Der Finger

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Es gibt etwas zu sehen
Denkmale

Mit einer „eindeutigen Geste“ empört Peer Steinbrück zurzeit einen Teil der Republik. Aber woher weiß man eigentlich, was die Geste genau bedeuten soll? Schließlich gibt es ja kein Wörterbuch, das da eine klare Übersetzung liefern könnte. Die deutsche Wikipedia spricht von einer obszönen Geste, die beleidigend gemeint sei oder so aufgefasst werden könne. Weiter wird auf eine mögliche Phallussymbolik verwiesen und auf antike Wurzeln des „digitus impudicus“, die sich zum Beispiel bis Aristophanes verfolgen lassen. Nach der Antike aber scheint es keine Überlieferung der Mittelfingergeste mehr zu geben, wenn man von einer offensichtlichen Legende absieht, nach der im Hundertjährigen Krieg gefangenen Bogenschützen der zum Schießen benötigte Finger abgeschnitten worden sei.

Nachweisbar verbreitete sich „der Finger“ nach der Antike erst wieder im 20. Jahrhundert in den USA, wohin er, wie es manchmal ohne weiteren Beleg heißt, von italienischen Einwanderern importiert wurde.  In Italien selbst, so die italienische Wikipedia, sei „die Geste des erhobenen Mittelfingers“ aber erst durch amerikanische Filme bekannt geworden, und zwar in den 1990er-Jahren.

Die Möglichkeit der bildlichen Assoziation mit Penis samt Testikeln ist einerseits nicht zu leugnen. Andererseits ist selbst in den USA nicht klar, ob die Geste obszön oder nur beleidigend ist. Die Empfindlichkeiten sind hier sehr unterschiedlich, wie eine ausführliche Diskussion auf der „Wikpedia.talk“-Seite darüber zeigt, ob ein Foto einer Hand mit erhobenem Mittelfinger gezeigt werden darf oder nicht.

Ausführlich widmet sich eine Arbeit der amerikanischen Juristin Ira P. Robbins der Herkunft und juristischen Bedeutung des „Mittelfingers“. Ergebnis: Der „Finger“ sei ein gestisches Äquivalent des Wortes „fuck“ und ebenso wie dieses, trotz sexueller Konnotation, nicht als „prurient“ einzustufen, was man als „unzüchtig“ oder „obszön“ übersetzen könnte. Auch wenn einige Bürger die Geste als beleidigend empfinden könnten, sei sie im Sinne der Redefreiheit zu tolerieren.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

5 Kommentare

  1. Böser Finger

    Warm die Leute sich über soetwas aufregen. Politiker sind auch nur Menschen.

    Für schwarz-gelb wird es sicher nicht ganz reichen aber einer der großen wird sich schon jemanden mit ins Boot ziehen um über die 50% zu kommen. Ob sich schwarz-gelb noch eine Partei rein holen oder es für eine rot-grüne Mehrheit reicht wird sich ja noch zeigen. Die Linken mag irgendwie keiner aber wenn alle alle Stricke reißen auch wenn es jetzt noch von der SPD verneint wird, kann ich mir gut vorstellen das die SPD versucht die Grünen und die Linke für die 50%-Marke mitspielen lässt.

    Ich bin schon gespannt und habe meine Stimme per Briefwahl verschickt. Von mir aus können die Piraten und die AfD die 5% schaffen und die Stimmen von der CDS/CSU und SPD abgraben.

    Das klingt jetzt etwas primitiv aber um so mehr Partein im Boot sind und um so ausgeglichener das Stimmenverhältnis ist um so schwieriger wird es etwas zu beschließen, was uns als Bevölkerung schaden könnte.

  2. Sagen sie jetzt nichts!

    Punkt 1: Wer die Süddeutsche Zeitung regelmäßig liest, der freut sich auf die Rubrik im freitags erscheinenden SZ-Magazin: “SAGEN SIE JETZT NICHTS”. Wer diese Rubrik kennt, der weiß, hier geht es darum, Fragen wortlos zu beantworten, allein mit Mimik und Gestik. Im Einsatz dieser kommunikativen Hilfsmittel sind die Befragten unterschiedlich einfallsreich und originell.

    Punkt 2: Peer Steinbrück antwortet hier auf die Frage: “Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi – um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?” Er antwortet inhaltlich korrekt, um nicht zu sagen, zurückhaltend. Und er antwortet nicht nur auf diese Frage originell.

    Punkt 3: Wer nun ein einziges Bild einer solchen Serie aus seinem Kontext herausgreift, der versteht offenkundig den Humor nicht, der zur Darstellung eines solchen Unterfangens notwendig ist. Weshalb selbst die Redakteure des “Süddeutsche Zeitung Magazin”s dieses eine Foto separieren und auf ihre Titelseite setzen, ist unklar. Dient dieser Unfug der Auflagensteigerung? Oder verstehen die Macher dieses Magazins ihre eigene Rubrik nicht?

    Punkt 4: Wer nun dieses Steinbrück-Fotos losgelöst vom Kontext der SZ-Magazin-Rubrik be- bzw. verurteilt, befindet sich auf einem Irrweg – und lässt im Übrigen Humor vermissen.

    Punkt 5: Mir ist Steinbrück auf einmal sehr sympathisch geworden: Er redet in der Tat Klartext, selbst in einem SZ-Bildinterview. Und das ist selten in Zeiten wie diesen, da sich Politiker in Inhaltlichem höchst selten bis gar nicht festlegen.

  3. Mittelfinger

    Also ich halte die Debatte über den “bösen Finger” etwas überzogen. Verstehe auch ehrlich gesagt nicht, was die SZ damit bezwecken wollte…

  4. Bogenschiessen, Erziehung

    Die Bogenschützen nutzen zum Ziehen der Sehne immer mehrere Finger. Wenn Zeige- und Mittelfinger zu einem V gespreizt gezeigt wurden, so wurden angeblich die Feinde damit verspottet. Das Victory-Zeichen (durch W. Churchill bekannt geworden) könnte möglicherweise davon abstammen.
    Zum Peer-Stinkefinger haben sich heute vor allem Mütter im Radio verärgert geäußert: Sie bringen den Kinder mühsam bei, derartige Gesten nicht zu benutzen und Konflikte anders zu lösen – und dann kommt ein Kanzlerkandidat und zeigt diese Geste

  5. Pseudocool

    Die Geste wäre sympathisch , würde sie denn nicht so gestelzt wirken , wie so vieles in der SPD.
    Wenn alle am Image arbeiten – und eben nicht an den Inhalten – dann setzt die SPD immer noch einen drauf , das bringt halt einfach nichts.
    Neu ist das nicht , vor bestimmt 15 Jahren hab ich nen Juso-Aufkleber gesehen , mit zwei coolen Studenten mit Juso-shirt , drunter der Satz “wir bilden die Elite der Zukunft aus”.

    Würg!Immer diese Anbiederung.

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