Ganz schön alt

Ja, ja, die Hitze. Eigentlich hatte ich mir für heute morgen das Konzept zu einem kleinen Vortrag über das Museum 4.0 vorgenommen. Aber schnell ist klar, es ist einfach zu heiß. Statt schön geradeaus zu denken, wabert mein Blick ziellos durchs Zimmer. Und bleibt an so manch fragwürdigem Gegenstand hängen.

Mir kommt der Gedanke eines befreundeten Museumsleiters in den Sinn, der plant, seine Museumsstücke interessierten Menschen ins Haus zu bringen – auf eine gewisse Zeit. Viele dieser Dinge waren auch einmal Teil des Alltags der Leute, die “früher” gelebt haben. Wie lange ist ein Gegenstand banaler Teil der Umwelt? Entscheidend ist, wann er seine Funktion verliert und wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen ist. Dann wird er entweder gleich weggeschmissen oder eine Weile aufbewahrt und dann weggeschmissen oder als zwar nutzloses, aber liebgewordenes Relikt aufbewahrt und von den Erben weggeschmissen oder auf dem Flohmarkt verkauft. Aber manches Stück hat das Glück, irgendwann für schön oder interessant genug befunden zu werden, um in eine Sammlung oder ein Museum zu kommen. Erstmal vielleicht ins Depot …

Bei einem kalten Glas Wasser in meiner Küche habe ich die Gesellschaft der zufällig dort versammelten Gegenstände mal unter diesem Aspekt betrachtet.

Und datiert:

Sind da Kandidaten für eine Museumskarriere dabei?

Manches scheidet schon wegen des Erhaltungszustands aus. Anderes empfinde ich schon heute als leicht museal (grün markiert: die alte Bierflasche (Brauerei-Aufschrift “Flaschenbenutzung verboten”), der Bembel (wurde aber als untergehendes Kulturgut von gewitzten Marketing-Leuten wiederentdeckt – und letztlich durch Dosen-Apfelwein ersetzt) und der Toastständer (da haben mich schon manche Besucher gefragt, wozu dieses komische Ding da eigentlich gut ist …).

Bei anderen Sachen kann ich mir gut vorstellen, dass künftige Generationen sie mit einem gerührten Schmunzeln in der Vitrine (?, gibt’s sowas dann noch …) betrachten werden (Mikrofasertuch, Kratzschwamm) – als Zeugen des Versuchs,  “damals” Hygiene in die Küche zu bringen. Und auch bei der Konservendose könnte ich mir gut vorstellen, dass die irgendwann technisch überholt ist.

Und noch ein anderer Gedanke: Die Verweildauer im Haushalt unterscheidet sich stark. Klar, Zitronen, Kerzen, Dosentomaten werden verbraucht, dazu sind sie da. Aber interessant ist doch, wie lang manche Dinge hatlen, obwohl sie täglich gebraucht werden: Kannen und Siebe, Tassen, Löffel und Kellen. Je einfacher, desto haltbarer. Nicht auf dem Bild, weil im Schrank aufgeräumt: Ich habe auch noch einen Kochtopf aus dem Jahr 1950. Fast täglich in Gebrauch.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

4 Kommentare

  1. Das ist ja alles brandneu! Nachdem ich zwei in dem 50er Jahren gegründete Haushalte aufgelöst habe könnte ich ganz andere Raritäten bieten: so einen Kartoffelstampfer mit lackiertem Holzgriff, einen ähnlichen habe in Berlin im Volkskundemuseum gesehen. Oder die Alukanne, mit der in 1962 zur Milchfrau geschickt würde, es war damals ein beliebtes Spiel den Arm wie eine windmühle herumzuwirbeln und sich zu wundern, dass die Milch nicht herausgeschwappt ist.

  2. Die Weltkriege haben bewirkt, dass die Menschen ein gestörtes Verhältnis zur Tradition haben. Neu = besser , das ist in den Köpfen der Nachkriegsgeneration fest eingebrannt.
    Dabei altert Porzellan nicht. Ein Messer aus geschmiedetem Stahl überlebt jedes Menschenleben. Unsere erste Waschmaschine wurde 20 Jahre alt. Das schaffen die neuen nicht.
    Wenn man dann noch die Vergeudung von Rohstoffen betrachtet, dann sind wir schon arge Umweltsünder.

  3. Viele Dinge und Geräte blieben/bleiben auch so lange im Gebrauch, weil ihre Besitzer ein emotionales Verhältnis zu diesen Gegenständen (Fetischen) aufgebaut haben. Wer jedoch schnell und im Augenblick lebt und immer alles haben will, was es gerade neues gibt, der muss die moderne Waren-und Konsumwelt lieben – auch und gerade was die Küche betrifft, denke man doch an die Heerscharen von Küchenhelfern, die es heute gibt wie Mixer, Steamer, Vapeurs, Dampfgarer, Waffeleisen, Eierkocher, Toaster und Multifunktionsgeräte.
    Die Küche ändert sich über die Zeit wohl auch durch die gewandelte Bedeutung im täglichen Leben. Früher ein wichtiges Arbeitsfeld der Hausfrau, ist sie heute mehr zum kreativen Betätigungsfeld für Hobbyköche oder dann aber zum Abstellplatz für die Mikrowelle und den mit ConvientFood gefüllten Kühlschrank geworden.
    Die Küche könnte sich noch einmal deutlich verändern, wenn nicht mehr Menschen, sondern Küchenroboter (robotische Küchenchefs) das Kommando (und die Küche) übernehmen und man die Nachbarn zum vom Robo-Chef gekochten 8-gängigen französischen Mahl einlädt. Ratlos werden die Gäste dann nur sein beim Gedanken, ob man den Robokoch für sein Werk loben und was man ihm als Belohnung für seine Mühen (?) mitbringen soll.

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