Gibt es den freien Willen? Und: Was ist Realität?

BLOG: Das Zauberwort

Physik und die Liebe zur Welt
Das Zauberwort

Kaum zwei Wochen nachdem die hehren Neujahrs-Vorsätze gefasst wurden, heisst es schon wieder allenthalben: “Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach” [1].

Aber sind wir überhaupt selbst verantwortlich für unsere Willensschwäche? Können wir wollen, was wir wollen? Oder sind wir vielmehr determiniert durch die physikalische Prozesse, die im Innern unseres Gehirns ablaufen? Die Frage nach der Freiheit des Willens ist natürlich nicht neu und wurde bereits mehrfach in den Scilogs diskutiert:

So hatte Joachim Schulz erklärt, dass der Zufall, der quantenmechanische Einzelereignisse charakterisiert, noch lange kein freier Wille ist. Ähnlich argumentiert auch Christian Hoppe und ergänzt, dass, wenn unsere Entscheidungen durch Gehirnzustände bestimmt würden, man noch lange nicht sagen könne, das Gehirn hätte mich “gezwungen”, die Entscheidung zu treffen, da “Ich” und “Gehirn” gar nicht klar voneinander abgrenzbar sind.  Josef Honerkamp betont, dass wir uns allein dadurch von Robotern unterscheiden, dass wir als Produkt einer Jahrmilliarden dauernden Evolution durch einzigartige Fähigkeiten und Gefühle ausgestattet seien. Und Stephan Schleim argumentiert, der Neurodeterminist irre, dass das menschliche “Ich” nicht ohne seine Umwelt gedacht werden kann.

All diese Argumente haben Bestand.

Nun kann man allerdings feststellen, dass die Tatsache, dass Zufall kein freier Wille sei, noch lange nicht festlegt, ob es den freien Willen gibt, genauso wenig wie die Tatsache, dass unser Gehirn durch Evolution und Umwelt geprägt wird, die sich nach den Gesetzen der Physik letztlich auch deterministisch entwickeln (tatsächlich ist auch die Quantenphysik – so weit die Zeitentwicklung eines physikalischen Systems z.B. durch die Schrödinger-Gleichung beschrieben wird – deterministisch).

Hier geht es deshalb um einen anderen Aspekt der Frage, nämlich: Um zu beantworten, ob es den freien Willen gibt, müssen wir uns erst einmal überlegen, was wir damit meinen. Etwas umformuliert: Wenn wir uns fragen: “Ist der freie Wille real” `müssen wir zuerst einmal beantworten, was wir unter “freiem Willen” verstehen und dann, was “Realität” sein soll. Tatsächlich sind beide Fragen eng verknüpft.

Gibt es überhaupt so etwas wie Realität? Und wenn ja, können wir überhaupt etwas über sie aussagen? Beides kann bezweifelt werden: Denn natürlich haben wir immer nur Zugang zu unseren Bewusstseinsinhalten, nicht direkt zu einer äußeren Welt. Solipsismus heißt in der Philosophie die Vorstellung, nichts existiere außer mir selbst. Aber selbst wenn eine äußere Realität existiert, ist es noch möglich, dass unser Bild von ihr auf falschen Informationen beruht: So ist es in einigen kosmologischen Modellen sehr viel wahrscheinlicher, dass wir sogenannte Boltzmann-Gehirne sind, als im Rahmen der biologischen Evolution entstandene Organismen: Zufällig durch eine statistische Fluktuationen irgendwo im All entstandene Gehirne samt einer als Neuronenaktivität erzeugten momentanen Erinnerung an ein vermeintlich gelebtes Leben, die nur einen Augenblick existieren, um dann, in Ermangelung eines sie mit Blut versorgenden Körpers, gleich wieder zu Grunde zu gehen. Eine andere These vertritt der Oxforder Philosoph Nick Bostrom: Er hält es für sehr viel wahrscheinlicher, dass wir Teil einer Computersimulation sind, als Wesen aus Fleisch und Blut.

Was ist Realität?

Derartige Spekulationen sind – je nach Temperament – unterhaltsam oder verstörend, meistens jedoch eher unfruchtbar: Sie helfen nicht, uns in der von uns erlebten Welt zurecht zu finden. Es macht also Sinn, anzunehmen, dass es außerhalb von uns eine Wirklichkeit gibt und unsere Wahrnehmungen zumindest irgendwie mit ihr in Verbindung stehen. Dass unsere Weltbilder Rekonstruktionen oder Modelle dieser äußeren Wirklichkeit sind. Und zweifellos sind die konsistentesten und erfolgreichsten dieser Modelle naturwissenschaftliche Theorien. Doch selbst unter diesen Annahmen gibt es gute Gründe, davon auszugehen, dass wir nicht nur in einer einzigen Realität leben – sondern in mehreren.

Und dass es vielleicht gerade diese Eigenschaft ist, die uns überhaupt erst zu Menschen macht:

So schreibt der israelische Historiker Yuval Noah Harari [2]:

“Das wirklich einmalige an unserer Sprache ist nicht, dass wir damit Informationen über Menschen und Löwen weitergeben können. Das Einmalige ist, dass wir uns über Dinge austauschen können, die es gar nicht gibt… Nur der Mensch kann über etwas sprechen, dass es gar nicht gibt und noch vor dem Frühstück sechs unmögliche Dinge glauben… Götter, Nationen, Geld, Menschenrechte und Gesetze gibt es gar nicht – sie existieren nur in unserer kollektiven Vorstellungswelt… Der Löwenmensch, [Unternehmen wie] Peugeot oder Celera bestehen weder aus Atomen noch aus Proteinen, sondern aus Geschichten… Akademiker bezeichnen diese Dinge, die wir in Mythen und Geschichten erfinden, als “Fiktionen”, “soziale Konstrukte” oder “erfundene Wirklichkeit”. Die Fähigkeit, mit Hilfe von bloßen Worten eine Wirklichkeit zu erschaffen, machte es möglich, dass große Gruppen von wildfremden Menschen effektiv zusammenarbeiteten…. Damit wechselte [der Mensch] auf die Überholspur der kulturellen Evolution und konnte am Stau der genetischen Evolution vorrüberrasen.”

Ich finde Hararis These faszinierend, aber ich bezweifle, dass man “Fiktionen” wie Geld, Gesetzen, oder Aktiengesellschaften wirklich die Realität absprechen kann. Schließlich kann einen ein Mangel an Geld, ein Bruch von Gesetzen oder ein Crash am Aktienmarkt ganz real gehörig in die Bredouille bringen. Außerdem könnte man argumentieren, dass – wenn diese sozialen Fiktionen nicht real wären -, es auch der Mensch selbst nicht wäre. Denn was für Aktiengesellschaften gilt, gilt letztlich auch für biologische Organismen: Sie sind nicht durch die Atome definiert, aus denen sie bestehen. Die meisten Atome im Körper eines Menschen werden im Laufe eines Lebens irgendwann ausgetauscht, ohne dass der Mensch seine Identität verliert.

Schon in der Antike war das entsprechende Paradoxon vom “Schiff des Theseus” bekannt: So soll das Schiff des mythischen Sagenhelden von den Athenern fast tausend Jahre lang aufbewahrt, aber immer wieder repariert worden sein. Nach und nach wurde jede Planke des Schiffes ersetzt, was die Frage aufwarf, ob es sich immer noch und das selbe Schiff handelt. Genauso wie das Schiff wesentlich durch seinen Bauplan definiert wird, wird es der biologische Organismus. Genauso wenig wie Aktiengesellschaften aus den Atomen ihrer Mitarbeiter und Aktienscheine bestehen, bestehen Menschen also aus Atomen. Vielmehr bestehen biologische Organismen genauso wie Geld, Gesetze und Unternehmen zuerst einmal aus Information. Das passt zu der Definition von Leben, die Quanten-Pionier und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger in seinem Buch “Was ist Leben?” gegeben hat:

“Wann können wir davon sprechen, dass ein Stück Materie lebendig ist? Wenn es damit weitermacht “etwas zu tun”, Materie mit seiner Umgebung auszutauschen und so weiter, und das für eine Zeitdauer die sehr viel länger ist, als wir es von einem unbelebten Stück Materie unter den gleichen Umständen erwarten würden.” [3]

Diese Charakterisierung des Phänomens “Leben” durch seine unerwartete Stabilität [4] führte schließlich auf die These vom Erbmolekül als Träger der Erbinformation, die die Molekularbiologie begründete und Francis Crick und James Watson zur Entdeckung der DNA-Struktur motivierte [5]. Was den Organismus dabei ausmacht, ist also nicht Materie, sondern Information. Dabei scheinen Bauplan und Information um so wesentlichere Definitionselemente eines Objekts zu sein, je höher die Beschreibungsebene in der Hierarchie der Wissenschaften liegt.

Die Vorstellung einer Hierarchie der Wissenschaften, wie sie Auguste Comte, französischer Philosoph des 19. Jahrhunderts und Begründer der Soziologie entworfen hat, sieht in etwa wie folgt aus: Demnach ist Physik grundlegend, Chemie die Physik der äußeren Atomhülle, Biologie die Chemie komplexer organischer Moleküle, Psychologie die Biologie des Gehirns, und Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sind die Psychologie einer großen Anzahl von Individuen. Hierbei beruhen die zuletzt genannten, “höheren Schichten” prinzipiell auf den Gesetzen der vorher genannten, fundamentaleren Ebenen, auch wenn es für alle praktischen Zwecke unmöglich und ganz bestimmt unsinnig ist, z.B. eine Aktiengesellschaft mit den Mitteln der Atomphysik zu beschreiben.

Ein spannendes Phänomen, das aktuell viel diskutiert wird, ist in diesem Zusammenhang die “kausale Emergenz”. Als im vergangenen Jahr das Foundational Questions Institute einen Essay-Wettbewerb zu der Frage, wie geistlose mathematische Gesetze zu Absichten und Ambitionen führen, ausrief, beschäftigten sich gleich zwei der ausgezeichneten Aufsätze mit diesem Konzept: Erik P. Hoels “Agent above, Atom below” [3] und Larissa Albantakis’ siegreicher Beitrag: “A Tale of two Animats: What does it take to have goals?” [4].

Von schwacher oder starker Emergenz sprechen Wissenschaftstheoretiker, wenn die Naturgesetze einer höheren Beschreibungsebene praktisch oder prinzipiell unableitbar aus den Gesetzen der fundamentaleren Ebenen sind. Dass es schwache Emergenz gibt, ist unbestritten: Niemand möchte z.B. biologische Vorgänge mit den physikalischen Gesetzen der Elementarteilchen erklären. Starke Emergenz dagegen ist für die meisten Physiker unvorstellbar, ähnelt sie doch stark einem Wunder.

Soll heißen: Wenn Phänomene auf einer höheren Ebene nicht zumindest prinzipiell auf der niedrigeren Ebene beschreibbar sind, dann beschränkt die Physik der niedrigeren Ebene auch nicht die Möglichkeiten der höheren Ebene. Das wiederum heisst, dass nicht mehr gewährleistet ist, dass sich kein Mensch mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen kann, nur weil Teilchen nicht überlichtschnell fliegen können. Dann wiederum gibt es nichts, das ausschließt, dass Jesus übers Wasser laufen kann, weil in jeder neuen Situation die Extrapolation der bekannten Naturgesetze ins Ungewisse fragwürdig wird. Dann wären Wunder möglich und in der Physik gilt der Grundsatz: Es gibt keine Wunder.

Die kausale Emergenz liefert jetzt einen interessanten neuen Aspekt in dieser Diskussion, nämlich die Entdeckung, dass auf einer höheren Beschreibungsebene ein zukünftiger Zustand stärker durch einen früheren Zustand determiniert wird als auf einer niedrigeren Ebene. So sind nach Hoel Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, sogenannte Kausalbeziehungen, durch eine Matrix beschreibbar, die vergangene Zustände auf zukünftige abbildet. Dabei ist es möglich, dass die Beschreibung mit einer einfacheren, niederdimensionaleren Matrix effizienter ist und den Kausalzusammenhang besser abbildet. Ein offensichtliches Beispiel ist die Quantenmechanik, wo das fundamentalere, mikroskopische Geschehen weniger stark determiniert erscheint als die makroskopische klassische Physik.

Ein anderes Beispiel ist das Aufnehmen einer Versuchsreihe durch einen Experimentator: Indem viele Messwerte genommen werden, werden störende Einflüsse (eine zitternde Hand, ein Windstoß, äußere Temperatur- und Druckunterschiede, die das Messinstrument beeinflussen könnten) herausgemittelt. Hoel vergleicht die Kausalitätsbeziehung dann auch mit der von Claude Shannon untersuchten Datenübertragung (siehe den Post zu Entropie und Information): Überflüssige Informationen über den Mikrozustand werden mit “Rauschen”, also Störungen in Datenleitungen assoziiert, und Hoel argumentiert, dass der kausal emergente Makrozustand über ein Analogon zu Fehlerkorrekturverfahren bei der Datenübertragung verfügt, die im Mikrozustand nicht existiert.

Dieses Phänomen zeigt sich besonders deutlich bei biologischen Organismen – oder ganz allgemein “Agenten”, ein Ausdruck, der auch Computersimulationen oder Akteure in der Volkswirtschaft wie Unternehmen einschließt. Diese haben, wie oben diskutiert, die Eigenschaft, dass sie Information in einer Weise verarbeiten, die besonders stabil und unabhängig von ihrer materiellen Basis ist. Gerade Agenten zeichnen sich also durch eine ganz ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstreparatur aus, ein Aspekt, der von den chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela als “Autopoiesis” bezeichnet wurde.

Dieses Beispiel zeigt auch, dass kausale Emergenz in Beziehung zu der Frage steht, wie abhängig ein Konzept oder eine Beschreibungsebene von seiner materiellen Basis ist, und wie stark idealisiert die Beschreibungsebene ist: So wird das Projektil einer Kanone in der Ballistik idealisiert als Kugel betrachtet, obwohl mikroskopisch zweifellos Abweichungen von der Kugelform existieren. Nur sind diese nicht notwendigerweise wichtiger als unkontrollierbare Einflüsse der Umgebung, wie zufällige Windstöße, während die Kugel auf ihr Ziel zufliegt.

Weiter gilt: Gerade Agenten allgemein und biologische Organismen insbesondere werden nun besonders gut durch zielorientiertes, zweckgebundenes Handeln beschrieben. Hoel zitiert den US-Psychologen William James, der davon spricht, dass Romeo Julia wolle, wie die Eisenspäne den Magneten. Mit dem Unterschied, dass Romeo, wenn er auf seinem Weg zu Julia auf eine Wand träfe, nicht stupide sein Gesicht gegen die Wand drücken würde, sondern einen anderen Weg finden würde. Für Agenten wie Romeo sei das Ziel wichtig, nicht der Weg, auf dem dieses erreicht werde. Nach Hoel ist es tatsächlich gerade die Tatsache, dass Agenten offene Systeme sind, die eine zielorientierte, “teleologische” Beschreibung sinnvoll machen – ja oft sinnvoller, als eine durch Ursachen erklärte.

Damit sind wir tatsächlich zurück bei der Frage nach dem freien Willen und Stephan Schleims Argument, dass das menschliche Ich nicht ohne seine Umwelt gedacht werden könne: Auch wenn man den freien Willen auf der Ebene von Elementarteilchen und Quantenfeldern vergeblich sucht, ist er doch sinnvolles Element der Weltbeschreibung auf zwischenmenschlicher Ebene, wo Handeln oft eher durch Ziele als durch Ursachen motiviert wird – und damit “real”. Realität in diesem Sinne heißt dann so viel wie: “konsistentes Weltmodell” oder “Beschreibungsebene, die mit allen anderen Weltmodellen und Beschreibungsebenen verträglich ist”.

Man kann jetzt natürlich weiterfragen: Wenn möglicherweise die Zeit selbst nur emergent ist, eine Konsequenz der Entropie eines Makrozustands, wie ich im Betrag “Entropie und Information” kurz angedeutet habe – ist dann vielleicht sogar jede Art von Kausalität, von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, die ja zweifellos auf Zeit beruhen, emergent?

Und andererseits: Wenn wir in vielen Realitäten leben statt nur in einer, was wird dann aus der vielbeschworenen Einheit der Welt? Leben wir dann auch in verschiedenen Welten?

Nein.

Hier gilt, was der US-Kosmologe Sean Carroll seinem Buch “The Big Picture” voran gestellt hat [5]:

“Es gibt nur eine Welt.” 

Um dann gleich hinzuzufügen: “Es gibt viele Arten, über die Welt zu sprechen” (also unsere Realitäten) und schließlich zu konstatieren: “Alle guten Arten über die Welt zu sprechen, müssen miteinander konsistent sein”, und “Unsere momentanen Ziele bestimmen, wie wir am besten über die Welt sprechen”.

Weiter gilt: Die Tatsache, dass wir starke Emergenz ausschließen wollen (“Es gibt keine Wunder”) bedeutet: Nicht alle Realitäten sind gleichberechtigt. Vielmehr gibt es eine Hierarchie der Realitäten, die der oben diskutierten Hierarchie der Wissenschaften entspricht.

Eine sinnvolle Folgefrage wäre dann: Gibt es die fundamentale Realität, eine unterste Beschreibungsebene? Ich will hier nicht vorgreifen, nicht zuletzt, weil das Thema des aktuellen FQXi-Essaywettbewerbs 2018 der Frage “Was ist fundamental?” gewidmet ist, und sicher viele interessante neue Aspekte liefern wird.

Deshalb nur so viel: Ich glaube, die Antwort heisst: Ja.

Und mein persönlicher Favorit ist: Das Universum.

Nicht nur, weil – sollte es die Inflation im frühen Universum gegeben haben (siehe Blogpost “Gab es den Urknall?”) – alle oberen Beschreibungsebenen letztlich aus dem Inflatonfeld entstanden sind. Nein, vor Allem, weil eine konsistente Quantenbeschreibung das gesamte Universum als einen einzigen, verschränkten Quantenzustand versteht. Aus der lokalen Perspektive, wie sie von den informationsverarbeitenden Prozessen in unseren Gehirnen oder Messapparaten eingenommen werden, erscheint das Universum dann wie eine Ansammlung von Teilchen und Quantenfeldern, die wiederum das Medium liefern, in dem sich informationsverarbeitende Prozesse wie biologische Organismen oder Aktiengesellschaften abspielen können.

Auf einer dieser höheren Ebenen finden wir auch den freien Willen wieder, der zweifellos in vielen Lebenssituationen, charakterisiert wie bei Carroll durch “momentane Ziele”, ein sinnvolles Element der Weltbeschreibung ist. Denn wer geht im zwischenmenschlichen Umgang nicht davon aus, dass unser Gegenüber einen freien Willen hat (dem stimmt sogar der neurodeterministische Hirnforscher Wolf Singer zu). Auch, wenn dieser freie Wille auf der Ebene der Elementarteilchen und Quantenfelder, genauso wie ich, Sie und unser Gegenüber, nicht existiert. Und diese Teilchen und Quantenfelder wiederum auf der fundamentalen Ebene nicht existieren.

Diese fundamentale Ebene ist meiner Meinung nach das Universum als Ganzes, der Quantenkosmos, die Welt selbst.

Und: Die Welt ist wunderbar.

[1] Matthäus 26.41

[2] Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit, Deutsche Verlags-Anstalt München, 2013.

[3] Erwin Schrödinger: Was ist Leben?, Piper, München 1987.

[4] Sean Carroll: From Eternity to Here – The quest for the ultimate theory of Time, Penguin Books, New York 2010.

[5] James D. Watson: Die Doppelhelix, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1997.

[6] Erik P. Hoel: Agent Above, Atom Below: How agents causally emerge from their underlying microphysics, Beitrag zum FQXi Essay Contest 2017: https://fqxi.org/community/forum/topic/2873.

[7] Larissa Albantakis: A Tale of two Animats: What does it take to have goals? Beitrag zum FQXi Essay Contest 2017: https://fqxi.org/community/forum/topic/2889.

[8] Sean Carroll: The Big Picture, Dutton/Penguin Random House, New York 2016.

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Heinrich Päs ist Professor für Theoretische Physik an der TU Dortmund und forscht über Neutrinos, Teilchenphysik und Kosmologie. Er hat sich aber auch schon als Zeitmaschinenentwickler und Philosoph versucht, ein Buch ("Neutrinos - Die perfekte Welle") geschrieben und mehrere Science-Fiction Romane inspiriert. Er war Postdoc in Hawaii. Wenn er nicht forscht oder liest ist er gern in der Natur, beim Segeln, Surfen, Wandern, Skifahren oder Laufen. Und noch mehr als die Welt liebt er seine Frau Sara.

396 Kommentare

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    Viel Spaß und lebhafte Diskussionen wünscht Heinrich Päs!

    • Die Frage nach einer Realität ist auch immer verbunden mit einer Wahrnehmung bezugnehmend dazu. Wie auch immer eine derartig gestaltete Wahrheit des dahinter aussieht.
      Der freie Wille ergibt sich immer aus der Wahrheit die dazu in Bezug zu setzen sei.
      Mit dem was auf dem Plan stehen würde für uns.
      Ein sogenannter freier Wille tut was dann zu machen ist : selber schauen – dann dazu wollen.

      Wenn wir jetzt von einer Wahrnehmung reden meinen wir villeicht die da innewohnende Wahrheit darin. Und die ist offenbar falsch.
      Wie diese Wahrheit auch immer aussehensoll, sie wird immer falsch sein, wenn man ihr nicht zugesteht richtig zu sein, oder anders: seht selber nach ob es stimmt.
      In diesem Universum oder den vielen anderen Unsiversen.

    • Also ich versuch jetzt nicht meine eigene Theorie zu bewerben, aber ich versuch mal paar Sachen aufzuzählen, die ich für eine Diskussion über freien Willen und Determination für relevant halte und die für euch vlt nützlich sind.

      Die wichtigste Erkenntnis und Frage in dem Artikel, ist die Frage nach der Definition von Freiheit und der Funktion von Sprache. Was fehlt ist die Beantwortung und Fortsetzung dieser Frage und die Verbindung mit dem Thema kausal/determiniert.

      Kurzer Einschub, geisterhafte Fernwirkung ist deswegen nicht undeterminiert oder chaotisch, weil die Reaktionszeit eindeutig zuweisbar ist. Dh obwohl es keine kausale Verbindung zwischen den beiden strings gibt, gibt es dennoch einen linear ganz klar abhängigen Ablauf und Verbindung beider Quanten. Man kann hier also immer noch von einer Kausalität sprechen. Eine determinierte Reaktion ohne nachweislicher kausaler Verbindung.

      Zurück zum Thema,
      wenn wir davon ausgehen, dass alles determiniert ist, wie lässt sich dann ein Freiheitsbegriff entwerfen, der kausal und determiniert ist? Kann, oder muss Freiheit wohl möglich determiniert sein?
      Es gibt viele Freiheitsdefinitionen … was viele immer noch nicht erkennen in der Philosophie und überhaupt ist, dass die Sprache mehr oder weniger so strukturiert werden muss, dass die Ontologie der Realität halbwegs operabel und gut repräsentiert wird. Nur so lässt sich auch effektiv mit einem Begriff/Phänomen arbeiten. Das ist in der Physik genau so. Was hier real ist oder nicht, ist eigentlich egal. Was wirkt, wirkt 😉

      Also was ist Freiheit überhaupt?
      Für mich gibt es zwei Arten von Freiheit, es gibt die Freiheit die uns von anderen Zuständen unabhängig macht, was letzten Endes bedeutet, dass man fähig ist, mehr als nur eine Sache zu tun. Man ist nicht gezwungen ein und das selbe zu tun, man hat einen Grad von Freiheit, der unseren Handlungsspielraum eingrenzt. Der Raum der Möglichkeiten.
      Die Freiheit der Entscheidung ist nochmal eine andere Freiheit, obwohl sie eng verknüpft ist mit der anderen.
      Wenn wir davon ausgehen, das alle unsere Möglichkeiten durch die “Diktatur der Vernunft”, des determinierten Zufalls oder der subjektiven Wertefixierung (zB Ästhetik) bestimmt wird, wie können wie einen Zustand erreichen, der unabhängig von dieser Diktatur ist? Oder besser gefragt, können wir diese Diktatur beeinflussen? Und wie genau passiert das? Was ist die Praxis/Operation des freien Willens?

      Der Zeitablauf und die Generierung von Möglichkeiten ist der Schlüssel.
      Wir wissen, desto mehr Möglichkeiten wir haben, desto mehr Entscheidungen können wir treffen (was wir heute zB tun). So erhöhen wir unseren Grad an Freiheit. Die Fähigkeit NEIN zu sagen, die Dinge anzuhalten und zu kontrollieren in ihrem weiteren Prozessen, diese Fähigkeit ist wohl die erste relevante. Das nächste relevante ist die Fähigkeit, neue Werte zu schaffen indem man neue Informationen schafft und diese funktional verwertet. Der Wert an sich hier ist der Wert der Freiheit, weil wir mit dieser Handlung nichts anderes beabsichtigen, unserer Raum der Möglichkeiten zu erweitern und mehr Möglichkeiten zu haben.
      Das die Optionen nicht in ihrem Wert unterscheidbar sein dürfen, ist gar nicht so relevant. Was wir machen können, und das genau ist der Wert der Freiheit für uns, wir können mehr und mehr Werte und Wege schaffen. Dieser Prozess ist allerdings determiniert und so ist jeder anders frei und anders abhängig. Unsere Freiheit und unsere Abhängigkeit verändern sich mit der Zeit.
      Unser Entscheidung kann also nicht 100% frei sein, aber sie kann freier sein und relativ frei.
      Jedes mal wenn ich den Raum der Möglichkeiten erweitere, erweitere ich unsere Freiheit, und somit senken wir auch unsere Abhängigkeit von gewissen Dingen.

      Nehmen wir zum Schluss an, wir haben zwei Optionen die für uns den selben Wert haben, wie entscheide ich mich also? Ich stelle ein Relationssystem her. und genau dieser Zeitpunkt und die Art und Weise welches Relationssystem wir setzen, genau das ist unsere, für jeden einzigartige Form des freien Willens, welche letzten Endes immer unfrei wird, sobald wir die Werte festsetzen.
      Noch keiner hat es geschafft vollkommen frei zu sein … objektiv gesprochen 😉
      Subjektiv gesprochen, liegt das natürlich nur am Relationssystem 😉 hahaha

      PS
      Ich möchte aber noch, weil es sich hier grad so schön anbietet, mal kurz für eine Idee werben.
      Ihr kennt ja alle die GUT, die Grand Unifying Theory.
      Ich stell mir eine Wissenschaft vor, die keine sprachlichen Barrieren mehr kennt. Wo alle Perspektiven in eine übernommen werden. Die endgültige GUT, muss die Naturwissenschaft und die Geisteswissenschaften vereinen. Die Bewegung und die Sprache ist der Schlüssel.

      • Ich möchte noch hinzufügen, dass ich den Artikel super finde und als guten Beitrag zu eben der universalen GUT.
        Ich nenn sie ja auch die Red String Theory … roter Faden 😉

        Das Verständnis und die Formulierungen zu finden, all diese verschiedenen Ebenen zusammenzubringen ist eine schwierige und komplexe Aufgabe und es ist immer schwer zu verstehen, welche Teile die anderen gerade in ihren Gleichungen nutzen.
        Kraft, Bewegung, Interaktion, Wahrnehmung, Präzision, Sprache, Rekombination, Wahrheit … in so vielen unterschiedlichen Systemen…es ist echt wunderbar 😉

        Falls irgendjemand Lust hat, an der Red String Theory zu arbeiten … einfach melden 🙂

        Kurz noch zu dem “was wirkt, das wirkt”
        Für mich ist Kraft, Bewegung und Interaktion ein grundlegender Bestandteil eines jeden Systems. Es ist nicht zu bestreiten, das Aktionen und Reaktionen stattfinden und das es auch Muster gibt, die wir alle wahrnehmen, teilen und reproduzieren können.
        Dies ist ein wichtiger Punkt um die Gottesfrage, den Existenzialismus und sonstige auf Wahrscheinlichkeitspostulaten beruhenden Theorien in die Schranken zu weisen und sich erst mal um die anderen messbaren Sachen zu kümmern.
        Zum Beispiel die Frage, warum wir es trotz unseres enormen Wissens nicht schaffen, all die Möglichkeiten in die Tat umzusetzen und warum es so schwierig ist uns zu verstehen und zu kooperieren?
        Aber ab und zu muss man sich auch die Frage stellen, wie wahrscheinlich ist den alles so, wenn wir alle Infos mal wieder synchronisieren 😉

        Die Wahrscheinlichkeit das es so etwas wie Freiheit gibt ist ziemlich hoch, jedenfalls ist es wohl ein sehr wertvolles Ding für uns und gerade in unserer heutigen zeit des gefeierten aber doch so gefährlichen Liberalismus, ist es um so notwendiger das wir endlich verstehen wie diese Freiheit funktioniert.
        Und ich denke es ist wichtig zu erkennen, das die Freiheit nicht das Ende vom Lied ist, oder so ne Art heiliger Gral der uns glückselig macht weil wir ach so frei sind. Sondern uns nur die Möglichkeiten offenbart, die Dinge zu erkennen und anzufangen die letzten Endes wirklich wichtig sind ….

        Liebe Grüße aus dem Raum der Möglichkeiten
        IDIC

    • Zum Thema Bewusstsein:
      Immer wenn es um das Thema Bewusstsein geht möchte ich unabhängig von der philosophischen Ausrichtung dessen Lehren hinzu ziehen der sich in unserer Geschichte mit am besten damit ausgekannt hatte: Der Buddha.
      Nach seiner Erklärung sind die Bewusstseinsprozesse die wir darstellen immer auf externe Objekte angewiesen also in unserem Fall auf die fünf Sinne der Wahrnehmung ohne die keine Bewusstsein existieren kann.

      “And why do you call it ‘consciousness’? Because it cognizes, thus it is called consciousness. What does it cognize? It cognizes what is sour, bitter, pungent, sweet, alkaline, non-alkaline, salty, & unsalty. Because it cognizes, it is called consciousness.”
      “From consciousness, sensory reception arises; from sensory reception, perception arises; and by perception, mental objects are differentiated. Then one knows good and evil.”
      By analogy, a painter applies pigments to the wall, and he can paint pictures as neatly and properly as he wishes. The consciousness and intellect of the painter are both formless and shapeless, but they can create various kinds of extraordinary images and shapes. Thus one’s consciousness and intellect project the six senses. The eye sees sights, and the eye consciousness is formless and shapeless; the ear hears sounds, which are formless and shapeless; the nose detects odors, which are formless and shapeless; the tongue tastes flavors, which are formless and shapeless; and the body knows tactile sensations, which are formless and shapeless. As one’s faculties and perceptions are formless and shapeless, so too one’s consciousness is formless and shapeless.”

      Zum Thema Realität:
      Es gibt etwas das existiert allerdings ist es in einem Zustand der ständigen Veränderung und hat daher keinen festen Kern. Das betrifft das Materielle sowie auch das Energetische/Mentale. Daher ist es ein Zwischenschritt aus Existenz und Nichtexistenz. Der Wille ist ein realer Bestandteil des mentalen Prozesses der sich in demselben Zwischenschritt befindet also kommt und geht.
      Darüber hinaus besitzen wir zwei Körper: den Materiellen und den Mentalen. Diese beide haben überhaupt nichts miteinander zu tun außer sie verbinden sich zu dem was wir den “Menschen” nennen bis das der Tod des matieriellen Körpers eintritt, sie sich daraufhin wieder trennen und der mentale Körper automatisch in seiner eigenen Realitätsebene weiter existiert.

      “How can a will, or anything for that matter, arise without conditions, away from cause and effect, when the whole of existence is conditioned and relative, and is within the law of cause and effect?”

      “There is no unmoving mover behind the movement. It is only movement. It is not correct to say that life is moving, but life is movement itself. Life and movement are not two different things. In other words, there is no thinker behind the thought. Thought itself is the thinker. If you remove the thought, there is no thinker to be found.”

      “Various kinds of fruits, such as dates, pomegranates, mangoes, and the like, may taste pungent, bitter, sour, sweet, salty, or tart. With a distinct flavor, each fruit serves a different purpose. After the fruit decays, its flavor will be reborn through the transformation of the seed. Thus, as the [ālaya] consciousness-seed transfers, it is accompanied by sensory reception, memory, and good and evil karmas. It is called consciousness because it knows that it has abandoned this body in order to accept the next requital body. It is called consciousness because it knows that it is accompanied by good and evil karmas and that, carrying these karmas, it transfers to accept [the next] requital. It is called consciousness because it knows all about what the body does. By analogy, the wind has no form to grasp and no mass to get hold of but, through causes and conditions, it can do karmas: The wind can carry cold or hot, carry fragrance or stench, shake the woods, or violently devastate anything in its path. Likewise, consciousness has no form or mass, and cannot be detected by sight or hearing. However, through causes and condition, the appearance of consciousness is revealed. Because one’s consciousness maintains one’s body, the body knows pain or pleasure. Looking radiant and energetic, one’s body can walk or stand, speak or laugh, and feel happy or sad. Seeing clearly the karmas done, we should know that there is consciousness.”

      All dies fußt auf einem komplexen multidimensionalen Konzept eines Universums mit verschiedenen physikalischen und nicht-physikalischen Realitätsebenen.

    • Hallo Herr Päs,
      ich habe noch nie eine so allumfassende und konsistente Bestandsaufnahme der aktuellen Diskussion um freien Willen gelesen. Glückwunsch zu diesem Entwurf.

      Sie bringen es genau auf den Punkt: Wie lässt sich mit unserem Verstand – eben subjektiv – die uns umgebende Welt als deterministisch akzeptieren, wenn wir sie doch als in großen Teilen zufällig wahrnehmen.
      Vielleicht kann ich der aktuellen Diskussion noch ein paar Aspekte hinzufügen, die letztlich allenfalls eine Vertiefung darstellen.

      Da wäre zunächst die Wahrnehmungsebene, auf der wir hier unsere Weltsicht teilen. Letztlich gelingt dies ja – besonderes innerhalb dieses Blogs – nur auf Basis von Sprache in Textform. Gerne füge ich dem Thema Emergenz noch das Bild einer Bifurkation hinzu:

      Hier lässt sich wunderbar Konvergenz zeigen. Deutlich wird, wie mathematisch elementare Logik im Chaos wiederum zu stabilen Zuständen führen kann. Bei all dem Chaos, das in einem thermodynamischen System existiert, kommt es dennoch überall zu Inseln der Stabilität. Diese Inseln der Stabilität verstehe ich als Emergenzen (siehe Autopoiesis).
      Als Beispiel aus der Physik wären die auf den ersten Blick stabilen Energieniveaus zu erwähnen. Bei ausreichend hoher zeitlicher Auflösung zerfällt das stabile Bild und zeigt einzelne Elektronen auf wirren Bahnen.

      Da – und das ist jetzt der zweite wichtige Aspekt in dieser Diskussion – unser Bewusstsein im Laufe seiner Entstehung, eben von Kindesbeinen an, die Welt auf Basis von Korrelationen aufbaut, werden diese Emergenzen in Beziehung zueinander gesetzt und darauf aufbauend neue Emergenzen geschaffen, die hier im Blog als Fiktion bezeichnet werden. Unser Gehirn als Korrelationsmaschine findet dabei oft auch Zustände, die aufgrund ihrer geringen Signifikanz (Sigma<5) keinen Bestand hätten, würde man sie tatsächlich mal auf die Probe stellen. Man muss eine Lüge nur oft genug erzählen, damit man selbst und andere sie glauben 🙂

      Und jetzt sind wir in der Realität angekommen: Agenten werden geschaffen aus diesen Korrelaten. Da wir daraus unser Weltmodell formen, können wir nicht anders, als mit ihnen als symbolische Konstrukte umzugehen…eben zu denken. Was bleibt dem Bewusstsein anderes übrig, als einfach weiterzumachen mit dem, was es immer schon gemacht hat: Zu korrelieren?

      Jeder ist gefangen in seinem Weltbild:
      "Ich habe doch immer schon gemerkt, dass ich meine Entscheidungen frei treffen konnte. Das muss die Wahrheit sein!

      Mit besten Grüßen
      Andreas Grund

  2. Zitat: wer geht im zwischenmenschlichen Umgang nicht davon aus, dass unser Gegenüber einen freien Willen hat. Ja, der andere hat als andere Ausgabe von mir selbst den gleichen freien Willen wie ich, das heisst er kann so handeln wie er will, so wie ich handeln kann wie ich will. Das nennt man Handlungsfreiheit. Doch es gibt auch Philosophen, die unter freiem Willen verstehen, dass der Wille selbst frei sei, dass man also als freier Mensch wollen könne, was man will. Das scheint mir selbst allerdings ein Ding der Unmöglichkeit, denn hier beisst sich die Schlange selbst in den Schwanz oder es bräuchte noch eine zusätzliche, transzendente Ausgabe von mir, die dann bestimmt, was ich will.

  3. Und wenn sich die Schlange (? Katze) in den Schwanz beißt, muß man bei der Frage
    “was ist Realität?” vorher die Frage beantworten “was ist Philosophie?”, denn die
    tut die “Realität” philosophieren – zweiwertig oder dreiwertig- versteckte Parameter?

  4. Solange wir uns in den Zwängen dieses wettbewerbsbedingt “freiheitlichen” Systems zu / in “Individualbewusstsein” konfusionieren / spalten, ist es müßig nach eindeutiger Wahrheit und deren … zu fragen, denn Mensch bedeutet VOR ALLEM alle!

  5. Wollen wir, was wir wollen?
    Beim Menschen hat die Evolution die Befehle und Verhaltensmechanismen eingebaut, und die konsequenten Buddhisten versuchen diese zu löschen (Nirwana).
    Ein von Wünschen völlig freier Mensch würde absolut gar nichts mehr tun.
    Allerdings wurden auch die Wünsche nach Ruhe, Schmerzlosigkeit und Freiheit von der Evolution eingebaut.
    Neben dem Konflikt zwischen sozialen und egoistischen Wünschen (ungefähr Gut gegen Böse), gibt es daher auch den Konflikt zwischen evolutionär-aktiven und evolutions-ablehnenden Wünschen (ungefähr Konkurrieren gegen Aussteigen).
    Man könnte zwar vermuten, dass die evolutions-ablehnenden Wünsche von der Evolution nach und nach weg-selektiert werden, aber bisher ist das noch nicht geschehen.
    Möglicherweise haben diese ins Leere verlaufenden Äste des Stammbaums eine stabilisierende Wirkung auf die sich weiter verzweigenden Äste des Stammbaums.

  6. Kind: Ich will aber nicht ins Bett!
    Eltern: Nimm doch Vernunft an, du mußt morgen früh aufstehen!

    Je nach Alter des Kindes haben die Eltern mehr oder weniger Erfolg. Ist der Wille des Kindes frei zu nennen, wenn es nicht ins Bett geht? Oder steht es mit dem “freien Willen” ganz anders? Ist der Wille frei zu nennen, wenn er kein Handlungsmotiv findet und der Mensch sich langweilt? Muß darüber hinaus, nicht zwischen Willens -und Handlungsfreiheit unterschieden werden? Reicht Handlungsfreiheit aus? Müssen wir uns wirklich mit Willensfreiheit beschäftigen?

  7. Das hab ich in den letzten Wochen schon dutzende male hier bei den scilogs
    und woanders gelesen, aus welchem Textgenerator kommen die Einsichten?

  8. A. Einstein soll ja gesagt haben: Reality is merely an illusion, albeit a very persistent one. *Soll*, weil er vll. auch time (oder space) gesagt hat. Eine Variante von Philip K. Dick lautet: Reality is that which – when you stop believing in it – doesn’t go away.

    Zu freiem Willen: Der Mensch kann was er will – wenn er will was er kann. Assoziiert ja (ggfls.) Schopenhauers (etwas nebulöses): ** Der Mensch kann zwar tun was er will, aber er kann nicht wollen, was er will. **

    “Wenn er will was er kann” impliziert, dass man mehr kann als man für möglich hält. Allerdings ist es sehr schwer sich von seinen Determinierungen [kann man auch Gewohnheiten, Prägungen, Vererbungen, Ansichten, Schicksal (Karma) nennen] zu lösen.

  9. Eine Realität, selbst eine externe Realität gibt es wohl nicht ohne mindestens gedachte Beobachter, nicht ohne mindestens postulierte Subjekte, die die Realität wahrnehmen.
    Zugleich macht es nur Sinn von Realität (Realität als das, was real, also keine Illusion ist), gar externer Realität zu sprechen, wenn alle Beobachter, Subjekte in der gleichen Situation das gleiche wahrnehmen, bezugsweise wenn nach Subtraktion des Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfehlers für unterschiedliche Beobachter das gleiche übrigbleibt. Das schliesst nicht aus, dass die Wahrnehmung, ja selbst die Realität beobachterabhängig ist, wie beispielsweise in der Relativitätstheorie, es bedeutet lediglich, dass, wenn Hildegard etwas Reales wahrnimmt und man tauscht Hildegard gegen beispielsweise Oskar aus, dass dann Oskar das gleiche Reale wahrnimmt wie Hildegard. Die externe Realtität ist für mich zuerst einmal das, was alle Beobachter miteinander als gemeinsame Welt teilen und zum Universum gehört all das was miteinander interagieren kann.
    Yuval Hariri hat durchaus recht damit, dass menschengemachte Fiktionen wie Geld, die NASA aufgefasst als Organisation und nicht nur als Ansammlung von Menschen oder die Menschenrechte sich von der eben von mir beschriebenen Realität unterscheiden. Die physikalische externe Realität wird von allen Menschen ähnlich wahrgenommen, wenn sie sich derselben Messmethoden und derselben Beobachtungsmethoden bedienen und es lässt sich sogar innerhalb des Systems Physik sagen, welche Messmethoden zulässig sind und wie zuverlässig sie sind. Im Prinzip teilen wir die externe Realität sogar mit den anderen Tieren. Sie ist auch für Schimpansen oder gar Schlangen die Gleiche.
    Geld in Form einer Währung wie dem Yen aber hat nur innerhalb der Menschenwelt Realitätsgehalt und nicht einmal in der gesamten Menschheitswelt, denn es gibt wohl Menschen, die gar nicht wissen, das es einen Yen gibt, ja es gibt sogar Menschen, die nicht einmal wissen, was Geld überhaupt ist. Menschen müssen ans Geld oder an den Yen glauben, nur dann funktioniert der Yen. An die Sonne als unser Zentralgestirn aber müssen wir nicht glauben. Die Sonne existiert auch ohne uns Menschen, denn auch eine Schlange oder eine Pflanze weiss um die Sonne.

