Kunst für Keinen – Ausstellung in Frankfurt

Es gibt wohl nur wenige Begriffe, die so schwer zu definieren sind, wie die der Kunst und ihrer Aufgaben. Ihr Wesen liegt irgendwo zwischen der Subjektivität des Künstlers und kultureller Tradition, zwischen der Kunst als Methode der Psychohygiene und als Mittel des Broterwerbs, als Arena der Selbstdarstellung und als Befriedigung wichtiger gesellschaftlicher Bedürfnisse.

Von allem ein bisschen und nie etwas von alledem allein, würde ich sagen. Und was bleibt von der Kunst, wenn das Publikum fehlt? Wenn ihr, im schlimmsten Fall, das Publikum entzogen wird, wie es durch die perfide Kunstpolitik der Nationalsozialisten der Fall war. Die Antworten der Künstler sind so unterschiedlich wie die Definitionsansätze des Begriffes Kunst.

Die einen flohen ins Exil und versuchten dort irgendwie ihre Arbeit fortzusetzen. Die anderen blieben im Land und hörten auf zu arbeiten (zumal, wenn ihnen der Zugang zu ihrem Arbeitsmaterial verwehrt wurde).  Andere malten Gefälliges, um weiter leben zu können, oder gleich nur im Privaten.

Hannah Höch, 1945 (Das Ende), 1945, Öl auf Leinwand, Berliner Sparkasse, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Für viele bedeutete das das Ende einer vielversprechenden Karriere, denn wer figürlich arbeitete und nach dem Zweiten Weltkrieg daran anknüpfte, statt sich dem Dogma einer abstrakten, als Sprache der Freiheit propagierten Kunst anzuschließen, hatte im Westen keine Chance – Stichwort „Verschollene Generation“. Im Osten dagegen konnte er womöglich im Sozialistischen Realismus Auskommen und Anerkennung finden.

Andere kamen wieder auf die Beine und das Etikett, als „entarteter Künstler“ ein Opfer des Nationalsozialismus gewesen zu sein, verschleierte lang die Tatsache, dass erschreckend viele der von den Nazis Verfemten zunächst selbst versucht hatten, sich nicht nur bei diesen lieb Kind zu machen, sondern oft auch selbst der Faszination der faschistischen Ideologie erlagen. Entsprechende Briefe und Dokumente kann man heute bis zum Erbrechen lesen (Emil Nolde, bezeichnet sich 1938 „als fast einzigster deutscher Künstler in offenem Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Kunst, gegen das unsaubere Kunsthändlertum und gegen die Machenschaften der Liebermann- und Cassirerzeit gekämpft“ hat; Barlach gehörte 1934 zu den 37 Unterzeichnern des „Aufrufs der Kulturschaffenden“, einem Bekenntnis zu Adolf Hitler;  Franz Radziwill trat am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein; etc.).

Otto Dix, Judenfriedhof in Randegg im Winter mit Hohenstoffeln,
1935, Öl auf Holz, Saarlandmuseum – Moderne
Galerie, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, © bpk / Stiftung
Saarländischer Kunstbesitz, Foto: Tom Gundelwein / VG Bild-
Kunst, Bonn 2022

Dem Heer der Künstler, die zwischen 1933 und 1945 durch das nationalsozialistische Regime diffamiert wurden und dennoch im Land blieben, widmet sich ab dem 4. März eine Ausstellung der Schirn Kunsthalle Frankfurt und wirft damit wie schon in manchen vergangenen Ausstellungen ein Licht auf ein bislang wenig bearbeitetes Thema.

Werner Heldt, Meeting (Aufmarsch der Nullen), 1933–1935, Kohlezeichnung, Berlinische Galerie –
Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, ©
Berlinische Galerie / VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Ausstellung in der Schirn Frankfurt

In ihrer Ausstellung „KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945“ zeigt die Schirn vom 4. März bis 6. Juni 2022, anhand von 14 Einzelschicksalen, wie diese Künstlerinnen und Künstler ganz individuell mit der Situation umgingen. Denn niemand konnte sich dem Regime wirklich entziehen. Die Reichskammer der bildenden Künste überwachte den gesamten Kunstbetrieb. Arbeits- und Ausstellungsverbote wurden von der Gestapo kontrolliert.

