeld auf den Boden gefallen), kam ich mit der Frau hinterm Tresen ins Gespräch über “Fair Trade” usw.. Dabei habe ich auch erwähnt wie sehr der Aktienhandel den Markt im Würgegriff hält. Als die Frau dann seufzend sagte “Ja, da haben wir alle eine Menge Geld verloren”, war mir mal wieder klar wie WENIG BEWUßTSEIN, bzw. wieviel Akzeptanz, Kompromissbereitschaft / leichtfertige Toleranz diese Welt- und “Werteordnung” hat um weiter zu funktionieren.

  6. Naja…

    …es ist zumindest ein Anfang, dass doppelt so viel für den Kaffee gezahlt wird und als Verbraucher kann man diesen ja auch kaufen um für bessere Zustände zu sorgen. Dass sich das System aber je ändern wird, wage ich zu bezweifeln. Wenn, dann nur sehr langsam. Wo wäre unser Reichtum, wenn es anders wäre?

  7. Vergleichbare Probleme

    Kaffee – wir wollen eine gute Qualität – und können auch mehr bezahlen. Damit soll es den eigentlichen Herstellern – so heißt es – etwas besser gehen als denen in der großen Massenproduktion, ohne die es allerdings auch (noch?) nicht geht.
    Kaffee kommt primär aus Afrika und die Wirkung wurde zufällig bei Ziegen entdeckt.
    Man führte diskriminierende Worte für die produzierenden Menschen ein – die man heute vermeiden will. Und dabei stammen wir – Homo sapiens – aus dem Süden Afrikas seit 300.000 Jahren http://www.mpg.de/…research_topic=BM&seite=5 . Und welche Stellung hat Afrika heute?
    Im Blog https://scilogs.spektrum.de/…ieder-tote-in-bangladesch geht es auch um die primären Produzenten – von Bekleidung. Das Grundproblem ist nicht viel anders.
    Aber auch hier im Blogsystem – wo man mindestens 2 Regeln für gutes Bloggen aufgestellt hat, gibt es Drohungen und Bevormundungen, z. B. s. letzten Kommentar unter: https://scilogs.spektrum.de/…ck-mich-von-julia-schramm .

    Hier wird der historische Name E. d. K. erklärt: http://de.wikipedia.org/wiki/Edeka .

  8. Mohr, Ne*er und Ni**er sind wohl kaum miteinander vergleichbar. War Ne*er anfangs ein neutraler Begriff, abgeleitet von “negro”, ist er dennoch eng mit Kolonialismus, Sklaverei und Rassentrennung verbunden und wurde bald zum Schimpfwort. Außerdem definiert das Wort Ne*er Menschen ausschließlich über die Hautfarbe. Es ist somit eindeutig rassistisch und diskriminierend und über das Wort Ni**er braucht man gar nicht erst diskutieren. Es war also völlig richtig, Pippis Vater umzudeuten. Was allerdings den Mohren betrifft, bezog sich die Bezeichnung nicht auf die Hautfarbe, sondern auf die Herkunftsregion. Wenn ein Luther aus den Mohren “Schwarze” machte, dann sollte man über den Menschen Luther, aber nicht über die Mohren nachdenken. Übrigens kann man gut in Kiel im Restaurant “Zum Mohrenkopf” essen. Inhaber ist Andrew Onuegbu. Nein – er benennt sein Restaurant nicht um. ” Herr Onuegbu: „Der Mohrenkopf wies im Mittelalter diejenigen Häuser aus, die als Fürstenherberge dienten. Außerdem galt er als besonderes Zeichen für eine hervorragende Küche und eine zuvorkommende Bewirtung.“

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