    • So gesehen wäre Realität doch Teilgebiet der Mengenlehre, ein Komplement
      https://de.wikipedia.org/wiki/Komplement_(Mengenlehre) das entwickelt sich
      physikalische “Realität” … Chemie … Biologie/Leben … Psyche/Vernunft?
      Wie die Realität “an sich” definieren (?) wenn sie “gestuft” ist, eher relativ.
      Realität soll keine Illusion sein, wenn aber Illusion Teilmenge ist …

    • @Martin Holzherr:

      wenn Hildegard etwas Reales wahrnimmt und man tauscht Hildegard gegen beispielsweise Oskar aus, dass dann Oskar das gleiche Reale wahrnimmt wie Hildegard.

      Ja – wenn denn Hildegard exakt genauso funktioniert wie Oskar.

      Warum teilen wir denn mit Tieren insofern die gleiche Realität, in der wir andere Säugetiere als biologische Organismen wahrnehmen, und nicht – wie vielleicht ein Bakterium, als Biotop, oder wie ein Atom, als Algorithmus? Weil die Evolution uns auf eine Perspektive festgelegt hat, die für uns die erfolgreichste (oder zumindest ein hinreichend erfolgreiche) Weltbeschreibung liefert. Genauso führt die kulturelle Evolution zu einer Beschreibung, die Aktiengesellschaften als Agenten versteht, und die z.B. die am Aktienmarkt erfolgreichen Akteure teilen. Wo fängt die physikalische externe Realität denn an und wo hört sie auf? Sind biologische Organismen real? Was ist mit Superorganismen wie Ameisenstaaten? Unterscheiden die sich hinreichend stark von einem Menschen, dessen Funktionalität auch auf der Symbiose zahlloser Bakterien beruht?

      • Reales hat immer eine materielle Basis (Materiell = Änderungsfähigkeit,Interaktionsfähigkeit, Energieinhaltab- oder zunahme), Fiktives existiert nur in unserem Kopf wenn wir daran denken. Die Zahl Pi beispielsweise ist etwas Fiktives, weil die Zahl Pi nur als Gedachtes, als Idee oder Konzept existiert. Wer behauptet, Pi existiere, weil Pi doch in vielen realen Objekten bis zum Atom auftauche, der verwechselt Reales (das Atom) mit der Analyse von Realem. Erst in der Analyse eines Atoms (die wiederum nur ein intelligentes Wesen unternehmen kann), taucht überhaupt so etwas wie Pi auf.
        Letztlich hat auch Fiktives (wie Pi oder der Aktienmarkt) eine reele Basis, weil es ein Hirn oder einen Computer braucht, damit das Fiktive entstehen kann. Ohne physikalische Welt gibt es auch keine Aktienmärkte, weil es dann keine Hirne und Computer gäbe, die die Aktienmärkte am laufen halten könnten. Wir könnten eine Rangordnung der Realitätsverbundenheit von Objekten aufstellen, dann wäre ein, Atom oder Mensch an erster Stelle, ein Aktienmarkt an 2. Stelle und die Zahl Pi an 3. Stelle, denn ein Aktienmarkt funktioniert nur, wenn reale Dinge wie heute noch Menschen, später vielleicht nur Elektronen und Bits etc richtig mit der übrigen realen Welt zusammenspielen, während es für die Zahl Pi nichts anderes braucht als den Geist eines Menschen.

        • Ergänzung: Ich vertrete hier den ontologischen Materialismus von Bunge&Mahner. Real sind danach nur konkrete Dinge und sogar Fiktives gibt es – anders als bei den Idealisten&Konstruktivisten – nicht von sich aus, sondern nur als Produkt eines materiellen Prozesses. Materiell ist alles was physikalische Energie besitzt, also auch Photonen oder Neutrinos.
          Das entspricht ja den Alltagserfahrungen: Ein Film den ich mir im Kino anschaue ist zwar für mich etwas Immaterielles, aber ohne Materie (Projektor etc) gibt es ihn nicht und der Film, der in meinem Kopf abläuft, den gibt es ohne sehr materielle Prozesse in meinem Hirn ebenfalls nicht. In der materialistischen Anschauung entsteht Höheres (wie die Kultur oder die Mathematik) aus Niedrigerem/Grundlegenderem. Bei idealistischen/konstruktivistischen Theorien ist es oft umgekehrt. Dort existiert zuerst das Bewusstsein und das kreirt dann die niedrigere/materielle Welt.

        • @Martin Holzherr:

          Wir könnten eine Rangordnung der Realitätsverbundenheit von Objekten aufstellen, dann wäre ein Atom oder Mensch an erster Stelle, ein Aktienmarkt an 2. Stelle und die Zahl Pi an 3. Stelle…

          Damit unterscheiden sich unsere Bilder gar nicht stark, nur dass ich von mehr oder weniger fundamentalen Realitäten sprechen würde. Die fundamentalste Realität liegt allerdings tiefer als Atome, und dann kommt auch der naive atomistische Reduktionismus (siehe mein Kommentar unten) an seine Grenzen, denn Teilchen selbst (wie klein auch immer) sind selbst nicht fundamental.

  10. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen und mich dennoch niemand versteht, und auf die gefahr hin, deshalb gelöscht zu werden, greife ich zu einer nochmaligen Erklärung diesen Punkt heraus:

    Die kausale Emergenz liefert jetzt einen interessanten neuen Aspekt in dieser Diskussion, nämlich die Entdeckung, dass auf einer höheren Beschreibungsebene ein zukünftiger Zustand stärker durch einen früheren Zustand determiniert wird als auf einer niedrigeren Ebene.

    Unabhängig davon, dass es speziell um kausale Emergenz geht: ich hatte vorgeschlagen, Kausalität als ein Regelwerk zu betrachten, das in zwei Varianten vorliegt (zwei Beschreibungsarten enthält) und sich in drei Klassen von Regeln unterteilt, von denen einige eben Sachverhalte dieser Art beschreiben.

    Das Verständnisproblem liegt u.a. darin:

    So sind nach Hoel Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, sogenannte Kausalbeziehungen (Hervorhebung von mir), durch eine Matrix beschreibbar, die vergangene Zustände auf zukünftige abbildet.

    Ein Denken in Beziehungen nennt Schwank prädikatives Denken, das nichts mit dem zu tun hat, was gemeinhin mit dem Begriff Denken verbunden wird. Es handelt sich um ein statisch greifendes Grundverständnis von Welt und Wirklichkeit, das nicht bewusst wirksam ist und als apriorisch aufgefasst wird. Es unterliegt einer Grundregel, die den Ablauf in der Zeit vorschreibt, wie wir sie in der Realität erleben: von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft oder: Wenn X und dann wenn Y, dann auch Z.
    Wenn Hoel von einer Matrix spricht, mit der Ursache-Wirkungszusammenhänge beschreibbar sind, da sie vergangene Zustände auf zukünftige abbildet, entspricht dies eher einer Funktion, nicht einer Argument-Prädikat-Relation, und damit einer Regel der Art (XZ) Y: Die Zuordnung von Elementen einer Definitionsmenge zu Elementen einer Zielmenge: Wenn X (Vergangenheit), und dann wenn Z (Zukunft), dann auch Y (in der Gegenwart der Fall).

    Ursache-Wirkungszusammenhänge in der Realität, die wir erleben, sind als Beziehungsstruktur nur mit wenigen Regeln beschreibbar. Die Mehrheit der Regeln beschreibt eine andere ‘Wirklichkeit’ . Realität ist für uns, was mit Regeln aus der Klassse der Abläufe und der Klasse der Erzeugungen nach prädikativem ‘Muster’ beschrieben werden kann.

    Der freie Wille wird davon nicht berührt, egal nach welchen Regeln ein menschliches Gehirn arbeitet, den prädikativen oder den funktionalen, um Welt und Wirklichkeit für uns erleb- und handelbar zu machen. Die Regeln schreiben nur vor, dass es ein Ziel (Ergebnis, Wirkung, Resultat) geben muss. Wie es aussieht, hängt von den Größen ab, die in X und Y eingesetzt werden – ihren Werten, ihren Eigenschaften, und ob sie physikalischer, biologischer, soziologischer usw. Natur oder auch vollkommen abstrakt sind. Sie bilden nur den Rahmen.

  11. Sehr schöner Ritt durch,mit und in Evidenz. Was gibt es neues an der Emergenz mit Kausalität,dass Phasen und insbesondere die Phasenübergänge erklären hilft?

  12. Alles entsteht in einer gegenseitigen Abhängigkeit (die moderne Physik sprict von einer erfolgreichen in Beziehung setzen). Gibt es so gesehen keine für sich selbst stehenden Entitäten wie z.B. das klassische unteilbare Atom der Antike?
    Die indische Antike unterstellt daher eine “Leere” aufgrund einer fehlenden eigenständigen Existenz. Alle Erscheinungen, angefangen vom Atom bis zur Information, sind aus dieser Sicht innen leer. Diese Konstruktion der “Leere” bietet eine elegante Möglichkeit der Widersprüchlichkeit zu entgehen.

  13. Zitat Martin Holzherr: „In der materialistischen Anschauung entsteht Höheres (wie die Kultur oder die Mathematik) aus Niedrigerem/Grundlegenderem.“

    Ich würde dieses Bild des surrealistischen Malers René Magritte mit seinem Titel „Ceci n’est pas une pomme“ (= Dies ist kein Apfel) in dieser Kategorie ordnen. Oder nicht?

    • „Ceci n’est pas une pomme“ macht für mich darauf aufmerksam, dass die Wahrnehmung der Realität nicht die Realität selbst ist. Eigentlich selbstverständlich. Doch gerade heute haben viele Mühe diese Unterscheidung zu machen. Wer Fakten leugnet und seine eigenen Meinungen als Fakten ausgibt, der konstruiert seine Fakten, er konstruiert das, was er für Realität hält. Es ist aber gerade das Wesen der Realität, dass sie da ist auch wenn man sich etwas anderes wünscht.

  14. Die hier geführte Diskussion scheint durchweg von der materialistischen Prämisse auszugehen, dass – wie Martin Holzherr es formuliert – Höheres wie Kultur und Mathematik aus Niedrigerem/Grundlegenderen hervorgeht. Was wäre aber der Wahrheitsgehalt dieser Prämisse, wenn bewiesen werden könnte, dass Bewusstsein und dessen Inhalte (z.B. Erinnerungen, Vorlieben) den Tod des materiellen Organismus überdauerten und in einem neuen Organismus wieder verifizierbar auftauchten, wenn sich ein Mensch also an eine frühere leibliche Existenz erinnern könnte und diese Erinnerungen von Dritten verifiziert werden könnten?

    Tatsächlich ist dieser Nachweis zweifelsfrei gelungen. Man muss nur diese Nachweise zur Kenntnis nehmen. Einen Überblick geben hierzu die Vorträge und Interviews von Prof. Dr. Bruce Greyson von der Universität von Virginia, USA, die man durch Googlen leicht finden kann. Hier sei nur eines von vielen möglichen Links angegeben.

    Es ist klar, dass die Diskussion zu „Gibt es einen freien Willen?“ eine ganz andere Richtung nehmen würde, wenn unser Bewusstsein zwar mit unserer materiellen Basis korreliert wäre, aber nicht kausal von ihr abhinge.

    • Was wäre aber der Wahrheitsgehalt dieser Prämisse, wenn bewiesen werden könnte, dass Bewusstsein und dessen Inhalte (z.B. Erinnerungen, Vorlieben) den Tod des materiellen Organismus überdauerten und in einem neuen Organismus wieder verifizierbar auftauchten, wenn sich ein Mensch also an eine frühere leibliche Existenz erinnern könnte und diese Erinnerungen von Dritten verifiziert werden könnten?
      Tatsächlich ist dieser Nachweis zweifelsfrei gelungen.

      Das ist natürlich keineswegs zweifelsfrei gelungen. Nahtoderlebnisse z.B. sind sicherlich naturalistisch zu erklären, ähnliche Out-of-Body-Erlebnisse bekommt man schon, wenn man sich von hinten auf einem Bildschirm sieht, während man gekratzt wird. Bitte halten Sie sich mit zweifelhaften Tatsachenbehauptungen zurück, sonst muss ich löschen.

      Darüber hinaus würde ich keineswegs von einer „materiellen Prämisse sprechen, wenn ich gerade die Realität von immateriellen Objekten wie Aktiengesellschaften und freiem Willen betone. Tatsächlich glaube ich auch nicht, dass Bewusstsein materiell ist, sondern eher etwas mit Informationsverarbeitung zu tun hat. Die vollständige Antwort, was Bewusstsein ist, hat aber sicherlich momentan keiner.

      • Ich denke nicht, dass ich zweifelhafte Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe. Auf die Gefahr hin, dass mein Beitrag und auch diese Antwort gelöscht werden, werde ich einen Fall von Prof. Bruce Greyson hier kurz beschreiben, das er in großem Detail in dem verlinkten Vortrag geschildert hat:
        Ein kleiner Junge James Leininger, in den USA 1998 in Louisiana geboren, spielte gerne mit kleinen Flugzeugen, hatte mit zwei Jahren wiederholt Albträume mit Flugzeugabzustürzen, im Alter von drei Jahren begann er zu erzählen, als Pilot im Weltkrieg bei Japan unter Feuer geraten und in den pazifischen Ozean abgestürzt zu sein. Er identifizierte den Typ seines Jagdflugzeugs als Corseair und den Flugzeugträger als Natoma Bay und gab viele Namen und weitere Details an. Sein Vater, ein Polizist und strenggläubiger Christ, recherchierte darauf hin, um zu zeigen, dass sein Sohn nur phantasierte. Doch die Recherchen bestätigten nur alle Aussagen von James über seinen damaligen Absturz als Pilot James Huston und führten schließlich sogar zur früheren Familie des kleinen Jungen hin, dessen damalige Schwester noch lebte und den Verlust ihres Bruders James Huston bei Japan 1945 bestätigte.
        Ich möchte noch hinzufügen, dass die Arbeit von Bruce Greyson auf der des Psychiaters Dr. Ian Stevenson aufbaut. Dieser hatte mehrere tausend Fälle von Erinnerungen an frühere Leben – meist von kleinen Kindern – in aller Welt dokumentiert und sehr viele Aussagen zu früheren Leben vor Ort verifizieren können. Eine Auswahl seiner recherchierten Fälle ist auch auf Deutsch erschienen.

    • Das Phänomen ´Nahtod-Erfahrung´(NTE) habe ich seit über einem Jahrzehnt komplett erklärt: Bei einer NTE kann man bewusst erleben, wie das Gehirn einen Reiz verarbeitet.
      Per Google-suche [Kinseher NDERF denken_nte] können Sie einen PDF-Kurztext finden. NTEs sind also nur Ergebnis eines Erinnerungsvorgangs.

      Das man sich an frühere Existenzen erinnern kann ist Unsinn. Zu diesem Thema empfehle ich Ihnen das Buch von Julia Shaw ´Das trügerische Gedächtnis´. Sie beschreibt darin, wie fehlerhaft unser Gedächtnis arbeitet: Z.B. bringt sie Versuchspersonen in nur drei kurzen Gesprächen dazu, sich (mit Details!) an eine sebstverübte Straftat zu erinnern – die nie stattgefunden hat.
      So wie man Menschen leicht dazu bringen kann, sich einzubilden, eine Straftat ausgeführt zu haben, kann man sie auch dazu bringen sich an frühere Leben zu ´erinnern´.

      @Päs: Ein Kinofilm eignet sich gut dazu, den Unterschied ´Realität´ und ´Wirklichkeit´ zu beschreiben: Der Kinofilm besteht nur aus Einzelbildern = Realität, wir nehmen aber bewegte Szenen wahr = unsere subjektive Wirklichkeit.

      • @ KRichard

        Über Nahtoderfahrungen kenne ich mich nicht aus, jedoch glaube ich an Out-of-Body Erfahrungen, weil ich einmal in meinem Leben vor vielen Jahren eine erlebt habe – zumindest hat mir ein Psycholog in einem Foren vor ein paar Jahren gesagt, als ich es erzählt habe, dass es eine Out-of-Body Erfahrung gewesen sei.

        Ich war zu dieser Zeit vielleicht ca. 17 Jahren alt und lebte allein bei meinem Vater. Ich war auch zu dieser Zeit sehr einsam, mein Vater war sehr konservativ und sehr streng, ich durfte nie Kontakte mit Jugendlichen in meinem Alter haben, nur Schule (Mädchenschule) und zu Hause. Ich hatte nur eine einzige Freundin in meinem Alter aus der Kindheit, deren Eltern mit meinen Eltern befreundet waren, und die ich ab und zu auch treffen durfte. Ich durfte auch Sonntagnachmittags meine Oma besuchen. Natürlich habe ich dann irgendwann nicht mehr meine Oma besucht, sondern bin ich mit meiner Freundin in die Disco gegangen.

        Dort habe ich in einer Disco zum ersten Mal einen Jungen kennengelernt, ich hatte sonst keine Kontakte mit Jungen bis dahin gehabt. Er war auch noch dazu Schlagzeuger in einer Band, die in dieser Disco spielte, er hatte also die Wahl seiner „Auserwählten“ unter den Mädchen, und er hat mich gewählt. 🙂 Ich konnte es nicht glauben. Ich fand ihn ganz toll, ein ruhiger Typ, er sah auch gut aus. Ich habe ihn nur Sonntagnachmittags in dieser Disco getroffen, sonst hatten wir in der Woche gar keine Kontakte. Ich konnte nur noch an ihn denken und auf die Sonntagen warten, ich konnte nur noch an ihn denken. Dann kam die Katastrophe: Zwei Kusinen haben uns zu Hause kurzfristig und unerwartet besucht und sind zwei Wochen geblieben, ich konnte also zwei Sonntage nicht in die Disco, ich musste mit den Kusinen spazieren gehen. Dann war es endlich so weit, dass ich dorthin konnte, ich war überglücklich, ich habe mich schön gemacht, ich hatte zu dieser Zeit eine glatte Kleopatra-Frisur, ich fand mich selbst ganz toll.

        In der Disco ist er nach dem Spielen zu mir gekommen. Irgendwie war er ein bisschen anders als sonst, er fragte mich, warum ich die zwei letzten Sonntage nicht da war, er habe geglaubt, ich würde nicht mehr kommen. Er wendete und drehte sich, bis ich endlich verstanden habe, was er sagen wollte: Er hatte ein anderes Mädchen, es war da in der Disco, für mich war es vorbei.

        Ab dem Moment, wo ich das verstanden habe, ist etwas ganz Seltsames passiert. Ich bin aus meinem Körper herausgegangen, ich habe mich verdoppelt. Ich schwebte über dem Boden neben meinem Körper, ich konnte mich von außen sehen, mit meiner Kleopatra-Frisur, ich konnte auch alles hören, ich konnte auch sprechen, ich hörte, wie mein Doppel neben mir zu dem Jungen sagte „Kein Problem, ist alles in Ordnung“.

        Dieser seltsame Zustand hat vielleicht 3-4 Minuten gedauert, ich weiß nicht genau, nicht sehr lange, es war auch alles sehr ruhig, angstfrei. Dann bin ich irgendwie wieder in meinen Körper zurückgegangen, ich weiß nicht wie, es war dann alles wieder normal.

        Ich habe 2-3 Wochen gelitten, aber alles ganz normal, ich weiß heute nicht einmal mehr, wie der Junge hieß.

        So etwas habe ich nie wieder in meinem Leben erlebt, aber es war so ein seltsamer Zustand, dass ich es nie vergessen werde.

        • Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich auf NTEs nicht weiter eingehe. Ich wollte als Reaktion auf @Ernst nur darauf hinweisen, dass NTEs mittlerweile komplett erklärbar sind – und der Eindruck, früher in einem anderen Leben bereits einmal gelebt zu haben – wohl auf manipuliertes Erinnern zurückgehen dürfte.
          D.h. bei diesen Erlebnissen ist kein Widerspruch zur Naturwissenschaft erkennbar.

          (off topic: in meinem NTE-Erklärungsmodell beschreibe ich Denken als Mustervergleichsaktivität (Seite 4). Regel 1 wurde gerade gestern durch eine neue wissenschaftliche Arbeit bestätigt:
          http://www.sciencedaily.com/releases/2018/01/180117114924.htm ´Recording thought´s fleeting trip through the brain´: Die beschriebene Arbeit zeigt, dass bereits beim Registrieren eines neuen Reizes vom Gehirn begonnen wird, darauf zu reagieren.)

  15. Yuval Noah Harari

    – Also ich denke besonders die Entwicklung unserer Sprache ist der größte Fehler in der Entwicklung des Menschen. Besser hätten wir eine lautlose Zeichensprache, so dass die Telepathie aus unseren Gedanken und Gefühlen viel wahrscheinlicher wirklich würde, ganz abgesehen von den “sozialen” Intrigen, die mit Zeichen sehr viel unwahrscheinlicher wären!?

    • Ehrlich finde ich nichts faszinierend an der These. Sie scheint mir eine besonders zeitgeistliche Form der reformistischen Systemrationalität!

  16. Jocelyne Lopez,
    der Apfel ist ein gutes Beispiel dafür, dass es zwei Realitäten gibt. Unsere Umwelt, wie wir sie sehen, fühlen und auch essen können, und unsere Gedanken und Vorstellungen zu dieser Umwelt.
    Beides ist real, und je näher sich beide Realitäten kommen, desto größer werden unsere Überlebenchancen.
    Das ist der Sinn von Wissenschaft im materiellen Bereich aber auch im geistigen Bereich.
    Und da die Menschen in der Lage sind, ihre eigene Existenz zu zerstören, kommt noch eine dritte Realität hinzu, die der moralischen Verantwortung, die sich im Vorhandensein von Gewissen und in in den Religionen manisfestiert hat.

  17. Ich habe den (natürlich subjektiven) Eindruck, dass die Diskussion hier (wieder) aus dem Ruder laufen könnte. Obwohl man natürlich unter Realität alles Mögliche subsumieren kann. Ich finde Aussagen wie **habe ich seit über einem Jahrzehnt _komplett_ erklärt** etwas anmaßend. Oder auch (zeitgeistliche) **reformistische Systemrationalität**. Was genau soll das sein? Lt. Wikipedia **ein optimaler Funktionszusammenhang**. Also unmissverständliche (hier) Sprache (Ausdrucksweise). Kann man vll. von Herrn Y.N. Harari (od. auch mir) nicht stets sagen. Ob allerdings eine **lautlose Zeichensprache** das besser vermag wage ich zu bezweifeln.

    Etwas zu Realität: If a tree falls in a forest and no one is around to hear it, does it make a sound? Erinnert an einen Dialog, der zwischen Einstein und Bohr stattgefunden haben soll. Einstein: „Glauben Sie wirklich dass der Mond nicht da ist, wenn keiner hinsieht?“ Bohr: „Beweisen Sie mir doch das Gegenteil!“ Also ich denke, dass der Baum stets ein Geräusch macht. Und auch dass der Mond (bis auf weiteres) da ist – auch wenn keiner hinsieht. Andererseits eine Messung (z.B. hören oder sehen) natürlich verifiziert. Oder, andersherum formuliert: Nur weil ich denke einen 100.- Euroschein in der Tasche zu haben muss das noch lange nicht zutreffen. Wiederum allerdings beeinflusst die Messung durchaus das Ergebnis – durch die Interaktion zwischen Objekt und Messgerät. Und das Ergebnis (die Anzeige am Messgerät) beeinflusst auch mein Denken (d.h. ich mag etwas denken was ich vorher noch nicht/nie gedacht habe). Dass mein Denken das Ergebnis beeinflusst halte ich für ziemlich unwahrscheinlich (im strikt messtechnisch-physikalischen Sinn). Dass andererseits mein Denken die Wirklichkeit beeinflusst ist abs. realistisch. I.S.v. dass meinen Handlungen in der Regel ja das Denken vorausgeht.

    Soll sagen: Ich habe keinen Zweifel an der Realität. Auch wenn sie sich, strenggenommen, letztlich (anthropozentrisch zu verstehen) nur in unserem Kopf abspielt. Dass viele Leiden — und, Herrn Päs zuliebe 😉 — und auch Wunderbare (Spannende, Interessante usw.) _ist_ real. _Keine_ Fantasie eines verrückten Gehirns (s. den Boltzmann Link von Herrn Päs im thread). Oder, anders ausgedrückt, keine — wenn auch durchaus großartige (“wunderbare“ usw.) — Illusion.

    Vorhin hab ich das https://www.theatlantic.com/science/archive/2018/01/brain-cells-can-share-information-using-a-gene-that-came-from-viruses/550403/ und das https://medicalxpress.com/news/2018-01-neuroscientists-gain-volitional-minds.html gelesen. Nicht dass ich das alles verstehe [gag und env Gene z.B. im Atlantic Artikel (s. dazu ggfls. Wikipedia *Retroviren*)]. Zwischen dem Medical Express und Atlantic Artikel besteht, möchte ich doch meinen, ein erheblicher thematischer Zusammenhang (Oberbegriff Bewusstsein). Von Herrn Päs ja im thread angeschnitten (auch z.B. mit dem Begriff Solipsismus – bzw., s.o., anthropozentrisch).

    • @ Herr Krüger :

      Glauben Sie wirklich dass der Mond nicht da ist, wenn keiner hinsieht? [Einstein an Bohr]

      Mal anders gefragt :
      Ist die Welt da, wenn kein erkennendes Subjekt sie bemerkt und sie somit nicht i.p. Erkenntnis bearbeitet wird?
      Sind die Begriffe ‘Welt’ und das ‘Da-Sein’ (die Existenz ist gemeint) dann dennoch “da”?

      MFG
      Dr. Webbaer (der als Konstruktivist hier natürlich leicht reden und schreiben hat >:-> )

      PS:
      Aus konstruktivistischer Sicht geht es, unter erkennenden Subjekten, das Da-Sein des Mondes als Prozess zu betrachten, der fortlaufender weiterer Beobachtung seitens der Erkenntnissubjekte bedarf – hört sich womöglich ein wenig bekloppt an, stellt sich so aber erkenntnistheoretisch sozusagen auf die sichere Seite)

  18. Heinrich Päs schreibt:

    »Denn wer geht im zwischenmenschlichen Umgang nicht davon aus, dass unser Gegenüber einen freien Willen hat (dem stimmt sogar der neurodeterministische Hirnforscher Wolf Singer zu).«

    .
    Auch wenn „sogar“ Wolf Singer dem zustimmt, ich tue es nicht. Einfach deshalb, weil ich mir unter einem „freien“ Willen nichts rechtes vorstellen kann.

    Was soll das bedeuten, dass der Wille (den übrigens auch viele Tiere zu haben scheinen) „frei“ sei? Etwa, dass der Neurodeterminist irrt und dass in Wahrheit die Willensbildung unabhängig von neuronalen Prozessen im Bewusstsein stattfindet, derart, dass wir von einer wahren Erstverursachung durch willentliche Entscheidungen sprechen können?

    Nein, ich behaupte, der „Neurodeterminist“ irrt nicht und es gibt keinen Grund, davon auszugehen, dass unser Gegenüber einen „freien“, also unbedingten Willen hat.

    Im zwischenmenschlichen Umgang scheint es mir völlig hinreichend, davon auszugehen, dass unser Gegenüber selbstbestimmt denken und handeln kann. Insbesondere dann, wenn man an einem „konsistenten Weltmodell“ interessiert ist. Gerade dann sollten wir das Wörtchen „frei“ nicht in Verbindung mit dem Willen gebrauchen.

  19. Balanus,
    Der Ausdruck “freier Wille” ist eine Sprachgewohnheit, die nicht philosophisch hinterfragt werden soll. Jedenfalls nicht im Alltag.
    Wenn wir nicht annähmen, dass unser Wille frei ist, dann gäbe es keine moralische Schuld und auch keine rechtliche.
    Wir tun so als ob unsere Entscheidungen frei wären.
    Jeder, der ein wenig Menschenkenntnis hat, zieht die menschlichen Schwächen und Abhängigkeiten mit ins Kalkül.
    Das kann sogar die Tine vom Fischmarkt.

  20. Das stärkste Argument für eine für uns Menschen erkennbaren und erfahrbaren und für alle anderen Wesen und Dinge vorhandenen (externen) Realität kommt für mich aus dem Erfolg der Naturwissenschaft und kommt damit von Methoden und Verifikationsforderungen, die dort eingesetzt werden. Die Reproduzierbarkeit von Experimenten bedeutet letztlich, dass nicht nur andere Forscher unter Einhaltung von zum Experiment gehörigen Umwelt- und Randbedingungen zum selben Ergebnis kommen, sondern sogar Maschinen/Automaten.
    Wenn der Radikale Konstruktivismus die Erkennbarkeit der Realität bezweifelt (Zitat: ..die persönliche Wahrnehmung [kann] nicht das Abbild einer Realität produzieren, welche unabhängig vom Individuum besteht, sondern Realität [ist] für jedes Individuum immer nur eine Konstruktion seiner eigenen Sinnesreize und seiner Gedächtnisleistung), so mag er absolut gesehen sogar recht haben, es mag tatsächlich keine letzte erkennbare Wahrheit geben und es kann durchaus sein, dass weder die Stringtheorie der Physiker noch irgendeine andere Theorie die Welt entschlüsselt. Doch was unser Alltagsleben betrifft (zu dem ich auch Ausflüge auf den Mars oder den Betrieb eines Quantencomputers zähle), so irrt der radikale Konstruktivismus, was sich in so trivialen Dingen zeigt, wie der, dass ein Autofahrer, der ein Kind überfährt, nicht damit wegkommt, wenn er erklärt, er hätte dort nicht ein Kind, sondern eine leere Papiertasche gesehen.
    Der Glaube an eine reelle Welt und letztlich an eine Welt, die zuerst einmal aus konkreten Dingen besteht, bedeutet für mich aber nicht, dass das Realitätsprinizip bis ins Kleinste hinein gelten muss. Ich habe sogar Sympathien für den Quanten-Bayesianismus, dessen Vertreter meinen, dass die Wellenfunktion nichts Reales abbilde, sondern selber nur Wahrscheinlichkeitsaussagen mache. Die Quantenwelt ist für die Quanten-Bayesianer keine reale Welt sondern eine Welt der unvollständigen Information. Sie glauben also, die Natur sei im Kleinsten gar nicht erkennbar, ja sie sei nicht einmal festgelegt, sondern es gebe dort im Kleinsten eine fundamentale Unbestimmtheit. Damit (mit dieser antirealistischen Sicht) komme ich sehr gut zurecht, sogar besser als mit der Auffassung der VieleWelten-Verfechter, welche denken, die Quantenwelt sei die reale Welt und diese Welt spalte sich immer wieder in unendlich viele neue Varianten auf womit dann die Unbestimmtheit des Ausgangs eines Quantenexperiments erklärt sei.

  21. @Balanus

    Sie schreiben, Sie könnten der Idee vom freien Willen nicht zustimmen

    Einfach deshalb, weil ich mir unter einem „freien“ Willen nichts rechtes vorstellen kann.

    Wenn wir den Begriff dahingehend präzisieren, dass

    es […]keinen Grund [gibt], davon auszugehen, dass unser Gegenüber einen „freien“, also unbedingten Willen hat.

    ,

    dann stimme ich Ihnen zu, denn einschränkende Bedingungen gibt es immer, sei es in Form gesellschaftlicher Normen, sei es aus persönlichen Gründen, um Nachteile zu vermeiden, usw.
    Das ist mit Willensfreiheit jedoch nicht gemeint, sondern nur, dass uns die neuronale Verschaltungsarchitektur des Gehirns nicht festlegt, sie uns nicht determiniert.

    Ich hatte mehrfach auf Schwanks Theorie der prädikativen vs. funktionalen Art hingewiesen, und Schwank spricht in diesem Zusammenhang von kognitiven Strukturen – einer prädikativen und einer funktionalen kognitiven Struktur. Kognitive Strukturen werden inzwischen den Schemata zugeordnet, und diese gehören, wie Gedächtnis und Aufmerksamkeit, zur Repräsentationsebene. Das heißt, unser kategoriales Wissen über die Welt und Wirklichkeit ist in Form von Strukturen aus Leerstellen repräsentiert, und kategoriales Wissen wird bereits in der präverbalen Phase erworben, dazu gibt es jede Menge Studien: im Alter von fünf bis acht Monaten weiß ein Kind, dass ein Tisch zur Kategorie Möbel gehört, eine Katze aber nicht, auch wenn sie ebenfalls vier Beine hat, usw. Wir nehmen also die Dinge in dieser Welt in ihrer kategorialen Zugehörigkeit wahr, ohne uns das jedes mal bewusst machen zu müssen.

    Schwank und ihr Team untersuchten deshalb, ob die jeweilige kognitive prädikative oder funktionale Struktur uns deshalb auch darin festlegt, die Welt und die Dinge in ihr in dieser jeweiligen Perspektive nicht nur wahrzunehmen, sondern auch so mit ihnen umzugehen, z. b. bei der Lösung von Problemen. Sie stellten fest, dass die jeweilige Struktur zwar bestimmt, wie die Dinge, die Sachverhalte wahrgenommen werden, dass man aber dahingehend frei ist, sich auch für die Strategie zu entscheiden, die der anderen kognitiven Struktur und deren Art, die Dinge (Probleme) wahrzunehmen und zu erfassen, entspricht – wenn man feststellt, dass diese geeigneter ist.
    Und in diesem Sinne ist man dann auch selbstbestimmt.

  22. @Martin Holzherr: Radikaler Konstruktivismus

    Sie zitieren dazu aus Wiki, das entspricht aber nicht dem, was von Glasersfeld meint, wenn er, auf Piagets Entwicklungspsychologie basierend den Radikalen Konstruktivismus* beschreibt:
    1. a) Wissen wird nicht passiv aufgenommen, weder durch die Sinnesorgane noch durch Kommunikation.
    b) Wissen wird vom denkenden Subjekt aktiv aufgebaut.
    2. a) Die Funktion der Kognition ist adaptiver Art, und zwar im biologischen Sinne und zielt auf Passung oder Viabilität.;
    b) Kognition dient der Organisation der Erfahrungswelt des Subjekts und nicht der ‘Erkenntnis’ einer objektiven ontologischen Realität.

    Das heißt, es geht beim RK weder um Solipsismus, noch um das Erkennen einer objektiven Wahrheit, noch um das Zusammenschustern einer subjektiven, den eigenen Wünschen, Bedürfnissen entsprechenden Wirklichkeit, an die man glaubt, sondern es geht um die Fähigkeit, die Wirklichkeit so erfassen zu können, dass das eigene Überleben möglich wird.

  23. Quelle vergessen:

    Ernst von Glasersfeld (1997): Radikaler Konstruktivismus. Ideen, Ergebnisse, Probleme. S. 96
    Frankfurt: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft

  24. @Martin Holzherr:

    Reales hat immer eine materielle Basis

    Mit dem Begriff “materiell” ist es meiner Meinung nach tatsächlich auch nicht so einfach. “Materiell” wird leicht mit “Teilchen” als fundamentalen Konstituenten assoziiert (Sie nennen ja selbst Neutrinos und Photonen), aber die Teilchenzahl ist z.B. nicht Beobachter-unabhängig, wie man z.B. im Unruh-Effekt sieht:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Unruh-Effekt

    Entsprechend werden Teilchen in der Quantenfeldtheorie (QFT) ja auch als Feldanregungen verstanden. Aber sind Felder “materiell”? In der QFT sind sie Operatoren, und ähneln damit m.E. eher der Zahl Pi als einem Stein. Bleiben Zustände, aber die sind nicht-lokal. Was auch immer Materie auf einer fundamentalen Beschreibungsebene sein soll, es hat nicht mehr viel mit unserem Alltagsbild zu tun.

    • @Heinrich Päs (Zitat):

      Was auch immer Materie auf einer fundamentalen Beschreibungsebene sein soll, es hat nicht mehr viel mit unserem Alltagsbild zu tun.

      Das ist sicher so, bedeutet aber höchstens, dass die physikalische Realität exotisch ist, nicht aber, dass sie auf etwas Nicht-Physikalisches angewiesen wäre. Nach Bunge&Mahner ist alles materiell was physikalische Energie beinhaltet – also auch Felder. Nur wenn es etwas Physikalisches gäbe, welches nicht mit Energie-/Energieaustausch verbunden wäre, gäbe es ein Problem. Mir ist aber nichts derartiges bekannt. So transportieren auch Gravitationswellen Energie. Das müssen sie ja, sonst könnten sie mit nichts anderem interagieren. Und was mit nichts anderem interagiert gehört nicht zu unserem Universum und damit nicht zu unserer Welt, sondern höchstens zu einer Parallelwelt und die kann ja nur gedacht, nicht aber erlebt werden.

      • ist alles materiell was physikalische Energie beinhaltet – also auch Felder

        Klassische Felder: Ja. Feldoperatoren in der QFT: Nein, die haben keine Energie.

        bedeutet aber höchstens, dass die physikalische Realität exotisch ist, nicht aber, dass sie auf etwas Nicht-Physikalisches angewiesen wäre.

        Verstehen Sie mich nicht falsch: Auf etwas Nicht-Physikalisches will ich nicht hinaus. Zumindest solange “Information” physikalisch ist. Letztlich bezweifle ich, dass es überhaupt etwas gibt, was keine Physik ist.

        Allerdings finde ich den Begriff “materiell” problematisch, da höhere Beschreibungsebenen typischerweise eher durch Funktion und Informationsverarbeitung geprägt sind. Und auch auf den fundamentalsten Ebenen, die wir kennen, wird es wieder schwierig, “Materie” vernünftig zu definieren.

        • @Heinrich Päs (Zitat): Feldoperatoren in der QFT: Nein, die haben keine Energie. Frage: Könnte man das nicht so interpretieren, dass die QFT nicht physikalische Objekte, sondern mögliche/wahrscheinliche physikalische Objekte beschreibt. In der nächsten Konsequenz könnte man dann auch die Quantentheorie als eine Art Wahrscheinlichkeitstheorie auffassen.Diese Theorien würden dann nicht die Realität, sondern eine Art Vorrealität beschreiben, einen Möglichkeitsraum.

          • @Martin Holzherr: Ja das geht vermutlich, und ist für Sie, da ja auch den epistemischen Quanten-Bayesianismus mögen, vermutlich eine gute Lösung. Ich als alter Viele-Welten-Anhänger finde das weniger attraktiv 😉

  25. @Axel Krüger:

    Einstein: „Glauben Sie wirklich dass der Mond nicht da ist, wenn keiner hinsieht?“ Bohr: „Beweisen Sie mir doch das Gegenteil!“ Also ich denke, dass der Baum stets ein Geräusch macht. Und auch dass der Mond (bis auf weiteres) da ist – auch wenn keiner hinsieht.

    Wenn man annimmt, dass Quantenphysik universell gilt, dann ist die Existenz klassischer Objekte Konsequenz der Dekohärenz und die wiederum Konsequenz unserer Perspektive auf die Welt. Damit ist der Mond m.E. nicht da, wenn keiner schaut, er ist nicht Teil einer äußeren fundamentalen Realität, sondern (ähnlich wie Aktiengesellschaften) Artefakt unserer Perspektive auf diese fundamentale Realität, kann aber als sinnvolles Element einer solchen “effektiven” Weltbeschreibung durchaus real genannt werden (oder je nach Geschmack auch “soziale Fiktion”).

    • Einstein: „Glauben Sie wirklich dass der Mond nicht da ist, wenn keiner hinsieht?“ Bohr: „Beweisen Sie mir doch das Gegenteil!“ Also ich denke, dass der Baum stets ein Geräusch macht. Und auch dass der Mond (bis auf weiteres) da ist – auch wenn keiner hinsieht.

      1. Da man unter https://de.wikipedia.org/wiki/Ger%C3%A4usch eine Hörempfindung versteht, setzt ein Geräusch notwendig einen (akustischen) Beobachter voraus. Ohne einen Hörenden kein Geräusch.

      2. Ob der Mond vorhanden sei, auch wenn niemand hinschaue, ist m.E. ohne einen Kontext eine bedeutungslose Frage.

      3. Mir ist nicht klar, worauf sich der Imperativ Bohrs bezieht: Soll Einstein beweisen, dass der Mond nicht da sei, wenn niemand hinschaue, oder soll Einstein beweisen, dass Bohr nicht denke, dass der Mond nicht da sei wenn niemand hinschaue. Im Übrigen muss doch jeder das beweisen, auf was er sich beruft.

  26. @hmann

    »Der Ausdruck “freier Wille” ist eine Sprachgewohnheit, die nicht philosophisch hinterfragt werden soll. Jedenfalls nicht im Alltag.«

    Heinrich Päs fragt aber nicht nach Sprachgewohnheiten, sondern ob es einen „freien Willen“ real gibt.