Die Ausstellung soll zeigen, so die Schirn in einer Pressemitteilung, „dass nicht allein Apathie, Stillstand und Aussichtlosigkeit die künstlerische Arbeit in dieser Zeit bestimmten. Rückbezug auf das eigene Werk, Beschäftigung mit existenziellen Themen und inhaltliche Anpassung waren etwa Reaktionen auf die totalitäre NS-Kunstpolitik. Dabei waren die künstlerischen Antworten so unterschiedlich wie die Künstlerinnen und Künstler selbst. Um dieser Singularität gerecht zu werden, ist die Ausstellung nicht chronologisch oder thematisch aufgebaut. Sie definiert keine einheitliche stilistische Entwicklung, sondern beleuchtet vielmehr mit individuellen Fallbeispielen und etwa 140 Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien die Vielfalt der Kunst, die abseits der offiziellen Regimekunst existierte, aber ohne Publikum blieb. Präsentiert werden Werke von Willi Baumeister, Otto Dix, Hans Grundig, Lea Grundig, Werner Heldt, Hannah Höch, Marta Hoepffner, Karl Hofer, Edmund Kesting, Jeanne Mammen, Ernst Wilhelm Nay, Franz Radziwill, Hans Uhlmann und Fritz Winter.“

Die Haltung der ausgestellten Künstler zum Nationalsozialismus war höchst unterschiedlich, und reicht von anfänglich großer Begeisterung bis zur entschiedenen antifaschistischen Stellungnahme von Beginn an.

Projekt des Deutschen Historischen Museums

Ein wichtiges Projekt des  Deutschen Historischen Museums zeigt auf einer interaktiven Karte ein Gegenbild: Ausgangspunkt ist die im vergangenen Jahr veranstaltete Ausstellung zum Thema der 1944 im Auftrag von Adolf Hitler und Joseph Goebbels zusammengestellten „Gottbegnadeten-Liste“:  Die darauf verzeichneten 114 Bildhauer und Maler genossen Vorteile und wurden vom Front- und Arbeitseinsatz verschont. Nach 1945 waren sie weiter hauptberuflich als bildende Künstler tätig und bekamen öffentliche Aufträge. Vieles davon prägt bis heute unsere Städte und soll auf der Karte verzeichnet werden – bislang zu sehen sind die Standorte von etwa 300 Arbeiten von Künstlern der „Gottbegnadeten-Liste“ in Deutschland und Österreich.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

18 Kommentare

  1. Nur vier kleine Ergänzungen zu diesem sehr netten und informativen Text :

    1.)
    Zu ‘Denn niemand konnte sich dem Regime wirklich entziehen.’ – Die Abreise war längere Zeit nach 1933 möglich, sie schien auch aus heutiger Sicht, im Ex Pst sozusagen, streng angeraten zu sein, allerdings erkannten viele seinerzeit nicht, wie sich die Sache entwickeln würde und zudem gab es nicht selten persönliche Bindungen, wie bspw. die nötigen Pflege älterer Personen im Verwandtschaftskreis, die so eher abrieten.

    2.)
    Kunst kommt von Können, der Kunstbegriff hielt sich lange Zeit derart so, dass ein Künstler etwas qua besonderer Handfertigkeit geleistet haben muss, das sehr anschaulich und schwierig zu erstellen ist, bspw. ein Porträt, das sozusagen foto-realistisch wirkt, und nicht nachgemacht werden kann, jedenfalls nicht in dieser Qualität, oder eine Plastik.

