Bismarckhering

BLOG: Denkmale

Es gibt etwas zu sehen
Denkmale

Es hätten auch die Rollmöpse sein können, aber so war es nun einmal ausgerechnet das Glas mit dem  Bismarckhering, das auf dem Boden vor meinen Füßen in Scherben ging und mich auf die Frage brachte, warum es in meinem Leben eigentlich so viel Bismarck gibt. Nicht nur als Hering auf dem Boden, sondern auf dem täglichen Weg durch die Bismarckstraße,  vorbei am Bismarckbrunnen,  mit Blick auf den Bismarckturm. Beim Spaziergang stoße ich im Wald auf einen Bismarckstein, im Urlaub auf die Bismarckpalme. Und so weiter: Bismarck-Fahrrad, Bismarcktorte, Bismarckapfel, Bismarckbraun … Gar nicht zu reden von den vielen geografischen Bezeichnungen, die mit dem Namen Bismarck verbunden sind.

Bismarckhering mit ZwiebelnEine (nicht repräsentative) Umfrage ergibt: Sogar Jugendliche verbinden irgendetwas mit dem Namen Bismarck: Pickelhaube, Preußen, Schnurrbart, Otto und, ja:  Heringsbrötchen.

Nachhaltiger kann man sich nicht vermarkten, schließlich ist der Mann seit mehr als 100 Jahren tot. Auch wenn Otto von Bismarck selbst weder Denkmalsetzungen noch Namensgebungen veranlasst hat. Das brauchte er gar nicht. Denkmäler zu setzen war dem Bürger des 19. Jahrhunderts geradezu eine Leidenschaft, für die man sich in speziellen Denkmal-Komitees organisierte oder als Privatperson spendabel zeigte. So entstanden zum Beispiel in nationalem Eifer weit mehr als 200 Bismarck-Türme, die meisten in Deutschland, aber auch über die Welt verteilt – vor allem, nachdem der ehemalige Reichskanzler 1898 gestorben war (zum Vergleich: Für Kaiser Wilhelm I. wurden 28 Türme errichtet, für Kaiser Wilhelm II. waren es noch weniger). Auch für das denkmalbesessene 19. Jahrhundert war aber der Bismarckkult einmalig – und die Faszination hält bis heute an.

Bismarckstein bei HochstädtenEher bescheidene Mittel machten aus  diesem Felsen im Wald in privater Initiative einen „Bismarckstein“ – die Inschrift ist nur schwach zu erkennen, etwa in der Mitte des Bildes, links unterhalb des großen Moosfleckens).

Die ungeheure Popularität Bismarcks äußerte sich auch in dem Drang, botanische und zoologische Entdeckungen  oder in Besitz genommene Gebiete entsprechend zu taufen. So wurde 1881 eine von vielen Deutschstämmigen besiedelte Stadt in Tasmanien  nach ihm benannt – und  1914 aus nachvollziehbaren Gründen umgetauft, allerdings nicht ohne Protest einer multiethnischen Gruppe von Einwohnern, deren Agrarerzeugnisse unter dem Namen Bismarck  einen guten Ruf erlangt hatten. Die Stadt wurde dennoch umbenannt in Collinsvale. Der dort gezüchtete Bismarckapfel allerdings behielt bis heute seinen Namen.

Auch in einem ganz anderen Fall musste die Namensgebung überdacht werden. So erkannte der Fahrradhersteller Bismarck-Werk in Radevormwald – das sich in der Gründungseuphorie 1896 von Bismarck die Erlaubnis erwirkt hatte, dessen Namen führen zu dürfen –  später die wenig exportförderliche Wirkung des Namens Bismarck und bot seine Fahrräder international dann lieber unter der Bezeichnung „Skandia“ an.