    Es gibt Momente im Leben, da gibt man bestimmte Sprachgewohnheiten bzw. Begriffe auf, nämlich dann, wenn sie für einen selbst keinen Sinn mehr ergeben. Der „freie Wille“ ist nach meinem Empfinden so ein Begriff.

    Dessen ungeachtet können wir aber sehr wohl von freien Entscheidungen und Wahlfreiheit reden. Denn da geht es nur um die Autonomie der „Agenten“, und die wird ja nicht in Abrede gestellt.

    • @Balanus: Mein Punkt war aber vor allem, ein Problembewusstsein für den Begriff “real geben” zu schaffen.

      Wenn wir anderen Menschen Absichten oder Verantwortung für Ihr Tun zuschreiben, dann nutzen wir die Hypothese des freien Willens als sinnvolles Konzept in der gewählten Beschreibungsebene. Ob wir davon sprechen, dass dieses Konzept real existiert, ist insofern meiner Meinung nach von der Beschreibungsebene abhängig.

      Natürlich gibt es den freien Willen nicht auf einer fundamentalen Ebene der Elementarteilchen, aber auf dieser Ebene gibt es auch keine biologischen Organismen. Natürlich, das muss ich zugeben, ist es noch schwieriger das Konzept freier Willen als Prozess auf dieser Ebene zu definieren, als das Konzept Leben.

      • Wenn wir anderen Menschen Absichten oder Verantwortung für Ihr Tun zuschreiben, dann nutzen wir die Hypothese des freien Willens als sinnvolles Konzept in der gewählten Beschreibungsebene. Ob wir davon sprechen, dass dieses Konzept real existiert, ist insofern meiner Meinung nach von der Beschreibungsebene abhängig.

        Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie noch gar nicht geschrieben haben, was Sie damit meinen, wenn Sie “freier Wille” schreiben? Auf welches Phänomen beziehen Sie sich und was ist der Unterschied zwischen “freiem” Willen und dem Willen ohne das Adjektiv “frei”? Mir war und ist das alles nicht klar.

        Davon getrennt existiert natürlich ein Konzept von irgendetwas schon dadurch, dass man es benennt. Man sollte m.E. a) Ein-Bier-Trinken-Wollen b) Die Abstraktion vom Gewollten und c) das Konzept eines Willens streng auseinanderhalten. Das sind allesamt paarweise verschiedene Gegenstände.

  27. Inzwischen habe ich eine sehr eigene Sicht auf den “Freien Willen” und den Begriff der “Realität”. Dazu muss ich allerdings ausholen, um meine besondere Perspektive auf diese Konzepte heraus zu arbeiten.

    Denn eigentlich bin ich mit meinem Kernanliegen völlig falsch in der Physik. Seit vielen Jahren schon beschäftige ich mich mal mehr, mal weniger intensiv mit den Grundlagen intelligenten Entscheidens vor dem Hintergrund der Frage, was denn heutzutage natürliches intelligentes Handeln vom Verhalten einer künstlichen Intelligenz (KI) unterscheidet. Viele sind sicher der Meinung, dass es keinen prinzipiellen Unterschied mehr gibt, dass die Wissenschaft schon in naher Zukunft in der Lage sein wird, wirklich intelligente Maschinen zu entwerfen, die in ihren Fähigkeiten denen des Menschen nicht mehr nachstehen werden und damit irgendwann fast zwingend auch so etwas wie ein Bewusstsein entwickeln sollten.

    Ich bin nicht dieser Ansicht. Alles das, was die modernen KI-Systeme heutzutage leisten, ist in der einen oder anderen Weise vorgedacht. Die zugrunde liegende Software ist nicht fähig, über diesen Rahmen, so weit er auch gespannt sein mag, hinauszuwachsen. Die Schwerpunkte ihrer Entwicklung liegen heutzutage auf Sprachanalayse und -synthese, semantischer Modellierung, in Kombination mit riesigen Datenbanken und den unermesslichen Informationsquellen des Internet. Im grundlegenden Verständnis des Wesens wirklich intelligenten Handelns dagegen ist die Wissenschaft seit dem Ende der 1980er Jahre keinen wesentlichen Schritt vorangekommen. Was unterscheidet denn nun echte Kreativität, die immer etwas Plötzliches, Unberechenbares widerspiegelt, von dem, was Computer produzieren, das auf den ersten Blick nicht davon zu unterscheiden ist? Wie sehen aber die Fundamente aus? Wonach muss ich suchen, um mehr darüber zu erfahren?

    Philosophische Abhandlungen über die Themen Intelligenz und Bewusstsein gibt es unzählige. Aber keines dieser Modell genügt (natur-)wissenschaftlichen Kriterien. Sie sind nicht streng empirisch überprüfbar, nicht reproduzierbar, und bleiben letztlich damit Spekulation, an die man glauben mag, oder auch nicht. Exakte Wissenschaft kommt heutzutage ohne Mathematik nicht aus. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt aller Naturwissenschaften. Will man mehr über dieses Phänomen erfahren, so kommt man letztlich um die Physik als grundlegendste aller Naturwissenschaften und die mathematische Kompelxität ihrer Modelle nicht herum. Und das ist der eigentliche Grund, neben meiner natürlichen Begeisterung für Mathematik und Physik, weshalb ich bei meinen frühen Recherchen sehr schnell ankam bei Heisenberg, Schrödinger, Penrose, die teils sehr früh schon eine enge Beziehung zwischen Quantenphysik und intelligentem Handeln nahelegten. Für mich war das zu Beginn meiner privaten Forschungen vor fünfzehn Jahren noch Neuland, dem ich mich erst widerwillig – es ging halt nicht anders – dann mit zunehmender Begeisterung widmete. Ich denke heute, dass die fundamentale Unberechenbarkeit des quantenmechanischen Messprozesses der Schlüssel zum tiefen Verständnis von Intelligenz und Bewusstsein ist. Das unterscheidet menschliche Entscheidungen von denen eines Computers. Letzterer zieht unter ansonsten gleichen Bedingungen immer die gleichen Schlussfolgerungen, und dass soll er auch. Für mich gilt das nicht. Für mich selbst behaupte ich, fundamental irrational zu handeln, bzw. handeln zu können, wenn ich einfach keine Lust verspüre, eine logische, ggf. zwingende Entscheidung zu treffen. Dafür brauche ich keinen Grund. Hier werden wieder viele Fachleute eingrätschen und mir nahelegen, dass ich einer Illusion erliege, dass nichts im Universum zufällig passiert, dass Vergangenheit und Zukunft eindeutig und prinizipiell vollständig berechenbar sind und damit festliegen, und dass dies auch für meine persönlichen Entscheidungen gilt. Danach ist dann jeder subjektive Zufall nur das Ergebnis fehlender Informationen. Jeder Physiker, der an die Allgemeingültigkeit der Einstein’schen Relativitätstheorie uneingeschränkt glaubt, muss diese Ansicht vertreteten. Glauben Sie das? Ich tue es nicht! Und so sind wir jetzt doch wieder beim Glauben, abseits jeder exakten Wissenschaft, wenn – ja wenn nicht da noch die Quantenmechanik mit ihrem mysteriösen Messprozess wäre.

    Viele Wissenschaftler, die hier einen offensichtlichen Zusammenhang sehen, vermuten nun, dass unser Gehirn wie ein Quantenobjekt funktioniert. So glauben Roger Penrose und Stuart Hameroff an langanhaltende quantenhafte Überlagerungszustände in Hirnstrukturen. Leider hält nichts davon einer näheren Überprüfung stand. Neurologen und Biologen schütteln dazu überwiegend verständnislos den Kopf. So einfach scheint die Sache nicht zu sein. Und um eine Lösung noch komplizierter zu machen, gibt es ja auch noch die Relativitätstheorie, die schließlich für unser reales Erleben zuständig ist, für die Art, wie wir unser Universum wahrnehmen. Ein umfassendes Modell für intelligentes Entscheiden (ich nenne das jetzt einfach Bewusstsein) muss dann wohl letztlich eine Verbindung schaffen zum quantenmechanischen Messprozess und auch noch zu Einstein’s Theorie. Eigentlich können wir hier Schluss machen. Eine Verbindung zwischen den letztgenannten physikalischen Theorien suchen die Wissenschaftler schon seit hundert Jahren erfolglos. Schon Einstein und Heisenberg sind an einer solch einheitlichen Theorie für die gesamte Physik gescheitert. Kein Versuch eines belastbaren Brückenschlags von der Relativitätstheorie in die Quantenmechanik oder umgekehrt hat bislang irgendeinen substantiellen Erfolg gebracht, dafür aber Raum für die abenteuerlichsten Spekulationen geschaffen. Dazu zählen Modelle in bis zu 11 Dimensionen, die an mathematischer Komplexität kaum noch zu toppen sind, Multiple Universen, Schrödingers Katze, und viele andere mehr. Für Laien ist das Thema damit – so scheint es – vollkommen ungeeignet.

    Wenn da nicht ein möglicher Zugang offenbar übersehen worden wäre, der für einen Physiker sicher abstrus erscheinen mag, für Leute wie mich aber einen sehr natürlichen Blickwinkel auf dieses alte Problem eröffnet. Was wäre, wenn ein Entscheidungsmodell, das etwa den chaotischen Wettbewerb von Ideen zu einer vorgegebenen Aufgabenstellung mit mehreren möglichen Lösungen simuliert, eine solche Brücke schlagen würde. Es sollte einerseits typischen Eigenschaften quantenhafter Systeme aufweisen, und andererseits eine Dynamik entfalten, die sich mit relativistischen Methoden modellieren ließe. Unmöglich? Nicht wenn ich einige physikalische „Offensichtlichkeiten“ in Frage stelle, die im wissenschaftlichen Diskurs aus anderen Gründen schon verschiedentlich diskutiert wurden.

    Da ist einmal die Frage, ob die Relativitätstheorie ein fundamentales Modell unseres Universums beschreibt, oder vielleicht eher so etwas wie eine statistische Glättung über die vielen Zufälligkeiten der Quantenmechanik. Die andere Frage ist die, wie denn unser Universum aus quantentheoretischer Sicht zu verstehen ist. In der Quantenmechanik gibt es zwei Prozesse, die den Zustand eines Teilchens verändern: Einmal den sehr gut verstandenen stetigen Prozess, der durch die Schrödingergleichung beschrieben wird. Zweitens durch den Messprozess, der sehr plötzlich den Zustand ändert, ihn kollabieren lässt und der trotz aller Anstrengungen immer noch mysteriös geblieben ist. Ohne weiteren Nachweis gehen Physiker bis heute unkritisch davon aus, dass die quantenhafte Entwicklung des Universums einen stetigen Verlauf entsprechend der Schrödingergleichung nimmt. Eigentlich niemand denkt bislang darüber nach, ob das Universum, so wie wir es erleben, einen Messprozess beschreiben könnte. Akzeptiert man diese zugegeben gewöhnungsbedürftigen Vorstellungen, dann lässt sich tatsächlich ein solcher Entscheidungsprozess konstruieren. Einen Kandidaten für einen solchen Prozess habe ich tatsächlich vor einigen Jahren schon gefunden. An ihm lässt sich zum Einen die Entscheidungsfindung in Gruppen sehr schön simulieren und veranschaulichen. Zum Anderen folgt die Statistik der getroffenen Entscheidungen exakt – ohne jedes Parameter-Tuning – den Vorgaben eines quantenhaften Messprozesses, und die Dynamik – sofern man das chaotische Verhalten ausmittelt – folgt geodätischen Linien in einer vierdimensionalen Raumzeit, deren Metrik den relativistischen Vorgaben genügt. Die freie Entscheidung der Individuen ist dabei eine entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren des Prozesses.

    Dass ein solcher chaotischer Zufallsprozess allen Vorgängen im Universum unterliegen könnte, hat schon Carl Friedrich von Weizsäcker im Zusammenhang mit seiner Quantentheorie der Ur-Alternativen vermutet, ohne aber näher beschreiben zu können, worin dieser denn bestehen könnte. Sollte sich diese Vermutung erhärten und ein solcher Prozess sich tatsächlich als Entscheidungsfindung interpretieren lassen, dann hätte dies unabsehbare Auswirkungen auf unser Verständnis der Welt insgesamt, nicht nur im naturwissenschaftlichen Sinne.

  28. @ Heinrich Päs – 18.1 – 13:37

    Wenn man annimmt, dass Quantenphysik universell gilt, dann ist die Existenz klassischer Objekte Konsequenz der Dekohärenz und die wiederum Konsequenz unserer Perspektive auf die Welt.

    Dass die Quantenphysik (“universell“) gilt – zumindest sehr fundamental ist – denke ich schon.

    Weil die Existenz klassischer Objekte Konsequenz der Dekohärenz ist und die wiederum Konsequenz unserer Perspektive auf die Welt, ist der Mond (Ihres Erachtens) nicht da, wenn keiner schaut, er ist nicht Teil einer äußeren fundamentalen Realität, sondern (ähnlich wie Aktiengesellschaften) Artefakt unserer Perspektive auf diese fundamentale Realität.

    Dekohärenz Mal verstanden als Nicht-mehr-Zusammenhang (i.S.v. Kollaps der Wellenfunktion, des nicht mehr “alles mit allem verbunden“ sein). Insofern wiederum durchaus eine Kohärenz, ein Zusammenhang (aber nur lokale/r, punktuelle/r) besteht. Dieser “lokale Realismus“, die Dekohärenz (hier der Mond) ist (wiederum) Konsequenz unserer Perspektive auf die Welt. Damit meinen Sie (oder?), dass der Mond (die vorher “universelle Wellenfunktion“) durch unser Hinsehen (unsere “Messung“) da ist/zur Existenz kommt (kollabiert). Insofern er dann (kann man so sehen), sozusagen, _nicht_ Teil einer fundamentalen (absoluten, tatsächlichen, wirklichen, dauerhaften?) Realität ist. Sondern (“bloß?“ – aber wiederum realer) Artefakt unserer Perspektive auf diese fundamentale Realität. “Bloß“ sage ich, weil Sie ja sagen, dass er (der Mond) aber als sinnvolles Element einer solchen “effektiven” Weltbeschreibung durchaus real genannt werden kann (oder je nach Geschmack auch “soziale Fiktion”). Also doch (“bzw. relativ“) real ist und dann auch wieder nicht. Beides, gewissermaßen, gleichzeitig – obwohl sich ausschließend – bzw. je nach “Bezugssystem/Perspektive“.

    Man kann noch anmerken, dass das Wort Artefakt ja nur ein (abstrakter) Begriff (ein Konzept) ist. Wie z.B. Mond od. Aktiengesellschaft – diese Konzepte aber _sehr_ sinnvoll/hilfreich in der alltäglichen Kommunikation sind. Um umständliche/langatmige Sprache, die der Realität/Wahrheit allerdings besser entsprechen würde, zu vermeiden. Nachteil der Konzepte ist, dass es, je nach Person, dabei zu unterschiedlichen Vorstellungen/Assoziationen [“menschlich-verständlichen“ Missverständnissen (“sozialen Fiktionen“)] kommen kann, was/wie das Konzept/der Begriff im Grunde (sozusagen quantenphysikalisch) wirklich ist.

    • Dekohärenz Mal verstanden als Nicht-mehr-Zusammenhang

      Gemeint ist folgendes: Klassische Objekte wie der Mond zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie bzgl. der Messgröße eine definitive Eigenschaft haben wie z.B. einen Ort, also nicht in einer Überlagerung/Superposition von verschiedenen Orten sind. Wenn ich ein Quantenobjekt messe, werde ich mit dem Messobjekt (Mond) und der Umgebung (Rest des Universums) quantenmechanisch verschränkt. Da ich aber keine Informationen über den unbeobachtbaren Rest des Universums habe, ist diese Information verloren (beschränkte Perspektive) und genau das führt dazu, dass Superpositionen verschwinden (Dekohärenz). Wenn man nun annimmt, dass das den Messprozess vollständig erklärt (universelle Quantenmechanik) ist der Mond prinzipiell immer ein Quantenobjekt, er sieht nur aus unserer Perspektive (keine Ahnung vom Rest des Universums) wie ein klassischer Gesteinsbrocken mit festem Ort aus.

      Wie z.B. Mond od. Aktiengesellschaft – diese Konzepte aber _sehr_ sinnvoll/hilfreich in der alltäglichen Kommunikation sind.

      Vollkommen einverstanden. Wobei ich “soziale Fiktion” hier keineswegs negativ konnotiert im Sinne von Missverständnis meinte, sondern nach Harari einfach als Konstrukt, mit der wir bestimmte Vorgänge wie Aktiengesellschaften oder Monde beschreiben, die auf einer fundamentaleren Ebene der Realität so nicht existieren.

      • @Heinrich Päs, Der Mond ist doch allein durch seine Grösse ständig Dekohärenz ausgesetzt. Dies zu (Zitat): Wenn ich ein Quantenobjekt messe, werde ich mit dem Messobjekt (Mond) und der Umgebung (Rest des Universums) quantenmechanisch verschränkt. .. Wenn man nun annimmt, dass das den Messprozess vollständig erklärt (universelle Quantenmechanik) ist der Mond prinzipiell immer ein Quantenobjekt,
        Der Messprozess, den ein Mensch ausführt ist nur einer von vielen Gründen für eine Dekohärenz. Gemäss Typische Dekohärenzzeiten
        gelten folgende Grössenordnungen:
        Dekohärenzzeiten in Sekunden[3]
        Umgebungseinfluss °°°°°°°°Freies Elektron°°°°°°°°Staubteilchen 10 µm°°°°°°°°°Bowlingkugel
        300 K, Normaldruck °°°°°°°°°°°°10^−12°°°°°°°°°°°°°°°°°10^−18°°°°°°°°°°°°10^−26
        300 K, Ultrahochvakuum (Labor) 10°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°10^−4°°°°°°°°°°°°°°°10^−12
        mit Sonnenlicht (auf der Erde) 10^−9°°°°°°°°°°°°°°°°°°°10^−10°°°°°°°°°°°°°°10^−18
        mit Wärmestrahlung (300 K) 10^−7°°°°°°°°°°°°°°°°°°°10^−12°°°°°°°°°°°°°°°10^−20
        mit Kosm Hintergrundstrahlung (2,73 K)°10−9 [4]°°°°10^−7°°°°°°°°°°°°°°°10^−18
        mit Wärmestrahlung (300 K)°°°10^−7°°°°°°°°°°°°°°°°10^−12°°°°°°°°°°°°°°°10^−20
        mit Kosm Hintergrundst (2,73 K) 10^−9°°°°°°°°°°°°°10^−7°°°°°°°°°°°°°°°°° 10^−18

      • Wobei ich “soziale Fiktion” hier keineswegs negativ konnotiert im Sinne von Missverständnis meinte, sondern nach Harari einfach als Konstrukt, mit der wir bestimmte Vorgänge wie Aktiengesellschaften oder Monde beschreiben, die auf einer fundamentaleren Ebene der Realität so nicht existieren.

        1. Der Jurist, der etwa beurteilen soll, ob eine Aktiengesellschaft auch dann existiert, wenn niemand mehr die Hauptversammlung besucht, beantwortet die Frage, was die “fundamentalere Ebene der Realität” ist, sicherlich anders als der Physiker.

        2. Beim Mond gibt es keine “soziale Fiktion”, sondern nur die soziale Konvention, das unmittelbar der Wahrnehmung zugängliche, käsige runde Etwas am Firmament als “Mond” zu bezeichnen. Bei der sozialen – oder besser: juristischen – Fiktion der Aktiengesellschaft geht es darum, eine Vermögensmasse, die von ihren Organen gesteuert wird, (partiell) wie eine natürliche Person zu behandeln. Bezeichnen und Behandeln sind aber schon verschiedene Kategorien.

  29. MSG,
    sehr gut, das Schöpferische im Menschen kann keine Theorie erklären. Das Schöpferische ist göttlichen Ursprungs.
    Wenn die Materialisten annehmen, dass alles determiniert ist, dann ist das eine gute Arbeitshypothese, aber mehr nicht. Daraus ein Weltbild zu konstruieren, das ist zu kurz gedacht.

  30. Gibt es den freien Willen, und was ist Realität ?, wird im Titel gefragt.

    Fazit des Artikels: Auch wenn der freie Wille ebenso wie der Mensch auf der Ebene der Elementarteilchen und Quantenfelder nicht existiert und die Teilchen und Quantenfelder wiederum auf der fundamentalen Ebene nicht existieren, so existiere aber der freie Wille doch auf einer höheren Beschreibungsebene „als sinnvolles Element der Weltbeschreibung auf zwischenmenschlicher Ebene, und sei damit “real”. „Realität in diesem Sinne bedeute dann so viel wie: “konsistentes Weltmodell” oder “Beschreibungsebene, die mit allen anderen Weltmodellen und Beschreibungsebenen verträglich ist.“

    Dann wäre ja alles geklärt?
    Wohl kaum.

    Dass Sie, Herr Päs, nicht wirklich in media res gehen (möchten), das zeigt Ihr Artikel doch sehr deutlich, der sich girlandenartig um die eigentlichen Kernbereiche und Streitpunkte, die es bei der Frage zur Existenz des freien Willens gibt, herum schlängelt, ohne sie je zu thematisieren oder beim Namen zu nennen.
    Sie sind Physiker, aber in Ihrem Artikel über die Frage des freien Willens erwähnen Sie noch nicht einmal im Nebensatz, dass einer der bedeutendsten Physiker, Albert Einstein, sich mehrmals dazu geäußert hat, dass er mit der Vorstellung, dass der Mensch über einen freien Willen verfüge, nichts anfangen könne:
    („Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: ‚Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht wollen was er will.“ )

    Auch andere Physiker haben sich gegen die Möglichkeit eines freien Willens positioniert und diesen für unvereinbar mit dem physikalischen Weltbild erklärt.
    ( Max Planck in Kausalgesetz und Wirklichkeit oder auch Stephen Hawking)

    Sie zitieren Yuval Harari, der die Fähigkeit, mit Hilfe von bloßen Worten eine Wirklichkeit zu erschaffen, als grundlegend für die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt von Menschen in großen Gruppen bewertet.
    Dass von Menschen Erdachtes zu einer eigenen und tatsächlichen Realität werden kann, das ist jedoch keine Theorie, die originär von Harari stammen würde (er hat sie nur sehr pointiert formuliert ) sondern das haben schon andere Philosophen vor ihm geschrieben(, zB Arnold Gehlen in Urmensch und Spätkultur: „ Die Menschen lassen aus ihrem Denken und Handeln untereinander die Institutionen hervorgehen, die sich ihnen gegenüber als historisch gewachsene Wirklichkeiten“ verselbständigen „zu einer Macht, die ihre eigenen Gesetze wiederum geltend macht“.)
    Was Sie in Ihrem Artikel, der ja den freien Willen behandelt, dann überraschenderweise nicht erwähnen, ist, dass Harari sich der Frage des freien Willens in seinem Buch über mehrere Seiten widmet und diesen für nicht existent erklärt. Davon erfährt man bei Ihnen nichts. Was sind denn die Argumente Hararis, was sind die Argumente der anderen Wissenschaftler, die die Existenz des freien Willens verneinen? Sie gehen darauf überhaupt nicht ein.
    Außerdem läuft Ihre Kritik an Harari auch noch völlig ins Leere, wenn Sie schreiben, Sie bezweifelten,“ dass man “Fiktionen” wie Geld, Gesetzen, oder Aktiengesellschaften wirklich die Realität absprechen kann. An welcher Stelle hat denn Harari diesen Konstrukten die Realität abgesprochen?
    Sie zitierten Harari doch selbst mit den Worten: „ die Fähigkeit (des Menschen), mit Hilfe von bloßen Worten eine Wirklichkeit (!) zu erschaffen“

    • Außerdem läuft Ihre Kritik an Harari auch noch völlig ins Leere, wenn Sie schreiben, Sie bezweifelten,“ dass man “Fiktionen” wie Geld, Gesetzen, oder Aktiengesellschaften wirklich die Realität absprechen kann. An welcher Stelle hat denn Harari diesen Konstrukten die Realität abgesprochen?
      Sie zitierten Harari doch selbst mit den Worten: „ die Fähigkeit (des Menschen), mit Hilfe von bloßen Worten eine Wirklichkeit (!) zu erschaffen“


      Mit Hilfe von bloßen Worten lässt sich in den seltensten Fällen eine Wirklichkeit erschaffen. Ich habe es gerade ausprobiert: “Es werde Geld” hat die Anzahl der Scheine und Münzen in meiner Geldbörse nicht verändert.

      Es ist doch schon ziemlich erheblich, was mit bloßen Worten transportiert wird. Wenn etwa mit den “bloßen” Worten “Gibt mir deine Geldbörse, sonst bring ich dich um”, eine Geldvermehrung beim Sprecher herbeigeführt wird, dann wird man das kaum auf das Medium “bloßes Wort” zurückführen können. Strukturell gleiches gilt für “Gibt mir dein Geld, sonst musst du unter der Brücke schlafen”, “Gib mit deine Arbeitskraft, sonst bekommst du kein Geld” usw. Wer hier “dem bloßen Wort” das Wort redet, hat m.E. die real existierenden Sachzusammenhänge ausgeblendet und sich die Welt somit selbst verrätselt.

  31. Sie schreiben, bevor man über den freien Willen etwas sagen könne, müsste man zunächst einmal klären und definieren, was denn die Realität sei.
    Diese Klärung kann man versuchen, aber sie ist nicht notwendig, um eine Aussage über die Existenz des freien Willens machen zu können: Die Menschheit hat in allen industrialisierten Ländern schon längst eine Festlegung über den freien Willen getroffen, auch ohne dass eine einheitliche Vereinbarung, wie die Realität denn genau beschaffen sei, bzw. was man sich unter ihr vorstellen sollte, bestehen würde, denn:
    Den Tieren wird ausnahmslos kein freier Wille zugestanden.
    Das war im Mittelalter bekanntlich noch anders, da wurden Tiere für ihre `’Untaten’ vor Gericht gestellt und entsprechend – meist zum Tode – verurteilt.
    Heute aber wird das Verhalten der Tiere als durch ihre Natur, ihre Physis vollständig determiniert begriffen, niemand würde ihnen einen freien Willen zuschreiben.

    Und der Mensch, steht er in Bezug auf den freien Willen über den Tieren?
    Einstein verneinte das, Max Planck ebenso und eine Vielzahl von Physikern, Biologen und Neurowissenschaftler unserer Zeit sind derselben Auffassung. Nur eine Auseinandersetzung mit diesen Gedanken und Ansichten sucht man in Ihrem Artikel vergeblich.

  32. Sehr anregender Post, Dank auch an Alle für die Qualität der Diskussion – hat man bei Themen, die so weit ins Weltanschauliche reichen, nicht so oft. Seit meinen ersten Kontakten mit Naturwissenschaft und Wissenschaftstheorie vor über 50 Jahren bohrt die Frage nach der fundamentalsten Beschreibungsebene in mir und meine Verblüffung war doch sehr groß, als Herr Päs schrieb: “Diese fundamentale Ebene ist meiner Meinung nach das Universum als Ganzes, der Quantenkosmos, die Welt selbst.” Das hätte den Neoplatonikern wohl gefallen. Zunächst erschien mir diese Formulierung wie eine inhaltsleere Tautologie, ein hohler Verbalismus: wir wollen ja gerade das Universum beschreiben und verstehen! Wie kann dann die fundamentale Ebene der Beschreibung der zu beschreibende Gegenstand selbst sein? Oder ist damit einfach nur gesagt, dass schließlich das ganze Unterfangen, die Ebene hinter den Ebenen zu suchen, aussichtslos, weil in sich widersprüchlich, ist?
    Seit vielen Jahren habe ich einen ganz anderen Verdacht über die fundamentale Ebene der Weltbeschreibung: dass wir nämlich diese ultimate Ebene schon längst kennen! Wir nennen sie mal “Logik”, mal “(Meta)Mathematik” etc. Warum ich das denke? Weil die Logik dem Universum so absolut immanent und zugleich vorausgesetzt ist, dass man ohne sie nichts erkennen kann, was über Schmerz und Lust hinaus geht. Es ist leicht gesagt, dass die Logik “nur ein Merkmal des biologisch-psychologischen Menschen” ist, aber sie muss es ja sein – DENKEN geht in diesem Universum eben NUR SO, und wir sind nun mal Teil dieses Universums. Da scheint es zwingend, dass sich das Grundprinzip des Kosmos wiederfindet, wenn sich die Materie bis zur Informationsverarbeitung durchentwickelt hat. Unsere Logik ist nicht durch eine “andere Logik” austauschbar, sie ist das einzig ewig Unveränderliche in unserem Kosmos: sie ist das Knochengerüst der Wirklichkeit. Wir können ohne Logik nicht über die Realität reden, nicht über sie nachdenken, wir können die Welt ja nicht einmal erfolgreich beobachten. Und jetzt kommt der Punkt: wenn die Logik die “Theorie of Everything” (TOE) für unseren Kosmos wäre, was könnten wir daraus über die Wirklichkeit folgern? Ich fürchte: GAR NICHTS. Das ist etwas, das wir schon lange aus der – naja, was sonst – Logik bzw. Mathematik kennen: für hinreichend komplexe Kalküle gilt: wenn wir die Kalkülregeln kennen, können wir keineswegs umfassend voraussagen, was und was nicht mit diesen Regeln geformt werden kann und ob eine Figur, die uns vorgelegt wird, korrekt nach den Regeln geformt wurde. So könnte es auch mit unserem Universum sein: wir haben die endgültige TOE, die aber verrät uns nichts über den Kosmos. Und womöglich kommt bei jedem Versuch des Menschen, einen Blick hinter den großen Bretterzaun zu werfen, immer wieder genau das heraus. Weil der Kosmos eben so ist. Das wäre dann durchaus logisch.

    • @Ludwig Knoblauch: Auf das meiste habe ich Ihnen schon unten geantwortet, bleibt noch zu erklären, wie ich mir die logische Struktur der Welt erkläre. Ich würde sagen, die quantenmechanische Wellenfunktion des Universums repräsentiert letztlich die Vielfalt aller Möglichkeiten, und damit zumindest eine Untermenge des logisch möglichen. Ob jetzt “physikalisch möglich = logisch möglich” ist, sei dahin gestellt. In jedem Fall würde ich vermuten, dass ein rein informationelles Konzept wie Logik nicht aus dem Nichts Materie erschaffen kann, sondern, dass es irgendeine Art Trägermedium auch auf der fundamentalen Ebene gibt. Platon spricht im Timaios z.B. von der “Amme des Werdens”… Tatsächlich muss ich selbst auch mal dringend nachlesen, was Tegmark dazu zu sagen hat.

  33. Jetzt hat Gödel “Vollständigkeit/Unvollständigkeit” die Diskussion gewonnen 🙂
    Einstein ist gern mit ihm zu Fuß gegangen, sie waren sich wohl “logisch” einig.

      • … dann haben wir einfach eine kosmische Zensur “es dreht sich nicht”,
        und die Welt bleibt “ok” wie bei der Glatze ohne Haare – nackig ist nicht.

  34. Auf der Ebene der Teilchen und Felder existiert kein freier Wille, ja, richtig, so wie es dort auch keine sonstigen Konzepte wie Freiheit, Demokratie, Zwang, Ausbeutung, Gerechtigkeit, Liebe, Religionen, Mitgefühl, Machtmissbrauch, Täuschung oder Betrug gibt; das alles ist schlicht nicht mehr vorhanden.
    Fazit: Auf der Quantenebene lassen sich somit sämtliche kritischen Fragen, die den Menschen umtreiben, zuverlässig ins Nichts pulverisieren; im Angesicht des Teilchens existiert nichts Menschliches Allzumenschliches mehr. Und – was ist damit jetzt an Erkenntnis gewonnen? Eigentlich auch nichts. Und das müsste dann insofern zu denken geben, als dass der Verweis und die Bezugnahme auf das verschränkte Quantenuniversum vielleicht metaphysische Hochgefühle des ultimativen Wissens erlaubt, aber den Menschen bei der Frage nach den Bedingungen und Freiräumen seiner Existenz und seines Handelns kein bisschen weiter bringt.
    Sie verweisen nun mit S. Carroll darauf, dass der freie Wille auf einer “höheren Beschreibungsebene „ein sinnvolles Element der Weltbeschreibung auf zwischenmenschlicher Ebene sei und damit “real”. „Realität in diesem Sinne bedeute dann so viel wie: “konsistentes Weltmodell” oder “Beschreibungsebene, die mit allen anderen Weltmodellen und Beschreibungsebenen verträglich ist.“

    Etwas könne ein sinnvolles Element der Weltbeschreibung auf zwischenmenschlicher Ebene sein? Und deshalb sei es auch real? ?
    Eine sinnlosere (und zugleich auch tautologische) Argumentation kann man sich kaum noch vorstellen, sie ist dermaßen schwach, dass man sich wirklich die Augen reiben möchte, weil man sich fragt, wie derart lahme Begründungen ernsthaft vertreten werden können (Meines Erachtens sind sie oft nichts anderes als das Ergebnis eines impliziten Unwillens, sich näher mit den massiven Implikationen, die die Anerkenntnis, dass ein freier Wille realiter nicht existiert, beschäftigen zu müssen,
    da man vielleicht intuitiv ahnt, dass es ein sehr weites Feld sein könnte, das sich hier auftut, auf dem man dann möglicherweise Schlussfolgerungen zu treffen hätte, die man nicht treffen will, da sie Unbehagen auslösen, weil sie einem gegen die “Natur” gehen.

    Ein konsistentes Weltmodell über das man sich auf zwischenmenschlicher Ebene verständigen kann – darüber haben zweifellos vor 300 Jahren die Menschen auf dem europäischen und dem amerikanischen Kontinent verfügt, nach dem es völlig in Ordnung war, Indianervölker auszurotten oder Sklaven auf den Baumwollfeldern für sich schuften zu lassen; das Konzept Rothaut oder Sklave (minderwertig) war ja Teil des herrschenden “konsistenten” Weltmodells.
    Mit konsistenten Weltmodellen ist die Menschheit seit jeher in den Krieg gegen andere gezogen.
    Es gibt auch für alle Gläubigen immer eine gemeinsame Beschreibungsebene, auf der man sich in einem Weltmodell verständigt.
    Existiert aufgrund dieses gemeinsamen Weltmodells also Gott? Ist Gott daher real?
    Die Argumentation eines “konsistenten Weltmodells auf zwischenmenschlicher Ebene als Basis heranzuziehen, für Fragestellungen, die die Funktionsweise menschlichen Verhaltens und Denkens betreffen, ist ein sinnloses Unterfangen ohne Erkenntniswert, es ist eine Phrase, mit der man sich zurückziehen kann, vor den konkreten, unangenehmen Fragen.

  35. @Sherfolder: Bin ich Ihnen irgendwo auf die Füße getreten?

    Ihre Kritik mag ja fachlich begründet sein, aber bitte mäßigen Sie Ihren Ton, sonst bin ich gezwungen, zu löschen.
    Fachlich antworte ich vielleicht später, wenn Sie es hinbekommen, sich zu benehmen 🙂

    • Ich hatte zunächst vor, Ihnen zu antworten, dass ich Ihre Vorhaltungen an mich nicht ganz nachvollziehen könnte, da ich Sie ja direkt nur im ersten Post angesprochen hatte und, da eine Kritik, nicht in media res zu gehen, nun als nicht besonders gravierend gelten sollte, es sich wahrscheinlich um ein Missverständnis handelte, da Sie wohl die zugegebenermaßen ziemlich scharfen Worte des letzten Posts als an Sie persönlich gerichtet aufgefasst haben, auch wenn Sie gar nicht Ihnen galten, sondern Sean Carroll, den Sie im Artikel zitiert hatten. Nachdem ich nun nochmal zur Vergewisserung die betreffenden Zitate im Artikel nachgelesen habe, muss ich zugeben, dass in den letzten Post mehr Zitate Ihrer Formulierungen eingeflossen sind als von Carroll und ich dadurch nicht ganz unschuldig daran war, wenn da ein falscher Eindruck entstanden ist. Gedanklich habe ich mich jedoch ausschließlich auf Carroll bezogen, ich bin ja ein großer Fan von ihm, (ich kenne keinen Physiker, der mit einer solchen Klarheit und Brillianz über die wichtigsten Fragestellungen auf dem Gebiet der Theoretischen Physik referieren kann.) Umso größer ist jedoch mein Ärger und meine Enttäuschung darüber, dass dieser brilliante Carroll beim Thema Willensfreiheit gar keine Brillianz mehr zeigt, sondern eine gewisse Trägheit des ( Weiter)denkens offenbart. Diese Verärgerung hat sich dann in der Schärfe mancher Formulierungen niedergeschlagen. Zu Sean Carroll gibt es noch mehr zu sagen, nur fehlt mir jetzt leider die Zeit.

      • Ok kein Problem. Was Carroll angeht: Ich bin mir nicht sicher, welchen Standpunkt er zum Thema Willensfreiheit einnimmt. Ich hatte mir hier zunächst einmal nur seine Ansichten über verschiedene Weisen, über die Welt zu reden zu eigen gemacht, und von da aus weiter gedacht, ohne in Anspruch nehmen zu können, dass Carroll mir hier noch folgen würde (oder gar vorausgeeilt ist).

  36. @Ludwig Knoblauch:

    Erstmal herzlichen Dank für das Lob. Zu Ihrer Frage:

    Zunächst erschien mir diese Formulierung wie eine inhaltsleere Tautologie, ein hohler Verbalismus: wir wollen ja gerade das Universum beschreiben und verstehen! Wie kann dann die fundamentale Ebene der Beschreibung der zu beschreibende Gegenstand selbst sein?

    Guter Punkt. Aber tatsächlich bin ich noch neoplatonischer als Sie vielleicht vermuten. Denn beschreiben wollen wir das Universum als „Vieles“, eine Summe von Teilen. Der Quantenkosmos als verschränkter Quantenzustand ist aber „Eines“ im parmenidisch-platonischen Sinne. Die Teilobjekte gehen vollständig im Gesamtobjekt auf. Aber hier war ich vermutlich zu kurz angebunden, um verständlich zu sein. Ich werde später nochmal einen Post zur Quantenphysik verfassen, wo ich auch auf die „holistischen“ Aspekte der Quantenverschränkung näher eingehen möchte.

    Ihre Vorstellung von Logik oder Metamathematik als letzter Realität ist mir dann doch – anknüpfend an meine Diskussion mit Martin Holzherr, zu immateriell oder idealistisch. Allerdings liegen Sie auf einer Linie mit dem US-Kosmologen Max Tegmark, den ich ansonsten sehr schätze, und der diese Ansicht auch in seinem Buch „Out Mathematical Universe“ verteidigt. Vielleicht ist das ja für Sie interessant?

  37. @sherfolder / 18. Januar 2018 @ 21:47

    »Auf der Ebene der Teilchen und Felder existiert kein freier Wille, …«

    Sind Sie sicher?

    Das Free Will Theorem von John Conway & Simon Kochen (2006, 2009) “asserts, roughly, that if indeed we humans have free will, then elementary particles already have their own small share of this valuable commodity. More precisely, if the experimenter can freely choose the directions in which to orient his apparatus in a certain measurement, then the particle’s response (to be pedantic—the universe’s response near the particle) is not determined by the entire previous history of the universe.

    Interessiert? Learn more!

    • @Chrys: John Conway & Simon Kochen verstehen unter “freiem Willen” offenbar etwas anderes als ich, nämlich etwas, das auf “starker Emergenz” beruht. So ein Konzept halte auch ich nicht für möglich.

  38. sherfolder,
    …Existiert aufgrund dieses gemeinsamen Weltmodells also Gott? Ist Gott daher real?….

    Dass sind rhetorische Taschenspielertricks, die nicht weiterhelfen. Gott existiert auch ohne Weltmodell .
    Nur weil wir ihn im Augenblick nicht brauchen, ist er aus dem Focus geraten.
    Wenn man aber die Kulturen als real ansehen, alle Kulturen auf dieser Erde, dann muss man bejahen, dass es fast keine Kultur gibt, die nicht auf Religion aufbaut. Also muss man das Phänomen Religion und Gott als real nehmen. Und dann sind wir wieder beim freien Willen.
    Wir sind frei innerhalb von Grenzen, die die Religionen ziehen. Bei uns sind es die 10 Gebote, die sich in der Rechtssprechung wiederfinden. Und wenn wir die Rechtssprechung als real ansehen, dann müssen wir das für die Religion auch zulassen und dann sind wir bei Gott.

    • Gott existiert […]


      Wer?

      Wenn man aber die Kulturen als real ansehen, alle Kulturen auf dieser Erde, dann muss man bejahen, dass es fast keine Kultur gibt, die nicht auf Religion aufbaut. Also muss man das Phänomen Religion und Gott als real nehmen.


      Mit welcher anerkannten logischen Schlussregel kommt man von Satz 1 auf Satz 2?

  39. “Gibt es überhaupt die Realität? Und wenn ja, können wir überhaupt etwas über sie aussagen? Beides kann bezweifelt werden: Denn natürlich haben wir immer nur Zugang zu unseren Bewusstseinsinhalten, nicht direkt zu einer äußeren Welt.”

    So, wie in der Physik der Versuchsvorgang auf fehlerhafte Voraussetzungen hin abgeklopft werden muss, gilt es auch für´s Denken. Obige Annahme hat seit Kant die Aufnahme in den praktischen Fundus philosophischer Vor-Urteile gefunden, und wird daher selten hinterfragt.

    Bei genauer Betrachtung ist der Satz unhaltbar: er trennt zwischen “Bewusstseinsinhalten” und “äußerer Welt”. Es sind also demnach die Bewusstseinsinhalte nicht Teil der (äußeren) Welt, sondern, wie bei jedem guten metaphysischen Dualismus irgendwie extra, gesondert.

