Dix und Beckmann in Mannheim und München

BLOG: Denkmale

Es gibt etwas zu sehen
Denkmale

Unter dem Titel „Mythos Welt“ ist derzeit noch in der Mannheimer Kunsthalle (und ab dem 11. April 2014  in der Münchner Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung) eine nicht nur für Kunstfreunde, sondern auch für historisch Interessierte ergiebige Ausstellung zu sehen. Obwohl vielen ein großer Teil der ausgestellten Arbeiten schon bei anderen Gelegenheiten begegnet sein dürfte, stellen sich durch die direkte Gegenüberstellung der Bilder von Max Beckmann und Otto Dix manche Fragen neu. Verblüffend waren für mich die vielen Parallelen in den Arbeiten der stilistisch so unterschiedlichen Maler, nicht nur im Thematischen (neben Krieg u. a. Großstadt, Musik, Maskerade, Nacht, Mord), sondern oft sogar in Details der Schilderung. Zum Beispiel bei zwei erstaunlich ähnlichen Szenen vor einem Bordell im Ersten Weltkrieg – zu sehen ist jeweils der Kopf des Künstlers von hinten mit Blick auf ein voluminöses weibliches Hinterteil – schließlich nur eine von denkbar vielen Möglichkeiten, so ein Motiv darzustellen.

Vor fast 90 Jahren waren sie schon einmal Stars einer Ausstellung in Mannheim: Bilder von Max Beckmann und Otto Dix waren 1925 in der programmatischen Schau „Neue Sachlichkeit“ zu sehen, die von Kunsthallendirektor G. F. Hartlaub veranstaltet worden war. Persönlich sind sich beide Künstler aber angeblich nie begegnet.
Vor fast 90 Jahren waren sie schon einmal Stars einer Ausstellung in Mannheim: Bilder von Max Beckmann und Otto Dix waren 1925 in der programmatischen Schau „Neue Sachlichkeit“ zu sehen, die von Kunsthallendirektor G. F. Hartlaub veranstaltet worden war. Persönlich sind sich beide Künstler aber angeblich nie begegnet.

Beide Künstler, die ein Altersunterschied von sieben Jahren trennt, haben am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Beckmann als schon fertiger Künstler; er erlitt nach einigen Monaten einen Zusammenbruch, der ihn zurück in die Heimat führte. Dix dagegen unterbrach seine künstlerische Ausbildung für vier Jahre an der Front.

Bei beiden hat der Krieg (wie bei vielen ihrer Zeitgenossen) einen dramatischen Umbruch in der künstlerischen Arbeit bewirkt ­ – und dass sie die Kriegserlebnisse auch (und man könnte fast sagen: vor allem) Jahre später in detaillierten Darstellungen künstlerisch verarbeiten, erscheint nur folgerichtig. Was mir in der Ausstellung der Mannheimer Kunsthalle aber erstmals so recht bewusst wurde, ist die Flut der Druckgrafik zum Thema Krieg, die in den 1920er Jahren von Beckmann und Dix, aber auch anderen Künstlern geschaffen wurden.

Damals machten viele Künstler bevorzugt Druckgrafiken, weil die im Gegensatz zu Ölbildern weniger kosteten und sich besser verkaufen ließen. Weder Dix noch Beckmann zeichneten, radierten und lithografierten allein zum eigenen „therapeutischen“ Nutzen, sondern auch im Hinblick auf die Verkäuflichkeit ihrer Produkte – nicht zuletzt kostet die Produktion von Druckgrafik den Künstler bzw. seinen Kunsthändler zunächst einmal Geld (teures Papier, Bezahlung des Druckers). Folglich muss es nach dem Ersten Weltkrieg – zumindest nach einer gewissen zeitlichen Distanz – ein kollektives Bedürfnis gegeben haben, sich mit den Kriegsereignissen auseinanderzusetzen, das so groß war, dass es einen Markt für Mappen wie Beckmanns Zyklus „Die Hölle“ oder Dix‘ 50 Radierungen zu „Der Krieg“ gab.

Grafikfolgen zum Krieg gab es auch früher schon. Mehr als 100 Jahre zuvor zum Beispiel hatte Goya seine Folge von 82 “Desastres de la Guerra” zu den Schrecken der napoleonischen Kriege radiert – und aus Angst vor Repressionen dann allerdings nicht wie beabsichtigt veröffentlicht. Berühmt und schon bei den Zeitgenossen äußerst begehrt waren die Schilderungen der Gräuel des Dreißigjährigen Kriegs, die Jacques Callot 1633 herausgab.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fasste in der DDR etwa ein Bernhard Heisig die Kriegstraumata unermüdlich in Bilder. In der Bundesrepublik fehlt so etwas. Das erscheint zunächst logisch, denn im Westen ist die abstrakte Kunst als Demonstration der Freiheit gegen die Kunst der NS-Zeit und gegen die figurative Malerei der sozialistischen Länder etabliert worden (manche nehmen an:durch die CIA). Auch die noch im Krieg entstandenen Bilder des 1944 von den Nazis ermordeten jüdischen Malers Felix Nussbaum, der den Holocaust künstlerisch verarbeitet hatte, wurden nach dem Krieg jahrzehntelang kaum beachtet. Ist das Fehlen von Bildern, die sich mit den Schrecken des Krieges (und der Nazizeit) auseinandersetzen, wirklich eine rein vom Kunstgeschmack bestimmte Frage?

 

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

4 Kommentare

  1. “Ist das Fehlen von Bildern, die sich mit den Schrecken des Krieges (und der Nazizeit) auseinandersetzen, wirklich eine rein vom Kunstgeschmack bestimmte Frage?”