    3.)
    Der Kunstbegriff hat sich gewandelt, es ist seit einiger Zeit auch möglich Kunst zu produzieren, deren Erstellungstechnik nicht außergewöhnlich ist, die dennoch zu berühren vermag, auch insofern großartig sein kann.
    Andy Warhol war in diesem Zusammenhang mit auch Drucken, mit bestimmten Farbdrucken, der derart sozusagen größte Exponent oder Produzent, Warhol begleitete seine Kunstwerke auch, wie einige finden, sehr gut mit Statements, auch zu seiner Kunst und auch das allgemeine soziale Gerühre meinend.
    Einmal von einem Journalisten angefragt, was denn dieses oder jenes Detail in einer seiner Arbeiten bedeuten würde, entgegnete er ” It’s the X in you. ”
    (Dr. Webbaer mochte diese Antwort und hat sie sich gemerkt; an sich könnte bis sollte zwischen der “Fähigkeitskunst” (2) und der interpretativen, sozial relevanten Kunst (3 – also dieser Absatz) ein Mittelweg gefunden werden.

    4.)
    Die sog. Gottbegnadeten-Liste ist vergleichsweise lustig, die Nationalsozialisten waren keine Christen, sondern “gottgläubig“, der Schreiber dieser Zeilen hat noch einige von ihnen kennengelernt.

    Mit freundlichen Grüßen und ein großes Danke
    Dr. Webbaer

  2. Hitler und Goebbels hatten auch die Passionsspiele in Oberammergau angeschaut und sind dabei in Tränen ausgebrochen. !!
    Im Psychogramm von Größenwahnsinnigen finden eben Gottgläubigkeit und Judenvernichtung gleichzeitig Platz.
    Etwa die Hälfte der Deutschen gehören einer Konfession an und sind somit gottgläubig.

    Es ist schon perfide, Künstler , die von den Nationalsozialisten geduldet wurden als gottgläubig zu bezeichnen. (Oder habe ich da etwas falsch verstanden ??)

    Um konkreter werden zu können, muss man sich diese Kunstaustellung ansehen.

    • Siehe ‘gottgläubig .

      Etwa die Hälfte der Deutschen gehören einer Konfession an und sind somit gottgläubig.

      Rosenberg und andere meinten nicht im christlichen Sinne gläubig (religiös – besonders ‘zurückgebunden’, so wörtlich), der “Führer” bspw. hat oft von der Vorsehung geredet, auch so war nicht christlich gemeint.
      Die ‘Gottgläubigkeit’ ist sozusagen ein nationalsozialistischer Code.

  3. Dr. webbaer,
    Die Nationalsozialisten gehören der Geschichte an. Die Sprache , wenn sie ihren Sinn behalten soll, gilt jetzt.Wenn Hitler von der Vorsehung sprach, dachte er an Friedrich den Großen und den 7-jährigen Krieg.
    Er sah sich als Nachfolger Friedrich des Großen. Bis 1945 hoffte er auf die Vorsehung, auf den Streit zwischen den USA und der UdSSR.

    Hitler glaubte an sich selbst. Das mit der “Gottgläubigkeit” war ein geschickter Schachzug von ihm um sich der Gefolgschaft der Katholiken zu versichern.

    Ihre Interpretation ist also richtig.

    • Das ist nur ein farbiger Platzhalter ohne Bedeutung, der das vom Template vorgegebene Header-Bild, das sehr naturwissenschaftlich anmutet, überdeckt … Mir fiel zum Thema auf die Schnelle nichts Besseres ein.

    • Kunst ist Bewusstsein – bildende Kunst ist Bewusstsein für den bewusstseinsbetäubten Intellekt dieser Welt- und “Werteordnung” – bestenfalls geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein / Mensch für das wirklich-wahrhaftige Sein, gegen das wettbewerbsbedingte “Individualbewusstsein” und die Symptomatik des imperialistisch-faschistischen Erbensystems im geistigen Stillstand seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (“Vertreibung aus dem Paradies”)!?

    • Im dritten Reich gab es ja sehr viele gesellschaftlich/politische Phänomene, die neu waren und denen man als Künstler unmöglich indifferent begegnen konnte. Ich denke da an Massenaufmärsche, Wochenschauen, Propagandaveranstaltungen, Radioansprachen, die vielleicht über einen „Volksempfänger“ in die heimische Stube gelangten … und vieles mehr.

