Jesuskind mit Esel und Rind: Die Geburt Christi

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Ein Kind in einer Futterkrippe – ein klarer Fall. Dazu vielleicht noch eine Frau und ein Mann, Hirten, Schafe, Engel. Wobei diese alle am Anfang noch gar nicht nötig waren. Nur Esel und Ochse waren schon immer dabei. Aber die frühen christlichen Darstellungen kamen sogar ohne Mutter aus. Die ist inzwischen allerdings nicht mehr wegzudenken. Und vor allem volkstümliche Bildchen und Krippen, die in Kirchen wie in Schaufenstern und oft auch zu Hause aufgebaut werden, haben uns das Bildmuster so geläufig gemacht, dass wir meistens kein zweites Mal hinschauen.

Paul Gauguin Geburt ChristiAusnahmsweise nicht auf den ersten Blick zu erkennen und doch ist auch dies eine “Geburt Christi” – 1896 gemalt von Paul Gauguin als Reaktion auf ein eigenes Erlebnis. Esel und Rind sind auch hier dabei, das Jesuskind weit abgeschlagen im Hintergrund und vorn prominent platziert: die Wöchnerin samt Heiligenschein (Neue Pinakothek München, Reproduktion: The York Project).

Das ist manchmal schade, weil die Bilder von der „Geburt Christi“ oft gar nicht mal so langweilig sind. In der Bibel wird die Szene, wenn überhaupt, eher lapidar geschildert. Bei Lukas heißt es:

Als sie in Bethlehem waren „kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe … Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! … Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen … Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen”.

Windeln, Krippe, dazu beide, Maria und Josef. Es bleibt viel Raum zur Interpretation. Zwar gibt es für die Art der Darstellung auch theologische Gründe. In vielen Aspekten blieb die Bilderfindung aber den Malern überlassen – und je nach Epoche, Auftraggeber und kunsthistorischer Prägung haben sie ihre Vorstellung dann umgesetzt. In die Gestaltung flossen dabei auch gesellschaftliche Überzeugungen und Versatzstücke aus der Alltagswelt ein.

Auch bei Duccio ist die Gottesmutter im Vordergrund. Die Kernszene genau in der Mitte zeigt aber das gewickelte Kind im Stall mit Esel und Rind. Josef ist Beoachter am linken Rand. Kunstvoll dicht gepackt drumherum die Erzählung von der Verkündigung an die Hirten und eine realistisch gestaltete Szene, in der das Kind gebadet wird (Anfang 14. Jahrhundert; Mitteltafel eines Altars, National Gallery of Art, Washington, D.C.; Reproduktion: The York Project).

Esel und Rind gehören immer dazu. In den Evangelien werden sie nicht erwähnt. Dennoch sind sie keine folkloristische Zutat und haben auch nicht bloß die Aufgabe, die Stallsituation zu verdeutlichen. Vielmehr sind sie ein Hinweis auf die Prophezeihung des Jesaja, die als Ankündigung des Erlösers gesehen wird. Dort findet sich folgende Stelle:

Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis …

Soweit also die theologische Begründung für die Anwesenheit der beiden Tiere. Für die Künstler stellte deren angemessene Darstellung eine Herausforderung dar. Sollen sie nur symbolisch dargestellt werden oder eher realistisch – und wie nah dürfen sie im letzen Fall dem Kind kommen?

Hier hat Josef eine aktivere Rolle. Er darf das Essen zubereiten. Esel und Rind sind geschickt platziert: Einerseits sind sie im Sinne der theologischen Aussage direkte Zeugen, aber trotzdem hinter einen Zaun verbannt (Conrad von Soest, Hochaltar in der Kirche von Bad Wildungen, 1403; Reproduktion: The York Project).

Mindestens ebenso spannend wie die Darstellung der Tiere ist die Rolle, die Josef zugewiesen wird. Zwar ist er für den Stammbaum Jesu unerlässlich, aber sonst stört er ja eher hinsichtlich der jungfräulichen Geburt. So hat er oft nur eine Position als nachdenklich Sitzender am Rand oder aber er darf sich nützlich machen (im Sinne eines bürgerlichen Familienbildes wird die Szene inzwischen meist als “Vater, Mutter, Kind” gruppiert).

Dieses Bild von Hans Schäufelein schildert das Geschehen ausgesprochen rustikal und naturverbunden und verzichtet weitgehend auf Architektur. Esel und Rind erscheinen fast als Teil der heiligen Familie. Josef hält eine Kerze: Das war ein im Mittelalter sehr beliebtes Motiv der Josefsdarstellung mit vielen Möglichkeiten der symbolischen Deutung  (um 1506/07, Kunsthalle Hamburg; Reproduktion: The York Project).

Und natürlich ist es immer interessant zu sehen, wie die Beziehung von Mutter und Kind gestaltet wird. Manchmal staunt Maria sehr über den Gottessohn, den sie geboren hat. In anderen Fällen wird die innige Verbundenheit der beiden betont, entweder als realistische Darstellung einer menschlichen Beziehung oder als mystisches Erleben der Gegenwart Christi. Oft kommt auch die Ambivalenz von Göttlichem und Menschlichem zum Ausdruck – für die Künstler eine wohl nicht zu unterschätzende Herausforderung.