    Es ist also eines ganz sicher, wenn man einer solchen Annahme folgt: dass man nicht der Frage nachgehen kann, “Was ist Bewusstsein?” – oder – “Was ist Realität?” – sondern nur den sich damit automatisch aufspaltenden Fragen: “Was ist Bewusstsein nur in Bezug auf die eigenen Bewusstseins-Inhalte, und was ist Bewusstsein in Bezug auf die äußere Welt?” Für beide werden, wenn man obigen Satz für wahr hält, unterschiedliche Regeln gelten. Schlimmer noch: wenn dieser Satz gelten sollte – so hat Kant herausgefunden in seiner “Kritik der reinen Vernunft” – können wir über die “äußere Welt” prinzipiell nichts aussagen, ausser der Tatsache, dass wir wissen: es muss sie geben. Demnach wäre alles Psychologie, die Physik existiert gar nicht. Und wenn, wäre sie für uns nicht einsehbar.

    @ Frau Lopez: schöne Geschichte – dieses Heraustreten aus dem Leib. Und sie haben natürlich Recht: in Wirklichkeit lässt sich nur so über Bewusstsein und Realität nachdenken – alles andere ist Trocken-Schwimmen.

    • @ Markus Termin:
      Mir war immer klar, dass es vom Schock kam, aber ich habe keine Ahnung wie so etwas im Gehirn funktioniert, und ich freue mich, dass es Wissenschaftler gibt, die so etwas untersuchen und erklären.

  40. Paßt auf scilogs irgendwer auf den “Verkünder” Robert mit seinen 12 Identitäten auf?
    Das Blog-Backend gibt Auskunft über trollende nickname-Hüpfer mit “Agenda”.

  41. @sherfolder: Zu Ihren Kritikpunkten:

    1. Sie beklagen, ich sei nicht ausreichend auf Einstein, Planck, Hawking etc… eingegangen. Nun, das ist ein Blogpost und keine Doktorarbeit, Sie können hier keine vollständige Abarbeitung der Literatur verlangen, ganz abgesehen davon, dass Sie hier einen kostenlosen Service, der von mir unentgeltlich bereit gestellt wird, nutzen, und insofern sowieso nichts verlangen können. Darüber hinaus ist etwas noch lange nicht richtig, weil Einstein, Planck, Hawking, etc.. es so gesagt haben. Aber: Einstein, Planck, Hawking etc… sind kluge Menschen, insofern ist es durchaus interessant, deren Meinungen zu hören, und Sie können gern deren Ansichten hier in der Kommentarspalte referieren.

    2. Sie beklagen, ich zitiere Harari falsch, wenn ich sage, er spreche Aktiengesellschaften die Realität ab. Aber Harari schreibt: “Götter, Nationen, Geld, Menschenrechte und Gesetze gibt es gar nicht”. Auch beklagen Sie, dass ich nicht auf Hararis Argumente gegen die Existenz des freien Willens eingehe. Nur: Ich stimme schon mit Harari (den ich sonst super finde) nicht überein, was “es gibt” heißt, insofern ist klar, dass seine Argumente gegen den freien Willen für mich nicht relevant sind.

    3. Sie schreiben, um über die Existenz des freien Willens zu sprechen, müsse man nicht erst klären, was Realität sei.
    Gegenfrage: Existieren für Sie Kanonenkugeln? Nichts makroskopisches ist perfekt kugelsymmetrisch, aber die Abweichungen von der Kugelform können in einem gegebenen Kontext vernachlässigbar sein. Existieren für Sie Menschen und Tiere?

    4. Sie argumentieren, wenn man die Frage der Existenz an die Frage eines sinnvollen Weltmodells koppelt, dann sei die Aussage inhaltsleer, auch einen Gott mit Rauschebart auf der Wolke können man so begründen. Sie ignorieren bei meiner Aussage “sinnvolles Konzept” das Adjektiv “sinnvoll”. Tatsächlich glaube ich Ihnen, wenn Sie sagen, Sie kommen ohne ein derartiges Gotteskonzept aus. Aber ich glaube Ihnen nicht, wenn Sie behaupten, Sie würden andere Menschen nicht für Ihr Tun verantwortlich machen und ihnen kein zielorientiertes Handeln zuschreiben. Wenn Weltmodelle keine sinnvollen Konzepte enthalten, werden sie im freien Wettbewerb der Ideen irgendwann evolutionär ausselektiert.

    5. Sie behaupten, niemand spreche Tieren einen freien Willen zu. Tatsächlich würde ich zumindest hinreichend intelligenten Tieren einen freien Willen zusprechen, auch wenn sie sicherlich weniger für ihr Tun verantwortlich sind als Menschen. Das gleiche gilt übrigens auch für Kinder. Allein, dass man hier Unterschiede macht, zeigt wiederum, dass der freie Wille ein sinnvolles Konzept ist.

  42. Begriffe wie Realität, freier Wille haben umgangssprachliche Bedeutung sollten aber im wissenschaftlichen Kontext nicht verwendet werden.
    Wie weit die Begriffe sinnvoll sind, wäre eine Frage der Definitionen und es dürfte so etwas wie einen begrenzten „Gültigkeitsbereich“ geben, ähnlich wie in der Informatik.

    Eine „absolute Realität“ kann man nicht erkennen, weil alle „Zusammenhänge“ von den kleinsten derzeit bekannten „Objekten“ ausgehend und deren Zusammenwirken noch nicht erforscht sind und verschiedene Frage vermutlich unbeantwortet bleiben werden.

    Man kann höchstens, wie in der Informatik, beliebigen Objekten „Bezeichner“ zuordnen die transzendenten Charakter haben können und demnach existent sind weil sie eben „deklariert“ (im Sinne der Informatik) sind.
    Wenn man den „Ausgangspunkt der Welt“, alle Prozesse, alle Prozessoren (Grundlage von Prozessen), und jegliche Information einem (abstrakten) „Objekt“ zuordnen will, (was jedenfalls denkmöglich ist) so steht es einem frei, ein derartiges Objekt den Bezeichner „Gott“ zuzuordnen. Vermutlich wäre dies eine Tautologie die immer wahr ist, weil sozusagen genau die angenommene (auch transzendente) Wahrheit der Ausgangspunkt wäre. (Wie weit andere Behauptungen in diesem Zusammenhang wahr sind, ist eine andere Frage. Offensichtlich gibt es Widersprüche, woraus man schließen sollte dass Annahmen auch fehlerhaft sind.)

    So wie ich Singer verstanden habe ist der Output eines neuronalen Systems determiniert, also von den jeweiligen Zuständen des Systems abhängig. (Dies dürfte ebenfalls eine Tautologie sein).
    Ein Verbrecher hat eben Pech, wenn er mit einem hauptsächlich neurologisch/psychologisch determinierten problematischen System herumlaufen muss. Aber selbstverständlich bedeutet dies auch, dass sich die Gesellschaft vor derartigen Typen schützen muss.
    Das Konstrukt „Schuld“ bedeutet höchstens dass ein psychisch besonders auffälliger Täter in die Psychiatrie kommt.

    Es kommt ganz allgemein, nicht nur in der Informatik, auf eine „saubere“ Deklaration der „Objekte“ an und auf eine korrekte Verknüpfung dieser Objekte. Einen begrenzten „Gültigkeitsbereich“ der Aussagen wird es sicherlich immer geben.

    • @Elektroniker:

      So wie ich Singer verstanden habe ist der Output eines neuronalen Systems determiniert, also von den jeweiligen Zuständen des Systems abhängig.

      Eben nicht nur, sondern auch von der Umwelt. Das neuronale System ist offen. Und ich bezweifle, dass wir eine effiziente Beschreibungsebene finden, auf der das neuronale System vollständig determiniert ist, und es gleichzeitig noch Sinn macht, über “Menschen” zu sprechen.

  43. Herr Päs,
    “Wenn Weltmodelle keine sinnvollen Konzepte enthalten, werden sie im freien Wettbewerb der Ideen irgendwann evolutionär ausselektiert.
    Sehr gut. Das sinnvolle Konzept ist das Kriterium für richtig oder falsch.
    Und das wiederum führt zur Einsicht, dass es viele richtige Konzepte gibt, die auf ihre Umwelt abgestimmt sind. Der Priester auf dem Hochplateau von Tibet hat eine andere Weltsicht als der Geschäftsmann in New York. Beide wollen und müssen überleben. Der eine muss im Einklang mit der Natur bleiben, der andere muss die Geschäftspraktiken der Börse verstehen.
    Jeder Kulturkreis hat seine eigenen “Wahrheiten ” entwickelt und die gilt es zu tolerieren .

    Herr Senf,
    Jeder Blog bearbeitet ein anderes Thema. Und je nach Thema verwende ich einen anderen Nick. So wie eine Journalistin in einem Männermagazin ein anderes Pseudonym verwendet wie in einem Frauenmagazin. Das hat nichts mit Täuschung zu tun. Es geht überhaupt nicht um meine Person. Es geht um sachliche Aussagen.

    • @hmann:

      Jeder Kulturkreis hat seine eigenen “Wahrheiten ” entwickelt und die gilt es zu tolerieren .

      Wobei auch gilt:
      “Alle guten Arten über die Welt zu sprechen, müssen miteinander konsistent sein” (Carroll).
      Der IS-Terrorist, der ein mittelalterliches Weltbild pflegt und gleichzeitig mit seinem Handy telefoniert, macht da etwas falsch. Solche Weltmodelle mögen einer momentanen Überlebensstrategie (z.B. so lange man im vom IS kontrollierten Territorium lebt) entsprechen, sind auf Dauer aber instabil und zum Scheitern verurteilt.

      Und je nach Thema verwende ich einen anderen Nick.

      Von mir aus. In Zukunft aber bitte vermeiden, Nicks zu wählen, die schon von anderen Nutzern belegt sind.

      • @Heinrich Päs

        Der IS-Terrorist, der ein mittelalterliches Weltbild pflegt und gleichzeitig mit seinem Handy telefoniert, macht da etwas falsch.

        Was denn genau?

        Solche Weltmodelle mögen einer momentanen Überlebensstrategie (z.B. so lange man im vom IS kontrollierten Territorium lebt) entsprechen, sind auf Dauer aber instabil und zum Scheitern verurteilt.

        Mit ähnlichen Worten wurde schon dem Kapitalismus (erfolglos) sein eigenes Ende vorausgesagt. Warum ein Islamistischer Hegemon, der seine Handys in China produzieren lässt, nicht stabil existieren können soll, leuchtet mir nicht ein.

  44. Elektroniker,
    “Einen begrenzten „Gültigkeitsbereich“ der Aussagen wird es sicherlich immer geben.”

    Und diese Begrenzung ist gleichzeitig die Grenze zwischen der Wissenschaft und den Religion(en).
    Ich stimme zu 100 % mit ihrer Begriffsbildung überein und finde es wichtig, nochmal darauf hinzuweisen, dass wir uns innerhalb von Sprache befinden.

    Dass , was unsere Existenz ausmacht und lebenswert macht ist aber nicht immer sprachlich fassbar.
    Die ganze Gefühlswelt bleibt ausgeschlossen. Die Tatsache, dass eine Frau an gebrochenem Herzen sterben kann, dass jemand aus Lebensüberdruss aus dem Leben scheidet, dass sich jemand vor Verzweiflung von einer Brücke stürzt. Da kann die Wissenschaft nur mit Psychologie oder Psychopharmaka eingreifen. Die Ursachen der Störung kann sie nicht beseitigen, den Mangel an Liebe.
    Überhaupt fehlt der Begriff “Liebe” in diesem blog, obwohl die Liebe zu 50% unser Leben bestimmt. Sollte einem das nicht zu denken geben?

    • @ hmann: das stimmt jetzt wirklich nicht: ganz oben steht es – “Liebe zur Welt”.

      @ Frau Lopez: Wissenschaftler können sowas erklären? Wenn Bewusstsein ausseralb des eigenen Körpers und in Beobachtung dessen erlebt wird? Da habe ich Zweifel …

      • @ Markus Termin

        Doch, es gibt Wissenschaftler, die Nahtoderfahrungen oder Out-of-Body Erfahrungen untersuchen und auch im Einklang mit den Naturwissenschaften bzw. der Funktionsweisen des Gehirns wohl erklären können, wie der Teilnehmer KRichard es hier und hier angeführt hat.

        Herr Päs als Blog-Herr wünscht sich aber keine wissenschaftliche Untersuchung solcher Erfahrungen in seinem Blog, die er wohl als Spinnereien hält und zu löschen droht, siehe Zitat Heinrich Päs 17. Januar 19:15 Uhr : “Das ist natürlich keineswegs zweifelsfrei gelungen. Nahtoderlebnisse z.B. sind sicherlich naturalistisch zu erklären, ähnliche Out-of-Body-Erlebnisse bekommt man schon, wenn man sich von hinten auf einem Bildschirm sieht, während man gekratzt wird. Bitte halten Sie sich mit zweifelhaften Tatsachenbehauptungen zurück, sonst muss ich löschen.“

  45. Herr Päs,
    …..sollten miteinander konsistent sein….
    sehr richtig! Die Rahmenbedingungen für die verschiedenen Kulturkreise müssen stimmen. Gewalt muss geächtet werden, sonst ist ein Gedankenaustausch nicht mehr möglich. Das hat auch der Papst beim Chilebesuch eingefordert.

  46. @ heinrich päs und
    “….Wenn Weltmodelle keine sinnvollen Konzepte enthalten, werden sie im freien Wettbewerb der Ideen irgendwann evolutionär ausselektiert..”(Zitatende Päs)

    Das ist zunächst mal eine rein metaphysische (Glaubens-)Aussage. Zumindest den Herrn auf der Wolke mit seinen fliegenden Begleitern (usw. !) oder die Astrologie gibt es schon seit Jahrtausenden, wenn nicht sogar noch erheblich länger. Und wie lange diese Weltmodelle noch existieren werden, können Sie nicht wissen.
    Merke: Erklärungsmodelle auf die Vergangenheit bezogen sind schon mit erheblicher Skepsis zu betrachten, die meistens kaum zu falsifizieren sind. Daran hatte schon Karl Popper zu knabbern (Das Elend des Historizismus). Denn konsequnt weitergedacht trifft das dann auf weit zurückreichende Realitätsbeschreibungen der biologischen Evolution zu.
    Und welche schwarzen Schwäne in der Zukunft auftauchen (und ob überhaupt), das wissen Sie schon garnicht.
    Und das mit Ihren “sinnvollen Konzepten”ist wohl auch nicht ganz so einfach:
    Bekanntlich entstand das Weltmodell von Newton in einem “Umfeld”, das Sie sicher heute als
    rein esoterisch “Cranc”- haft bezeichnen würden.
    Aber ich wei?: Sie halten den Falsifikationsgedanken für “unzureichen”, weol Sie sich dann auch mit dem beeschäftigen müssten, was Sie im Voraus schon als “Esoterik” aus dem Erkenntnisprozess aussondern möchten. Weil alles dann halt viel unproblematischer für was und wen auch immer wird.

  47. Des Lesens mächtige korrigieren die Tipp- und Satzbau – und eventuelle Orthografiefehlerfehler meiner Texte im Automatikmodus selbst. Die fehlende Rechtgläubigkeit natürlich nur durch Gegenargumentation.

  48. @ Päs

    Zitat: “Eben nicht nur, sondern auch von der Umwelt. Das neuronale System ist offen. Und ich bezweifle, dass wir eine effiziente Beschreibungsebene finden, auf der das neuronale System vollständig determiniert ist, und es gleichzeitig noch Sinn macht, über “Menschen” zu sprechen.”

    Die jeweiligen “Zustände” des neuronalen Systems sind natürlich von der Umwelt abhängig. Sie werden ganz wesentlich, aber nicht nur, von der Umwelt geprägt.

    Der wesentliche Unterschied Mensch – Maschine ist derzeit dass der biochemische Aspekt beim Menschen total im Vordergrund steht, der Mensch direkt empfindungsfähig ist.
    Dieser Aspekt kommt derzeit bei den (elektronisch- technischen) Maschinen überhaupt nicht vor.
    Vermutlich wird man den Menschen in vielen Teilbereichen von Maschinen “simulieren” lassen, um in vielen Lebensbereichen ohne Menschen auszukommen, seine Arbeitskraft substituieren.
    Wie weit man die Empfindungsfähigkeit nur “simuliert” oder Empfindungen “real” generiert, in einer Art Hybridtechnologie, oder womöglich gar künstliche Lebewesen basteln wird, ist eine andere Frage. Die Empfindungsfähigkeit scheint bei Maschinen eher von Nachteil.

    Jedenfalls vermute ich, dass die Natur andauern aus so etwas wie einem potentiell vorhandenen “Informationspool” nach “Mustern” scannt und die Ergebnisse in künftige Prozesse der Musterverarbeitung einbindet.
    Das Verarbeitungssystem im DNA Bereich dürfte so etwas wie “Zufallsgeneratormechanismen” eingebaut haben.
    Zufallsgeneratoren könnten systematisch, sogar etwas “gezielt” variable DNA Muster generieren. Gegenspieler wäre die Umwelt und das Immunsystem, die natürlich ebenfalls auf Basis von “Zufallsgeneratoren” arbeiten..

    Menschen konnten sogar “Muster” generieren deren systematische Umsetzung in biologischen Maschinen sie letztlich zu einer Selbsterkennung auf abstrakter Ebene befähigten haben. Computer werden weitermachen.

    Die Frage nach einem “Subjekt” wird sich erübrigen, bzw. werden auch Maschinen Subjektstatus erhalten.

    • @Elektroniker;

      bzw. werden auch Maschinen Subjektstatus erhalten.

      …das halte ich in der Tat auch in absehbarer Zeit für wahrscheinlich. Und ich stimme auch mit Ihnen überein, dass es Maschinen insbesondere noch an der emotionalen Komponente mangelt, für die die Biochemie verantwortlich ist.

  49. @ Frau Lopez: mag sein, dass Herr Päs so denkt. Ich glaube jedoch, dass man über den “freien Willen” oder “das Bewusstsein” nur dann vernünftige Aussagen machen kann, wenn man die außerkörperlichen Erfahrungen, die Sie schildern, berücksichtigt.

    Die Erklärungen, die Wissenschaftler für solche Phänomene bieten, halte ich – gelinde gesagt – für nicht hinreichend.

    Muss man jedoch anerkennen, dass das Bewusstsein selbst gar nicht im Körper ist – hier wären auch die Forschungen von Rupert Sheldrake hervorzuheben: Stichwort “Meisen-Rätsel” – dann hätten wir einen dritten Ausweg (neben der objektivierbaren Astrologie und der objektivierbaren Bezogenheit von Lichtquanten zueinander) aus dem reinen Materialismus. Und erst dann wird es spannend – alles andere bleibt tautologisch.

    • @ Markus Termin

      Ich habe mich mit Nahtod- oder Out-of-Body Erfahrungen nicht tiefgründig beschäftigt, bis heute nicht. Ich weiß daher nicht genau, welche Erklärungen Wissenschaftler für Out-of-Body Erfahrungen liefern. Aber ich weiß aus dieser Erfahrung, dass was passiert ist auf keinen Fall in Verbindung mit Störungen von organisch-biologischen Funktionen einhergeht, wie zum Beispiel Sauerstoffmangel im Gehirn oder Kreislaufstörungen, wie es bei Umfällen, Verletzungen und schweren Schockzuständen passiert. Ich wurde zum Beispiel eine Zeitlang während der Pubertät öfter Mal bei geringfügigen Anläßen ohnmächtig, auch in der Schule, und wurde mal vom Schularzt untersucht. Er hat absolute Entwarnung gegeben, er hat einen harmlosen, vorübergehenden instabilen Kreislauf diagnostiziert, nichts Besorgniserregendes, nichts Behandlungswürdiges, es wird sich von allein legen – und er hat auch Recht gehabt, es hat sich von allein gelegt. Ich weiß also aus diesen Erfahrungen mit Bewußtseinverlust, dass was in der Disco passiert ist, nichts, aber auch nichts mit Sauerstoffmangel im Gehirn oder instabilem Kreislauf zu tun hatte, es war etwas ganz Anderes, nicht zu vergleichen, ohne jegliche körperliche Beschwerde oder Beeinträchtigungen. Ich war die ganze Zeit beim vollen Bewußtsein, vor und naher auch, ich konnte sehen, hören, sprechen und denken, ich bin nicht gefallen, mir war nicht schlecht, ich war nicht unruhig, ich habe auch nie in meinem Leben Drogen oder Alkohol konsumiert, damals erst recht nicht. Nur, dass ich über dem Boden neben meinem Körper schwebte und dass ich mich von außen sehen und hören konnte, vielleicht 3-4 Minuten lang. Und offensichtlich haben andere Menschen so etwas auch erlebt. Ob das Bewußtsein nicht auf dem Körper begrenzt ist, weiß ich nicht, aber ich gehe davon aus, dass bei solchen Erfahrungen auf jeden Fall etwas im Gehirn passiert.

      • Sie haben in der Disko eine völlig unerwartete Abfuhr bekommen – das war für Sie ein unverständlicher Reiz. Und dann hat Ihr Gehirn diesen Reiz so verarbeitet, dass Sie eine außerkörperliche Erfahrung hatten.
        Damit lässt sich Ihre AKE mit meinem Erklärungsmodell verstehen: ich gehe davon aus, dass NTEs beim Versuch des Gehirns entstehen, einen unverständlichen Reiz zu verarbeiten. Des weiteren gehe ich davon aus, dass man zum Zeitpunkt einer NTE lebendig und geistig klar bei Bewusstsein ist – das waren Sie offenbar auch.

        Es gibt also bei NTEs/AKEs keinerlei Ansatz, um an medizinischem bzw. naturwissenschaftlichem Standardwissen zu zweifeln.

        Es macht aber keinen Sinn, eine Diskussion mit Herrn Termin zu führen, da ihm einfachstes Fachwissen und Verständnis fehlt: z.B. ist ´Bewusstsein´ definiert als ein Ergebnis neuronaler Aktivitäten – eines biologisch aktiven Gehirns. Einen Begriff absichtlich falsch zu verwenden (Bewusstsein ist nicht auf Körper begrenzt), ist Unsinn.

  50. @Päs

    Tiere und Freier Wille – Intelligenz und Vernunft, na gut, aber FW, nur wenn Verantwortungsbewusstsein und schöpferische / zentralbewusste …!!!

  51. Hallo Her Päs,

    wenn ich Sie richtig verstanden habe, so sehen Sie die Welt als Einheit dadurch an, daß es eine einheitliche, in sich konsistente Beschreibung gibt, sozusagen ein konsistentes Weltmodell, letztlich bestehend aus einem verschränkten Quantenzustand, aus dem alles was existiert und alle Existenzebenen irgendwie hervorgehen, und in denen Wunder deswegen ausgeschlossen sind, weil sie alle durch so etwas wie kausale oder schwache Emergenz miteinander verbunden sind, und auch der freie Wille daher so ein bißchen halbfrei oder ganz frei daraus emergiert ?

    Hab ich das richtig verstanden ?

    Dann wäre als Erstes die Frage zu besprechen, ob es eine einheitliche konsistente Weltbeschreibung überhaupt geben kann. Der Philosoph Gabriel bestreitet das in einem Buch („Warum es die Welt nicht gibt“) mit sehr guten Gründen (s. u. „Neuer Realismus“).

    Danach wären all Ihre Überlegungen schon an der Wurzel falsch.

    Grüße Fossilium

  52. @Päs

    zu Punkt 2 @sherfolder weiter oben

    Ich habe das Zitat von Harari so verstanden, das er über ein lustiges Spiel dieser Realität …
    Ist es für sie ebenso nur ein Spiel?

  53. @fossilium

    Ein konsistentes Weltbild, eindeutig, zweifelsfrei, wirklich-wahrhaftig, fusionierend / geistig-heilend, allerdings OHNE …, basierend auf unserer Vernunftbegabung, wodurch aus “halbfrei ganz frei” wird. 😎

  54. Mir fehlen in der bisherigen DisKussion einige Grundlagen:

    Bewusstsein – gibt es nur in Gehirnen lebendiger Menschen, wenn sich Aktivitäten verschiedener Gehirnareale vernetzen können und eine bestimmte Aktivitätsschwelle überschritten wird. (Dazu gibt es wissenschaftliche Experimente, bei denen lebendige Personen narkotisiert wurden.)

    Priming: Dieser Begriff beschreibt die Beobachtung, dass der Zustand von Nervenzellen VOR der Verarbeitung eines neuen Reizes darüber entscheidet, wie dieser Reiz dann verarbeitet wird. D.h. auf einen identischen Reiz sind somit unterschiedliche Reaktionen möglich. (in meiner NTE-PDF Seite 2 ist eine wissenschaftliche Quelle dazu zu finden)

    Freie Willensentscheidung: Experimente zeigen, dass eine bereitss getroffene Entscheidung bis unmittelbar vor der Ausführung geändert werden kann.
    http://www.spektrum.de/news/unser-wille-ist-doch-nicht-so-unfrei/1397002

    Fazit: die oben angeführten Grundlagen zeigen, dass es einen vom biologischen Gehirn unabhängigen ´freien Willen´nicht geben kann – dass aber die Freiheit besteht, eine getroffene Willensentscheidung zu ändern.

    Zum Thema ´menschliches Bewusstsein und digitalem ´Ich´-Bewusstsein´:
    menschliches ICH-Bewusstsein beruht auf Erfahrungen, die vernetzt im Gehirn gespeichert sind. Eine Erfahrung besteht aus a) Faktenwissen, b) Körper-reaktion, c) Immun-Reaktion, d) Sinnes-reaktion und e) Emotion – in unterschiedlichem Ausmaß. Unser Bewusstsein hat also eine komplexe biochemische Grundlage.
    Computer-´wissen´ besteht nur aus Informationen, die auf Computerchips bzw. in Software berechnet werden – d.h. ein digitales ´Ich-Bewusstsein´ ist nur ein Ergebnis von Berechnungen.
    Den Begriff ´Bewusstsein´ für menschliches und digitales Bewusstsein vergleichend anzuwenden, ist daher nicht sinnvoll

  55. Zuerst mal Andeutungen zur Wahrheit: Als Psychologe gehe ich von dem aus, was ich gerade tue: Ich schreibe in ein Gerät und werde an Reaktionen sehen, ob das Geschriebene bei jemandem angekommen ist. Ich beschränke mich also nicht aufs Ideelle. Im Extremfall boxe ich jemanden, um zu sehen bzw. dann auch zu spüren, dass ich nicht allein vor mich hin denke. Von den gegenwärtigen Interaktionen weite ich aus. Kommt auch noch eine Reaktion, wenn ich eine Nacht geschlafen habe? Erzählt mir ein anderer ähnlich über gemeinsam Erlebtes? Hält jemand ein Versprechen morgen, das er mir heute gegeben hat? Spätestens hier wird es unsicherer. Je weiter weg, desto unsicherer. Aber nicht Null oder Eins, sondern in Wahrscheinlichkeiten. Deshalb bin ich auch gar nicht verwirrt, wenn ich etwas von moderner Physik lese.
    Und vor diesem Hintergrund habe ich vor kurzem was zu Freiheit geschrieben: http://www.erlebnisoffen.de/blog (Eintrag vom 25.11.17)

  56. @ KRichard: “Bewusstsein – gibt es nur in Gehirnen lebendiger Menschen, wenn sich Aktivitäten verschiedener Gehirnareale vernetzen können und eine bestimmte Aktivitätsschwelle überschritten wird. (Dazu gibt es wissenschaftliche Experimente, bei denen lebendige Personen narkotisiert wurden.)”

    Das übliche Missverständnis. Was berechtigt Sie, davon auszugehen, dass Bewusstsein bei nicht narkotisierten (alternativ nicht irgendwie beschädigten oder behinderten) “Gehirnarealen” ebenso funktioniert? Schon allein die “Areal”-Metapher – bekannt ist, dass im Wunderorgan “Gehirn” durchaus mal das eine Areal die Aufgabe des anderen übernehmen kann.

    Haben Sie Verstorbene im Gegensatz zu “lebendigen” Menschen auch mit der richtigen Methode gefragt?

    Sodann: “Freie Willensentscheidung: Experimente zeigen, dass eine bereits getroffene Entscheidung bis unmittelbar vor der Ausführung geändert werden kann.” – mehr noch – es gibt genügend Beispiele von Menschen und sogar mehr noch Tieren, die ein eintreffendes Ereignis “vorausgeahnt” haben und deshalb eine Entscheidung verändert oder überhaupt erst getroffen haben, deren Bedeutung sich zunächst überhaupt nicht aus dem gegenwärtigen Kontext erschlossen hat. Der berühmten Gans von Freiburg hat man deswegen – weil durch ihr Anschlagen viele Menschenleben gerettet wurden – im Stadtpark ein Denkmal gesetzt.

    Schliesslich gilt in der Bewusstseinsforschung doppelt: Experimente selbst sind ein Bewusstseins-beeinflussender Faktor. Serviert bekommen die “Forscher” (selbiges gilt bei der perversen Primatenforschung um so mehr) ihren “Fragehorizont” – mehr nicht: siehe dazu auch “Planet der Affen”.

  57. Zitat Elektroniker: „So wie ich Singer verstanden habe ist der Output eines neuronalen Systems determiniert, also von den jeweiligen Zuständen des Systems abhängig. (Dies dürfte ebenfalls eine Tautologie sein).

    Die Forschung von Wolf Singer und seine Forschungserbnissen, dass Menschen keinen freien Willen hätten, sind ohnehin wissenschaftlich wertlos und ohne jegliche Aussagekraft.

    Erst einmal, weil Wolf Singer diese Forschungsergebnisse einzig mit einer Forschungsmethode erzielt haben will, die nicht zulässt einen solchen Schluß zu ziehen, und zwar durch Untersuchung der Augen-Hand-Koordination von Affen durch invasive Angriffe im Gehirn: Er hat über 40 Jahre (!!!) invasiven Versuche im Gehirn von Affen mit implantierten Elektroden durchgeführt oder durchführen lassen, um die Geschwindigkeit der Reaktionen zwischen einem visuellen Reiz und einer Handbewegung zu messen, und zwar mit Affen, die mehrere Stunden pro Tag über jeweils mindestens 5 Jahre (!!!) fixiert im Primatenstuhl und mit angeschraubtem Kopf eine Aufgabe am Bildschirm lösen müssen, siehe Beispiel hier. Es ist ausgeschlossen, dass die Tiere diese Tortur psychisch gesund überstehen. Wenn sie überhaupt überleben, werden sie getötet und ihr Gehirn wird seziert (Wolf Singer hat sogar Gehirne von Affen bei lebendigem Leib ohne Narkose seziert).

    Davon abgesehen, dass es erhebliche neuroanatomische und neurophysiologische Unterschiede zwischen Menschenhirn und Affenhirn gibt, welche eine Übertragbarkeit der gewonnenen Beobachtungen und Erkenntnisse unmöglich machen, ist es ausgeschlossen, dass man Erkenntnisse über den freien Willen von gesunden Menschen durch Beobachtungen an kranken und psychisch zerstörten Tieren gewinnen kann.
    .

    Zweitens, weil diese Methode der Messung der Geschwindigkeit der Reaktionen bei der Augen-Hand-Koordination schon bereits in den 80-igen Jahren nicht invasiv bei freiwilligen menschlichen Probanden durchgeführt wurden (LIBET-Experimente) und sogar von den Experimentatoren selbst als grundsätzlich ungeeignet erklärt wurde, um die Existenz oder Nichtexistenz eines freien Willens nachzuweisen, siehe: Die Libet-Experimente

  58. @ Herr Päs

    Jetzt bin ich doch froh, doch noch einmal in diese Diskussion hineingelesen zu haben, denn Sie haben eine für mich sehr wichtige Frage beantwortet. Dazu haben insbesondere diese beiden Antworten beigetragen:

    Klassische Objekte wie der Mond zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie bzgl. der Messgröße eine definitive Eigenschaft haben wie z.B. einen Ort, also nicht in einer Überlagerung/Superposition von verschiedenen Orten sind. Wenn ich ein Quantenobjekt messe, werde ich mit dem Messobjekt (Mond) und der Umgebung (Rest des Universums) quantenmechanisch verschränkt. Da ich aber keine Informationen über den unbeobachtbaren Rest des Universums habe, ist diese Information verloren (beschränkte Perspektive) und genau das führt dazu, dass Superpositionen verschwinden (Dekohärenz). Wenn man nun annimmt, dass das den Messprozess vollständig erklärt (universelle Quantenmechanik) ist der Mond prinzipiell immer ein Quantenobjekt, er sieht nur aus unserer Perspektive (keine Ahnung vom Rest des Universums) wie ein klassischer Gesteinsbrocken mit festem Ort aus.

    Ich hatte bisher immer nur eine zeitliche Überlagerung vor Augen, wenn ich davon sprach, dass die Vergangenheit in der Zukunft vorkommt. Dass die Überlagerung auch den Ort bzw. Raum betreffen muss, hatte ich schlicht übersehen, 🙁

    Und hilfreich war auch diese Antwort:

    bleibt noch zu erklären, wie ich mir die logische Struktur der Welt erkläre. Ich würde sagen, die quantenmechanische Wellenfunktion des Universums repräsentiert letztlich die Vielfalt aller Möglichkeiten, und damit zumindest eine Untermenge des logisch möglichen.

    Ja, das passt ,obwohl ich mir unter “logischer Struktur” etwas anderes, nicht-physikalisches, vorstelle, z. B. eine Argument-Prädikat-Relation, die allerdings nicht für die quantenmechanische Wellenfunktion des Universums zutrifft.

    Ob jetzt “physikalisch möglich = logisch möglich” ist, sei dahin gestellt.

    Wie schon geschrieben: Es ist möglich, es kommt nur auf die richtige logische Struktur an (weshalb ich zwischenzeitlich mal gehofft hatte, Co-Algebren oder Polykontexturale Logik wären eine Option).

    In jedem Fall würde ich vermuten, dass ein rein informationelles Konzept wie Logik nicht aus dem Nichts Materie erschaffen kann

    Nein, das tut es natürlich nicht. Weshalb ich diese “logische(n) Struktur(en)” wie eine “Verhaltensvorschrift” für die Materie behandele, auch wenn ich weiß, dass ich damit auf starken Widerstand stoße. Aber es befreit mich von dieser Notwendigkeit:

    …, dass es irgendeine Art Trägermedium auch auf der fundamentalen Ebene gibt.

    Ich meine, das braucht es nicht, 🙂
    Jedenfalls vielen Dank, und wie gesagt, es hat mir sehr geholfen, 🙂

  59. Ein Schalter fürs Bewusstsein?
    Mit elektrischer Hirnstimulation knipsten Forscher das Bewusstsein einer Probandin an und aus.
    http://www.spektrum.de/news/hirnforschung-ein-schalter-fuers-bewusstsein/1299274
    —–
    Eine Überlegung zum Thema der Vorahnungen:
    Womöglich hinkt das Bewusstwerden von physikalischen Vorgängen mehr oder weniger stark hinter diesen Vorgängen her.
    Bei den Vorahnungen könnte diese Verzögerungszeit kürzer sein als bei den normalen Vorgängen.
    So ist in das stark verzögerte Abbild der Gegenwart ein viel weniger verzögertes Abbild der Zukunft eingebettet.
    Natürlich sind beide Ereignisgruppen in der physikalischen Welt schon viel früher geschehen.

    • zum Thema ´Vorahnung´- gibt es den Begriff ´selektive Wahrnehmung´. Wir neigen dazu, nachträglich Ereignissen – die wir normalerweise ignoriert hätten – eine Bedeutung zuzuschreiben.

  60. Markus Termin
    “es gibt genügend Beispiele von Menschen und sogar mehr noch Tieren, die ein eintreffendes Ereignis “vorausgeahnt” haben ”
    Das kann ich mit meiner eigenen Person bestätigen. Ich habe zwei Ereignisse geträumt, wobei eines am nächsten Tag, das andere einen Monat später eingetroffen ist.
    Die Wahrscheinlichkeit eines Zufalles kann ich beim zweiten Beispiel zu 100 % ausschließen.
    Wer also über Realität nachdenkt, darf solche Bereiche nicht ausklammern. Rationalisten wollen das nicht wahrhaben, weil es nicht in ihr Konzept passt.

    • Ich habe auch einmal einen Traum gehabt, wo ich mich immer noch frage, ob dabei eine Gedankenübertragung stattgefunden hat oder ob es Zufall war.

      Ich war zu dieser Zeit ca. 28 Jahre alt, noch ganz neu in Deutschland, ich konnte nicht ganz gut Deutsch und arbeitete als Fremdsprachenkorrespondentin in einer kleinen Exportfirma in Hamburg. Ich hatte dort eine jüngere Kollegin mit der ich mich ganz gut verstanden habe. Sie wohnte zufälligerweise nur ein paar Straßen entfernt von mir, so dass wir uns verabredet haben, dass ich sie morgens mit dem Auto abhole, dann sind wir gemeinsam zur Arbeit gefahren.

      Sie war sehr sprachgewandt, ein echtes “Hamburger Deern”, und sie erzählte mir ganz lebhaft und bunt jeden Morgen alles Mögliches, insbesondere von ihrem Freund. Die Beziehung kriselte sehr, sie hatte Lust, ihn vor die Tür zu setzen, kam aber noch nicht dazu.

      Eine Nacht träumte ich, dass sie ihren Freund in der Küche umgebracht hatte. Ich war in ihrer Wohnung (ich kannte sie auch in Wirklichkeit), es waren viele Leute da, wie bei einer Party, aber die Atmosphäre war sehr bedrückend: Keiner hat gesprochen, jeder hat in die Küche reingeguckt, die Tür wieder zugemacht und kein Wort gesagt. Ich war sehr bedrückt, ich wollte nicht in die Küche reinschauen. Ich habe die Kollegin angesprochen und sie gefragt, was sie gedenkt zu tun, wie das weitergehen sollte. Sie war gedankenabwesend, sie hat nichts geantwortet. Sie hat ein Zettel geschrieben und an die Tür der Küche angebracht. Darauf stand: “Vorsicht in der Küche, das ist glitschig.” Dann bin ich aufgewacht.

      Ich habe gleich an diesem Morgen meinem Mann diesen unangenehmen Traum erzählt. Dass ich schon in Deutsch geträumt hatte, und vor allem das Wort “glitschig” fand ich seltsam, ich meinte, ich kannte dieses Wort noch nicht, ich hätte selbst zu dieser Zeit “rutschig” gesagt.

      Ich habe der Kollegin im Auto diesen unangenehmen Traum nicht erzählt, obwohl ich noch sehr unter den bedrückenden Eindruck stand und daran dachte, wir haben über was Anderes gesprochen.

      Im laufen des Vormittags habe ich daran nicht mehr gedacht, bis auf einmal die Kollegin in unser Zimmer reinplatzte (wir arbeiteten nicht im selben Zimmer), mich direkt anguckte und sagte: “Vorsicht in der Küche, das ist glitschig“. Ich bin fast vom Stuhl gefallen!

      Aber sie hatte ihren Freund doch nicht umgebracht, sie hatte nur Kaffee in der Küche geschüttet und gewischt, sie wollte uns nur warnen.

      Zufall oder haben sich meine Gedanken im engen Raum des Autos ausgebreitet und hat sie sich etwas davon aufgeschnappt? Wenn Gedanken irgendwie als physikalischen Wellen sich manifestieren, könnte es sein, dass die materielle Grenze unseres Körpers nicht die Grenze der physikalischen Prozesse ist, die sich im Kopf abspielen?

    • Vorausahnung und Vorauswissen sind grundlegend verschiedene Dinge. Vorausahnungen gibt es viele. Voraussagen gibt es auf Grund von Naturgesetzen, von Gesetzen der Logik oder auch von Zivilgesetzen. Vorauswissen von Ereignissen ist ohne spezifische Informationen grundsätzlich nicht möglich.

      Dazu müsste man rational definieren, was “voraus” genau bedeuten soll. Man denke dabei an die Relativität der Gleichzeitigkeit an unterschiedlichen Orten, oder ganz banal an die Zeitzonen der Tageszeiten und Jahreszeiten.

      Nur Irrationalisten glauben an den Unfug von Telepathie, Gedankenübertragung, Hellsehen. Die Psychologie hält jedoch viele Überraschungen bereit, die solchen Möglichkeiten erstaunlich nahe kommen, man denke nur an gewisse Fähigkeiten der sogenannten Savants oder von Gedächtnis- und Rechenkünstlern.

      • @ anton reutlinger: “Nur Irrationalisten glauben an den Unfug von Telepathie, Gedankenübertragung, Hellsehen.” Das ist das, was Sie glauben und verkünden, als wären sie der Papst. Hundehalter sehen das naturgemäß oft anders:

        Mein Freund hat einen Hund, der steht immer eine halbe Stunde, bevor er nach Hause kommt – der Freund, nicht der Hund! – an der Haustür und kann sein Glück kaum fassen. Die Tageszeiten und sogar Tage, wann mein Freund nach Hause kommt, unterliegen keiner erkennbaren Regelmäßigkeit. Mein Freund kündigt sich nicht an.

        • Haben Sie schon mal etwas von Chronobiologie gehört? Vieles erscheint uns als Wunder oder als übernatürlich, aber das meiste ist schon auf natürliche Weise geklärt. Alles in der Natur geht mit rechten Dingen zu, für Spinnereien ist kein Bedarf.

          • @ anton reutlinger: “Wenn die Welt determiniert wäre, dann würde ich es wissen, denn auch mein Wissen wäre dann determiniert. Da ich es nicht weiß, muss sie indeterminiert sein!”

            Und wie wollen Sie denn wissen, dass “die Welt” determiniert ist, wenn sie das ist und daher auch Ihr Wissen determiniert wäre? Aus determiniertem Wissen leitet sich sicher kein indeterminiertes Wissen ab, oder?