      Hätte Andy Warhol zur damaligen Zeit gelebt, wäre ihm die Arbeit nie ausgegangen. Nur dass er wohl kaum eine Factory mit der industriellen Schaffung von Werken hätte beschäftigen können – ausser er wäre ein Regime-Künstler gewesen.

      Im Prinzip war die Zeit der Naziherrschaft und des Krieges eine aufregende Zeit für einen Künstler/eine Künstlerin, die gierig nach neuen Erfahrungen war. Andererseits herrschte Angst, teils Todesangst. Und das ist allenfalls ein gutes Sujet, aber eine schlechte Motivation um Kunst zu schaffen.

      • Nur ergänzend :

        […] neu […]
        Ich denke da an Massenaufmärsche, Wochenschauen, Propagandaveranstaltungen, Radioansprachen, die vielleicht über einen „Volksempfänger“ in die heimische Stube gelangten … und vieles mehr.

        ‘Massenaufmärsche’ waren nicht neu, sie gab es schon in der Antike, auch sog. ‘Propagandaveranstaltungen’, neu waren Radio und Lautsprecher, die Telefonie ist etwas älter, vergleiche :

        -> https://en.wikipedia.org/wiki/Wireless_telegraphy

        -> https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_W._Kellogg (‘Aufgrund eines Patentaustauschabkommens mit General Electric wurde der Lautsprecher in Deutschland durch die AEG zum Patent angemeldet und ab 1927 vermarktet.’)


        Der Lautsprecher war für die propagandistischen Bemühungen des NS-Regimes sehr wichtig.
        Auch der sog. Stummfilm konnte “nun endlich” (vgl. mit der genannten “Wochenschau”) abgelöst werden.

        Es ist idT so, dass die Bereitstellung neuer Medien gesellschaftsverändernd wirkt.

        MFG
        WB (der im NS-Regime keine aufregende künstlerische Zeit entdeckt, außer vielleicht bei Ernst Jünger >:-> )

      • Die Bibel ist sozusagen auch ein wirklich-wahrhaftig zu interpretierendes Kunstprojekt – Gott ist dort die Vernunft des Geistes der Schöpfung / des Zentralbewusstseins, wo Mensch / das Menschsein erst ebenbildlich wirksam wird (Matthäus 21,18-22), wenn Mensch gemeinschaftlich in Gemeinschaftseigentum “wie im Himmel all so auf Erden” das konfusionierte “Individualbewusstsein” gottgefällig/vernünftig befriedet-gestaltet und somit den geistigen Stillstand und die “göttliche Sicherung” (offenbarte Vorsehung/Schicksal) überwindet und …

        Gott ist nicht der gute alte Mann (Frau/Diverse), wo im Himmel sitzt und stumpfsinnig als Sündenbock auf die braven Sünder wartet, die im holographischen Universum nichts als Zeitvertreib und gleichermaßen unverarbeiteter Bewusstseinsschwäche …!?

  4. “Es ist idT so, dass die Bereitstellung neuer Medien gesellschaftsverändernd wirkt.
    Eine wichtige Einsicht. Mit Streaming und Bezahlfernsehen werden wir erleben, dass wichtige Neueigkeiten nur noch für die Wohlhabenderen zur Verfügung stehen.
    Umsonst wird es nur noch Werbung geben. Ausstellungen und Eintrittspreise werden mit dem Bezahlfernsehen korellieren.

    • 😏 “Kunst für Keinen” 🤔 – Erkenntnis für Alle 🤗 Damit Bewusstseinsbetäubung nicht einfach zur Kunst-/Bewusstseins-Sammlung verkommt/entartet 👊😎

    • Der Schreiber dieser Zeilen kennt noch sog. Röhrenradios und scheppernde Lautsprecher, auch wenig günstig leistenden Mikrofonen geschuldet, in den Sechzigern wurde noch fleißig “gescheppert”, auch frühen sog. Rock’n’Roll meinend, mit sozusagen den “Beatles” kamen, jedenfalls so zeitnah, dann neue Technologien, eingesetzt von Sound-Ingenieuren, wie folgt in etwa :

      -> https://en.wikipedia.org/wiki/Silent_film (‘Although attempts to create sync-sound motion pictures go back to the Edison lab in 1896, only from the early 1920s were the basic technologies such as vacuum tube amplifiers and high-quality loudspeakers available.’)

