Der Mäzen

Die Figur des Mäzens scheint längst vergangenen, feudalistischen Zeiten anzugehören. Heute ist die von einer einzelnen Person ausgehende Kunstförderung weitgehend einem Sponsoring gewichen, das im Interesse von Unternehmensgruppen strategisch betrieben wird. Doch es gibt auch immer noch klassische Mäzene. Was Dietmar Hopp im Sport oder Klaus Tschira für die Naturwissenschaften sind im Bereich der Kunst etwa Hasso Plattner (Museum Barberini in Potsdam) oder Hansjörg Wyss.

Fast 20 000 Kunstwerke

Alle übertrifft aber der schwäbische Schraubenhändler Reinhold Würth, sowohl was den Umfang seiner inzwischen wohl an die 20 000 Kunstwerke umfassenden Sammlung als auch, was seine Inszenierung als Förderer der Kunst betrifft. Würth besitzt nicht nur die größte Kunstsammlung Europas, er stellt sie auch aus und zwar für jedermann zugänglich und kostenlos.

Museum Würth am Firmensitz in Künzelsau-Gaisbach
Hier am Sitz der Firma Würth in Künzelsau-Gaisbach fing 1991 alles an. Das Bild zeigt rechts den Eingang zum Museum Würth in den Verwaltungsräumen des Unternehmens im Stil der Postmoderne. Foto: Eva Bambach, CC BY 4.0

Die Zahl der von Würth betriebenen Ausstellungshäuser wächst stetig. Den Anfang machte 1991 das Museum Würth in den Verwaltungsräumen der Adolf Würth GmbH & Co. KG im ländlichen Künzelsau-Gaisbach. Inzwischen gibt es weitere Museen an den Firmensitzen in Dänemark, Österreich, Holland, Norwegen, Italien, Belgien, Frankreich und Spanien.

Ein Kulturforum für die Ehefrau

2017 wurde das vom britischen Star-Architekten David Chipperfield entworfene Carmen Würth Forum als Kongress- und Kulturzentrum direkt gegenüber der Firmenzentrale der Adolf Würth GmbH & Co. KG eröffnet – auf einer Fläche von 170 000 Quadratmetern mit einem Kammermusiksaal für 600 Personen, einem Saal für 2500 Personen und einem Außengelände für Veranstaltungen mit bis zu 10 000 Personen. Ein Skulpturengarten mit Arbeiten berühmter Bildhauer umgibt die Gebäude. Derzeit sind Bauarbeiten im Gange, die das Ensemble um einen Konferenzbereich erweitern sollen  – und um ein weiteres Museum, das ab Juli 2020 bereitstehen soll.

Blick auf den Parkplatz und die riesige Baustelle des Carmen Würth Forums im Januar 2020. Im Vordergrund eine Plastik von Alfred Haberpointer. Foto: Eva Bambach, CC BY 4.0

Kunst für alle

Doch nicht nur direkt am Firmensitz gibt es Kultur. In Schwäbisch Hall, gut 20 km von Künzelsau entfernt, eröffnete Reinhold Würth 2001 die Kunsthalle Würth, die wie alle anderen seiner Museen wechselnd aus den eigenen Beständen mit moderner Kunst bestückt wird. Das Spektrum erweitert die Dependance der Kunsthalle in der umgewidmeten gotischen Johanniterkirche nahebei, wo eine opulente Sammlung spätmittelalterlicher Kunst gezeigt wird.

Mitten in der Schwäbisch Haller Altstadt im Jahre 2001 eröffnet: Die Kunsthalle Würth des dänischen Architekten Henning Larsen,die sich mit ihrer dezidiert modernen Form durch den transparenten Mittelteil verblüffend gut in die historische Umgebung einpasst. Foto: Eva Bambach, CC BY 4.0

Mit seinem Geld stemmt Würth Aufgaben, die die öffentliche Hand nicht übernehmen kann. So erwarb er 2003 die heute in der Johanniterkirche gezeigte Gemäldesammlung der Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen und verhinderte damit eine Zerschlagung dieser bedeutenden Sammlung altdeutscher Kunst.

Ein Rekordpreis

Den atemberaubendsten Coup landete er 2012 mit dem Kauf der “Darmstädter Madonna”, einer Schutzmantelmadonna von Hans Holbein d. J. für vermutlich 50 Millionen Euro. Sie ist heute das Prunkstück im Chor der Johanniterkirche. Das Bild aus dem 16. Jahrhundert galt früh als begehrenswerter Kunstschatz und kam im 19. Jahrhundert als Familienbesitz der Großherzöge von Hessen und bei Rhein in das Residenzschloss in Darmstadt, wo es seit den 1960er-Jahren öffentlich gezeigt wurde, allerdings nicht regelmäßig zugänglich war. Von 2004 bis 2011 war es als befristete Leihgabe im Frankfurter Städel zu sehen. Als die Familienstiftung des Hauses Hessen das Bild verkaufen wollte, lehnte sie ein Gebot von 40 Millionen Euro aus öffentlicher Hand ab, verkaufte das Bild aber wenige Monate später an Reinhold Würth, zu einem höheren Preis, darf man vermuten. Nun ist die “Darmstädter Madonna” für alle kostenlos an sieben Tagen im Jahr zu bewundern.