    Sicher war das keine Geschmacksfrage, denn die Wahl des Stils war ja sowohl im Westen wie im Osten eigentlich stark ideologisch bestimmt. Die abstrakte Kunst wurde nicht nur als Ausdruck der Freiheit begriffen, sondern auch als die authentische, wahre, moderne, zeitgenössische Kunst. Mit ihr verband sich auch die Utopie, eine universell verstehbare Kunstsprache gefunden zu haben.
    Es war auch ein Kampf um symbolisches Kapital (Bordieu): wer sind die wahren, echten Vertreter der Moderne.
    Im Rückblick mag sich manches Moderne später als etwas Modisches entpuppen. Ob sich das Fehlen von Kunstwerken in der BRD, die sich mit dem Krieg auseinandersetzen, allein damit erklärt werden kann, weiß ich nicht. Sicher wollten die allermeisten Menschen die Schrecken vergessen und verdrängen.

    Heißig konnte mit dem Anschluss an die figurative, deutsche Vorkriegsmoderne (inhaltlich, thematisch) auch die expressionistischen Ausdrucksformen verwenden, die man ansonsten in der DDR vielleicht als “bürgerlich, dekadent” hätte abqualifizieren können. Das ist aber nur mal eine laut gedachte Vermutung, kein “Wissen”.

  2. Der 1.Weltkrieg war zwar die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, aber erst der 2. Weltkrieg hat alle Grossmachtsträume Deutschlands für immer(?) zerstört. Dies zu

    Ist das Fehlen von Bildern, die sich mit den Schrecken des Krieges (und der Nazizeit) auseinandersetzen, wirklich eine rein vom Kunstgeschmack bestimmte Frage?

    Diese Bilder fehlen, weil die Schande für die Kriegsverlierer zu gross war. Es zeigt aber auch, dass Künstler vielleich Seismographen der Gesellschaft sind, aber eben nur Seismographen der Gegenwart, die vielleicht die Zukunft erahnen lässt, nicht aber Seismographen und Aufklärer der Vergangenheit. Typischerweise bedient sich Kunst erst dann der Vergangenheit, wenn sie bereits nicht mehr von Zeitzeugen memoriert werden kann und dann als Ikone, als Verkörperung einer Idee, oft einer Überhöhung, dienen kann. Nach dem 2. Weltkrieg ging das Leben für die Deutschen, aber auch für die andern Europäer nicht mehr so weiter wie vorher. Ein ganzer Kontinent hatte abgewirtschaftet und als Wahrer der Humanität und des geistigen Erbes konnten nun nicht mehr Deutsche dastehen, sondern die vorher immer als unkultiviert geltenden Amerikaner, die eine zeitlang viele Deutsche sogar in Umerziehungskurse steckten. Ein Künstler damals, der das in seinem Werk reflektieren wollte hätte beispielsweise US-Soldaten abbilden können wie sie sich mit deutschen Mädels vergnügen. Wiederum sogar für Künstler zu schmerzhaft, am ehesten noch in der Fotographie zu entdecken. Warum gab es dann nicht wenigstens Künstler, die die Kriegsgräuel abbildeten? Weil das Fotos viel besser taten und weil aus diesem Krieg ja nichts zu lernen war, denn das Ende diese Krieges war das Ende einer Nation, die sich immer viel auf Ihren Göthe, Beethoven und Wagner eingebildet hatte. Der 1. Weltkrieg hat viele Leben ausgelöscht, der 2. Weltkrieg hat ganz Deutschland ausgelöscht, inklusive der Künstler.

    • Andererseits waren Kriegs- und Nachkriegsthemen in der westdeutschen Literatur zentrale Elemente. Das spricht gegen die Annahme, solch eine Auseinandersetzung sei in der Bundesrepublik gar nicht mehr möglich gewesen.

      • Das stimmt. Vielleicht hat das mit dem Medium zu tun. Ein Bild springt einem an und will unmittelbar wirken. Deshalb gibt es ja auch einige Bilder mit Kriegsgräueln, sogar von Picasso, prägend aber für Goyas Werk. Diese Bilder wollen aufrütteln und Haltungen verändern, eben eine neue Sicht vermitteln. Meine These ist, dass diese Bilder aber letzlich zukunftsgerichtet sind, sie wollen den Betrachter verändern. Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs ist aber für Deutschland und Europa eine ganz neue Zeit angebrochen, so neu, dass man aus dem gerade vergangenen Krieg keine Orientierung erhalten konnte, mindestens visuell nicht.
        In der Literarur ist das ganz anders. Die Wirkung enfaltet sich langsam während des Lesens. Lesen hat ja sehr viel mit Erinnern zu tun. Schon während dem Lesen, wo man an jeder Stelle im Text alles präsent haben muss was vor dieser Stelle steht. Die Nachkriegsliteratur war eine Art Vergangenheitsbewältigung. Soviel ich weiss erschöpfte sich die Nachkriegsliteratur aber relativ schnell, was sich auch im Niedergang der Gruppe 47 zeigte. 1966 gab ihr Peter Handke dann den Todesstoss? Zitat Wikipedia:

        [wo er die] Autoren für die „Beschreibungsimpotenz“ ihrer „ganz dummen und läppischen Prosa“ und Kritiker für „ihr überkommenes Instrumentarium“ gleichermaßen.[verurteilte]. Als Handke von Hans Mayer Unterstützung erfuhr, kam es zum ersten Mal zu der von Richter stets vermiedenen Grundsatzdiskussion. Günter Grass nannte Handkes Kritik später einen „Blattschuss“ für die Gruppe 47.

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