Und der Bismarckhering? Auch hier soll Bismarck persönlich sein Einverständnis für die Benennung des Rezepts gegeben haben. Ob das allerdings tatsächlich auf die Fischhandlung bezogen war, die das noch heute für sich in Anspruch nimmt, mag man auch nach den verschmitzten Beteuerungen des heutigen Geschäftsinhabers bezweifeln:

 

Dagegen spricht vielleicht auch, dass der Katalog der Abteilung „Deutsche Binnenfischerei und Deutsche Seefischerei“ von der Internationalen Ausstellung in Mailand im Jahr 1906 Bismarckhering bei den Konserven in Dosen verzeichnet (auf S. 70), und zwar als Exponat der Fischkonservenfabrik „Triton-Werke“. Schon damals war die Verwendung des Namens also einerseits eine eingeführte Bezeichnung, aber offensichtlich nicht geschützt. Denn hätte der Fischhändler nicht protestiert, wenn der Name missbräuchlich verwendet worden wäre? Und hätte ein einzelnes Geschäft damals überhaupt die Möglichkeiten gehabt, sein Rezept innerhalb von drei Jahrzehnten so populär zu machen, dass es allgemein verständlich neben „Bückling“ und „Schellfisch, gebraten“ verwendet werden konnte?

Sauer eingelegte Heringe finden sich in den Kochbüchern des 19. Jahrhunderts zuhauf, haben da jedoch noch keinen speziellen Namen. Vielleicht wurde der erst für die haltbargemachten marinierten Heringe in Dosen verwendet, denn das war – wie die boomenden Fahrräder  – ein innovatives Produkt, geeignet die deutsche (See-)Wirtschaft voranzubringen und dementsprechend auch auf einer internationalen Messe vorgestellt zu werden.

Die Geschichte des Bismarcksherings muss erst noch geschrieben werden – die Untersuchung der Frage scheint aber ebenso unterhaltsam zu werden, wie bei einer anderen berühmten Speise: dem Fürst-Pückler-Eis.

Und wer mal die Stimme Bismarcks hören möchte, bitteschön!

Ach ja, es gibt auch eine erst 1996 gegründete Otto-von-Bismarck-Stiftung.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

7 Kommentare

  1. Mariendenkmal

    Nicht alle Deutschen haben die Begeisterung für Bismarcktürme und Bismarckdenkmäler geteilt. In Kyllburg/Eifel wurde auf die Schnelle eine Marienstatue errichtet, nachdem Pläne für ein Bismarckdenkmal an diesem Ort bekannt wurden. Die neuen Zollgrenzen in Richtung Westen waren unbeliebt.

  2. Ganz witzig ist ja, dass trotz der alten Rivalität zwischen Preussen und den Habsburgern sogar bei uns in Österreich Orte nach Bismarck benannt wurden – wenngleich das anscheinend nicht immer ganz reibungslos über die Bühne ging: Als man im Jahr 1900 in Linz eine Straße nach Bismarck nennen wollte, wurde das von der Regierung untersagt. Erst 1914 erhielt die Straße dann offiziell den bis heute bestehenden Namen Bismarckstraße. Ich würde mal vermuten, das hatte etwas mit dem näheren Zusammenrücken Österreichs und Deutschlands im Angesichts des Ersten Weltkriegs zu tun, weiß aber leider nicht, ob die Umbenennung noch vor oder erst nach Kriegsbeginn erfolgte…

  3. Prominenz

    Darüber sollte man beim Verzehren von Schiller-Locken, Mozart-Kugeln und Boeuf Stroganow nachdenken! Was aber Pfirisch Melba bestrifft, so kennt heutzugage kaum jemand noch die namensgebende Sängerin.

  4. Es gibt sogar einen Bismarckturm in Österreich, nämlich im hintersten Waldviertel, unweit vom Schloss Rosenau, dem heutigen (ausgerechnet!) Freimaurermuseum, das damals dem bekennenden Großdeutschen (und berüchtigten Antisemiten) Ritter von Schönerer gehörte. Bismarckstraßen gibt es bei uns mehrerer, seinerzeit war Bismarck bei weiten Bevölkerungsteilen weit populärer als die Habsburger-Monarchie.
    mfG AFL

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