            Nach dieser Logik, könnten Sie auch behaupten: “Wenn die Welt von sich selbst nichts wüsste, würde ich das wissen, denn ich weiss auch nichts von mir.”

            Aber sie sind in guter Gesellschaft: der selbe logische Knoten ist auch Kant´s Waterloo …

            A bisserl nachdenken, Leut!

  61. Zitat Markus Termin: „Sodann: “Freie Willensentscheidung: Experimente zeigen, dass eine bereits getroffene Entscheidung bis unmittelbar vor der Ausführung geändert werden kann.” – mehr noch – es gibt genügend Beispiele von Menschen und sogar mehr noch Tieren, die ein eintreffendes Ereignis “vorausgeahnt” haben und deshalb eine Entscheidung verändert oder überhaupt erst getroffen haben, deren Bedeutung sich zunächst überhaupt nicht aus dem gegenwärtigen Kontext erschlossen hat.“
    .

    Dass Tiere ein Bewußtsein haben ist wohl heutzutage nicht mehr bestritten. Die stupide Vorstellung von René Descartes, Tiere seien Maschinen, ist wissenschaftlich längst überwunden. Nicht nur bei Vorahnung von Ereignissen zeigt sich das, sondern überhaupt bei allen ihren Handlungen und Entscheidungen, die keine bloßen Reflexhandlungen und automatisierten Abläufe sind, sondern individuellen, an bestimmten Situationen angepasste Entscheidungen, gesteuert durch Emotionen aber auch durch Strategien, die Nachteil und Vorteil unterscheiden. Tiere haben sogar auch eine Persönlichkeit, Hunde- und Katzenbesitzer können es zum Beispiel bestätigen.

    Ich empfehle hier für den Nachweis des Bewußtseins bei Primaten das Buch des Verhaltensforschers Prof. Roger Fouts, der 30 Jahre seines Lebens damit verbracht hat, Schimpansen die Gebärdensprache der Taubstummen beizubringen. Dieses Buch habe ich in der Seite Mitleid meiner Homepage vorgestellt, es ist nicht nur äußerst spannend und informativ, sondern auch außerordentlich ergreifend, sowohl was den Autor als auch seine Tieren angeht:

    Hier zum Beispiel sein Bericht über eine Beobachtung aus dem Leben des Schimpansenweibchens Washoe:

    „Im Sommer 1982 war Kat [eine Pflegerin] schwanger; Washoe war höchst angetan von ihrem Bauch und fragte immer wieder nach ihrem BABY. Unglücklicherweise hatte Kat eine Fehlgeburt und war mehrere Tage nicht im Labor. Als sie wieder kam, begrüßte Washoe sie herzlich, ging dann aber fort und ließ Kat wissen, dass sie ihr die tagelange Abwesenheit übelnahm. Kat wusste, dass Washoe zweimal ein eigenes Kind verloren hatte, und beschloß, ihr die Wahrheit zu sagen.

    MEIN BABY GESTORBEN, deutete sie ihr. Washoe blickte zu Boden. Dann sah sie Kat in die Augen und deutete WEINEN, wobei sie unmittelbar unter dem Auge die Wange berührte. Kat sagte später, dieses eine Wort WEINEN habe ihr mehr über Washoe mitgeteilt als alle ihre langen grammatikalisch perfekten Sätze. Als Kat an diesem Tag gehen musste, wollte Washoe sie nicht fortlassen. BITTE PERSON UMARMEN, bat sie.“

  62. Die Realität meint die Sachlichkeit, sie ist bspw. neben der Wirklichkeit (das was wirkt, Meister Eckart hat so entwickelt) und neben dem Universum (die physikalische Sicht ist gemeint) eine Sicht des hier gemeinten Primaten auf das, was ist, auf die Welt, auf das was ist oder waltet.
    Vergleiche auch mit dieser kleinen NASA-Animation :
    -> https://apod.nasa.gov/apod/ap120312.html
    … die Realität und physikalische Sicht ein wenig skizzierend zusammenfasst.

    Die Realität ist also eine Entwicklung des hier gemeinten Primaten.
    Sie gibt es “nicht wirklich”, taugt aber zum alltäglichen wie auch zum physikalischen Geschäft.
    Der sogenannte Freie Wille hängt davon ab, in seiner Existenz, wie er definiert ist, ist er so definiert, dass die Welt streng deterministisch funktioniert, kann es ihn als “wirklich” frei nicht geben.
    Zum Glück kann niemand wissen, ob die Welt determiniert ist.

    MFG + schönes Wochenende!
    Dr. Webbaer

    • @Meister Webbaer

      Zum Glück kann niemand wissen, ob die Welt determiniert ist.


      Beweisbare Determiniertheit ist nur aus einer Außenperspektive (“Jenseits”) konsistent. Das hatte ich an anderer Stelle im Forum schon einmal ausgeführt.

  63. @Heinrich Päs

    »Mein Punkt war aber vor allem, ein Problembewusstsein für den Begriff “real geben” zu schaffen.«

    Wenn ich Sie recht verstanden habe, dann läuft es darauf hinaus, dass auf der (naturwissenschaftlichen) Beschreibungsebene der Biologie der Begriff „freier Wille“ zwar keinen Sinn ergibt bzw. es keinen freien Willen real (biophysikalisch) geben kann, dass es aber andererseits auf einer höheren, soziokulturellen Beschreibungsebene sinnvoll ist, so zu tun, als gäbe es einen freien Willen, weil man sonst anderen Menschen keine „Absichten oder Verantwortung für Ihr Tun zuschreiben“ kann.

    Mit Blick auf den freien Willen gibt es also unterschiedliche Beschreibungsebenen, auf der Ebene der Organismen ist die reale Existenz eines freien Willens zu verneinen, auf der Ebene soziokultureller Konstrukte hingegen zu bejahen.

    So in etwa?

    Noch ein Wort zu Ihrer Antwort an @Elektroniker, wo Sie sagen, dass der Output eines neuronalen Systems nicht allein von den jeweiligen Zuständen des Systems abhängig ist, „sondern auch von der Umwelt“, eben weil das neuronale System offen sei.

    @Elektroniker hat bereits darauf hingewiesen, dass die jeweiligen Zustände des neuronalen Systems „natürlich von der Umwelt abhängig“ sind. Ich möchte dies bekräftigen. Die Offenheit des Systems betrifft offenkundig nur den sensorischen Eingang (für die Informationen), und gerade eben nicht das Ergebnis der Informationsverarbeitung. Denn das wäre ja schrecklich. Es kommt natürlich vor, dass die Informationsverarbeitung zu einem unbrauchbaren oder gar falschen Ergebnis führt, aber das sind eben unerwünschte Abweichungen von der Norm.

    Mir scheint, es gibt da befremdliche Auffassungen darüber, was der „Neurodeterminismus“ eigentlich besagt. Meines Erachtens steht der Neurodeterminismus voll in Einklang mit den physikalischen, chemischen und biologischen Gesetzmäßigkeiten (ohne die, nebenbei bemerkt, selbstbestimmt handelnde Subjekte nicht möglich wären). Von nicht wenigen wird er aber offensichtlich so verstanden, als stünde er im Widerspruch zur Fähigkeit, autonom und eigenverantwortlich handeln zu können.

    Wo kommt dieses fundamentale Missverständnis bloß her, dass man glaubt, ein „vollständig determiniertes“ neuronales System sei gleichbedeutend mit dem Verlust von Autonomie? Wo doch ganz offenkundig deterministisch* und regelgerecht ablaufende Hirnprozesse die Voraussetzung dafür sind.


    * Quantenphänomene werden hier deterministisch interpretiert

  64. @ Balanus (letzter Absatz)

    Das kommt wohl daher, daß man in der Hirnforschung die moralische Verantwortlichkeit bezweifelt als man postulierte, daß das Hirn eine Aktion einleitet, die erst im Nachhinein bewußt wird. So formuliert scheint der Mensch seinem Hirn irgendwie ausgeliefert zu sein und es wird wieder, ob man es will oder nicht, dualistisch. Oder, wenn man den Dualismus vermeiden will: das Hirn weiß nicht was es will -oder so ähnlich.

    • So formuliert scheint der Mensch seinem Hirn irgendwie ausgeliefert zu sein und es wird wieder, ob man es will oder nicht, dualistisch.

      Ohne dem Konstrukt “Geist” kann hier schlecht happy geworden werden, zudem ist dieser dem ganzen Körper, nicht nur dem Hirn unterworfen, zumindest müsste der ganze Körper dann irgendwie einem “Hirn” zugeordnet werden, was aber auch nicht genügen würde, denn der “Geist” ist u.a. auch an Fortpflanzung, also auch im Sozialen, interessiert.

      Reduziert werden kann hier nicht, wenn dem “Geist” seine Berechtigung zugesprochen wird, denn der macht sozusagen seine eigene Welt auf.
      Welten gebären sozusagen Welten, beim erkennenden Subjekt wird dies direkt klar, und auch die “Naturwelt” könnte derart entstanden sein.
      Determinismus-Gedanken, die hier zu vereinfachen und eben rückzuführen suchen auf (zuvor und sozusagen groß angelegte) Bestimmtheit helfen hier deshalb nicht, weil niemand weiß, ob alles vorherbestimmt ist.
      Dr. Webbaer rät an diese Möglichkeit, die zudem auch auf Grund einiger physikalischer Experimente und nachfolgenden Sichten in Frage gestellt ist, die Welt könnte sozusagen eine Art Anforderungswelt sein, auszuklammern, als nicht erörterungsfähig, als quasi religiös.

      MFG
      Dr. Webbaer (der allerdings auch SciFi-gestählt ist, um das Denkbare und somit Mögliche, auch dank Philip K. Dick und Konsorten, weiß >:-> )

  65. @ Webbär

    Ohne dem Konstrukt “Geist” kann hier schlecht happy geworden werden

    den Geist kann man schon vermeiden, wenn man das Hirn in einem bewußten und unbewußten Teil aufspaltet. Der bewußte ist dem unbewußtem unterlegen. Der alte Freud hat’s bloß anders benannt. ES bestimmt das ICH, aber wo ES ist, soll ICH werden. Oder anders ausgedrückt: wo Affe ist, soll Mensch werden.

    • Freud hat schon den (individuellen) “Geist” bearbeitet, war ja auch u.a Püschologe.
      Gerne mal beibringen, was Herrn Freud zum “Geist” konkret so einfiel, sein Wesen meinend.

      • “Geist” und “Körper” im Sinne eines Substanzdualismus war dem Freud sicher fremd. Wenn einer Psychologe ist, muß er deshalb ja keine freischwebende Seele voraussetzen.

  66. Bonuskommentar hierzu :

    Eine andere These vertritt der Oxforder Philosoph Nick Bostrom: Er hält es für sehr viel wahrscheinlicher, dass wir Teil einer Computersimulation sind, als Wesen aus Fleisch und Blut.

    Mal davon abgesehen, dass der Schreiber dieser Zeilen von Herrn Bostrom insgesamt keinen so-o guten Eindruck gewonnen hat, ist es doch so, dass die Welt, diese Welt, also, das was ist oder waltet, zumindest nicht umfänglich indeterministisch fungiert und insofern die Welt nicht von einer so genannten Computersimulation vom Weltteilnehmer als unterscheidbar verstanden werden kann.
    Per se nicht, denn der ist ja, definitorisch, kein Weltbetreiber.

    Derartige Spekulationen sind – je nach Temperament – unterhaltsam oder verstörend, meistens jedoch eher unfruchtbar: Sie helfen nicht, uns in der von uns erlebten Welt zurecht zu finden.

    Doch, doch, sollten Welten sozusagen Welten gebären können, würde diese Einsicht beihelfen im Umgang mit Tier wie mit sogenannter AI.

    Insgesamt könnte derartige metaphysische Einsicht auch dem Physiklehrer und Physikforscher helfen, auch um ein wenig lockerer zu werden und auch um bestimmte Esoterik aus seinem Arbeitsgebiet bestmöglich herauszuhalten.
    Nämlich indem sie, Physiklehrer und Physikforscher, bestimmte metaphysische Meinung aus ihrem Arbeitsgebiet schlicht heraushalten und die Naturwissenschaft schlicht (und gut) als das bearbeiten, was sie ist, nämlich eine Methode, die szientifisch genannt wird (und gut ist), vergleiche :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Scientific_method (aus irgendwelchen Gründen sind dbzgl. in den bekannten Online-Enzyklopädie bis zum heutigen Tage keine d-sprachigen Inhalte verfügbar, schade eigentlich, der Verdacht bleibt bestehen, dass in D die Naturwissenschaft stets noch in Wissen macht und weniger in Erkenntnis / Scientia – wer will vortreten und die genannte Enzyklopädie endlich d-sprachig ergänzen?)

    MFG
    Dr. Webbaer

  67. FREIER WILLE ist für mich das EndProdukt von “Erkenne DICH selbst” in dieser deiner Welt. Als ehemaliger DDR-Bürger mußte ich erkennen, dass Staat und Medien mir vorschrieben wie ich diese Welt und mich zu sehen habe.Hinter meinem vermeintlichen “ICH” ,also hinter meinem vermeintlichen Freien Willen, stand also ein staatliche gewünschtes Prägungsmodell (Ideologie), eine Methode der Gleichschaltung im Sinne von Wahrung und Umsetzung politischer und wirtschaftlicher Machtinteressen. Seit dem ich mich nun näher mit der Menschheitsgeschichte befasse, erkenne ich überall ähnliche Strukturen: Dass was Menschen als ihren Freien Willen empfinden, ist oft das Ergebnis von Manipulationen und (subtiler)Fremdbestimmung und nicht das Ergebnis ihres eigenen kritischen Denkens. Unterhält man sich z. Bsp. mit Menschen, so kann man schnell erkennen welche Medien sie konsumieren . Viele halten dann das, was sie durch die Gesellschaft (Medien,Parteien,Religionen etc.) suggestiv eingetrichtert bekommen, unkritisch als ihre persönliche Meinung. Daraus resultiert dann ihr angeblich Freier Wille in Form einer vorherigen Manipulation bzw. Fremdbestimmung. Sogesehen laufen viele manipuliert und fremdbestimmt durchs Leben und halten das dann auch noch für ihren “Freien Willen”.

  68. @Fossilium:

    wenn ich Sie richtig verstanden habe, so sehen Sie die Welt als Einheit dadurch an, daß es eine einheitliche, in sich konsistente Beschreibung gibt, sozusagen ein konsistentes Weltmodell, letztlich bestehend aus einem verschränkten Quantenzustand, aus dem alles was existiert und alle Existenzebenen irgendwie hervorgehen, und in denen Wunder deswegen ausgeschlossen sind, weil sie alle durch so etwas wie kausale oder schwache Emergenz miteinander verbunden sind, und auch der freie Wille daher so ein bißchen halbfrei oder ganz frei daraus emergiert ? Hab ich das richtig verstanden ?

    Ich denke schon…

    Dann wäre als Erstes die Frage zu besprechen, ob es eine einheitliche konsistente Weltbeschreibung überhaupt geben kann. Der Philosoph Gabriel bestreitet das in einem Buch („Warum es die Welt nicht gibt“) mit sehr guten Gründen (s. u. „Neuer Realismus“). Danach wären all Ihre Überlegungen schon an der Wurzel falsch.

    Oder die von Herrn Gabriel. Oder sowohl meine als auch die von Herrn Gabriel… 🙂

    Ich hatte Gabriel nur kurz angelesen, erinnern Sie mich nochmal an das Hauptargument? Soweit ich mich erinnere ging das in etwa so: Existieren tut nur, was erkannt wird. Wenn ich nun die Welt erkenne, existiert sie in meinem Kopf, der Kopf ist Teil der Welt und damit die Welt Teil ihrer selbst und das ist widersprüchlich. Ging das so?

    Falls ja, denke ich, dass Gabriel hier die Welt mit einem Bild ihrer selbst verwechselt. Dann könnte man auch argumentieren, dass mein Auto nicht mehr exisitiert, wenn ich drinsitze.

    • Bertrand Russell hat mal diesen Aufsatz verfasst :
      -> http://www.loske.org/html/school/philo/russell.pdf (Vorsicht, PDF, kann browser-abhängig einen sofortigen Download bewirken)

      … der, den gewöhnlichen Tisch meinend, die notwendige Interaktion zwischen erkennendem Subjekt und (angenommenem) Gegenstand beschreibt.
      Auch aus physikalischer Sicht, die Arbeit der Physiklehrer und Physikforscher meinend.

      Direkt zum Konstruktivismus gefunden hat Russell womöglich nicht, aber diese Sacharbeit i.p. Erkennen und Zweifel scheint recht gut herausgearbeitet worden zu sein, wie Dr. W findet.

      MFG
      Dr. Webbaer (der sich erlaubt diesen Widerspruch – ‘Wenn ich nun die Welt erkenne, existiert sie in meinem Kopf, der Kopf ist Teil der Welt und damit die Welt Teil ihrer selbst und das ist widersprüchlich.’ – durch die Forderung nach Neugeburt von Welt aufzulösen – dies ist denkbar und somit möglich, es muss nicht in ungünstiger Rekursion verharrt bleiben)

      • Bonuskommentar hierzu :

        Dann könnte man auch argumentieren, dass mein Auto nicht mehr exis[]tiert, wenn ich drinsitze.

        Aus konstruktivistischer Sicht bedarf die von Erkenntnissubjekten vorgenommene Existenz-Vorstellung fortlaufender Überprüfung, wird so zum Prozess.

    • Die Frage ist wohl, welche Form von Existenz gemeint ist. Wäre die physikalische Existenz gemeint, dann hätte Gabriel trivialerweise recht, aber diese Annahme wäre absurd. Es kann nur eine repräsentative Existenz gemeint sein und dann gibt es keinen Widerspruch. Zu einer Realität sind viele Repräsentationen möglich. Dass wir immer nur Phänomene wahrnehmen können, nicht aber die Dinge-an-sich, gemäß unseren Vermögen in Folge der Evolution, sollte inzwischen selbstverständlich sein.

      Es wäre gerade die Aufgabe des Philosophen, die Begriffe zu klären, statt noch mehr Verwirrung zu stiften, aus populistischen Motiven heraus. Oberflächliche uns aufmerksamkeitsheischende Populärphilosophie hat hierzulande Hochkunjunktur. Cassirers “Philosophie der symbolischen Formen” oder Vaihingers “Fiktionalismus” sind tiefgründiger als die zeitgenössischen TV-Philosophien.

      • Der hier gemeinte Philosoph Gabriel ist dem Schreiber dieser Zeilen mehrfach ganz übel aufgefallen.
        Der hiesige werte Inhaltegeber darf gerne dies notieren und sich keine besondere Gemeinsamkeit zwischen Dr. W und jener Person merken.

  69. Ich bitte besonders Physiker auf die Frage der „spukhaften Fernwirkung“ (der Quantenphysik) im folgenden Gedankenexperiment einzugehen und zu erklären wo allenfalls der mögliche „Denkfehler“ liegt.

    Gedankenübertragung bei Menschen, eine Art von Fernwirkung, kann in der Psychologie mit einer „synchronen, oder getriggerten Musteraktivierung“ beim „Sender“ bzw. „Empfänger“ erklärt werden.

    Bedeutet: Bei 2 oder mehreren Personen sind z.B. bestimmte „Denkmuster“ im Zusammenhang mit einem Sturm “gespeichert”. Tritt nun tatsächlich ein Sturm auf, werden bestimmte Neuronenverbände „getriggert“ und bei beiden (Sender und Empfänger, oder mehreren) Personen, kommen die gleichen Gedanken ins Bewusstsein. Treffen sich später diese Personen und sprechen über den Sturm, so halten sie eine direkte Gedankenübertragung für die Ursache der gleichen Gedanken. Es gab aber aber höchst wahrscheinlich keine Gedankenübertragung. Nur die in mehreren Personen „gespeicherten“ ähnlichen Gedankenmuster wurden von einem äußeren „Muster“ getriggert und aktiviert.

    Übertragen auf die Quantenphysik folgende Annahme: Von der gleichen Quelle stammende „Quanten“ verhalten sich gemäß eines gleichen „zeitabhängigen Musters“ und werden immerzu von einer äußeren gemeinsamen „Kraft“ (z.B. Schwerkraft, Magnetismus ….) „synchron gehalten“. Werden sie gleichzeitig „abgefragt“, kippen sie jeweils in den gleichen Zustand (weil sie eben synchron gehalten werden), egal wie weit sie voneinander entfernt sind.
    Nach der „Abfrage“ ist die Synchronität bei beiden Teilchen gestört und kann nicht wieder hergestellt werden.
    Wirklich „spukhaft“ wäre die Fernwirkung nur, wenn sich eine neue Synchronität der Teilchen einstellen würde, was aber nicht geschehen dürfte.

    In der Psychologie dürften viele Phänomene, wie Telepathie, Vorahnung, Hellseherei, Gedankenlesen, Nahtod- oder Out-of-Body Erfahrungen, … mit der Existenz und der Verarbeitung von im Gehirn neuronal abgebildeter „Muster“ erklärt werden die von „Triggermustern“ aktiviert werden können.
    Aus der Umwelt wahrgenommene „Muster“ gelangen über die Sensorik in das neuronale System, werden in baumartig organisierten neuronalen Strukturen, wie es im Prinzip Eric Kandel beschrieben hat gespeichert und im Sinne der von McCulloch beschriebenen Mechanismen ausgewertet.
    Das Gehirn ist eine Musterverarbeitungsmaschine. Selbst nicht tierische Organismen reagieren auf Inputmuster (z.B. auf Licht/kein Licht).
    Muster sind für mich statische und auch dynamische Strukturen die durch erneutes Auftreten wieder erkannt werden können. Dynamisch bedeutet hier, statische Strukturen verändern sich zeitabhängig.
    Neuronen dürften sich hervorragend dazu eignen Muster abbilden zu können.

  70. @Trice

    »Das ist mit Willensfreiheit jedoch nicht gemeint, sondern nur, dass uns die neuronale Verschaltungsarchitektur des Gehirns nicht festlegt, sie uns nicht determiniert.«

    Ja, und das finde ich ganz merkwürdig. Denn was soll das heißen, „uns nicht festlegt“? Man könnte meinen, es gäbe neben dem neuronalen System noch etwas anderes, ein weiteres System oder was auch immer, eben etwas, das zu einem selbstbestimmten Agieren beitragen kann, ohne die neurophysiologischen Prozesse in Anspruch zu nehmen.

    Da kommt mir wieder die von Heinrich Päs oben ins Feld geführte „Umwelt“ in den Sinn: Das ist so, als könne der Straßenverlauf unter Umgehung des Bordrechners die Lenkbewegungen eines selbstfahrenden Autos steuern.

    »Sie [Schwank und ihr Team] stellten fest, dass die jeweilige Struktur zwar bestimmt, wie die Dinge, die Sachverhalte wahrgenommen werden, dass man aber dahingehend frei ist, sich auch für die Strategie zu entscheiden, die der anderen kognitiven Struktur und deren Art, die Dinge (Probleme) wahrzunehmen und zu erfassen, entspricht – wenn man feststellt, dass diese geeigneter ist.
    Und in diesem Sinne ist man dann auch selbstbestimmt.
    «

    Wobei ich ergänzend hinzufügen möchte, dass die genannte Fähigkeit, sich für eine bestimmte Strategie entscheiden zu können, sicherlich durch die Verschaltungsarchitektur des Gehirns festgelegt ist. Wie sonst könnte das funktionieren?

    (Heinrich Päs entpuppt sich als echter Gewinn für SciLogs, finden Sie nicht auch?)

    • Heinrich Päs entpuppt sich als echter Gewinn für SciLogs, finden Sie nicht auch?

      Nachdem die anderen alle weg oder verstorben sind -ja. Ich trauere immer noch dem Ludwig Trepl nach!

    • @Balanus

      Man könnte meinen, es gäbe neben dem neuronalen System noch etwas anderes, ein weiteres System oder was auch immer, eben etwas, das zu einem selbstbestimmten Agieren beitragen kann, ohne die neurophysiologischen Prozesse in Anspruch zu nehmen.

      Da kommt mir wieder die von Heinrich Päs oben ins Feld geführte „Umwelt“ in den Sinn

      “Umwelt” klingt so nach Recyclingunternehmen. Warum nicht: Gesellschaft, Staat, Interessen anderer Menschen?

      : Das ist so, als könne der Straßenverlauf unter Umgehung des Bordrechners die Lenkbewegungen eines selbstfahrenden Autos steuern.

      Wenn Leitplanken [1] vorhanden sind, geschieht das auch 😉

      [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Schutzplanke

    • @ Kommentatorenkollege ‘Bal’ :

      Wobei ich ergänzend hinzufügen möchte, dass die genannte Fähigkeit, sich für eine bestimmte Strategie entscheiden zu können, sicherlich durch die Verschaltungsarchitektur des Gehirns festgelegt ist. Wie sonst könnte das funktionieren?

      Unentschieden, indeterminiert, diese Möglichkeit ist denkbar und somit möglich.

      Es gibt in Spielen bspw. auch das Nash-Equilibrium zu bedienen, wenn ein Spieler “richtig” gut sein will.
      Also vonnöten.

      Sie denken da zu stringent, Sie haben ja insofern recht, dass die Indeterminiertheit nicht (direkt) gedacht werden kann, es gibt keine mathematisch herstellbaren sozusagen echte Zufallsgeneratoren, abär es ist so, dass Determiniertheit dieser Welt in etwa ein Glaube ist, wie es auch ein Glaube ist an sogenannte außerempirische Akteure zu glauben, oft nicht falsifizierbar, aber doch etwas per se für die anderen.

      Ihnen ist klar, dass in bestimmten Spielen (oder allgemeiner gefasst : in bestimmten Kooperations-Szenarien) probabilistisch vorgegangen werden muss, seitens sozusagen guter Spieler?

      MFG + schönes Wochenende,
      Dr. Webbaer (der auch im Abgang gerne auf die Rolle des Beobachters hinweist, bspw. Zeilinger wurde nie müde diese zu betonen, was bestimmte physikalische Experimente betrifft)

  71. Golzower,
    “Sogesehen laufen viele manipuliert und fremdbestimmt durchs Leben und halten das dann auch noch für ihren “Freien Willen”.
    Sie sprechen da eine unerhörte Wahrheit aus.
    Deswegen gibt es ja Kommunisten, Nazis, Demokraten und alle halten ihre Meinug für die Richtige.

  72. @Jocelyne Lopez

    Ich verstehe nicht warum Sie sich so auf Wolf Singer „einschießen“. Die Erkenntnisse zum freien Willen sind doch nur ein kleiner Teil seiner Forschungsergebnisse.

    Ich liebe auch Hunde, Katzen, Vögel und auch Mäuse.

    Es ist nun einmal so, dass Tiere und das ist ganz natürlich, leiden müssen wenn sie z.B. als Nahrung oder zu „Lehrzwecken“ genutzt werden.
    Viele Tausende Katzenmütter fangen alltäglich junge Mäuse und lehren ihren Jungen wie man jagt. Sie werden wohl wissen wie es im Detail abläuft…

    Katzen fangen Vögel und Vögel fressen Würmer ….

    Früher wurden Katzen Hunden zur Tötung vorgeworfen um Hunde scharf zu machen.

    Es sind vergleichsweise sehr wenige Katzen die zu „Lehrzwecken“ von Menschen genutzt werden.
    Ich finde es auch immer sehr traurig wenn in meinem Garten eine Katze mit einem Vogel im Maul herumläuft.
    Die Natur ist einfach so…

  73. @Elektroniker;
    Der Denkfehler liegt – nach meinem Verständnis – in der Annahme einer Abfrage beider Teilchen. Es wird nur eines der Teilchen abgefragt und das andere Teilchen ist dann “automatisch” im verschränkten und gemessenen bzw. gegenpoligen Zustand. Erst als Folge der Abfrage, der Wechselwirkung mit der Welt, geht die Synchronität oder Verschränkung verloren.

    So wie die Wirkung eines einzelnen Teilchens in einer Gaswolke hat die Verschränkung eines Quants keine nennenswerte Wirkung. Beobachtet man die gesamte Gaswolke, dann ist die Wirkung des einzelnen Teilchens in der Beobachtung schon enthalten!

    • @ Anton Reutlinger: “Erst als Folge der Abfrage, der Wechselwirkung mit der Welt, geht die Synchronität oder Verschränkung verloren.”

      Wieder umgekehrt: infolge der Abfrage erst erweist sich die Synchronität oder Verschränkung.

    • @ Herr Reutlinger :

      Es wird nur eines der Teilchen abgefragt und das andere Teilchen ist dann “automatisch” im verschränkten und gemessenen bzw. gegenpoligen Zustand.

      Hier gerne mal beihelfen, Sie scheinen ja dem interessierten Laien erklären zu können, i.p. sog. Verschränkung :

      Geeignet für die sog. Verschränkung gesplittete Gegenstände werden in unterschiedliche Richtungen versandt, so dass sich bei bestimmter Zustands- oder Eigenschafts-Abfrage des einen Gegenstands der Zustand oder die Eigenschaft des anderen offenbart, die an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit abgefragt wird, nämlich gleich ist.

      Was einerseits auf eine sozusagen echte Verschränkung zurückgeführt werden könnte, so dass die Lokalität konzeptuell an dieser Stelle aufzugeben wäre, so dass ein Gegenstand sozusagen an mehreren Stellen gleichzeitig existieren würde, ODER darauf, dass sog. versteckte Variablen im Spiel sind, die diese Abfragen eben gleich ausfallen lassen.

      Diese Idee mit den versteckten Variablen scheint Dr. Webbaer unwiderlegbar / unfalsifizierbar zu sein, im Extremfall müsste aus seiner Sicht diese Gleichung “dran glauben” :

      -> https://de.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung


      Andere bleiben ebenfalls eingeladen, um dem kleinen, dicken (abär nicht mehr so wie früher!) und verständigen Webbaer hier auszuhelfen.

      MFG + schönen Tag des Herrn noch,
      Dr. Webbaer

  74. @Dietmar Hilsebein

    Moralische Verantwortlichkeit wurde und wird halt immer noch gerne damit begründet, dass (zumindest willentliche) Handlungen im (phänomenalen) Bewusstsein ihren kausalen Ursprung haben. Man muss kein Hirnforscher sein, um das für höchst unwahrscheinlich zu halten.

    Was natürlich die Frage aufwirft, auf welche Weise und in welchem Maße das neuronale Korrelat des Bewusstseins an unseren Handlungen beteiligt ist.

  75. Das Bewusstsein dient zum Erlernen neuer Verhaltensweisen und zur Korrektur alter Verhaltensweisen, die dann später automatisch ablaufen.
    Das Bewusstsein sieht sich selbst beim Denken zu, und überwacht es.
    Eine Gruppe von Gehirnzellen beobachtet eine andere Gruppe von Gehirnzellen.
    Welche Gruppe von Gehirnzellen bin ich selbst?
    Die physikalischen Vorgänge der Selbstbeobachtung könnten auch ohne subjektives Bewusstsein stattfinden, rein als automatische Informationsverarbeitung.
    Das führt zum philosophischen Zombie:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophischer_Zombie

    • “Das Bewusstsein dient zum Erlernen neuer Verhaltensweisen und zur Korrektur alter Verhaltensweisen, die dann später automatisch ablaufen.”

      Tut es das? Im Analog-Vergleich:

      “Das Auto dient dazu, zu blinken und rechts abzubiegen, wenn die Fahrbahn nach rechts verläuft.”

      Ist nicht falsch – sagt aber auch nicht die Wahrheit – dass Autos Fortbewegungsmittel sind, die überall hinfahren können. Ist also Ideologie: das Bewusstsein habe irgendwo und irgendwem zu “dienen”.

      “Das Bewusstsein sieht sich selbst beim Denken zu, und überwacht es.
      Eine Gruppe von Gehirnzellen beobachtet eine andere Gruppe von Gehirnzellen.
      Welche Gruppe von Gehirnzellen bin ich selbst?”
      – mehr noch – offensichtlich sieht das Bewusstsein sich nicht nur beim Denken zu, sondern es sieht sich beim Denken zu und nimmt die Supervision dessen ein, der das Bewusstsein beobachtet, während es sich beim Denken zusieht.

      Und dabei handelt es sich um ihr “Ich” – sprich Ihren Geist: der ist der Beobachter. Beobachten tun nicht die Gehirnzellen, denn die stehen ja selbst unter Beobachtung. Gar nicht so schwer, oder?

  76. Bonuskommentar hierzu :

    Nur der Mensch kann über etwas sprechen, dass es gar nicht gibt [… – Harari]

    Ich finde Hararis These faszinierend, aber ich bezweifle, dass man “Fiktionen” wie Geld, Gesetzen, oder Aktiengesellschaften wirklich die Realität absprechen kann. [der werte hiesige Inhaltegeber, im Kommentariat]

    ‘Nur der Mensch kann über etwas sprechen, dass es [] gibt’ ginge ebenfalls, wobei diese kleine Negation auch etwas über die zitierte Aussage von Harari in der Lage ist auszusagen.
    Soll heißen : Es gibt oder “gibt” genau dann etwas, wenn über dieses Etwas geschrieben oder gesprochen werden kann, den Existenzbegriff [1] pflegend.

    ‘Geld, Gesetze oder Aktiengesellschaften’ sind in etwa so real wie schlichte Dinge wie der Hund oder die Katze, auch diese schlichten Dinge müssen -bedarfsweise : auch mühsam- von Erkenntnissubjekten konstruiert werden, klar, es gibt hier Unterschiede in der Einfachheit, aber streng unterschieden werden muss hier nicht, i.p. Realität oder Sachlichkeit.

    Noch ganz anders sieht es aus, wenn rein abstrakte (“angezogene”) und in der Natur auf keine Art und Weise (direkt) repräsentierte Konzepte, wie bspw. der Liberalismus, der Sozialismus oder die Moral, gemeinsam erörtert werden, auch diese sind real, als Sachen.

    Jedenfalls aus konstruktivistischer Sicht, klar, der Physiklehrer und Physikforscher wird hier sinnhafterweise und seinen Befugnisbereich meinend einzugrenzen suchen.
    Er bleibt aber, aus konstruktivistischer Sicht, hantierend mit Sachen, die erst durch die Auffassung der erkennenden Subjekte sozusagen existent [1] geworden sind.

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Die Existenz meint das Aus-Sich-Heraus-Sein oder das Aus-Sich-Heraus-Stehen von etwas, das aber nur von anderen, von erkennenden Subjekten, zugesprochen werden kann.
    Dies gilt auch für die Welt.

  77. Sorry Elektroniker, Herr Päs hat meine Antwort vom 21. Januar 2018 @ 11:16 auf Ihre Anfrage und Ansprache an mich vom Ihnen vom 20. Januar 2018 kommentarlos und grundlos gelöscht, obwohl es völlig on-topic Antwort über die Hirnforschung von Wolf Singer im Bezug auf Ihre Frage handelte.

    Herr Päs erwähnt selbst die Forschung von Wolf Singer in seinem Artikel, und lässt auch Kommentare über Wolf Singer zu, jedoch hat Herr Päs nun mal ein ganz besonderes Verhältnis zur Zensur… Das wissen alle, die schon an seinen Physik-Blogs teilgenommen hat. Herr Päs löscht alles wild, was in seinen eigenen Konzepten und Theorien nicht passt… 😉

    Nur als Information für Sie, Elektroniker, nicht dass Sie glauben, ich hätte Ihre Fragen ignoriert und würde zu meinen eigenen Einstellungen nicht stehen.

  78. @Balanus: Willensfreiheit

    Vorweg: Ja, da stimme ich Ihnen sehr gern zu: Herr Päs und sein Blog sind wirklich ein Gewinn für scilogs. Jetzt fehlt mir nur noch ein Kognitionswissenschaftler, am besten natürlich ein Psychologe, 😉 denn …

    Man könnte meinen, es gäbe neben dem neuronalen System noch etwas anderes, ein weiteres System oder was auch immer, eben etwas, das zu einem selbstbestimmten Agieren beitragen kann, ohne die neurophysiologischen Prozesse in Anspruch zu nehmen.

    …so etwas gibt es ja auch, sowohl auf biologischer Ebene: Gliazellen (an die ich übrigens gedacht hatte, als ich nebenan bei Stephan Schleim schrieb, manchmal entpuppt sich etwas als noch etwas ganz anderes, als man bis dahin gemeint hat), und auf psychologischer : die Repräsentationsebene.
    Nun gut, die ‘Kommunikation’ von Gliazellen untereinander könnte man den neurophysiologischen Prozessen zurechnen, andererseits spricht einiges dafür, dass sie die biologische Basis (nicht: das neuronale Korrelat) unseres Bewusstseins sind, also ein System bilden, das nicht der neuronalen Verschaltungsarchitektur zugerechnet werden kann. Und zudem: auch die Verschaltungsarchitektur ist nicht starr – es werden neue Zellen gebildet, neue Verbindungen angelegt, alte, die kaum benutzt werden, abgebaut, usw. Und auch dies nicht willkürlich und beliebig, sondern im interaktiven Austausch mit den Systemen Bewusstsein und Repräsentationsebene.

    Für die Repräsentationsebene gilt, was Howard Gardner* beschrieb:
    “Der Neurowissenschaftler mag sich der Ebene der Nervenzellen zuwenden, der Historiker oder Anthropologe den kulturellen Einflüssen, der normale Mensch oder der Schriftsteller den Erfahrungen oder Phänomenen. Der Kognitionswissenschaftler zweifelt nicht daran, daß diese Ebenen für bestimmte Zwecke nützlich sein mögen, seine eigene Disziplin aber fußt auf der Annahme, daß für wissenschaftliche Zwecke das kognitive Handeln des Menschen in Begriffen wie Symbol, Schema, Vorstellung, Idee und anderen Formen mentaler Repräsentation beschrieben werden muß.” Z. B. das Gedächtnis bzw. die Repräsentationen dessen, was wir als Wissen in Form von Wissenseinheiten angelegt haben.

    Was die Umwelt betrifft, wurde ja oben schon auf den (Radikalen) Konstruktivismus hingewiesen, der behauptet, dass wir Wissen nicht passiv aufnehmen, sondern aktiv am Aufbau beteiligt sind. Es ist also nicht nur die Umwelt, die unter Umgehung unseres Gehirns unser Verhalten determiniert, sondern wir reagieren und interagieren mit unserer Umwelt.

    Wobei ich ergänzend hinzufügen möchte, dass die genannte Fähigkeit, sich für eine bestimmte Strategie entscheiden zu können, sicherlich durch die Verschaltungsarchitektur des Gehirns festgelegt ist. Wie sonst könnte das funktionieren?

    Strategien sind aber doch Verhaltensweisen, die zwar sehr stabil sein, aber gewechselt werden können, wenn sie sich als ungeeignet herausstellen. Deshalb gibt es eben nicht nur die neuronale Verschaltungsarchitektur, sondern auch die beiden anderen Systeme, die uns eine größere Unabhängigkeit und Flexibilität beim Handeln ermöglichen. Und eine Verhaltensweise ist etwas fundamental anderes, als die Basis, auf der sie ‘abläuft’. Man kann auf ein und derselben Struktur sehr unterschiedliche Bewegungen / Abläufe ausführen, ohne dass sich die Struktur deshalb jedes Mal ändern muss.

    * Howard Gardner (1989): Dem Denken auf der Spur: der Weg der Kognitionswissenschaft. Stuttgart: Klett Cotta, S.50

  79. Mittlerweile ist hier ja einiges an (auch interessanten) Kommentaren aufgelaufen – z.B. Elektroniker gestern um 18:32 .. die in mehreren Personen „gespeicherten“ ähnlichen Gedankenmuster wurden von einem äußeren „Muster“ getriggert und aktiviert. Ich bitte um Nachsicht dass mein post extrem lang ist.

    Der Begriff des freien Willens ist mit dem des Determinismus, und dieser wiederum mit Ursache & Wirkung verknüpft. Und U. & W. wiederum mit dem des Zufalls. Bzw. alle vier hängen miteinander zusammen. Wenn man etwas zu einem sagen will, kommt man nicht umhin auch die anderen mit einzuführen.

    Es gibt es, meine ich, _weitaus_ mehr Determinismus als freien Willen und Zufälle. Determinismus eben auch i.S.v. Ursache & Wirkung. Derart, dass man Ursachen (Handlungen, Ereignisse) in der Regel, d.h. sehr überwiegend (überspitzt formuliert zu 99%) nicht ungeschehen machen kann. Und damit eben auch nicht die entsprechende Wirkung. Allerdings kann man sie, wenn sie noch nicht eingetreten ist, “modifizieren“. Vorausgesetzt natürlich man will das bzw. weiß, dass man es möglich ist – und was (höchstwahrscheinlich) die Wirkung sein wird. Aber selbst wenn die W. eingetreten ist, kann man aus ihr (ja noch) etwas lernen und sich bemühen, Wiederholungen zu vermeiden. Was mit Willen/Absicht — Vermögen, Kraft/Ausdauer (auch Zeit) dafür — zu tun hat.

    Zufälle sind, m.A.n., Ereignisse, deren Ursache (Zusammenhänge) wir nicht kennen/wissen. Schon weil es _sehr_ kompliziert sein kann. Z.B. dass Ereignisse _mehrere_ Ursachen haben. Oder auch weil die Ursache/der Zusammenhang zeitlich _sehr_ weit zurückliegt. Und manches, was durchaus eine Ursache hat, kann man auch vernachlässigen (d.h. als Zufall bezeichnen), da es nicht so wichtig ist.