Öffentlich weil privat

Obwohl es nun besser als je zuvor öffentlich zugänglich ist, ist das als national wertvolles Kulturgut eingestufte Bild also weiter im privaten Besitz. Damit darf es zwar nicht dauerhaft aus Deutschland ausgeführt werden, ansonsten aber ist es den Entscheidungen seines Besitzers unterworfen. Und die sind erklärtermaßen subjektiv und dem Gutdünken Reinhold Würths unterworfen. Denn der läßt keinen Zweifel daran, dass auch alle Entscheidungen über die für die Sammlung Würth getätigten Ankäufe bei ihm liegen. Diese Sammlung ist in allererster Linie das Werk ihres Besitzers. Es gibt zwar einen hochkarätig besetzten Kunstbeirat, aber Würth, das wird immer wieder betont, entscheidet allein, was gekauft wird.

Entscheidungsgewalt

Dieser rein subjektive Ansatz ist typisch für ein Mäzenatentum, wie es seit den Medici gepflegt wurde. Und in diesem Sinn wird Reinhold Würth auch inszeniert.

An der Außenseite der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall ist eine Karte mit den Standorten seiner Museen angebracht, die einem den Begriff “Imperium” geradezu in den Mund legen Foto: Eva Bambach, CC BY 4.0

Das zeigt nicht zuletzt die Lektüre der im Rahmen der Würth-Museen erscheinenden Schriften. Im Katalog zur aktuellen Ausstellung in der Kunsthalle “Lust auf mehr” zum Beispiel hat Peter-Klaus Schuster, zuletzt Generaldirektor der Staatlichen Museen und Direktor der Nationalgalerie Berlin, derzeit Mitglied des Würthschen Kunstbeirats, eine Laudatio mit überaus vielen Ausrufezeichen verfasst. Sammeln sei für Reinhold Würth “intensives Leben”, “die Persönlichkeit des Künstlers wie eine Energiequelle” – “Deshalb liebt unser Sammler die Nähe zu Künstlern” – von denen Würth, wie aktuell zur Ausstellung Christopher Lehmpfuhl, auch mal gleich 200 Werke am Stück erwirbt.

Die gesammelte Kunst ist demnach Abbild des Lebens des Sammlers, “ganz unorthodox in immer neue subjektive Vielfalt” verwandelt. Werner Knopp, ehemals Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, lobte Würths Engagement in seinem Aufsatz “Private Sammlung im öffentlichen Raum” als “kulturstaatsfreundliche Lösung” bei der “Auswahlentscheidungen von beamteten Fachleuten und Politikern” durch private “Akzentsetzungen” ergänzt würden.

Marke, Musen und Museen

Zwar ohne streng betriebswirtschaftliches Kalkül kommt es Würth aber letztlich doch auch auf die Förderung der Marke Würth durch die übrigens offenbar im Firmenvermögen befindliche Kunst an. Und er betont die positive Wirkung, die die Begegnung mit der Kunst auf die Belegschaft hätte.

Gilt Würths Interesse auch überwiegend der zeitgenössischen Kunst und Architektur und der Begegnung mit lebenden Künstlern, so kommen die Laudatoren doch nicht ohne Rückgriffe auf den klassischen Bildungskanon aus.

In Künzelsau entstehe eine “Agora der Künste”, heißt es. Schuster sieht die Museen als Orte, “an denen die Musen den dort versammelten Menschen ihren Schutz gewähren”, es sind “Belegschaft, Kunden und Kunstfreunde alle im gleichen Maße Kinder der Musen”.

Terrasse der Kunsthalle Würth mit Blick auf die Altstadt. Foto: Eva Bambach, CC BY 4.0

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

5 Kommentare

  1. Herr R. Würth ist in der Tat eine Ausnahme. Als ihm in Berlin (oder woanders) das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, untersuchte die Steuerbehörde zeitgleich in BW seine Wohneung, wegen einer steuerlichen Lapalie.
    Er hatte vor, danach für immer nach Salzburg zu ziehen.
    Da haben die sich um den Falschen gekümmert.

  2. Es ging damals um Probleme mit Unternehmenssteuern im Zusammenhang mit Auslandsgesellschaften, selbst die Anklage hat festgestellt, dass es nie um persönliche Bereicherung ging. Um einen langwierigen Prozess abzuwenden hat R.Würth dann einen Strafbefehl akzeptiert, auch um damit Schaden vom Unternehmen abzuwenden.
    Ich gehöre eindeutig zu den Nutznießern von Würths Mäzenentum. Beeindruckende Kunstwerke in seinen Ausstellungen und unzählige unvergessliche Konzerte bei seinem Open Air und in seiner Konzerthalle haben mein kulturelles Leben durchaus bereichert.

  3. “untersuchte die Steuerbehörde zeitgleich in BW seine Wohnung“

    @H.Wied erzählt wieder mal Unsinn vom Feinsten.

    Würth hat das Bundesverdienstkreuz in verschiedenen Stufen bekommen, 1985, 1996 und 2005. Die Durchsuchungen der Steuerbehörde waren 2006 und 2007.

    „wegen einer steuerlichen Lapalie“

    Der Vorwurf kann keine Lappalie gewesen sein, sonst wäre Herr Würth heute kaum vorbestraft.

    Den Verdienstorden durfte Herr Würth trotz Vorstrafe behalten. Nachdem ich den Artikel hier gelesen habe, komme ich zum Schluss, wohl zurecht.

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