Kein Platz für Esel und Rind: Rogier van der Weyden legte in diesem Altarbild für den kastilischen König viel Wert auf die kostbare Ausgestaltung der Umgebung. Der greisenhafte Josef macht sich weder nützlich noch wirkt er nachdenklich, sondern er scheint das Ganze zu verschlafen – oder träumt er schon von der Flucht nach Ägypten (um 1450, Kopie einer Seitentafel des Miraflores-Altars, Capilla Real, Granada; Ausschnitt, Reproduktion: The York Project)?


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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

8 Kommentare

  1. Symbolik des Josef

    “Der greisenhafte Josef macht sich weder nützlich noch wirkt er nachdenklich, sondern er scheint das Ganze zu verschlafen…”

    Die Figur des Josef steht oft auch als Symbol für das Judentum. Dazu stellte man ihn entweder in dienender Funktion oder schlafend dar. Der schlafende Josef gilt als Seitenhieb auf die Juden, dass sie die Ankunft des Messias verschlafen haben. (Jesus wird von den Juden nicht als Messias anerkannt.)

    Siehe dazu auch: http://www.maschiach.de/content/view/79/93/

  2. @mona

    Vielleicht nehmen Sie das hier etwas umfangreicher beschriebene Werk Rogier van der Weydens zur Kenntnis (wir haben hier die erste oder linke Seite eines Triptychons zu bestaunen):

    -> http://hoocher.com/…en/Rogier_van_der_Weyden.htm

    Joseph wirkt dort schon “ein wenig” vitaler und Ihre antijudaistischen Projektionen müssen nicht der Intention van der Weydens entsprechen.

    HTH + schöne Weihnachtstage!
    Dr. W

  3. Miraflores-Altar

    Es geht hier nicht um irgendwelche “antijudaistischen Projektionen”, sondern um das was die Künstler zu ihrer Zeit mit einem bestimmten Kunstwerk aussagen wollten. Die Geschichte der Kunst ist etwas reichhaltiger und vielfältiger, als es sich manch einer vielleicht vorzustellen vermag. Die alten Meister bedienten sich häufig einer Symbolsprache, die der Betrachter oft erst sorgsam entschlüsseln musste, damit er die Aussage des Künstlers verstand.
    Um noch mal auf den Miraflores-Altar zurückzukommen: Ich verlinke hier einen Ausschnitt aus einem Buch, in dem meine Aussage bestätigt wird.

    http://books.google.de/…nder%20josef&f=false

  4. @Mona

    Das scheinen nachträgliche Spekulationen Einzelner zu sein; wenn Sie dementsprechend recherchieren, werden Sie nicht viel finden.

    Folgen/recherchieren Sie gerne auch den Artikel-Hinweis mit der in einem Traum angekündigten Flucht nach Ägypten. Das wäre hier erst einmal die naheliegende Deutung.

    MFG
    Dr. W

  5. Älterer Witwer

    Josef wurde natürlich auch deshalb als müder Tattergreis dargestellt, um glaubhaft zu machen, dass die Ehe nie vollzogen worden ist. Mit der Gegenreformation wird die christliche Familie propagiert und jetzt ist (z.B. bei Murillo) Josef ein attraktiver Vierziger, der mit dem Kindlein spielen darf.

  6. Ältere Witwer

    Der Aspekt der auch auf die Zeit nach Jesu Geburt unterstellten Josefsehe kommt hier – vor allem bei Rogier van der Weyden – sicher ins Spiel. Aber manchmal ist das vielleicht auch kunsthistorisch überinterpretiert? Man könnte zumindest mal der Frage nachgehen, ob es bei den Darstellungen eine Rolle gespielt hat, dass im Mittelalter viele Frauen schon im Alter zwischen 20 und 40 starben(wegen der vielen Geburten). Die Männer, die das Jugendalter überlebt hatten, wurden deutlich älter und die Witwer heirateten dann meist wieder junge Frauen und hatten mit denen dann auch wieder Kinder. So dürfte die Kombination eines älteren Ehemanns mit einer jüngeren Frau viel geläufiger gewesen sein als heute. Und ein älterer Mann stand für höheren sozialen Status und wirtschaftliche Sicherheit. Abgesehen von der Darstellung Rogier van der Weydens ist Josef in den anderen Beispielen ja zwar deutlich älter als Maria, sieht aber doch noch durchaus “mannhaft” aus.

  7. Zeit-Bände?

    Liebe Blognachbarin,

    gerade arbeite ich wieder mit den meinerseits sehr geschätzten 20 Bänden der ZEIT Welt- und Kulturgeschichte. Bei Bildredaktion lese ich: Leitung Dr. Eva Bambach.

    Echt jetzt? Wenn, dann auf diesem Wege ein dickes Kompliment zum gelungenen Beitrag zu einem großartigen Werk(stapel)!

    Beste Grüße, Michael

  8. @Michael Blume

    Ja, das waren noch Zeiten …. Danke für das Lob, das werde ich bei Gelegenheit den damaligen Mitarbeitern weitergeben. Solche Großreihen sind inzwischen selbst Geschichte. Keiner würde heute wohl noch Geld in so ein Projekt stecken.

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