    Am 17.1. schrieb ich: Der Mensch kann was er will – wenn er will was er kann [..] “Wenn er will was er kann” impliziert, dass man mehr kann als man für möglich hält. Allerdings ist es sehr schwer sich von seinen Determinierungen [kann man auch Gewohnheiten, Prägungen, Vererbungen, Ansichten, Schicksal (Karma) nennen] zu lösen. *Mehr vermögen als man für möglich hält* (= das Potenzial ist vorhanden) ist eben der freie Wille. Allerdings, wie gesagt, _sehr_ mühsam (oft auch unbequem).

    Herr Päs vorgestern 12:00 (high noon🙂 ): .. dass Sie hier einen kostenlosen Service, der von mir unentgeltlich bereit gestellt wird, nutzen .. Um ihn, gewissermaßen, etwas zu entlasten 🙂 und da er vorgestern um 14:28 schrieb Was Carroll angeht: Ich bin mir nicht sicher, welchen Standpunkt er zum Thema Willensfreiheit einnimmt, unten folgend Abschnitt 44 ( Freedom to Choose, S. 378-84) dazu aus Carrolls Buch *The Big Picture* (Dutton May 2016).

    Ich hoffe, dass man diese Menge hier im Format unterbringen kann. _Und_ ja auch noch etwas von Y.H. Harari zu dem Thema. Aus seinem Buch *Homo Deus* (2016) aus dem Abschnitt *The Time Bomb in the Laboratory*. Die Links zu den Anm. habe ich mit dargestellt, da sie ja dazugehören (ich hoffe die Technik kann das alles verarbeiten).

    Erwähnen möchte ich noch, dass Carroll und Harari natürlich nicht “der Weisheit letzter Schluss“ sind. Wozu, in einem gewissen Sinn, auch dieser Artikel passt: http://www.sciencemag.org/news/2017/12/lower-your-social-class-wiser-you-are-suggests-new-study. Nicht uninteressant — in diesem Zusammenhang (z.B. wegen “.. the voices in your head ..“ im Text von Harari) — ist auch Julian Jaynes‘ *Der Ursprung des Bewusstseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche*.

    ********** Carroll **********

    Freedom to Choose

    Once we see how mental states can exert physical effects, it’s irresistible to ask, “Who is in charge of those mental states?” Am I, my emergent self, actually making choices? Or am I simply a puppet, pulled and pushed as my atoms jostle amongst themselves according to the laws of physics? Do I, at the end of the day, have free will?

    There’s a sense in which you do have free will. There’s also a sense in which you don’t. Which sense is the “right” one is an issue you’re welcome to decide for yourself (if you think you have the ability to make decisions)….

    ********** Harari ***********

    The Time Bomb in the Laboratory

    Attributing free will to humans is not an ethical judgement – it purports to be a factual description of the world. Although this so-called factual description might have made sense back in the days of Locke, Rousseau and Thomas Jefferson, it does not sit well with the latest findings of the life sciences. The contradiction between free will and contemporary science is the elephant in the laboratory, whom many prefer not to see as they peer into their microscopes and fMRI scanners. 1

    You may counter-argue that the ability to silence or enhance the voices in your head will actually strengthen rather than undermine your free will. Presently, you often fail to realise your most cherished and authentic desires due to external distractions. With the help of the attention helmet and similar devices, you could more easily silence the alien voices of priests, spin doctors, advertisers and neighbours, and focus on what you want. However, as we will shortly see, the notion that you have a single self and that you could therefore distinguish your authentic desires from alien voices is
    just another liberal myth, debunked by the latest scientific research.

    1. For a detailed discussion see Michael S. Gazzaniga, Who’s in Charge?: Free Will and the Science of the Brain (New York: Ecco, 2011).
    2. Chun Siong Soon et al., ‘Unconscious Determinants of Free Decisions in the Human Brain’, Nature Neuroscience 11:5 (2008), 543–5. See also Daniel Wegner, The Illusion of Conscious Will (Cambridge, MA: MIT Press, 2002); Benjamin Libet, ‘Unconscious Cerebral Initiative and the Role of Conscious Will in Voluntary Action’, Behavioral and Brain Sciences 8 (1985), 529–66.
    3. Sanjiv K. Talwar et al., ‘Rat Navigation Guided by Remote Control’, Nature 417:6884 (2002), 37–8; Ben Harder, ‘Scientists “Drive” Rats by Remote Control’, National Geographic, 1 May 2012, accessed 22 December 2014, https://news.nationalgeographic.com/news/2002/05/0501_020501_roborats.html ; Tom Clarke, ‘Here Come the Ratbots: Desire Drives Remote-Controlled Rodents’, Nature, 2 May 2002, accessed 22 December 2014, http://www.nature.com/news/1998/020429/full/news020429-9.html; Duncan Graham-Rowe, ‘“Robo-rat” Controlled by Brain Electrodes’, New Scientist, 1 May 2002, accessed 22 December 2014, https://www.newscientist.com/article/dn2237-robo-rat-controlled-by-brain-electrodes/.
    4. http://fusion.net/story/204316/dar pa-is-implanting-chips-in-soldiers-brains/; http://www.theverge.com/2014/5/28/5758018/darpateams-begin-work-on-tiny-brain-implant-to-treat-ptsd.
    5. Smadar Reisfeld, ‘Outside of the Cuckoo’s Nest’, Haaretz, 6 March 2015.
    6. Dan Hurley, ‘US Military Leads Quest for Futuristic Ways to Boost IQ’, Newsweek, 5 March 2014,
    http://www.newsweek.com/2014/03/14/us-military-leads-quest-futuristic-ways-boost-iq-247945.html, accessed 9 January 2015; Human Effectiveness Directorate, http://www.wpafb.af.mil/afrl/rh/index.asp; R. Andy McKinley et al., ‘Acceleration of Image Analyst Training with Transcranial Direct Current Stimulation’, Behavioral Neuroscience 127:6 (2013), 936–46; Jeremy T. Nelson et al., ‘Enhancing Vigilance in Operators with Prefrontal Cortex Transcranial Direct Current Stimulation (TDCS)’, NeuroImage 85 (2014), 909–17; Melissa Scheldrup et al., ‘Transcranial Direct Current Stimulation Facilitates Cognitive Multi-Task Performance Differentially Depending on Anode Location and Subtask’, Frontiers in Human Neuroscience 8 (2014); Oliver Burkeman, ‘Can I Increase my Brain Power?’, Guardian, 4 January 2014, https://www.theguardian.com/science/2014/jan/04/can-i-increase-my-brain-power, accessed 9 January 2016; Heather Kelly, ‘Wearable Tech to Hack Your Brain’, CNN, 23 October 2014, http://www.cnn.com/2014/10/22/tech/innovation/brain-stimulation-tech/, accessed 9 January 2016.
    7. Sally Adee, ‘Zap Your Brain into the Zone: Fast Track to Pure Focus’, New Scientist, 6 February 2012, accessed 22 December 2014, http://www.newscientist.com/article/mg21328501.600-zap-your-brain-into-the-zone-fast-track-to-pure-focus.html. See also: R. Douglas Fields, ‘Amping Up Brain Function: Transcranial Stimulation Shows Promise in Speeding Up Learning’, Scientific American, 25 November 2011, accessed 22 December 2014, http://www.scientificamerican.com/article/amping-up-brain-function.
    8. Sally Adee, ‘How Electrical Brain Stimulation Can Change the Way We Think’, The Week, 30 March 2012, accessed 22 December 2014, http://theweek.com/article/index/226196/how-electrical-brain-stimulation-can-change-the-way-we-think/2.

  80. Markus Termin,
    Zustimmung, unser Bewußtsein ist autonom und muss es bleiben.
    Wer versucht, unser Bewußtsein zu determinieren, der will die totalitären Kontrolle
    Unser Grundgesetz spricht doch in dieser Hinsicht eine klare Sprache.

    • Sie bringen die bemerkenswerte Perspektive von Handlungs-abhängigen Begriffen in den Diskurs ein. “Determinismus” nicht als Grundtatsache, die es zu erkennen oder zu verwerfen gölte (ist das Deutsch?), sondern etwas, das durch einen bestimmten Vorgang – der aber immer ansteht und sich gewissermaßen bricht, wie die Welle am Meer – erst entscheidet oder eben auch von uns verhindert werden kann? Also: wir entscheiden erst, ob die Welt deterministisch ist, oder nicht?! Guter Gedanke!

  81. @ Axel Krüger: “Der Begriff des freien Willens ist mit dem des Determinismus, und dieser wiederum mit Ursache & Wirkung verknüpft. Und U. & W. wiederum mit dem des Zufalls. Bzw. alle vier hängen miteinander zusammen. Wenn man etwas zu einem sagen will, kommt man nicht umhin auch die anderen mit einzuführen.”

    “Zufälle sind, m.A.n., Ereignisse, deren Ursache (Zusammenhänge) wir nicht kennen/wissen.”

    Diese Aussage geht davon aus, dass es eigentlich keinen Zufall gibt, ist also ein Determinismus.

    “Schon weil es _sehr_ kompliziert sein kann. Z.B. dass Ereignisse _mehrere_ Ursachen haben.”

    Alle Ereignisse haben mehrere Ursachen.

    “Oder auch weil die Ursache/der Zusammenhang zeitlich _sehr_ weit zurückliegt. Und manches, was durchaus eine Ursache hat, kann man auch vernachlässigen (d.h. als Zufall bezeichnen), da es nicht so wichtig ist.”

    Gilt ebenso für prinzipiell jeden Vorgang: wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht und Geld will, liegt die Ursache für sein Begehr schon weit zurück. Trotzdem hat er die Möglichkeit nach Geld zu fragen, weil er jüngst vor der Haustür stand und klingelte. Das ist nicht die Ursache für seine Handlung, aber durchaus Ursache für die Tatsache, dass er jetzt im Zimmer steht: summa summarum – wieder beschreiben Sie etwas, was für jede Ursache/Folge Überlegung zutrifft.

    Wenn es zutrifft, was Sie oben über die Bedingtheit der vier Begriffe: Determinismus, Freier Wille, Usache/Wirkung und Zufall gesagt haben (was ich interessant finde), wäre meines Erachtens zunächst zu klären: was ist Zufall? – denn dieser Begriff scheint mir der am wenigsten bekannte/durchdachte zu sein. Sicher sind wir uns darin einig, dass man ohne sauber definierte Begriffe kein Ergebnis in der Fragestellung erwarten kann?

    • @ Markus Termin – gestern – 19:19

      Alle Ereignisse haben mehrere Ursachen.

      Ja – schon. Derart, dass eine Wirkung wieder zu einer Ursache wird .. Und, “btw“, eine erste Ursache nicht zu erkennen ist — es sei dann man glaubt daran (od. postuliert eine solche). Etwa derart, dass der Urknall der Beginn (“die erste Ursache“) von Zeit und Raum war. Was aber ja, nicht unsinnvollerweise, (z.B.) endlosem philosophieren — statt realistisch reagieren/agieren — ein Ende setzt. Philosophieren wiederum – i. S.v. denken – ist jedoch unverzichtbar (ein lebendiger Mensch muss denken).

      Bei *mehreren Ursachen* dachte ich mehr an horizontal denn vertikal auftretende. Horizontal i.S.v. “gleichzeitig“ zusammenkommend (“Hyperfläche“ https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/ae/World_line-de.svg/500px-World_line-de.svg.png). Und vertikal als prozessual aufeinanderfolgend (Wirkung wird zur Ursache, die Wirkung erzeugt, die wiederum zur Ursache wird – usw. usf.).

      Zitat (von mir): “Zufälle sind, m.A.n., Ereignisse, deren Ursache (Zusammenhänge) wir nicht kennen/wissen”

      und Ihre Aussage dazu:

      Diese Aussage geht davon aus, dass es eigentlich keinen Zufall gibt, ist also ein Determinismus.

      Ja – “eigtl.“ schon (bzw. uneigentlich). Mit dem quantenphysikalischen Begriff des Zufalls habe ich Schwierigkeiten. Vereinfacht (reduktionistisch) formuliert, dass auch die (Realität der) Quantenphysik eine Ursache hat. Und diese Ursache, auch wieder eine – ein Anfang, wie gesagt, (letztendlich od. uranfänglich) nicht zu erkennen ist. Das Forschen danach aber _sehr_ ehrenwert ist. Und verständlich. Und ja auch Fortschritt gebracht hat.

      Zu Ursachen (also Wirkungen) zähle ich durchaus auch “planetarische“ Einflüsse. Kraftfelder – sagen Physiker. Jede Sekunde, heißt es, fliegen Milliarden Neutrinos durch unseren Körper, ohne dass wir davon etwas merken. Also auch wenn wir davon nicht direkt etwas spüren, denke ich doch dass das nicht “spurlos“ an uns vorüber geht ;). _Ohne_ dass ich damit nun aber einer Neutrino-Astrologie (od. Psychologie) das Wort reden/die Stange halten will.

      Sich darauf zu verlassen (“Astrologie“) – od. gar abhängig zu machen/leiten zu lassen – halte (jedenfalls) ich für verfehlt (eine Be-/Einschränkung des freien Willens). Bei allem Respekt vor dem aufrichtigen Bemühen zu verstehen “wie die Dinge wirklich sind“ (auch i.S.v. um Anderen zu helfen). Bzw. was man — im Vorfeld (im astrologischen Sinne) — gegen “unangenehme“ Ereignisse tun kann. Letztendlich “muss“ man jedoch selber handeln/entscheiden – ist man für sein “Schicksal“ selber verantwortlich. Dass man in diesem Verhalten beeinflusst (determiniert) wird – auch von sog. Zufällen – ist nun Mal (“von Natur aus“) so.

      • Klar, ich habe Sie schon vertikal verstanden – aber auch da – meine ich – hat ein Ereignis immer mehrere Ursachen. Denken Sie sich nur so einfache Ereignisse, wie: der Apfel fällt vom Baum: eine Bewegung, eine zeitliche Veränderung (in bewegten Objekten geht die Zeit infinitesimal langsamer (wie gesagt wird) – Ursache des Fallens mag ebenso der Schüttler sein, der den Baum rüttelt, wie die Schwerkraft, die den Apfel zieht. Das sind schon mal 2 Ursachen.

        Ihr Ignorabimus bezüglich des quantenphysikalischen Zufallsbegriffs fällt zu früh. Die Aussage ist doch – sogar universell gültig: dass der Zufall kein Zufall ist, sondern eine Regel. Soweit die physikalische Erkenntnis: Zufall und Regel geben sich die Hand – die Spinnrichtung ist immer harmonisch bei den Paaren, aber auch immer zufällig – und man kann beweisen, dass sie nicht vorab feststeht, sondern sich erst bildet, nachdem die Photonen den Polarisationsfilter verlassen haben. Zufall und Regeln bedingen offenbar einander: betrachten wir das Experiment als raffinierteste Idee, die inneren Konflikte der Seele in einer (unter Umständen technischen) Metapher zu bündeln, taucht die scheinbar unüberwindbare Erkenntnisschranke als Hindernis in der Entwicklung auf, das wir vor uns selbst aufgestellt haben: es macht keinen Sinn, diesem Selbstkonstrukt auszuweichen.

        “Etwa derart, dass der Urknall der Beginn (“die erste Ursache“) von Zeit und Raum war. Was aber ja, nicht unsinnvollerweise, (z.B.) endlosem philosophieren — statt realistisch reagieren/agieren — ein Ende setzt.”

        Nun, wie gesagt, ein wenig weiter hätte man schon philosophieren können. Das Problem des gesetzten Irrationalismus am Anfang – creatio ex nihilo, Ort außerhalb der Naturgesetzlichkeit, die Dualität aus der Einheit – also das Jing/Jang-Ding, Singularität, etc. ist die “Unterhöhlung” des Vernunftbegriffs überhaupt. Es gibt keinen Zoo des praktischen Denkens im Laufstall des Irrationalismus – akzeptiert man solche letztlich metaphysischen Setzungen, wie “Urknall”, weil man glaubt, die Möglichkeit zur Erkenntnis am Ende des Freundschaftsbändchens mit der Realität mittels eines Streichholzes verschmelzen zu können – etwas bildlich gesprochen – dann hat man sich auch an den Irrationalismus gefesselt und das Verhältnis der Erkenntnis, die möglich wäre, steht zur aktuellen Wirklichkeit wie ein Festmahl zur einem Blatt Löwenzahn ohne Salz.

        Edler sind also offene Fragen, als irrationale Lösungen. Wenn man´s nicht weiss, hält man die Frage offen. Das gilt auch für die Frage nach der Realität und dem Bewusstsein, um die es hier zentral geht. Ich habe noch keinen Materialisten getroffen, dem die Problematik, was es bedeutet, seinen eigenen Geist das Bewusstsein beobachten zu lassen, als Prioritäts-Recht des Geistes vor jeglicher Beobachtung einsichtig gewesen wäre – alle gehen stillschweigend von der Annahme aus, das der Geist nur irgendwie auf materielle/biologische Vorgänge reagieren würde, während umgekehrt der Geist sich dieser Werkzeuge jeweils in seinem Sinn bedient, denn er war zuerst da und diese Reihenfolge kann auch nicht durch ein Gedankenexperiment umgedreht werden, zum Beispiel. Auch “Begriffe” sind ja schon da, wenn wir auf die Welt kommen, wir haben keinen davon geschaffen. Abwandlungen entstehen, Akronyme – aber ich glaube nicht, dass die haltbar sind.

        Interessante Gedanken zu meinem Beruf, aber hier nicht topic.

  82. Hallo Her Päs,

    es ist nicht so einfach zu erkennen, daß Sie in Ihrem Betrag bei allen Themen aus einem in sich geschlossenen Weltbild heraus argumentieren, Sie greifen ja einzelne Fragestellungen für sich genommen heraus, und beleuchten diese aber zielgerichtet, sodaß Ihr Weltbild am Ende doch erkennbar ist. Sie kommen nicht umhin, sich damit einer philosophischen Kritik zu stellen.

    Herr Gabriel behauptet, daß es “die Welt” nicht gibt, weil wir, wenn wir von der Welt und dem Universum sprechen, immer nur von “Erscheinungen in Sinnfeldern” sprechen können. Ein maximales Sinnfeld, das alles umfaßt, z.B. das Universum als Ganzes, kann es aus guten Gründen nicht geben. Herr Gabriel beweist dies über eine Analyse des Existenzbegriffs, dem er den Eigenschaftscharakter abspricht. Die Begründung seiner These erfolgt im Rahmen der Analytischen Philosophie, sie ist schlüssig und logisch und in sich konsistent. Es mehren sich auch immer mehr Stimmen, die ihm Recht geben (Neuer Realismus). Mit konstruktivistischen Ideen hat die These von Herrn Gabriel nichts, aber auch garnichts zu tun ! Es ist eher eine Sprachanalyse, die eine epistemische Beschränktheit auf Grund nicht möglicher Begriffsbildungen nachweist. Ich bin ehrlich gesagt aber auch nicht in der Lage, die philosophische Gedankenführung genau nachzuzeichnen.

    Man kann Ihr Weltmodell dagegen, nach dem das Universum ein verschränkter Quantenzustand darstellt, der den Grundzustand aller Teile des Universums darstellt, aus dem dann alles entsteht, was dann auch nach bekannten oder noch nicht bekannten Gesetzmäßigkeiten (also ohne Wunder) miteinander interagiert – man kann dieses Weltmodell sehr leicht kritisieren. Es scheitert sogar gleich aus mehreren Gründen:

    1. Wenn Sie behaupten, das Universum sei einem solchen oder solchen Zustand, dann nehmen Sie eine Metaposition außerhalb des Universums ein, eine Position, die nicht existiert. Wenn Sie dies nicht glauben, und sich z.B. gedanklich außerhalb des Universums stellen, dann sagen Sie uns bitte, wie denn der Rand des Universums aussieht, und wie die die Umgebung beschaffen ist, in die es sich ausdehnt, d.h. ob der Quantenzustand auf das Universum beschränkt ist, oder alles, also auch Sie als Beobachter, umfaßt, der dann keine Metaposition mehr einnimmt, usw. usw. Sie verwickeln sich mit einer Beschreibung des Universums als Ganzes sehr schnell in unauflösbare Widersprüche. In der Physik dürfen Sie das Universum als Ganzes betrachten, da geht es ja ums Praktische, aber nicht in einem philosophischen Diskurs.

    2. Bekanntermaßen wird ein verschränkter Quantenzustand, der sich ja im Labor herstellen läßt, als solcher nicht durch seine Teile bestimmt. Er selbst bestimmt wiederum die Teile, in die er zerfällt, nicht vollständig. Wie haben die einzelnen Teile des Universums dann ihre Eigenschaften erhalten, wenn sie diese vom Quantenzustand nicht bekommen konnten. Sie haben hier doch genau die starke Emergenz vorliegen, deren Existenz Sie abstreiten. Alles was im Universum entstanden ist, muß seine Eigenschaften ja auf wundersame Weise angenommen haben, jedenfalls nicht auf kausale Weise, wenn es aus einem verschränkten Quantenzustand hervorgegangen ist. Bei jedem Zerfall eines verschränkten Systems entstehen auf nicht-kausale Weise Eigenschaften gem. starker Emergenz, auch im Labor ! Es ist also auch schon von daher nicht richtig, wenn Sie die Existenz starker Emergenz grundsätzlich nicht nur in Ihrem Weltmodell, sondern auch in der physikalischen Praxis rundweg abstreiten – oder soll die Korrelation zwischen verschränkten Teilchen kausal verursacht sein ?

    3. Ein quantenmechanischer Zustand mit einer Vielzahl von Teilen ist nach der Theorie zudem nichts Reales, es sei denn man erklärt viele Welten für real (dann wäre Ihr Weltmodell nicht vollständig) oder führt versteckte Variablen ein (was ich nicht glaube, daß Sie das wollen). Ein solcher Zustand ist ja physikalisch ein Element in einem vieldimensionalen Konfigurationsraum, nur für nicht wechselwirkende Einzelteile stimmt dieser Raum mit dem 3-dimensionalen Raum überein. Nach Ihrem Weltmodell befindet sich das Universum in einem höchstdimensionalen Konfigurationsraum, statt im 3-dimensionalen Raum, bzw. wir da herausgefallen, und haben wie durch ein Wunder unsere Eigenschaften erhalten, und können trotzdem das Universum als raumzeitliches Gebilde beobachten und erforschen ? Also, ich frage mich, wie das logisch und konsistent vonstatten gehen soll.

    4. Sie haben sich an einer Definition des Begriffs „Realität“ vorbeigedrückt, was erlaubt ist, und Herr Gabriel auch macht: Sie befassen sich nur mit Beschreibungen der Welt außerhalb von uns, und stellen da fest, daß es da verschiedene Beschreibungsebenen gibt. Dem kann ich auch folgen, aber dann gibt es eine untere Beschreibungsebene, ja und was befindet sich da nach Ihrem Weltmodell ? Wenn ich schon eine Hirarchie aufbaue, dann gibt es aus logischen Gründen eigentlich gar kein Fundament, weil unter jedes Fundament ja noch ein tieferens Fundament gelegt werden kann, es sei denn ich nehme am Ende eins, was ich ad hoc nicht mehr hinterfragen lasse. Also in Ihrem Weltmodell müssen Sie, wenn Sie so eine Hirarchie einführen, irgendwann zum verbotenen Instrument der Willkür greifen, und das bringt ihre gesamte vorgängige Argumentation zum Einsturz.

    Ich hab jetzt nur mal auf die Schnelle ein paar kritische Bemerkungen vorgebracht, auf Einzelheiten wird ja schon von anderen eingegangen. Aber ich frage mich natürlich, wie Sie mit Ihrem Weltmodell auf dem Markt der Weltmodelle bestehen wollen. Das Weltmodell von Gabriel weist alle die obigen Fehler nicht auf: es postuliert keinen Quantenzustand, braucht keine Emergenz, braucht keine Hirarchie – es hat genau die Konsistenz, die Sie von einem Weltmodell fordern. Es verkauft sich folglich viel besser, s. Neuer Realismus. Ihr Modell wird wohl als exotisches Sonderexemplar ein Ladenhüter bleiben.

    Grüße
    Fossilium

    • @ Fosslilum
      Bei offenen System bleibt zumindest immer gerade die letzte Frage offen. So sehr wir uns in geschlossenen Systemen, mit Erklärungen,Vorhersagen und Vorausschauen, wohlzufühlen scheinen: auch Phantasie/Fiktion ist im grossen Ganzen real. Vertreiben wir uns halt weiter die Zeit.

    • @Fossilium:

      Ein maximales Sinnfeld, das alles umfaßt, z.B. das Universum als Ganzes, kann es aus guten Gründen nicht geben.

      Aber was sind denn nun diese guten Gründe? Wenn ich mich recht erinnere kramt Gabriel hier ein Argument aus der Mottenkiste, das sich schon die mittelalterlichen Philosophen bei ihren Gottesbeweisen um die Ohren gehauen haben, nämlich die Frage nach der “Menge aller Mengen”, die später dann Betrand Russell in die Bredouille brachte.
      Aber, es kann ja sein, dass ich Gabriel hier falsch verstehe, beweist Gabriel dann nicht auch, dass mein Auto nicht mehr existiert, wenn ich drin sitze?

      dann sagen Sie uns bitte, wie denn der Rand des Universums aussieht, und wie die die Umgebung beschaffen ist, in die es sich ausdehnt

      Das beruht auf einem Missverständnis der kosmischen Expansion. Die Raumzeit selbst dehnt sich aus.

      Bei jedem Zerfall eines verschränkten Systems entstehen auf nicht-kausale Weise Eigenschaften gem. starker Emergenz, auch im Labor !

      Das ist falsch. Dafür muss man Quantenmechanik und insbesonder Dekohärenz verstehen. Dazu komme ich später mal.

      Ein quantenmechanischer Zustand mit einer Vielzahl von Teilen ist nach der Theorie zudem nichts Reales, es sei denn man erklärt viele Welten für real (dann wäre Ihr Weltmodell nicht vollständig)

      Tatsächlich halte ich viele Welten für real, aber alle gehen im verschränkten Quantenuniversum auf.

      Wenn ich schon eine Hirarchie aufbaue, dann gibt es aus logischen Gründen eigentlich gar kein Fundament

      Dem kann ich nicht folgen.

      Das Weltmodell von Gabriel weist alle die obigen Fehler nicht auf: es postuliert keinen Quantenzustand, braucht keine Emergenz, braucht keine Hirarchie – es hat genau die Konsistenz, die Sie von einem Weltmodell fordern. Es verkauft sich folglich viel besser, s. Neuer Realismus. Ihr Modell wird wohl als exotisches Sonderexemplar ein Ladenhüter bleiben.

      Heißen Sie zufällig Gabriel?

  83. Zitat Elektroniker 20. Januar 2018 @ 19:15

    @Jocelyne Lopez
    Ich verstehe nicht warum Sie sich so auf Wolf Singer „einschießen“. Die Erkenntnisse zum freien Willen sind doch nur ein kleiner Teil seiner Forschungsergebnisse.“

    Meine gestrige Antwort auf Ihre Ansprache wurde willkürlich von Herrn Päs gelöscht, jedoch habe ich die Gelegenheit heute im Nachbarblog von Gunter Dueck darauf einzugehen: https://scilogs.spektrum.de/wild-dueck-blog/die-spekulative-bio-neuro-einkleidung-von-philosophien-und-fantasien/#comment-9230

  84. @Balanus: Nachtrag zu:

    Wobei ich ergänzend hinzufügen möchte, dass die genannte Fähigkeit, sich für eine bestimmte Strategie entscheiden zu können, sicherlich durch die Verschaltungsarchitektur des Gehirns festgelegt ist. Wie sonst könnte das funktionieren?

    Ich meine, hier liegt ein grundsätzliches Missverständnis-Problem vor. Wenn ich Sie richtig verstehe, gehen Sie von einer Art Verursachung aus, die dem bisherigen Verständnis von Kausalität entspricht: Strategie, Denken, freier Wille usw. sind durch die Verschaltungsarchitektur mehr oder weniger festgelegt, von ihr verursacht.

    Ich sehe das hingegen unter dem Aspekt, den Luhmann ins Spiel gebracht hat: der internen Kommunikation. Luhmann bezog sich zwar auf soziologische Systeme, meinte aber, dass es möglich sei, dies auch auf biologische (physikalische?) Systeme anwenden zu können. Unter diesem Aspekt kommunizieren Neurone mittel Feedback- und Feedforward-Verbindungen miteinander, und als Wirkung einer gelungenen Kommunikation (ablesbar am synchronen Schwingen der beteiligten Neurone) resultiert (emergiert) daraus ein Produkt. Das ist, im Falle sich die Kommunikation nur auf miteinander interagierende Neurone beschränkt, noch nicht Strategie. An der Produktion dieses Produktes müssen dann – per ‘Kommunikation’ – noch die beiden anderen Systeme, Bewusstsein und Repräsentationsebene, beteiligt sein.

  85. Hallo Herr Päs,

    ich heiße nicht Gabriel.

    Ich schreibe unter einem Pseudonym, damit beim Leser nur der geschriebene Inhalt und nicht die schreibende Person eine Rolle spielt.
    Das ist sonst nicht der Fall.

    Nur als Anmerkung: wenn Sie nicht auf den Rand des Universums gucken können, können Sie dieses als Ganzes (Weltmodell) auch nicht beschreiben. Da hinkt die Logik.

    Aus einem unverschränktem Quantenzustand grüßt Sie herzlich
    Fossilium

  86. @fossilium / 21. Januar 2018 @ 23:33

    Um das noch ein wenig einzuordnen: Gabriels plakativ vorgetragener Gedanke, dass es die Welt nicht gibt, stammt nicht erst von ihm selbst (und das beansprucht er meines Wissens auch nirgendwo). Vielmehr folgt das aus einem bei Kant entlehnten Argument gegen jegliche Form von ontischem Monismus, worunter Gabriel die Auffassung versteht, ein bestimmter Gegenstandsbereich sei vollständig und durch Gegenstände eines einzigen speziellen Typs konstituierbar. Die umfassende Gesamtheit solcher Gegenstände ist dann gemäss dieser Auffassung zwangsläufig selbst wieder ein Gegenstand dieses speziellen Typs, der zudem die Eigenschaft hat, sich selbst als echte Komponente zu enthalten. Woraus sich ein Widerspruch dazu ergibt, dass dieser Gegenstand bereits als umfassende Gesamtheit vorausgesetzt ist.

    Speziell bezeichnet auch bei Kant ein Totalitätsbegriff wie “Welt” keinen Gegenstand möglichen Erfahrungswissens, sondern eine regulative Idee, von der im übrigen nicht gefordert wird, dass sie antinomienfrei zu sein habe. Kant antizipert dabei auf bemerkenswerte Weise die formale Problematik, die sich später mit dem Begriff der der Allmenge in der naiven Mengentheorie ergab. Und auch, auf welchem Wege sich diese Problematik prinzipiell bewältigen lässt.

  87. Markus Termin, #21.1.
    sehr scharf erkannt, der Mensch erschafft über die Begriffe die Wirklichkeit.
    Wenn wir keinen Begriff von der Freiheit hätten, würden wir sie auch nicht vermissen. (gewagte These)
    Ich denke die Entwicklung geht vor und zurück. Wir schaffen den Begriff und dann versuchen wir über den Begriff den Begriff zu beweisen, solange , bis alle daran glauben, was man Ideologisierung nennen könnte.
    Anmerkung: Das wird Herrn Päs nicht gefallen.

  88. Sehr geehrter Herr Päs,

    Ein für mich sehr interessanter Artikel über Willensfreiheit

    …“Die Tatsache, dass wir starke Emergenz ausschließen wollen (“Es gibt keine Wunder”) bedeutet“…

    …gibt mir aber zu denken. Ich denke es gibt schon Wunder, allem voran das Wunder des Bewusstseins.

    Aber es gibt auf jeden Fall 2 Sorten Mensch. Menschen, die Wunder erleben, und es gibt Menschen die keinerlei Wunder erleben. Anscheinend umschifft das Schicksal diese 2. Art Menschen so gekonnt, dass sie von den Wundern in der Welt nichts bemerken. Warum das Schicksal das macht, weiß ich nicht.

    Interessant an Ihrem Text für mich als wundererlebenden Menschen ist vor allem:

    … „weil eine konsistente Quantenbeschreibung das gesamte Universum als einen einzigen, verschränkten Quantenzustand versteht“…

    So betrachte ich mich als Bewusstsein mit dem kosmischen Bewusstsein verbunden, was einen wesentlichen Teil meines Lebensgefühls ausmacht, zumindest wenn ich nicht gerade in irdischen Stress verwickelt bin. Ich finde es Schade, dass Wissenschaftler sich so selten mit dem Umgang mit Wundern beschäftigen.

    Wir haben in der Schule im Physikleistungskurs mal ein anspruchsvolles Experiment gemacht. Wir haben versucht die Gravitationskonstante zu messen, mit respektablem Ergebnis nebenbei. Da gab es allerlei Messstörungen, bedingt durch Erschütterungen durch vorbeifahrende Autos. Wir haben die Messungen schon extra am Sonntagvormittag gemacht, zu normalen Schulzeiten hätte es keinen Sinn gemacht. Nach einer ganzen Reihe von Meßwerten haben wir die Ausreißer aussortiert und einen Mittelwert gebildet, wie sich das gehört.

    Jetzt stell ich mir vor, es hätte zwischendurch bei den Messungen mehrmals ein Wunder gegeben, sodass die Gravitationskonstante sich lokal in der Apparatur verdoppelt hätte. Ursache des Wunders hätte sein können, dass ein Mitschüler in seiner pubertären Krise eine Wundererfahrung brauchte. Unser Physiklehrer hätte jetzt mit Sicherheit festgestellt, dass hier wohl eine der vielen Erschütterungsereignisse oder irgendetwas anderes die Messung verdorben hätte, und das Wunder wäre also mal wieder unbemerkt geblieben, für ihn und wohl die meisten in der Schulklasse.

    Systematisch verwirft die wissenschaftlichen Methode Wunder dieser Art, vor allem weil sich Wunder nicht wiederholen lassen, was in der Natur von Wundern liegt. Ich kenne Wunder auch nur als Ausnahme, zumeist als eine Art Schutzengelereignis oder als außergewöhnliche künstlerische Inspiration, und verlasse mich im wesentlichen auf die Gültigkeit gesicherter Naturgesetzte.

    Ich finde es lästig, dass man auf Religionen, Sekten und Wunderheiler zurückgreifen muss, wenn man sich mit den Wundern dieser Welt auseinandersetzen will. Diese Gruppierungen oder Einzelpersonen sind wenig an Erkenntnis und dafür um so mehr an Mitgliedschaft oder Honorar interessiert, habe ich den Eindruck. Es wäre schön, wenn sich mehr Wissenschaftler mit dieser Seite der Realität befassen würden.

    Die Frage, was menschliches (und tierisches) Bewusstsein eigentlich ist, finde ich extrem interessant. So weit ich das überblicke, wissen hier Hirnforscher fast nichts darüber. Ich habe schon öfter von dem sogenannten Bindungsproblem gehört, das besagt, dass keiner eine Ahnung hat, wie verschiedene Nervenimpulse so zusammenkommen können, dass da Eins, ein Bewusstsein bzw. Gewahrsein von Welt und Selbst draus wird. Ich vermute für mich, dass hier die Tiefen des kosmischen Geistes beteiligt sind, dessen geistige Natur noch unbekannt ist. Aber ich warte auch gerne auf andere Erklärungsversuche.

  89. @Heinrich Päs

    zu 1.) „Nun, das ist ein Blogpost und keine Doktorarbeit, Sie können hier keine vollständige Abarbeitung der Literatur verlangen,(…) Darüber hinaus ist etwas noch lange nicht richtig, weil Einstein, Planck, Hawking, etc.. es so gesagt haben.“

    Natürlich, da haben Sie schon recht, wie Sie Ihre Blogartikel schreiben, das liegt selbstverständlich ganz bei Ihnen und Sie sind völlig frei, die Schwerpunkte da zu setzen, wo Sie sie haben wollen und Ihren Blog ausschließlich nach Ihren Vorstellungen zu gestalten.
    Für mich war Ihre Herangehensweise einfach deshalb irritierend, da für mich die Behandlung einer Streitfrage nur durch eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Gegenseite denkbar ist.
    Es ging mir auch nicht darum, dass Sie jetzt konkret die Ansichten von Einstein oder Planck referierten. Ich hatte mich der Einfachheit halber auf einige der bedeutendsten Vertreter Ihres Faches bezogen, um darauf hinzuweisen, dass es auch zahlreiche Physiker gibt, die die Möglichkeit eines freien Willens verneinen, zumal dieser Umstand ganz allgemein in der Diskussion zur Willensfreiheit fast keine Erwähnung findet, da in der Regel immer nur von den Neurowissenschaftlern als Gegenpart zu den Philosophen die Rede ist, obwohl es die Physiker unter den Naturwissenschaftlern waren, die als erste den freien Willen in Abrede stellten.

    Es stimmt auch, dass, nur weil Einstein etwas gesagt hat, es noch lange nicht richtig sein muss; man erinnere sich an Newtons Koffer mit dessen esoterischen Geheimaufzeichnungen.
    Allerdings ist über Einstein nichts davon bekannt, dass er irgendwelche geheime Schriften mit esoterischen Ansichten bei sich versteckt hätte und seine Äußerungen zur Willensfreiheit stehen im Einklang mit seinem physikalischen Weltbild.

  90. Tobias Jeckenburger,
    Ich würde es auch begrüßen, wenn man ganz entspannt über Wunder diskutieren könnte.
    Wunder sind meiner Meinung nach Grenzerfahrungen, die man persönlich erlebt hat. Die keinen anderen Schluss zulassen, dass hier etwas Außergewöhnliches geschehen ist. Und das ich noch lebe, ist Realität aber auch ein Wunder.

    • Zu einer entspannten Diskussion gehört, dass man keine Wahrheitsansprüche erhebt, dass man Kritik akzeptiert, dass man Selbstkritik übt, dass man andere Meinungen akzeptiert. Diese Eigenschaften sind vielen Wundergläubigen fremd. Wunderglaube ist nicht dasselbe wie Wissen. In der Wissenschaft geht es ausschließlich um Wissen, das widerpruchsfrei und nachprüfbar sein muss und sich bewähren muss, in Experimenten, zutreffenden Vorhersagen oder Anwendungen.

      Es ist absurd, von der Wissenschaft einen Wunderglauben, eine Beschäftigung mit Wundern oder Forschung dazu zu verlangen. Wunder sind realitätsfern, per Definition! Jeder Mensch kann behaupten, ein Wunder erlebt zu haben. Könnten Wunder nachgestellt werden, dann wären sie kein Wunder. Eine Beschäftigung mit Wundern ist ein Paradoxon.

  91. Da es in diesem Blog auch um Bewusstsein geht, möchte ich aus Sicht der Elektronik/Informatik einige Gedanken hauptsächlich zum “Bewusstsein”beisteuern.

    Grundlage alles „Seienden“ ist für mich eine Art von “Trinitätskonzept” wie es von Informatikern um 1960 diskutiert wurde. Heutzutage milliardenfach in der Technik realisiert als Prozessor (Hardware), Prozess und Information.

    Das Problem beim Verständnis von „Bewusstsein“ liegt meiner Ansicht nach daran, dass Philosophen auf „Prozesse“ und besonders auf „Information“ im Sinne der Informatik unzureichend eingehen, nicht genau in eigenständigen Kategorien strukturieren.

    Es soll nun auf die Bewusstseinsfrage aus technischer Sicht eingegangen werden.

    Eine „Realisierung“ von „Empfindungsstrukturen“ wäre natürlich ethisch bedenklich. Es bestünde eventuell sogar die Gefahr, dass die Entwicklung entgleiten und sich die gesamte, von Wettbewerb, Kampf und Krieg geprägte Entwicklungsgeschichte des Menschen wiederholen könnte und unermessliches neues Leid entstehen könnte, was Prof. Thomas Metzinger befürchtet.

    “Bewusstsein“ bedeutet, rein sachlich gesehen, dass Ergebnisse von Prozessen resultierend aus Prozessen einer Informationsverarbeitung auf besonderen Strukturen „informell (mathematisch) abgebildet“ werden. Diese Aussage ist eigentlich eine Tautologie. „Irgendwo“ im Gehirn müssen letztlich auch die jeweils aktuellen “Gedanken” ihren Sitz und Ausgangspunkt haben.

    Aus Vergleichen mit Konzepten, besonders der technischen Informatik, kann man gewisse Vorstellungen ableiten. Die 2 Zustände, das „Triggern“ bzw. „nicht Triggern“ von Neuronen, wie auch die Tatsache dass Neurone ähnlich wie UND Gatter funktionieren (Mcculloch) und das Auftreten von so etwas wie “Emergenz”, wenn Millionen „gleichzeitiger“ Schaltaktivitäten“ (wie die „Bildpunkte“ auf einem Flachbildschirm) zu einem „Gesamteindruck“ verschmelzen, scheinen grundlegend für das Entstehen von Bewusstsein.

    Vorstellen könnte man sich demnach, es wäre eine Art „Flachbildschirm“ (Matrix), auf dem jeweils „Rechenergebnisse“ angezeigt, aber auch neu kombiniert und weiter verarbeitet werden können. Etwas theoretischer, es handelt sich um so etwas wie „Datenfelder“ oder noch genauer um annähernd 2 dimensionale Arrays, die der besonderen „Parameterübergabe“ (allenfalls mit einer Umsetzung) wie bei der Netzhaut, dienen. Auf derartigen Arrays, realisiert als Neuronen, die letztlich ungefähr logischen Gattern mit Mono Flopschaltung der Elektronik entsprechen, wird die von der Sensorik in elektrische Impulse umgesetzte und in vorgelagerten Neuronenverbänden aufbereitete Information „abgebildet“. In diesem Sinne ist das neuronale System eine Muster – Verarbeitungs- Maschine und das “Bewusstsein” bildet Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse ab.