      -> https://de.wikipedia.org/wiki/Transistorradio#Der_Markterfolg_des_Transistorradios

      -> https://en.wikipedia.org/wiki/Sound_recording_and_reproduction#Stereo_and_hi-fi (gerade auch “UKW” meinend, das eine deutlich höhere Übertragungsdichte, von Signal meint, auch höheren Informationsgehalt im informatorischen Sinne)


      KA, ob so hier jemand interessiert ist, es war jedenfalls noch vor etwas mehr als 50 Jahren so, dass der (Fern-)Empfang von akustischer Nachricht sozusagen extra-mau war.

      MFG
      WB

  5. 😏 “Kunst für Keinen” 🤔 – Erkenntnis für Alle 🤗 Damit Bewusstsein nicht einfach zur Bewusstseinsbetäubung / Kunst-/Bewusstseins-Sammlung verkommt/entartet 👊😎

    🤭 Entschuldigung, so musses …🙃

    • Ein Alien, für den 1 Tag bei uns 100 Jahre sind, der wird das Verhalten der Menschen als unvernünftig betrachten. Eine Spezies, die ihre Grundlage selbst vernichtet. Nicht zu unterscheiden von Kaninchen, die ihr letztes Gras wegfressen und sich dabei noch vermehren.
      Aber er wird sich wundern über unsere Kunst. Was tun die Menschen da, sinnlos Papier bemalen, sinnlos Skulpturen schaffen, die man nicht essen kann und nur Platz einnehmen.
      Er wird uns nicht verstehen aber erahnen, dass wir doch keine Kaninchen sind.

      • Von Höhlenmalerei bis Fussabdrücke auf dem Mond, die Kunst des Seins ist bisher immernoch eine emotional-kreislaufende Krise in/um materialistische “Absicherung”!?

  6. Wer definiert, was Kunst ist
    Zitat aus obigem Beitrag:

    Es gibt wohl nur wenige Begriffe, die so schwer zu definieren sind, wie die der Kunst und ihrer Aufgaben.

    Für das Nazi-Regime war das nicht schwer zu definieren. Das Nazi-Regime wusste sogar was entartete Kunst ist. Auch die Sowjetunion wusste zwischen nützlicher und schädlicher Kunst zu unterscheiden. Sie wusste es nicht nur, sie zwang sogar die Kunstform herbei, die sie für gesellschaftlich geeignet – heute würde man anstatt geeignet korrekt sagen – hielt.

    Nicht wenige Künstler der Moderne unterstützten übrigens wie die Mehrzahl der damaligen Intellektuellen sozialistische Gesellschaftsmodelle oder warben gar für das Stalinregime. Auch Künstler, die sehr frei auftraten und künstlerisch neues boten. Wäre aber das, wofür sie eintraten Wirklichkeit geworden, wäre ihre Kunst bald einmal weggesperrt worden und sie selbst hätten, um zu überleben, Kollegen anschwärzen und hinter Gitter bringen müssen.

    Einige mögen sagen: Freies Künstlertum sei ein Ausdruck der westlichen Kultur und des westlichen (,kapitalistischen) Gesellschaftssystems. Doch falls das stimmt und falls die Freiheit der Kunst sogar kennzeichnend für das westliche Gesellschaftssystem wäre, dann stände die westliche Kultur sogar noch für viel mehr als für freies Künstlertum. Sie stände dann für das, was lebenswerte von nicht lebenswerten Gesellschaften unterscheidet.

  7. Martin Holzherr, über die Freiheit der Kunst
    “lebenswerte von nicht lebenswerten Gesellschaften unterscheidet.”

    Das gilt aber nur für die Leute, die nicht unter Brücken schlafen müssen oder Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden in unserer “freien Gesellschaft”.

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