    Das System „Leben“ dürfte sich entwickelt haben, indem sich jeweils besondere Zellen zu Verbänden aus Neuronen, Muskelzellen, chem. aktiven Zellen, … verknüpft haben. Dadurch entstanden offenbar bewegliche und auch zur Informationsverarbeitung fähige Strukturen. Danach besondere Strukturen die mittels elektrisch chemischer Prozesse, im Zusammenwirken mit Neuronenverbänden, „empfindungsfähig“ (für Lust und Schmerz) als besonderes eigenständiges Phänomen wurden. „Lust und Schmerz“ waren motivierend und haben offenbar die Entwicklung biologischer Systeme extrem angetrieben.

    DNA Zufallsgeneratoren „generierten“ die Genvariationen, die neu entstandenen Strukturen dürften früher noch von keinem Immunsystem eliminiert worden sein.

    Beim „Bewusstsein“, offenbar lokalisiert an Grenz- und Zwischenschichten, dürften sich Information abbildende zeitlich veränderliche Ladungsträgerströme sozusagen „sammeln“. An diesen flächigen Strukturen dürfte sich das Bewusstsein, immer komplexer werdend, entwickelt haben. Durch die „Furchen“ im Gehirn entstand offensichtlich mehr Oberfläche, damit mehr „Abbildungsmöglichkeiten“ für die Ergebnisse der Informationsverarbeitung, letztlich mehr „Bewusstsein“. Wegen der tiefen Furchen konnte auch die Information in „tiefere Bereiche“ des Gehirns „rückkoppeln“ und so die Komplexität weiter steigern.

    „Datensammler“, das Bewusstsein ist vermutlich auch eine Art von Datensammler, nennt man in der technischen Informatik „Akkumulator“ und sie stehen sozusagen im „Mittelpunkt“ der technischen Informationsverarbeitung. In den früheren Prozessoren hatten sie nur eine „Datenbreite“ von z.B. 4 Bit um jeweils eine einzige Zahl zu verarbeiten. Ein Laptop hat z.B. 64 Bit die jeweils (auch scheinbar) gleichzeitig bearbeitet werden und in einer „langen Schlange wandern die „Bits“ in den Prozessor hinein und auch wieder heraus. Dies bedeutet, es gibt eine „Engstelle, eine Flaschenhals“ in der Verarbeitung. Dafür ist die Verarbeitung sehr schnell. Es sei nur erwähnt, dass man heutzutage abstrakte Datenstrukturen (auf besonderen Speichermedien) generieren kann, die sozusagen als riesiger „Datensammler“ dienen können und auch von vielen Prozessoren mit „Datenschlangen“ gespeist werden.

    Im biologischen System ist andererseits der „Datensammler“ sehr groß (kein Flaschenhals), die „Rechnerarchitektur“ anders, zusätzlich findet eine Kopplung mit dem „Empfindungssystems“ statt. Es gibt noch andere Unterschiede, wie z.B. die „qualifizierte UND Gatterfunktion“ auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.
    In der technischen Informationsverarbeitung kann man praktisch alles nachahmen, was auch das Gehirn kann. Die Empfindungsfähigkeit dürfte derzeit jedoch nur als Simulation realisiert werden können. D.h. Computer „haben“ derzeit kein „Empfindungsbewusstsein“, weil sie den elektrisch chemischen „Empfindungsprozessor“ nicht „eingebaut“ haben. Es ist aber denkmöglich einen derartigen „Prozessor“ einzubauen. Zunächst könnte man z.B. „tierische“ Komponenten entnehmen und mittels Schnittstellen mit der „Technik“ verknüpfen.

    Ein Grund derartiges, auch wenn es völlig unethisch scheint, dennoch zu tun, könnte die „Freiheit von Emotion und Verantwortung“ technischer (autarker) Systeme sein. Es würde z.B. den Rechner eines selbstfahrendes Autos „völlig kalt lassen“, würde dieses Auto einen Unfall „bauen“. Optimierte selbstfahrende Autos werden zwar wesentlich weniger Unfälle „bauen“, allerdings stößt man auf die Grenzen der „ethischen Berechenbarkeit“.

    Es geht hier allerdings darum, mit den Methoden der (technischen) Informatik aufzuzeigen wie Bewusstsein realisiert sein dürfte. Wie die Hardware grundsätzlich strukturiert ist, wie die Prozesse funktionieren und dass es „Information“ (wie in der Technik ist) was z.B. auf den neuronalen Strukturen, besonders mittels der Synapsen „abgebildet“ wird (wie es die Mathematiker formulieren würden). Strukturierte Daten (Wissen) werden auf die von Prof. Kandel entdeckte Art auf baumartig strukturierten Neuronenvebänden abgebildet und gespeichert.

    Obwohl die „Systemarchitektur“ technischer und biologischer Systeme stark unterschiedlich ist, eignen sich Vergleiche um den Sachverhalten, was die Informationsverarbeitung, die Wissensspeicherung (Prof. Eric Kandel) und sogar das Bewusstsein betrifft, näher zu kommen.

    • Hallo Elektroniker !

      Ich frage mich ob es “das” Bewußtsein gibt ?

      Ich glaube nicht.

      Denn jedes Bewußtsein muß mit den Bewußtseins (wie geht die Mehrzahl ?) aller anderen Menschen irgendwie verknüpft sein. Denn wie sonst wüßten wir, was “Würde” bedeutet, was “gut” ist für uns alle, was “Verantwortung” ist. Das sind ja Begriffe, die nur im Zusammenwirken aller der Bewußtseins aller Menschen
      verstehbar sind (zumindest die mit einer bestimmten kulturellen Prägung).

      Wenn jetzt irgendwelche Aliens kämen, die nicht mit unseren Bewußtseins verbunden sind, dann könnten diese uns ohne Skrupel fressen, weil sie Hunger haben, eben weil die Verbindung nicht da ist. Eine kosmische Moral gibt es nicht, solange die alle Bewußtseins im Kosmos nicht miteinander gekoppelt sind.

      Da muß ein großes Netzwerk sein, nicht nur das kleine der paar Neuronen in unserem winzigen Gehirn

      Grüße
      Fossilium

  92. @Trice

    Das Wichtigste zuerst:

    »Wenn ich Sie richtig verstehe, gehen Sie [im Zusammenhang mit der Verschaltungsarchitektur] von einer Art Verursachung aus, die dem bisherigen Verständnis von Kausalität entspricht: Strategie, Denken, freier Wille usw. sind durch die Verschaltungsarchitektur mehr oder weniger festgelegt, von ihr verursacht. «

    Es geht mir um die strukturellen, organischen Grundlagen für bestimmte kognitive Fähigkeiten. Die Gehirne der verschiedenen Spezies sind strukturell verschieden, die Möglichkeiten zu diversen Verhaltensäußerungen sind somit artspezifisch festgelegt.

    Innerhalb der Spezies Mensch sind die Gehirne aber ebenfalls leicht unterschiedlich strukturiert („leicht“ im Vergleich zu den Unterschieden zu den Affen, beispielsweise). Diese leichten Unterschiede bedingen die unterschiedlich stark ausgeprägten Fähigkeiten (Begabungen) der Menschen (die eine hat das absolute Gehör, dem anderen klingt alles mehr oder weniger gleich).

    Von kausaler Verursachung kann man, wenn es um Systemeigenschaften geht, wohl nicht sprechen.

    »Unter diesem Aspekt kommunizieren Neurone mittel Feedback- und Feedforward-Verbindungen miteinander, und als Wirkung einer gelungenen Kommunikation (ablesbar am synchronen Schwingen der beteiligten Neurone) resultiert (emergiert) daraus ein Produkt. Das ist, im Falle sich die Kommunikation nur auf miteinander interagierende Neurone beschränkt, noch nicht Strategie. An der Produktion dieses Produktes müssen dann – per ‘Kommunikation’ – noch die beiden anderen Systeme, Bewusstsein und Repräsentationsebene, beteiligt sein.«

    Da kann ich Ihnen leider nicht ganz folgen. Solange Sie mir für die „beiden anderen Systeme, Bewusstsein und Repräsentationsebene“, kein biologisches Substrat benennen können, welches nicht Teil des Nervensystems ist, solange betrachte ich diese beiden anderen „Systeme“ als funktionale Teilsysteme des neuronalen Gesamtsystems, welches, wie gesagt, wesentlich durch seine organische Architektur in seiner Funktionalität festgelegt ist.

    »Und zudem: auch die Verschaltungsarchitektur ist nicht starr…«

    Bezogen auf schnelle Willensentscheidungen und spontane Verhaltensäußerungen ist sie es schon. Strukturelle Veränderungen benötigen etwas Zeit.

    »Was die Umwelt betrifft, wurde ja oben schon auf den (Radikalen) Konstruktivismus hingewiesen, der behauptet, dass wir Wissen nicht passiv aufnehmen, sondern aktiv am Aufbau beteiligt sind. …«

    Ich kenne Howard Gardners Texte nicht, aber das von Ihnen hier zitierte scheint mit meinen diesbezüglichen Auffassungen weitgehend übereinzustimmen.

  93. Hi,

    Wunder gibt es immer wieder …

    Wenn in einer Apparatur ein einzelnes Quantenobjekt eingeschlossen ist, z.B. so etwas wie ein Elektron, dann ist der Zustand dieses Elektron-Objektes, sofern nicht besonders präpariert, vor einer Messung unbestimmt, und zwar in dem Sinne, daß man dem Elektron-Objekt unter den apparativen Randbedingungen keine dynamischen physikalischen Eigenschaften zuweisen kann, z.B. einen Ort oder einen Impuls. Selbst wenn dieses Objekt vor der Messung noch mit der näheren Umgebung wechselwirkt und dabei Unbestimmtheiten (Überlagerungen) in die Umgebung auslagert (Dekoherenz), dann ist es immer noch nicht in einem bestimmten (reinen) Zustand, sondern kann immer noch im Allgemeinen mehrere oder beliebig viele Werte für Ort oder Impuls haben (sog Eigenwerte des zugeh. Meßgrößen-Operators). Die Unbestimmtheit ist also durch Dekohärenz immer noch nicht beseitigt. Dabei handelt es sich um eine ontische, nicht um eine epistemische Unbestimmtheit, also bestimmende Eigenschaften des Elektron-Objektes in der Apparatur existieren vor der Messung einfach nicht, da kann man machen was man will.

    Ich hoffe, diese apparative Situation ist verständlich dargestellt.

    Erst wenn jetzt eine Messung des Ortes oder des Impulses durchgeführt wird – dann, oh Wunder – hat das Elektron-Objekt wie von Zauberhand plötzlich einen bestimmten Orts- oder Impulswert, eben den Meßwert (nicht beide, wohlbemerkt, nur ausschließlich einen davon).

    Das ist in vereinfachter Weise das, was bei der Messung einer dynamischen Variable (einer Observablen) passiert, gem. der Quantentheorie (Kopenhagener Deutung), in sehr vereinfachter Weise hier mal ausgedrückt. Es ist die übliche Deutung der Theorie – nicht meine eigene, sondern die gängige. Das vermessene Objekt „springt“ aus der Unbestimmtheit in die Bestimmtheit, wobei da oh Gott immer noch keine richtige Bestimmtheit ist, weil der Meßwert mit einer Wahrscheinlichkeit gewichtet ist.

    Diese Bestimmtheit, die das Elektron-Objekt durch Messung bekommt (der nun vorhandene “reine” Zustand) hat dabei nun wirklich keine Ursache ! Denn der Sprung aus der Unbestimmtheit in die Bestimmtheit ist kein kausaler Vorgang. Es wird ein bestimmter Wert nur mit einer Wahrscheinlichkeit angenommen. Und was soll die Ursache sein ? Der Zusammenbruch des unbestimmten Zustandes ? Aus Unbestimmtem kann kausal nur Unbestimmtes folgen, nichts Bestimmtes.

    Es gibt auch Interpretationen der Theorie, da springt das Unbestimmte gleich in alle möglichen Bestimmtheiten (Viele Welten). Das erscheint mir gleich wie ein mehrfaches Wunder.

    Also ich meine, daß es Wunder gibt, zum Beispiel solche, die aus der Quantentheorie notwendigerweise resultieren, sofern man die Theorie auf übliche Weise deutet. Da gibt es viele Deutungen, aber die oben beschriebene ist die überwiegende.

    Nach der üblichen Sprechweise handelt es sich bei der Messung um die starke Emergenz einer Eigenschaft, die vorher nicht da war. Man kann sich die Eigenschaft zwar in einem Eigenschaftsvorrat denken, den das Elektron-Objekt nach der Abgabe von Unbestimmtheiten an die Umgebung für sich angelegt hat und danach mit sich rumgeschleppt hat. Aber es gibt eben keine kausale Begründung dafür, daß bei der Messung gerade der eine Meßwert dem Vorrat entnommen wurde und nicht ein anderer Wert.

    Ist natürlich nur auf der Quantenebene zu beobachten – da aber dauernd. Also die Wunder finden auf dem Grund von allem statt, so die Theorie, wie gesagt nicht meine (!), aber die gängige. Ich kann das auch noch präziser beschreiben, aber dann versteht es keiner mehr. Es ist halt mehr oder weniger so, wie hier beschrieben.

    Ich plädiere dafür, niemals nie zu sagen. Diese Unbedingtheiten fallen einem irgendwann ins Kreuz. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Die Welt ist voller Wunder – wunderbar !

    Grüsse Fossilium

    • Diese “apparative Situation” ist schlicht falsch dargestellt. Das Elektron pendelt nicht zwischen Hamburg und München, sondern innerhalb eines Atoms. So ist das eben mit dem Begriff “Unbestimmtheit”, er ist selber unbestimmt! Genauso unbestimmt ist der Begriff des “Wunders”. Manche Leute operieren gerne mit unbestimmten Wörtern, z.B. Politiker, Kleriker, Esoteriker. Da kann man der Phantasie oder Ideologie freien Lauf lassen.

      • Hallo Herr Reutlinger,

        es geht ja hier nicht darum, ob man an Wunder glaubt – ja wer glaubt denn schon daran. Ich nicht.

        Es geht darum, ob man bei einem Experiment in einer Apparatur für alle einzelnen sich da abspielenden Prozesse immer eine kausale Ursache angeben kann. Genau das kann man bei quantenphysikalischen Experimenten eben nicht, und zwar nicht wegen unvollständiger Kenntnisse, sondern weil eine Kausalbeziehung ontologisch nicht existiert – gem. der Theorie.

        Was kann man da machen ? Man kann dann prüfen, ob man die Prozesse richtig verstanden hat und richtig beschreibt, ob die Theorie nicht vielleicht doch eine andere Erklärung nahelegt, also man kann das wirklich kritisch hinterfragen, ob da wirklich nicht-kausale Dinge abspielen.

        Das ist ja alles gemacht worden. Da gibt es die raffiniertesten Experimente und ganze Bücher drüber und endlose Auslassungen der besten Experten, angefangen von Bohr und Einstein über Schrödinger bis zu Herrn Päs. Und alle kommen zu dem Schluß: keine Kausalität vorhanden – nicht nicht erkennbar, nein: o n t o l o g i s c h nicht vorhanden.

        Und jetzt ? kein Wunder ? Was ist es dann, wenn es aus allem was wir wissen prinzipiell keine kausale Erklärung für einen Vorgang gibt ?

        Also ich spreche nicht für mich. ich glaube nicht an Wunder, weil ich mir eine Erklärung gut vorstellen kann, aber das ist meine Meinung und nicht die Lehrmeinung. Es geht hier ums Prinzip, was macht man in so einer Situation ?
        Und die gegenwärtige Physik ist in so einer Situation.

        Deswegen wundert es mich, daß Herr Päs die Existenz dieser “Wunder” bestreitet.
        Es steht da auf einem Außenseiterposten. Oder hat das Wort Wunder so umintepretiert, das es die passende Bedeutung hat, wie das so oft in der Physik passiert.

        Grüße Fossilium

  94. Anton Reutlinger,
    Das Wunder im religiösen Sinne mit der Unbestimmtheit bei Atomen zu vergleichen, da kann man wirklich der Phantasie freien Lauf lassen.
    Aber es gibt einen Berührungspunkt, die Einsicht, dass die Beschreibung eines physikalischen Vorganges nicht mit seiner Erklärung gleichgesetzt werden kann. Und im Falle z.B. der Verschränkung des Lichtes haben wir noch keine Erklärung.
    Ebenso kann man die Beschreibung eines Wunders nicht erklären. Wir konstatieren das Wunder als einmaliges individuelles Erlebnis und ziehen unsere Schlüsse daraus. Oder auch nicht.
    Und da der individuelle Mensch auch zur Realität gehört, gehört das Thema Wunder auch zur Realität.
    Und der Sinn eines entspannten Gedankenaustausches ist es, einen roten Faden in diesem Gewirr von verschiedenen Vorstellungen zu finden um die Diskussion zu versachlichen.

  95. fossilium,
    Sie glauben nicht an das Bewußtsein , dass die Grundlage der Rechtsprechung ist, genauso der Philosophie und jeder Kultur.
    Aber Sie glauben an die Würde des Menschen, konkret an die Würde jedes individuellen Menschen.
    Wenn Sie Bewußtsein nur als kollektiven Sammelbegriff verwenden, dann wäre die Würde des Menschen auch nur eine Abstraktion und der Mensch nur Teil einer Statistik. Das ist ideologisches Denken.
    Dann bekommen wir einen Sozialdarwinismus, in dem für die Religionen kein Platz mehr ist.
    Darin unterscheidet sich doch Religion von Weltanschauung.
    In der Religion hat jeder Mensch eine eigene Individualität, ein eigenes Bewußtsein, dass ihn einzigartig macht und nur Gott verantwortlich. (Ein Christenmensch ist Niemandem verantwortlich und ein Christenmensch is Allem verantwortlich(Martin Luther))
    Wer an dem Bewußtsein kratzt, der öffnet die Büchse der Pandora.

    • ich glaube, man kann nicht oder nur in sehr eingeschränkter Weise von einem Bewußtsein als einzelnen isolierten Gegenstand sprechen, sondern nur von einem Bewußtsein als Teil eines Gesamtbewußtseins. Letzteres ist nicht einfach die Summe aller menschlichen Bewußtseins, sondern stellt selbst ein großes Meta-Bewußtsein dar, daß sich nur verstehen läßt, wenn man es holistisch betrachtet.

      Nur so kann man verstehen, daß es eine Sprache gibt, die wir alle verstehen, daß es Werte gibt, daß es Gutes und Schlechtes gibt und andere abstrakte Begriffe, nur im sozialen Kontext überhaupt eine Bedeutung haben. Und davon gibt es sehr viele, und die bestimmen uns genauso wie die rudimentären Triebe.

      Einfach ausgedrückt: unser individuelles Bewußtsein stimmt sich ständig mit dem ab, worüber sich andere bewußt sind, oder sich bewußt sein könnten, eine Interaktion, die nur möglich ist, weil wir uns in das Bewußtsein anderer reinversetzen können – wir können so – metaphysisch gesprochen – “ein Teil davon werden”.

      So gemeint.

      Grüße
      Fossilium

  96. @fossilium

    Ich freue mich sehr, auch über kontroverse Sichtweisen.

    Zitat: „Ich frage mich ob es “das” Bewußtsein gibt ?
    ich glaube nicht.
    Denn jedes Bewußtsein muß mit den Bewußtseins (wie geht die Mehrzahl ?) aller anderen Menschen irgendwie verknüpft sein. Denn wie sonst wüßten wir, was “Würde” bedeutet, was “gut” ist für uns alle, was “Verantwortung” ist. Das sind ja Begriffe, die nur im Zusammenwirken aller der Bewußtseins aller Menschen
    verstehbar sind (zumindest die mit einer bestimmten kulturellen Prägung).“

    Die Definition von „Bewusstsein“ ist sicherlich sehr unterschiedlich.
    Abgesehen vom individuellen Bewusstsein könnte man von einem „Familienbewusstsein“ …. „Weltbewusstsein“ sprechen, wenn die Teilsysteme z.B. mittels Kommunikationssystemen zu einem Netzwerk verknüpft sind.

    Insgesamt sind die „Bewusstsein“ aller Individuen über die der besonderen Bewusstseinsabbildung vorgelagerten Information verarbeitenden Strukturen verkoppelt.
    Ein Mensch, Hund … sendet, hauptsächlich über seine Motorik, vielfältige „Signalmuster“ aus die von der Sensorik des Empfängers aufgenommen, im vorgelagerten neuronalen System verarbeitet, gleichzeitig strukturbildend gespeichert werden.

    Ich vermute, der die Informationen abbildende „Signalstrom“ (im neuronalen System) erzeugt an den Zwischenschichten der Hirnorgane (inkl. Netzhaut, Hirnhaut) zusammenhängende Abbildungen einzelner „Signalpunkte“, sie „emergieren“ sozusagen zur “fühlbaren Bewusstseinsabbildung”, (wie auf einer Mattscheibe optische Bilder) anstehen.

    Mittels elektrisch chemischer Wechselwirkungen dürfte das Empfindungsphänomen entstehen. Empfindungen können eingegrenzt und z.B. mittels Drogen manipuliert werden, allerdings nicht wirklich verstanden werden wie das Phänomen „Schwerkraft“.

    In der Informatik kann man z.B. im Datensammler „Akkumulator“ das Geschehen im Prozessor beobachten und zwecks Fehlersuche analysieren. Allerdings benutzt man heutzutage Prüfprogramme um die korrekte Funktion eines Prozessorsystems testen zu können.

    Diese besondere Bewusstseinsabbildung steht, ähnlich wie der Akkumulator, sozusagen im „Zentrum“ der Informationsverarbeitung in einem einzelnen System.

    Die Gehirne der Menschen und Tiere haben sich offensichtlich (darwinistisch) so entwickelt, dass zum Überleben notwendige Konzepte im einzelnen System abgebildet und realisiert werden können. Das eher recht komplexe System des Menschen konnte sogar abstrakte ethische Konzepte entwickeln die eine Synchronisierung der einzelnen Systeme und möglicherweise eine weitere Optimierung des gesamten Systems ermöglichten.

    Bei den Aliens käme es darauf an ob sie ähnliche Konzepte entwickeln konnten wie wir und mit den entsprechenden Ressourcen ausgestattet sind.

  97. Axel Krüger schrieb (18. Januar 2018 @ 11:07):
    > […] Dialog, der zwischen Einstein und Bohr stattgefunden haben soll. Einstein: „Glauben Sie wirklich dass der Mond nicht da ist, wenn keiner hinsieht?“ Bohr: „Beweisen Sie mir doch das Gegenteil!“

    Voraussetzungen:
    (V1) Es ist keiner da, der hinsehen (und feststellen) könnte, ob der Mond da ist, oder nicht.

    (V2) Falls der Mond da ist, lässt sich (hin-)sehen (und feststellen), dass der Mond da ist (von jedem, dem diese Fähigkeit zugestanden wird, und der da ist).

    (V3) Falls der Mond da ist, wird ihm zumindest im Prinzip zugestanden, hinsehen (und feststellen) zu können, ob und wer da ist.

    Behauptung:
    (B) Der Mond ist nicht da.

    Formulierung des Gegenteils der Behauptung (Anti-These):
    (G) Der Mond ist da.

    Aus (G) und (V2) folgt die Konsequenz:
    (K1) Jeder Befähigte, der da ist, kann hinsehen und feststellen, dass der Mond da ist.

    Aus (K1) und (V3) folgt die Konsequenz:
    (K2) Der Mond kann sehen, dass der Mond da ist.

    Konsequenz (K) steht im Widerspruch zu Voraussetzung (V1).
    Folglich ist die Anti-These (G) falsch;
    Behauptung (B) ist richtig, d.h.:

    Unter der Voraussetzung, dass keiner hinsieht, ob der Mond da ist, ist der Mond nicht da.

    q.e.d.

    • Zitat Frank Wappler: “Unter der Voraussetzung, dass keiner hinsieht, ob der Mond da ist, ist der Mond nicht da.”

      Da fehlt meiner Meinung nach eine andere Voraussetzung.
      Keiner kann zwar gerade hinsehen, ob er Mond da ist, aber alle Menschen wissen aus dem Gedächtnis und aus der Erfahrung der Naturgesetze und der Welt, dass der Mond immer da ist (und auch zwingend immer da sein muss, sonst gäbe es keine Menschen). Also der Mond ist da.

    • Ich würd’s mit Kant anders ausdrücken. Der Mond ist für uns da, denn was er für sich ist, darüber können wir nichts wissen. Es muß aber etwas geben, was die Erscheinung “Mond” hervorruft.

      • Dietmar Hilsebein schrieb (23. Januar 2018 @ 14:32):
        > […] was er für sich ist, darüber können wir nichts wissen.

        Aber:
        dass er für sich (“da”) ist, sofern er überhaupt (“da”) ist,
        das sollten wir ihm (wie uns selbst und jedem anderen) zugestehen.

      • @ Dietmar Hilsebein

        Einverstanden. Wir können in der Tat nicht wissen, wie die materielle Welt für andere Lebewesen erscheint.

        Dagegen kann man wohl behaupten, dass es zum Beispiel kein Licht und keinen Schall gibt, wenn kein Lebewesen da ist, um sie wahrzunehmen, siehe meinen Kommentar von 23. November hier.

        • “„Draußen“ im Universum ist alles dunkel und still.”

          Soweit wäre Kant m.E. nicht gegangen. Er sagt ja nur, daß wir darüber -also über Schall und Licht an sich- (wenn man sie als eine Art Gegenstand begreift), sondern nur für uns etwas wissen können. Der Grenzbegriff “Ding an sich” ist bei Kant wichtig. Kant war kein Solipsist. Daher schrieb ich ja auch: “es muß etwas geben, was die Erscheinung hervorruft.” Daß wir erst durch Hirntätigkeit aus einem Geräusch beispielsweise Musik wahrnehmen, dürfte allgemeine Zustimmung finden.

    • Frank Wappler schrieb (23. Januar 2018 @ 11:45):
      > […] Konsequenz (K) steht im Widerspruch zu Voraussetzung (V1).

      Korrektur:
      Konsequenz (K2) steht im Widerspruch zu Voraussetzung (V1).

  98. @Balanus: Bewusstsein, freier Wille und kognitive Fähigkeiten

    Soweit es um diesen Punkt geht:

    Es geht mir um die strukturellen, organischen Grundlagen für bestimmte kognitive Fähigkeiten. Die Gehirne der verschiedenen Spezies sind strukturell verschieden, die Möglichkeiten zu diversen Verhaltensäußerungen sind somit artspezifisch festgelegt.

    sehe ich das genauso – auch wenn es mir weniger um die organischen Grundlagen geht, als darum, ein zusammenhängendes, in sich konsistentes Bild (Modell) des Ganzen zu erhalten.

    Von kausaler Verursachung kann man, wenn es um Systemeigenschaften geht, wohl nicht sprechen.

    Eben, da war ich mir nicht ganz sicher, wie Sie das sehen, deshalb habe ich gefragt.

    Sie schreiben nun, Sie könnten mir nicht ganz folgen:

    Solange Sie mir für die „beiden anderen Systeme, Bewusstsein und Repräsentationsebene“, kein biologisches Substrat benennen können, welches nicht Teil des Nervensystems ist, solange betrachte ich diese beiden anderen „Systeme“ als funktionale Teilsysteme des neuronalen Gesamtsystems, welches, wie gesagt, wesentlich durch seine organische Architektur in seiner Funktionalität festgelegt ist.

    Ich meine, ich hätte das an anderer Stelle schon einmal geschrieben.
    Imgrunde ist alles, was wir von der Welt außerhalb unseres Selbst wissen (können) ist, dass es Wellenlängen gibt. Und unsere Rezeptorsysteme reagieren spezifisch auf Wellenlängen des Gesamtspektrums und auch da nicht aus alle. Sie hatten gemeint, dass, wenn ein Stäbchen oder Zapfen (in der Retina) auf einen bestimmten Anteil innerhalb z. B. des Farbspektrums anspricht, damit zugleich ein Bit Information ins Gehirn gelangt. Dem ist aber nicht so. Denn das Gehirn rekurriert, wie Maturana zeigen konnte, nur und ausschließlich auf seine eigenen Prozesse und nicht auf das, was in der Außenwelt vorhanden ist. Deshalb besteht die Aufgabe der Rezeptorzellen in der Transformation von Wellenlängen in Aktionspotenziale. Es wird aber übersehen, dass diese Aktionspotenziale eben die umgewandelte Energie ist, die von außerhalb kommt, also eigentlich nicht zum Gehirn, zur neuronalen Verschaltungsarchitektur gehört. Es würde jetzt den Rahmen sprengen, das im Einzelnen zu erklären, aber wenn es zu Synchronien kommt:
    der Moment, in dem sich die beteiligten Neurone, Neuronengruppen darauf geeinigt haben
    a) an der Darstellung desselben Objekts beteiligt zu sein ,
    b) wer von ihnen welche Variablenposition eingenommen hat und
    c) die Regel damit erfüllt ist,
    dann ergeben sich Schwingungs-“Muster”, und die repräsentieren, was wir in der Außenwelt sehen, hören, fühlen, usw. Die gehören aber zur Repräsentationsebene und nicht zur neuronalen Verschaltungsarchitektur. Und was das Bewusstsein als eigenständiges System und seinen Zusammenhang mit der neuronalen Verschaltungsarchitektur betrifft, sind Astrozyten und tripartite Synapsen ganz gute Kandidaten dafür.
    Jedes System hat seine eigenen Prozesse und ist strukturell an die beiden anderen gekoppelt.
    M.E. wäre es vernünftiger, von Subsystemen – neuronale Verschaltungsarchitektur, Repräsentationseben, Bewusstsein – zu sprechen und das Gehirn als Gesamtsystem zu bezeichnen. Nur macht es wenig Sinn, dann von funktionalen Teilsystemen des neuronalen Gesamtsystems zu sprechen. Ok?

    Bezogen auf schnelle Willensentscheidungen und spontane Verhaltensäußerungen ist sie [die neuronale Verschaltungsarchitektur] es [nämlich starr] schon.

    Wie gesagt, Willensentscheidungen und spontanes Verhalten sind ‘Produkte’ des Bewusstseins, dazu muss sich an der Verschaltungsarchitektur nichts ändern.

    Noch zum Radikalen Konstruktivismus: der wurde (gemeinsam mit Heinz von Foerster) von dem Philosophen Ernst von Glasersfeld entwickelt. Gardner ist Psychologe bzw. Professor für Kognition und Pädagogik.

    Und weil Sie einmal schrieben, Sie verstünden nicht, wieso mein Ansatz zur Beschreibung des Gehirns und seiner Arbeitsweise zwar zutreffend und richtig sein kann, aber trotzdem nicht in die wissenschaftliche Landschaft passe: Die wissenschaftliche Landschaft versucht, von den Teilen zum Ganzen – dem konsistenten Weltbild – zu kommen. Ich habe es umgekehrt gemacht und komme vom Ganzen zu den Teilen: Ich sehe in der Kausalität ein Regelwerk, von dem ich vermute, es gilt für das gesamte Universum. Mich interessiert zwar vor allem das Gehirn und seine Arbeitsweise – vom Regelwerk ausgehend kann ich sie beschreiben – , da diese aber auf zwei verschiedene Arten ausgeführt werden kann und nur die eine Art den Vorgängen und Abläufen so, wie wir die Realität halt erleben, entspricht – in ihrer Richtung entsprechend des Zeitpfeils – , denke ich, dass die andere Art zur Beschreibung quantenmechanischer Ereignisse geeignet sein könnte.
    Mir fehlt halt der Hinweis, dass es auch einen zeitlichen Überlagerungszustand gibt, also Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart überlagert sind, es nur eine Wahrscheinlichkeit für sie gibt, und erst im Moment der Messung dieser unbestimmte Zustand ‘zerfällt’.
    Wenn es den nicht gibt, nun gut, dann habe ich mich in diesem Punkt geirrt.

  99. Heute mal eine “kosmologische Realitätssicht” von Livio&Rees:
    https://arxiv.org/abs/1801.06944 “Fine-Tuning, Complexity, and Life in the Multiverse”
    We then outline some cosmological models where physical reality is vastly more extensive than the ‘universe’ that astronomers observe (perhaps even involving many ‘big bangs’), which could perhaps encompass domains governed by different physics. Although the concept of a multiverse is still speculative, we argue that attempts to determine whether it exists constitute a genuinely scientific endeavor.

  100. @Chrys, 22. Januar 2018 @ 14:18:
    Danke für den Hinweis. Aber: Existiert mein Auto nun für Gabriel, wenn ich drinsitze?
    Und: Wird Gabriels Argument nicht hinfällig, wenn das Weltmodell in meinem Kopf eben nicht identisch ist mit der Welt selbst? Ist es das, was Kant uns sagen will? Und: Ist Gabriels Argument nicht besonders zweifelhaft, wenn es sich auf Teile eines verschränkten Quantenzustands bezieht, die sowieso nur in der dekohärenten Froschperspektive überhaupt existieren, während sie in der hypothetischen Vogelperspektive vollständig im Gesamtzustand aufgehen?

  101. @Tobias Jeckenburger:

    Es gibt im englischen ja nicht umsonst den Unterschied zwischen “wonder” und “miracle”. “Wundern” im Sinne von “wonder” kann (und sollte!) man sich natürlich über die Welt, nicht umsonst schließt jeder meiner Blogposts mit den Worten “die Welt ist wunderbar”. Wunder im Sinne vom “miracle” hingegen beinhalten ja Dinge, die wir nicht nur nach gegenwärtigem Wissensstand nicht erklären können, sondern niemals. Um von einem Wunder in diesem Sinn sprechen zu können müsste ich bereits jetzt über alles nur mögliche Wissen verfügen – wäre das nicht unendlich anmaßend, und gerade das Gegenteil des demütigen Wunderns im Sinne von “wonder”?
    Für mich macht das keinen Sinn, gerade das Wundern führt doch zur Neugier und zum Erklärungsversuch, gerade das ist doch das wunderbare an Welt und Wissenschaft.

    • https://www.quantamagazine.org/ed-boyden-a-neurobiologist-thinks-big-and-small-20180118/

      Letzter Absatz im Artikel:

      We know lots and lots about water, but does that erase the meditative quality of sitting on a beach and watching the waves? We know a heck of a lot about how stars work, through fusion of hydrogen and the creation of all the elements and so forth. But does that make it so nobody wants to look at the night sky? I think there are many kinds of wonder. And some are untouched, if not enhanced, by science.

    • Sehr geehrter Herr Päs,

      Sie sagten: „Wunder im Sinne vom “miracle” hingegen beinhalten ja Dinge, die wir nicht nur nach gegenwärtigem Wissensstand nicht erklären können, sondern niemals.“

      Naja, was heute für unmöglich gehalten wird, kann in 50 oder 100 Jahren erklärt, verstanden und in den Alltag integriert sein.

      Ich halte es für möglich, dass das Universum eine Art Computerspiel ist, das als informatischer Prozess in einem Vakuum läuft, das zu digitalen Prozessen fähig ist. Sollte das tatsächlich so sein, dann sind Ausnahmen vom üblichen Gang der Dinge tatsächlich keine Wunder mehr – bleiben aber als Ausnahmen vom Alltag außergewöhnlich.

      Diese These vom Computerspielcharakter des Universums müsste sich doch beweisen lassen, falls dem so ist. Oder widerlegen lassen, falls dem nicht so ist. Also taugt diese These damit auch für die Wissenschaft als Forschungsgegenstand.

      Man ist ja gerade dabei, das Konnektom, also alle Verästelungen von Nervenverbindungen, von Gehirnen zu kartografieren. Wenn in 20 oder 40 Jahren das Konnektom des menschlichen Gehirn hinreichend genau bekannt ist, und man dann womöglich genau weiß, wie das Gehirn funktioniert, wird man auch feststellen können, ob das Bewusstsein allein auf dem Gehirn beruht, oder eben nicht. Es könnte sich dann erschließen, dass das persönliche Bewusstsein noch eine feste Verbindung zum kosmischen Bewusstsein braucht, um überhaupt funktionieren zu können.

      Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn mein Lebensgefühl, in dem ich mich mit dem Universum und mit anderen Menschen und Lebewesen verbunden fühle, sich als Realität erweisen würde. Darüber hinaus will ich ja nur mit mir und meiner Welterfahrung klar kommen, zur der – nach heutigem Stand der Physik – eben auch Wunder gehören.

  102. @Fossilium:
    Sie können den Messprozess vollständig durch Dekohärenz erklären: Beim Messprozess wird der Beobachter mit dem Messsystem verschränkt, verschiedene Versionen von Ihnen beobachten dann die entsprechenden Messergebnisse, makroskopische Superpositionen werden durch das Abfließen von Information in die dem Beobachter unbekannte Umgebung eliminiert. Der ganze Prozess ist deterministisch und unitär, keine Spur von starker Emergenz. Nur aus der beschränkten Perspektive (dem Makrozustand des Beobachters, charakterisiert durch nichtverschwindende von-Neumann-Entropie) sieht das Ganze wie etwas Zufälliges aus. Sie können also alle Probleme vermeiden, wenn Sie die Viele-Welten-Interpretation akzeptieren.

    • Hallo Herr Päs,

      ich weiß was Sie meinen. Mit der Viele-Welten-Interpretation findet beim Messen die unitäre Dynamik kein abruptes Ende, sondern die Wellenfunktion verzweigt in verschiedene Realitäten – lax gesagt.

      Aber Sie wissen, warum man so eine Interpretation der Theorie ins Auge fasst : weil alle anderen Interpretationen zu Wundern führen, oder schlichter gesagt: weil mit allen anderen Interpretationen eine konsistente Deutung der Theorie nicht möglich ist. Ich weiß, was Physiker alles in ihrer Not an Modellen zustande bringen, da können einem die Haare zu Berge stehen. Es ist ja o.k., dass Sie das so machen. Es ist ja erfolgreich. Kein Einwand im Moment.

      Aber Ihr Weltmodell ist eine metaphysische Behauptung. Das ist Philosophie, keine Physik. Als physikalisches Modell können Sie alles was Sie wollen konstruieren, und ich glaube, dagegen spricht – kurzfristig gesehen – nichts. Aber wenn Sie mit philosophischen, metaphysische Konstruktionen überzeugen wollen, dann müssen Sie diese in einem philosphischen Diskurs begründen. Ein Verweis, daß es da physikalische Erkenntnisse gibt, aus denen man das und das metaphysisch schließen könnte, reicht nicht. Philosophisch heißt: ihr Modell muß logisch sein, sparsam, in sich schlüssig und vor allem sparsam in den Voraussetzungen. Das macht die Güte einer metaphyischen Spekulation aus: daß nicht all zu viel vorausgesetzt wird, was dann wieder begründet werden muss, und wieder Voraussetzungen hat usw. Gerade dieses, nämlich die Sparsamkeit bei den Voraussetzungen, ist beim Viele Welten Modell nicht gegeben. Es ist das voraussetzungsvollste Modell, was überhaupt denkbar ist. Sie setzen z.B. voraus, daß die Schrödingergleichung fundamental ist, daß sie etwas Reales beschreibt, daß sie anders nicht interpretierbar ist, und, und – und das nur in Bezug auf die physikalischne Aspekte Ihres Weltmodells.

      In Wirklichkeit würden sich alle, die an die Vielen Welten glauben, sofort von diesem Modell verabschieden, wenn es eine a n d e r e konsistente Erklärung für den Meßprozeß gäbe. Das viele Welten-Modell ist doch zugegebenermaßen eine Notgeburt, weil man eine konsistente Erklärung der Meßergebnisse partout nicht hat.

      ich frage mich immer, warum die Physik nicht einfach mal überlegt, was die Schrödingergleichung denn außer der Realität (Viele Welten) oder die Nicht-Realität (Bohr) denn sonst noch beschreiben könnte. Das ist eine philosophische Überlegung, die sehr einfach ist. Statt dies zu tun, pflegt man metaphysische Modelle wie die Viele Welten. Na gut, kann man machen.

      Wie sagt man bei uns im Rheinland: jedem Tierchen sein Pläsierchen.

      Ich hoffe Sie sind mir nicht böse, wenn ich ihr Modell so drastisch verurteile, aber in einer philosophischen Diskussion, und in einer solchen müssen Sie ihr Modell verteidigen, können Sie damit keinen Hund hinter dem Ofen herlocken, so wenig ist dieses Modell philosophisch überzeugend.

      Grüße Fossilium

  103. @Trice
    Zitat: „…Mir fehlt halt der Hinweis, dass es auch einen zeitlichen Überlagerungszustand gibt, also Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart überlagert sind, es nur eine Wahrscheinlichkeit für sie gibt, und erst im Moment der Messung dieser unbestimmte Zustand ‘zerfällt’. …“

    Diesen „zeitlichen Überlagerungszustand“ sollte es auf jedem Fall geben. Aus Sicht der Elektronik werden die Signale nicht nur von verschiedenen „örtlichen Strängen punktweise“ zur Verknüpfung abgegriffen, sondern auch von „zeitlich punktweisen“ unterschiedlichen Strängen. Dadurch erfolgt eine Mustererkennung „örtlich – zeitlicher Muster“.
    Zunächst so etwas wie „Mikromusterkomponenten“ die danach hierarchisch verknüpft zu aussagekräftigen „Mustern“ werden.
    Diese „Muster“ werden durch selektive Neuronenaktivierungen vermutlich an Grenz- bzw. Zwischenschichten der Hirnorgane „abgebildet“ (ähnlich wie bei der Netzhaut). Dies würde ich „Bewusstseinsanzeige“ bezeichnen, weil viele einzelne Muster zu einem Gesamtmuster „emergieren“ wie die vielen Bildpunkte auf einem Flachbildschirm zu einem Bild bzw. einem Video.

    Die Signale benötigen beim „Durchlauf“ durch ein Neuron etwas Zeit. Mehrere Neuronen hintereinander geschaltet, ergeben eine „Laufzeitkette“. Man kann also einen aktuellen Zustand mit einem etwas früheren Zustand vergleichen, wen man die Signale vor und nach einem Neuron abgreift und verknüpft.

    Quanteneffekte spielen zwar offenbar eine Rolle wenn Elektronen bei chemischen Prozessen aus Atomverbänden frei oder neu eingebunden werden, es kommt aber kaum auf „spukhafte Fernwirkungen“ an. Sollte es darauf relevant ankommen, hätte die Evolution wohl ein im Organismus eingebautes „Quantentelefon“ gefunden und das technische Telefonsystem wäre entbehrlich.

    Wie manche Psychologen die Fernwirkung erklären, habe ich weiter oben in einem Beitrag ausgeführt. In einem weiteren Beitrag Vorgänge im Zusammenhang mit der Bewusstseinsbildung aus Sicht der Elektronik.

  104. Zitat: Denn natürlich haben wir immer nur Zugang zu unseren Bewusstseinsinhalten, nicht direkt zu einer äußeren Welt.
    An dieser Voraussetzung ist nichts “natürlich”, sie ist seit dem guten alten Kant unhaltbar, nur plappert das fast jeder nach. Wenn Kant nicht den Kardinalfehler der kretischen Lügners gemacht hätte und sich die meisten da nur zu gerne anschließen, hätte niemand das ernst genommen.

    Kant behauptet ja sinngemäß: Wir haben keinen verläßlichen Zugang zum Ding an sich, nur zu unseren Vorstellungen. Nur vergißt der gute Immanuel sich dabei selbst. Er hat ganz selbstverständlich den Anspruch, daß seine Aussage allgemeine Gültigkeit habe, sonst wäre sie für den Rest der Menschheit irrelevant. Das bedeutet aber, daß er sich selbst eben aus dieser Gültigkeit herausnehmen muß. Er muß zu sich selber unmittelbaren Zugang haben. Es muß ihn geben, nicht als undifferenziertes Ding an sich, sondern als leiblich-seelisch-geistigen Immanuel Kant.

    Oder wollte er etwa behaupten, die Vorstellung, die sich das Ding an sich “Immanuel Kant” von sich selber macht, erhebe den Anspruch, daß diese Unüberbrückbarkeit von Vorstellungen und Ding an sich bei ihm selber außer Kraft gesetzt sei? Wenn er sein eigenes erkenntnistheoretisches Grundgesetz ernst nimmt, kann er keinerlei allgemeine Aussagen treffen, weder über dieses Ding an sich, welches er selber “Immanuel Kant” nennt, noch über die Vorstellung, die sich dieses DIng über sich selber macht, noch über andere Teile des Universums. Klassischer Fall von kretischem Lügner.

    Es gibt keinen Sinn, in umgekehrtem Papsttum die Realität als prinzipiell unzugänglich zu bezeichnen, denn man ist selber Teil davon. Es mag Mode geworden sein, sich selber auf raffinierte Weise und mit größter Überzeugung als nicht existierend abzuschaffen, damit hat aber schon diese Diskussion hier ihre Grundlage verloren. Wenn es uns alle nicht gibt, dann ist das ganze hier ebenfalls nicht existent. Ich finde: Logik ist nicht Wahrheit.

    • Ich denke, Sie tun Kant Unrecht. Er schreibt doch unmißverständlich:

      “Ich dagegen sage: es sind uns Dinge als außer uns befindliche
      Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich
      selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen,
      d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne
      afficiren. Demnach gestehe ich allerdings, daß es außer uns Körper gebe,
      d. i. Dinge, die, obzwar nach dem, was sie an sich selbst sein mögen, uns gänzlich
      unbekannt, wir durch die Vorstellungen kennen, welche ihr Einfluß auf
      unsre Sinnlichkeit uns verschafft, und denen wir die Benennung eines
      Körpers geben; welches Wort also blos die Erscheinung jenes uns unbekannten,
      aber nichts desto weniger wirklichen Gegenstandes bedeutet. Kann
      man dieses wohl Idealismus nennen? Es ist ja gerade das Gegentheil
      davon.”

      • Ich sehe darin keinen Widerspruch zu meiner Aussage, es ist die perfekte Bestätigung. Natürlich gesteht er zu, daß die Dinge an sich real seien. Das bestreite ich nicht. Nur behauptet er, man könne nichts über sie wissen. Dann kann er auch nichts über sich selber wissen. Er kann über nichts etwas wissen, außer über seine Vorstellungen. Er hat aber von sich selber unterm Strich auch nichts weiter als eine Vorstellung, wenn er ehrlich zu Ende denkt. Wenn dann diese Vorstellung konstatiert, daß sie gerade nachdenkt, dann ist das wiederum nur eine Vorstellung: eine Vorstellung stellt sich eine Vorstellung vor: sie wird selber zum Ding an sich, wozu sie ja wiederum keinen Zugang haben kann. Das Gedankengebäude hebt sich selber auf.

        • Ich denke, Sie interpretieren da zuviel in Kant hinein. Erkenntnis ist ja gerade für Kant möglich, wenn Sinnlichkeit und Begrifflichkeit zueinander finden. Von außen werden uns die Gegenstände über die Sinne gegeben und die Begrifflichkeit liefert der Verstand. Soll heißen: der Gegenstand außerhalb unseres Bewußtseins kann keine Erkenntnis liefern. Eigentlich banal.

          • Sehe ich nicht so. Eine Instanz, die behauptet, prinzipiell könne niemand Zugang zur Realität haben, kann selber keine Aussagen zur Realität machen. Wenn ihre Erkenntnismöglichkeiten notwendig nie mehr als subjektiv sein können, kann sie selber nicht objektiv sein. Sie hebt sich selber auf. Genau, was man unter dem Phänomen des kretischen Lügners versteht.

          • Wenn ihre Erkenntnismöglichkeiten notwendig nie mehr als subjektiv sein können, kann sie selber nicht objektiv sein.

            Stimmt. Aber ist das wirklich ein Problem? Objektivität gibt es in der Tat nicht, sondern nur einen intersubjektiven Konsensus.

          • Wenn ihre Erkenntnismöglichkeiten notwendig nie mehr als subjektiv sein können, kann sie selber nicht objektiv sein.

            Stimmt. Aber ist das wirklich ein Problem? Objektivität gibt es in der Tat nicht, sondern nur einen intersubjektiven Konsensus.

            Naja, mir könnte das ja egal sein, ob jemand glaubt, es gäbe keine Objektivität. Nur dummerweise hat Kant ja wohl den Anspruch, daß seine Schlußfolgerungen und Überzeugungen eine Art von objektiver Geltungskraft haben sollen. 😉

          • Nur dummerweise hat Kant ja wohl den Anspruch, daß seine Schlußfolgerungen und Überzeugungen eine Art von objektiver Geltungskraft haben sollen.

            Halte ich für menschlich. Stellen Sie sich einmal vor, Sie befassen sich ihr halbes Leben lang mit einem Problem, schreiben ein Buch, weil Sie glauben, Licht in das Dunkel gebracht zu haben und sagen dann: nehmt mich bitte nicht ernst, ich habe nur für den Papierkorb geschrieben. Dann können wir es mit der Suche nach Erkenntnis auch gleich lassen. Freilich war Kant ein Kind seiner Zeit. Hätte er bspw. Einstein schon gekannt, hätte er sicher einiges anders gesehen oder formuliert. Aber ich bin mir sicher, daß bspw. Popper ohne Kant gar nicht denkbar wäre. So stehen wir eben alle auf Schulter und sollten in unserer Eitelkeit mal schön den Ball flach halten.

          • Damit gehe ich einig. Ich habe Hochachtung vor der Gedankenleistung, die Kant erbracht hat, man kann vielleicht sogar sagen, vor und nach ihm mag es nur wenig in dieser Höhe gegeben haben.

            Wogegen ich mich nur wehre, ist ein sich automatisiert habendes Vor-Urteil, daß man keinen Zugang zur Realität haben könne, womit wir auch wieder mitten im Thema hier wären. Und die Begründungen, die Kant dafür bietet, sind in meinen Augen eben nicht tragfähig.

  105. Zitat: wer geht im zwischenmenschlichen Umgang nicht davon aus, dass unser Gegenüber einen freien Willen hat. Ehrlich gesagt mache ich mir darüber keine Gedanken mehr, denn im zwischenmenschlichem Umgang spielt die Frage keine wirkliche Rolle. Fakt ist doch, dass wir immer und überall von so vielen Erfahrungen und Einflüssen mit beeinflusst werden, dass das sich ergebende Entscheidungssystem ungeheuer komplex ist und von keinem vollständig wahrgenommen werden kann. Ich habe so doch keine Chance zu erkennen, ob mein Wille und der des/der anderen nun frei ist oder nicht. Vielmehr rate ich anhand meiner Erfahrungen, was mein Gegenüber als Ziel definiert, wie auch immer er das tut, und verhalte mich dazu in der ein oder anderen zu mir passenden Weise.

    Wir machen ständig Inklusionen, schliessen von dem, was wir gerne als real hätten, auf das, was andere sich wünschen. Und weil wir meistens für uns beides zusammenbringen können, halten wir es für wahr. Zu gern vergessen wir, dass Inklusionen niemals gewiss sind.

    Daher meine These: Der “freie Wille” ist ein Begriffskonstrukt, der die Tatsache beschreibt, dass wir schlicht nie in der Lage sind, unsere oder anderer Aktionen/Reaktionen vollständig zu begreifen, sobald sie sich jenseits der klaren Lebenserhaltung oder anderen evolutorisch-biologischen Grundfunktionen (den Grundgefühlen) abspielen.

    Das macht die Frage allerdings nicht sinnlos, denn sie zwingt uns immer wieder, uns zu fragen, wer und was wir sind.

    Übrigens bin ich nicht sicher, ob wir die einzigen sind, die sich über Dinge unterhalten können, die es nicht gibt auf dieser Welt. Wir reden so selten mit anderen Lebewesen so, dass wir sie wirklich verstehen. Ich kann mir bei Manschenaffen, Vögeln, Walen und vielleicht noch bei anderen hinreichend intellegenten Lebewesen durchaus soetwas vorstellen. Nur verstehen wir sie, wie gesagt, so schlecht.

  106. Andreas Dickreiter,
    die Grenze menschlicher Erkenntnis ist hauptsächlich in der Sprache zu suchen. Damit ist nicht nur die gesprochene Sprache gemeint, sondern alle formale Systeme, z.B. die Mathematik und die Logik.
    Die Begriffe spielen darin die Hauptrolle. Wenn ich noch keinen Begriff habe, kann ich den Vorgang nicht erklären, sondern nur beschreiben. Wir haben uns den Begriff des Bewußtseins sozusagen als Arbeitshypothese geschaffen und sind damit sehr weit gekommen. Ich denke, also bin ich. Das ist doch ein guter Anfang.
    Der logische Widerspruch des lügenden Kreters zeigt ja gerade die Grenze des Denkens auf. Wir müssten über das Denken nachdenken können, was streng genommen nicht möglich ist. Deswegen suchen ja die Menschen nach alternativen Erkenntnismöglichkeiten wie den Tanz, die Musik und die Mystik.

  107. @Trice

    »…wenn es zu Synchronien kommt:
    der Moment, in dem sich die beteiligten Neurone, Neuronengruppen darauf geeinigt haben
    a) an der Darstellung desselben Objekts beteiligt zu sein ,
    b) wer von ihnen welche Variablenposition eingenommen hat und
    c) die Regel damit erfüllt ist,
    dann ergeben sich Schwingungs-“Muster”, und die repräsentieren, was wir in der Außenwelt sehen, hören, fühlen, usw. Die gehören aber zur Repräsentationsebene und nicht zur neuronalen Verschaltungsarchitektur.
    «

    Wenn ich das nun richtig verstehe, dann bezieht sich die Rede vom Schwingungs-“Muster” auf einen Teil der an der Wahrnehmung beteiligten Neuronen. So weit, so gut. Nun sagen Sie aber, dass die Schwingungsmuster nicht zu der neuronalen Verschaltungsarchitektur gehören (was ich mit: ‚nicht an ihr auftreten‘ interpretiere), sondern eben zur Repräsentationsebene gehören. Nach meinem Empfinden wechseln Sie hierbei die Beschreibungsebene. Zunächst geht es um die (physiologischen) Vorgänge an den Neuronen, dann aber um ein kognitionswissenschaftliches Konzept („Repräsentationsebene“).

    »Jedes System hat seine eigenen Prozesse und ist strukturell an die beiden anderen gekoppelt.
    M.E. wäre es vernünftiger, von Subsystemen – neuronale Verschaltungsarchitektur, Repräsentationseben, Bewusstsein – zu sprechen und das Gehirn als Gesamtsystem zu bezeichnen.
    «

    „Subsysteme“ (anstelle von funktionalen Teilsystemen) ist mir auch recht. Aber unter der „neuronalen Verschaltungsarchitektur“ verstehe ich schlicht die anatomische Feinstruktur des Gehirns, das ist in meinen Augen kein Subsystem des Gesamtsystems Gehirn, sondern das Gehirn selbst, welches halt bestimmte funktionale Systemeigenschaften hat. Subsysteme wären bei meiner Betrachtungsweise etwa das visuelle und auditive System oder das Riechhirn. Eine „Repräsentation“ würde bei dieser Betrachtungsweise dann eben mit bestimmten funktionalen Zuständen der beteiligten Neuronenverbänden korrelieren, die dieser „Repräsentation“ zugrunde liegen.

    Oder, um mit Heinrich Päs zu sprechen, die neuronale Verschaltungsarchitektur und die dort ablaufenden Prozesse sind physikalisch real, während Repräsentationen und der freie Wille reale Konzepte sind.

    (Das (phänomenale) Bewusstsein ist in meinen Augen eine andere Baustelle, die lasse ich mal außen vor)

    • @Trice / Nachtrag

      Nochmal kurz zu den ‘Subsystemen’:

      Ich vermute mal, dass Sie hier systemtheoretisch argumentieren. Auf der kognitionswissenschaftlichen Beschreibungsebene mag man die neuronale Feinstruktur (Verschaltungsarchitektur) als ein „Subsystem“ des Gesamtsystems auffassen können. Aber wie gesagt, es handelt sich dabei meiner Meinung nach dann (bloß) um Konzepte, Modelle und dergleichen, nicht um die physikalisch realen funktionalen Einheiten selbst.

  108. In einer Antwort auf Martin Holzherr, bei der es darum ging, wo die physikalische externe Realität anfängt und wo aufhört, hat Heinrich Päs (17. Januar 2018 @ 12:01) einige Fragen gestellt, auf die noch nicht direkt eingegangen wurde.

    »Sind biologische Organismen real? «

    Ich denke, ja, Organismen sind als reale physikalische Entitäten (lebende Systeme) aufzufassen.

    »Was ist mit Superorganismen wie Ameisenstaaten?«

    Sogenannte ‚Superorganismen‘ sind nicht im gleichen Sinne reale lebende Systeme wie Organismen.

    »Unterscheiden die sich hinreichend stark von einem Menschen, dessen Funktionalität auch auf der Symbiose zahlloser Bakterien beruht? «

    Ja, tun sie, „Superorganismen“ wie etwa Ameisenstaaten unterscheiden sich grundsätzlich von den einzelnen Organismen, aus denen sie bestehen.

    Begründung:

    Organismen können ein- oder mehrzellig sein. Ein mehrzelliger Organismus entwickelt sich als funktionale Einheit gemäß seiner genetischen Information aus einer einzelnen Zelle heraus und kann sterben. Organismen werden darum zu Recht auch als Lebewesen bezeichnet.

    Ein Ameisenstaat besteht aus vielen einzelnen mehrzelligen Organismen, die funktional „zusammenarbeiten“, und kann als solcher nicht in gleicher Weise sterben wie ein einzelner Organismus oder eine einzelne Zelle. Wohl niemand hält ein Ameisenvolk für ein Lebewesen.

    Es gibt (glaube ich) keine höheren Lebensformen oder Organismen, die völlig autark existieren können, die allermeisten sind auf andere Organismen angewiesen. Das trifft auf einzelne Organismen ebenso zu wie auf einen Ameisenstaat als Ganzes. Ohne Mikroorganismen würde weder ein Mensch noch eine Ameise existieren können. Das heißt, sowohl für Ameise als auch Mensch gilt, dass deren Funktionalität auf dem Vorhandensein von zahllosen Bakterien beruht. Hinsichtlich der Organisationhöhe ist das Ameisenvolk eher einem Menschenvolk ähnlich.

    Kurzum: die fundamentale wechselseitige Abhängigkeit (fast) aller lebenden Systeme (Ein- und Mehrzeller) über die jeweiligen Artgrenzen hinweg kann nicht mit der darauf aufbauenden arbeitsteiligen Kooperation innerhalb einer Spezies („Superorganismus“) gleichgestellt werden.

  109. Balanus
    …sind nicht im gleichen Sinne real…
    An dieser Aussage wird klar, dass der Begriff ” real” weiter erklärt werden muss.
    Dann kommt man zu den Weltanschauungen. Sind die real ? Nicht im materiellen Sinne, aber im sozialen Sinne. Dann kommt man zu Gott , ist der real ? Im sozialen Sinne ja und im ontologischen Sinne, weil er die Ursache des Universums ist.

    • Der Urknall aus dem “Nichts” kann’s gewesen sein. Mehr wissen wir nicht.
      Alles andere ist infiniter Regreß, nicht überzeugende Spekulation.

  110. Herr Senf,
    …mehr wissen wir nicht. Danke für diese Einsicht.
    Und genau in diese Lücke drängen die Religionen.
    Die geben Antwort auf das Was, Wie und Warum.

    Und wie ein Kind wissen will , wer sein Vater ist und nicht eher ruht, bis es es weiß, so ruht die Menschheit nicht, bis sie weiß warum wir leben, woher wir kommen und wohin wir gehen.

    • … uns gibt es noch nicht so lange, und so nur auf der Erde – stellen Fragen.
      Warum, woher, wohin ist dem Urknall egal, was Aliens wohl zum Problem denken?
      Dann hätten wir wenigstens mal einen Vergleich zum Verständnis der Realität.

  111. @ Senf: “… uns gibt es noch nicht so lange, und so nur auf der Erde” … tatsächlich? Und woher wollen Sie das wissen? Wer ist “uns”?

    “Warum, woher, wohin ist dem Urknall egal … “ – Die Urknall-Fiktion eine außerphysikalische metaphysische Setzung = Religion. Außerdem noch nicht ausreichend vernünftig begründet, um überhaupt Realität beanspruchen zu können. Und schließlich: wenn das doch so wäre, ist kaum anzunehmen, dass ausgerechnet Herr Senf weiss, was der Urknall denkt, was ihm egal sei, oder nicht. Es ist schwer vorstellbar, dass der Urknall intelligente, mitfühlende Lebewesen hervorbringen sollte, es selbst aber nicht sei. Wir beobachten eigentlich nie die Entwicklung höherer Wesen aus niederen – woher sollte die “höhere” Entwicklung kommen? – und wenn, bliebe definitiv diese Frage unbeantwortet: woher die höhere Entwicklung – scheinbar entgegen aller Entropie – käme.

    “Was Aliens wohl zum Problem denken?” – genau mit dieser Frage sind vor allem die Religionen beschäftigt. Schauen Sie in den Dresdner Codex, dann können Sie eine Vorstellung entwickeln, was die Aliens denken, wenn sie denken.

  112. @Markus Termin
    Zitat: “Wir beobachten eigentlich nie die Entwicklung höherer Wesen aus niederen – woher sollte die “höhere” Entwicklung kommen?”

    Es sieht zumindest so aus, dass die Evolution immerzu hauptsächlich höher entwickelte Wesen hervorgebracht hat.

    Meiner Meinung nach generieren generieren so etwas wie “DNA Zufallsgeneratoren” (wie immer sie im Detail funktionieren) systematisch DNA Variationen, die neuen Lebewesen müssen sich im Sinne des Darwinschen Prinzips “bewähren”.

    Das Immunsystem dürfte stabilisierend wirken und verhindert ein weiteres explosionsartiges Entstehen neuer “Lebewesen”.

    Falls man die DNA Kette als eine Art “Zählerkette” der Elektronik betrachtet und tatsächlich so etwas wie ein “Zählprozess” (wie in der Elektronik) geschieht, könnten extrem viele Variable “gescannt” werden. Der Zählprozess Richtung “unendlich” wäre eine Art Ziel.

    Gut existenzfähige “Varianten” überleben, andere gehen unter.

    • “Es sieht zumindest so aus, dass die Evolution immerzu hauptsächlich höher entwickelte Wesen hervorgebracht hat.” Eine Interpretationsfrage. Schauen Sie sich den Quastenflosser an. Solange man nur Fossilien kannte, hielt man ihn für ausgestorben. In Wahrheit lebt er neben “höher” entwickelten Wesen noch heute. Ist eine Eidechse höher entwickelt, als ein Dino? Bernsteineinschlüsse zeigen zu den heutigen identische Wesen aus Urzeiten: Bienen z.B. – es könnte ein Irrtum sein, zu glauben, man kennt Richtung und Abfolge. Wie das Universum keinen Mittelpunkt haben soll, so könnte analog auch die Evolution freier von chronologischer Richtung oder Reihenfolge sein, als man es sich heute ausmalt.

  113. @Elektroniker: ‘zeitliche’ Überlagerung

    Ja, ich denke schon, dass es die geben müsste. Ich bin nur nicht sicher, ob wir dasselbe meinen. Wenn Sie schreiben:

    Aus Sicht der Elektronik werden die Signale nicht nur von verschiedenen „örtlichen Strängen punktweise“ zur Verknüpfung abgegriffen, sondern auch von „zeitlich punktweisen“ unterschiedlichen Strängen. Dadurch erfolgt eine Mustererkennung „örtlich – zeitlicher Muster“.
    Zunächst so etwas wie „Mikromusterkomponenten“ die danach hierarchisch verknüpft zu aussagekräftigen „Mustern“ werden.

    Das klingt zumindest für mich nicht nach zeitlicher (raumzeitlicher?) Überlagerung.
    Ich habe nur einmal in einem Vortrag von Prof. Harald Lesch etwas gehört, dass nach dem klang, was ich meine. Er erklärte damals den Begriff der Dekohärenz und sagte sinngemäß, dass dieser Fall eintritt, wenn ein Teilchen mit seiner Umgebung (und mit sich selbst?) wechselwirkt – von dem Moment an habe es Vergangenheit und dieser Vorgang sei irreversibel.
    Das irritiert mich, denn um mal kurz Wiki* zu zitieren:
    Das Vorhandensein von Kohärenz deutet daher meist auf eine gemeinsame oder zusammenhängende Entstehungsgeschichte der Wellen hin. Je nach Zeitdauer dieser Entstehung kann die Kohärenz somit zeitlich begrenzt sein,

    Eine gemeinsame Entstehungsgeschichte heißt für mich: Da gibt es schon eine Vergangenheit, die mit der Entstehung begann.

    *https://de.wikipedia.org/wiki/Koh%C3%A4renz_(Physik)

  114. @Balanus:

    Nun sagen Sie aber, dass die Schwingungsmuster nicht zu der neuronalen Verschaltungsarchitektur gehören (was ich mit: ‚nicht an ihr auftreten‘ interpretiere), sondern eben zur Repräsentationsebene gehören. Nach meinem Empfinden wechseln Sie hierbei die Beschreibungsebene. Zunächst geht es um die (physiologischen) Vorgänge an den Neuronen, dann aber um ein kognitionswissenschaftliches Konzept („Repräsentationsebene“).

    Nein, ich wechsele die Beschreibungsebene nicht wirklich. Von Beginn an gehören Wellenlängen, auch nachdem sie in Aktionspotenziale transformiert wurden, nicht zur neuronalen Verschaltungsarchitektur – sie sind ein in Aktionspotentiale transformierter Teil der Außenwelt, nur ergeben sie in dieser Form noch keine Repräsentanten. Erst wenn die ‘Teile’ zusammengesetzt werden, sind sie, als chemisch-elektrophysikalische Muster, was wir meinen, in der Außenwelt wahrzunehmen.

    Zunächst geht es um die (physiologischen) Vorgänge an den Neuronen, dann aber um ein kognitionswissenschaftliches Konzept („Repräsentationsebene“).

    Es geht immer um beides: um die arbeitende Verschaltungsarchitektur und um die Produkte, die aus dem gelieferten Material hergestellt werden. Mit dem Unterschied, dass die Produkte ‘im Werk’ bleiben, nur nicht in der Produktionsstätte.

    Aber unter der „neuronalen Verschaltungsarchitektur“ verstehe ich schlicht die anatomische Feinstruktur des Gehirns, das ist in meinen Augen kein Subsystem des Gesamtsystems Gehirn, sondern das Gehirn selbst, welches halt bestimmte funktionale Systemeigenschaften hat.

    Das ist wohl das Problem, weshalb es so schwierig ist, zu verstehen, wie das Gehirn als Ganzes arbeitet – von den Neurowissenschaften wird offenbar alles der Verschaltungsarchitektur zugeschrieben.

    Subsysteme wären bei meiner Betrachtungsweise etwa das visuelle und auditive System oder das Riechhirn.

    Es spricht nichts dagegen, auch Subsysteme in kleinere Einheiten zu unterteilen, sofern man nur weiß, was an tut.

    Eine „Repräsentation“ würde bei dieser Betrachtungsweise dann eben mit bestimmten funktionalen Zuständen der beteiligten Neuronenverbänden korrelieren, die dieser „Repräsentation“ zugrunde liegen.

    Der Begriff Repräsentation ist auch unglücklich gewählt, aber es gibt leider keinen passenden.

    Eine „Repräsentation“ würde bei dieser Betrachtungsweise dann eben mit bestimmten funktionalen Zuständen der beteiligten Neuronenverbänden korrelieren, die dieser „Repräsentation“ zugrunde liegen.

    Das ist eben die crux bei der Sache – auf der einen Seite wird der Begriff “Repräsentation” genau in diesem Sinne verwendet, auf der anderen Seite aber wird das Gedächtnis zum Repräsentationssystem gezählt inklusive seiner Inhalte in Form von Wissenseinheiten (was ebenfalls unsinnig ist, weil die Inhalte das Gedächtnis sind – es gibt keinen Ort im Gehirn, an dem es untergebracht werden könnte). Und diese Wissenseinheiten sind ganz sicher keine Zustände der beteiligten Neuronenverbände – zumal das Gedächtnis dynamisch ist.

    Oder, um mit Heinrich Päs zu sprechen, die neuronale Verschaltungsarchitektur und die dort ablaufenden Prozesse sind physikalisch real, während Repräsentationen und der freie Wille reale Konzepte sind.

    Die neuronale Verschaltungsarchitektur ist real, die über sie ablaufenden Prozesse sind real, die elektrophysikalischen ‘Muster’ (Repräsentationen) sind real – es sei denn, Sie behaupten, Energie sei nichts reales – aber der freie Wille ist ein reales (abstraktes)Konzept.

    Und zum Nachtrag:

    Ich vermute mal, dass Sie hier systemtheoretisch argumentieren. Auf der kognitionswissenschaftlichen Beschreibungsebene mag man die neuronale Feinstruktur (Verschaltungsarchitektur) als ein „Subsystem“ des Gesamtsystems auffassen können. Aber wie gesagt, es handelt sich dabei meiner Meinung nach dann (bloß) um Konzepte, Modelle und dergleichen, nicht um die physikalisch realen funktionalen Einheiten selbst.

    Nun, zunächst einmal sind letztlich alle unsere Theorien, Thesen, Vorstellungen von der Welt Modelle, denn auch die physikalisch realen funktionellen Einheiten sind bereits ein Modell, weil wie so interpretiert werden.
    Mich wundert ja, dass Kritik an der Systemtheorie von einem Biologen kommt, ;-), denn die Systemtheorie wurde ja von einem Biologen, von Bertalanffy,* eingeführt, der in seiner “General System Theory” schrieb: “The present author (…) became puzzled about obvious lacunae in the research and theory of biology. Then the prevalent mechanistic approach (…) appeared to neglect or actively deny just what is essential in the phenomena of life. He advocated an organismic conception in biology which emphasizes consideration of the organism as a whole system …”

    *Ludwig von Bertalanffy (1969): General System Theory.Foundations, Development, Applications. New York: George Braziller. S. 12

  115. Hi zusammen,

    ich hab nochmal nachgelesen bei Markus Gabriel.

    Seine Begründung, warum es “die eine Welt” nicht gibt, stützt sich auf folgende Argumentation:

    Wenn ein Gegenstand existiert, dann heißt das: es erscheint in einem Sinnfeld.
    Es existiert kein Gegenstand einfach so. Nichts existiert einfach so, oder im Allgemeinen. Alles existiert immer in einem Sinnfeld (der Begriff “Existenz” bzw. existieren ist dabei sorgfältig zu analysieren und zu bestimmen, was Markus Gabriel auch tut). Also Gegenstände außerhalb eines Sinnfeldes gibt es nicht.

    Gegenstände sind immer so und so, daß heißt man kann sie beschreiben, mehr nicht.
    (Dieser Deskriptivismus ist ontologisch gemeint).

    Wenn sie also nur in einem Sinnfeld existieren, und nur so und so beschreibbar sind, dann ist auch das gesamte Sinnfeld nur so und so beschreibbar und es existiert nicht einfach so oder im Allgemeinen. Dann kann auch das Sinnfeld aller Sinnfelder, die Welt, nicht einfach so existieren (das muß man natürlich noch sehr viel genauer begründen, was er auch tut).

    In keinem Fall kann das Sinnfeld aller Sinnfelder als Totalität existieren, weil dieser Gegenstand in keinem Sinnfeld erscheinen kann und auch nicht beschrieben werden kann. Das ist letztlich die schon von mir vorgebrachte These, daß ein Weltmodell nur beschrieben werden kann, wenn auch deren äußere Grenzen und die Umgebung des Modells beschrieben werden können, sonst versagt eben jede Beschreibung. Jede Beschreibung ist sonst nur eine Innenbeschreibung, die das Ganze nicht erfaßt (nicht mögliches Einnehmen einer Metaposition zur Beschreibung des Ganzen).

    Ein Weltmodell gibt es danach nicht, da bin ich mit ihm einig. Nach Markus Gabriel gibt es auch keine Gegenstände, die einfach nur da sind, also Dinge an sich, eigentlich hat die Metaphysik gar keinen Betrachtungsgegenstand, weil eben nichts nur so existiert, sondern alles nur in Sinnfeldern. Das ist aber nur eine Sichtweise, nach meiner Meinung, nichts Grundlegendes.

    Nun ja, modale Welten kommen bei ihm auch vor, stellen aber keine Gegenstände in Sinnfeldern dar, sondern den Sinn von Sinnfeldern – was ich nicht ganz verstehe. Dass modale Welten (also die Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten) nichts Reales sind, ist unbestritten, aber warum diese dann den Sinn von Sinnfeldern ergeben sollen erschließt sich mir auch nicht.

    Immerhin interessante These, kann man drüber nachdenken.

    Grüße Fossilium

  116. Willkommen in der Philosophie, definiert den Willen und ihr habt vielleicht die Lösung des Problems. Die Ableitung konkreter geistiger Zustände, Bewusstseinsinhalten, aus neurologischen Daten scheint mir noch nicht möglich. Sehr spannendes Thema! Verändert der Mensch in seiner kulturellen Entwicklung die Natur auf immer vorgefundener, gesellschaftlicher Basis? Gibt es einen vorkulturellen ‘Menschen’? Ansonsten landet man recht schnell in einer Naturalisierung des status quo. Gerade Verhaltensbiologen scheinen mir stark die Grenze zwischen Natur und Kultur zu verwischen. Existiert sie? Vielleicht, vielleicht nicht.
    “Selten bezieht sich Kritische Theorie so emphatisch auf die modernen Naturwissenschaften wie in dieser Problematik: Kants Lehre, Raum und Zeit wären transzendentale Verstandesfunktionen a priori, blamiert sich vor der „subjektiven Erfahrung“(ebenda, S.188) der modernen Physik, welche „mit theoretischer Stringenz das Gefängnis der Anschauung sowohl wie der subjektiven Apriorität von Raum, Zeit und Kausalität gesprengt“(ebenda, S. 188) haben. Raum und Zeit sind keine Kategorien a priori. Diese Bestimmungen entstammen der subjektiven Erfahrung des Objekts, anhand derer ein Begriff gebildet wurde: „Vermöge der Reziprozität zwischen ihnen und dem seienden Inhalt entwickeln sie sich auch ihrerseits“(ebenda, S. 378-379). Daher, nach Adorno, auch das Wahre der Lehre Hegels, das Subjekt müsse sich dem Objekt passiv hingeben, da es das Objekt eben nicht erschafft. Jedoch zeigt sich das Objekt nicht so freiwillig wie in der Theorie Hegels: Kein Gott verbürgt die Wahrheit der Vernunft. Es braucht daher im Erkenntnisvorgang ein Mehr an Subjekt, eine Reflexion auf die Bestimmungen, die sich schon bei Kant bewusstlos vollziehen und die eben nicht immer zur Wahrheit führen, sondern vor ihr weg (Vgl. ebenda, S. 188-189). Auch die moderne Quantenphysik landet über die Reflexion ihrer Begriffe in der Philosophie und ist bei weitem nicht so rein empirisch, wie der Positivismus denken lässt. Die Theorien der Quantenphysik, die mit den derzeitigen Mitteln der Statistik nicht einwandfrei bewiesen werden können, verlangen auch hier Interpretation und Diskussion (siehe: Kopenhagener Interpretation et cetera). Dass keine Regelmäßigkeit gemessen werden kann, schließt nicht aus, dass keine existiert. Jedoch auch nicht, dass dadurch der Zufall bewiesen wäre. In weiteren Schritten verlangt dies eine Reflexion auf die Begriffe: Freiheit, Determination, Kausalität und Zufall. Die Physik befindet sich somit wieder in der Philosophie. Auch wenn Adorno seine Theorie hauptsächlich als kritische Methode der Gesellschaftskritik verstand und so vor allem gesellschaftliche Forschungsobjekte vor Augen hatte, skizziert er immer wieder Beispiele, die sich allgemeiner lesen lassen: Jegliche Erfahrung ist vermittelt. Dies hat notwendig Auswirkungen auf alle Bereiche menschlichen Wissens. Auch abstrahierte der Positivismus seine Theorie der reinen Empirie gerade an den Naturwissenschaften, die selbst in solch Reinheit nicht bestehen können: Sie verlangen ebenso Interpretation und Theorie, Reflexion auf Begriffe, Tradition und Gesellschaft. […]
    2.3.7 Adornos Begriff der Freiheit
    […]Sartres Diktum, die Existenz ginge der Essenz voraus, impliziert einen Entwurf aus dem Nichts, eine objektlose Innerlichkeit als tautologisches in sich selbst Kreisen der abstrakt unbestimmten Subjektivität. Der Mensch soll sich aus sich selbst heraus bestimmen, unabhängig von Sozialisation und bestimmenden Gründen, an denen sich Freiheit doch erst abarbeiten würde (Vgl. Adorno 2003b, 58-60). Dieses Entwurfskonzept bleibt vollkommen leer – Freiheit ist so nur als Roulett gleicher Zufall denkbar. […]Die Freiheit des Willens, die gerne von der Handlungsfreiheit2 geschieden wird, ist ein komplexer Begriff, der auf dialektisch zu schlichtende Widersprüche führt. Der freie Mensch ist eine regulative Idee und als solche für das Zusammenleben der Menschen unabdingbar. Er ist gleichzeitig die Bedingung der Möglichkeit zu sündigen, weshalb ihr Postulat immer mit einer Verurteilung ihrer scheinbaren Träger einhergeht. In diesem Sinne ist sie dem Mythos urverwandt, ein Stück feinste Metaphysik. Freiheit ist ein im Prozess der Naturbeherrschung sich entwickelndes, im menschlichen Bewusstsein liegendes Potential, kein Schicksal. Es kann ebenso vergehen, wie es entstand. Dies Potential besteht in der Reflexion des jeweiligen historischen Standes der gesellschaftlichen Vermittlungen, sowie der durch die verschiedenen Ausgangslagen (kulturell, sozial, familiär) bedingten besonderen Narben der Subjektivität durch die Objektivität. Dieses Potential ist nichtig, solang es nicht verwirklicht, also die Knechtschaftsverhältnisse, ob persönlich, oder durch Institutionen vermittelt, via einer Revolution zerstört werden: „Kein Modell von Freiheit ist verfügbar, als daß Bewußtsein, wie in die gesellschaftliche Gesamtverfassung, so durch diese hindurch in die Komplexion des Individuums eingriffe“(Adorno 2003b, S. 262). Weiter: „Freiheit meint Kritik und Veränderung der Situationen, nicht deren Bestätigung durch Entscheidung inmitten ihres Zwangsgefüges“ (ebenda, S. 225-226). 3 […] „Elitärer Hochmut stünde der philosophischen Erfahrung am letzten an. Sie muß sich Rechenschaft darüber geben, wie sehr sie, ihrer Möglichkeit im Bestehenden nach, mit dem Bestehenden, schließlich dem Klassenverhältnis kontaminiert ist“ (ebenda S. 52). Das psychologische Subjekt ist in gewisser Hinsicht ein Teil des Transzendentalen. Die Schäden der frühen Kindheit treffen einen jeden zufällig. Niemand sucht sie sich aus und doch prägt jene Phase der Schutzlosigkeit stärker als jede weitere. Die jeweilige Zeit bestimmt mittels institutionalisierter Denk- und Handlungsformen die Zusammensetzung der Subjektivität. Seine Lebensnot bestimmt sein Denken.4 Es entstand wesentlich aus ihr. Der Mensch ist somit vorab unfrei. In seinem Bewusstsein liegt das Potential die Vermittlungen seiner selbst zu erkennen, doch ist dies Potential auch wieder an gewisse materielle Freiheiten, familiäre und kulturelle Bedingungen, Leidenserfahrungen und zufällige Treffen gebunden, will es sich entfalten. Der Verfall des Geschichtsbewusstseins negiert Freiheit eher, als das es sie vorantreibt.[…]Ihre Minimalbedingungen wären Freiheit von Hunger und Knechtschaft – das Ende von Konkurrenz und Spaltung – in einer solidarischen Weltgesellschaft. Die gegenwärtige Selektion in der Schule selektiert potentielle Freiheit. Eine moralisierende Kritik der Verblendeten bleibt im Sinne von Hegels kurzem Lehrstück „Wer denkt abstrakt“ eben so abstrakt hinter der Realität zurück.[…] Eher ist der freie Wille eine im Verschwinden begriffene historische Möglichkeit, die durch die weltweite gesellschaftliche Regression in Mythos, Nationalwahn und Verwertungsrassismus im fortschreitenden 21 Jahrhundert eher negiert wird. Freiheit wäre nur in einer Versöhnung von Allgemeinem und Besonderen möglich, alleine da das Besondere durch das Allgemeine bestimmt ist. Freiheit ist immer Befreiung. Ansonsten wird ihre Idee zur metaphysischen Wesenheit verzerrt, statt auf materielles zu verweisen. Sie hat zwei wesentliche Implikationen: 1. Freiheit von der begrifflichen Totalität gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse(bspw: Freiheit ist nur als Freiheit der anarchischen Kapitalakkumulation denkbar, objektivie Wertlehre vergessen)[…]Das Freie am Gedanken ist das Moment, welches ihn befähigt über das Seiende hinauszuschießen: Spontaneität, Intuition und Leid als Anstoß der bestimmten Negation – Kritik (Vgl. Adorno 2014, S. 145). Ohne jegliche Freiheit des Gedankens wäre Dialektik nicht zu konzipieren, auch keine Kultur, oder überhaupt irgendeine Veränderung denkbar. Reiner Determinismus determiniert in der Naturalisierung des Status quo. Jedoch ist Freiheit nicht positiv zu fassen, sondern besteht im Widerspruch zum Gegebenen. 2. Freiheit von der Triebspannung. Wahrscheinlich wurde die Idee der Freiheit von ihr abgezogen. Dies verweist auf die dialektische Struktur von Freiheit: Souveräne Einsicht muss als Bedingung ihrer Möglichkeit zeitlos drängende Impulse bannen, ist somit nicht mehr frei, richtet den Primat der Identität gegen die widerstrebenden Impulse. Der ungeschiedene Naturzusammenhang fesselt nicht minder. Die Regungen zu bannen war ein Weg zur Freiheit auf dem sich das Subjekt seiner bewusst wurde, doch darf es jenes identische nicht als Persönlichkeit hypostasieren:
    „Frei sind die Subjekte, nach Kantischem Modell, soweit, wie sie ihrer selbst bewußt, mit sich identisch sind; und in solcher Identität auch wieder unfrei, soweit sie deren Zwang unterstehen und ihn perpetuieren. Unfrei sind sie als nichtidentische, als diffuse Natur, und doch als solche frei, weil sie in den Regungen, die sie überwältigen – nichts anderes ist die Nichtidentität des Subjekts mit sich -, auch des Zwangscharakters der Identität ledig werden“ (Adorno 2003b, S. 294).
    Diese Dialektik aufzulösen ist das Ziel der Utopie. Freiheit des Willens als Entwurf, ohne jegliche empirische Prägung zu fassen, wäre abstrakt: Von der Freiheit des Subjekts zu sprechen macht nur Sinn, wenn sie sich auf etwas bezieht. Ein reiner Wille wäre vollkommen leer: auf nichts mehr bezogen. Der Wille ist elementar an Bedürfnisse und Triebe des Es gebunden, ohne jedoch in diesen vor-ich’lichen Impulsen vollkommen aufzugehen. Sie finden sich im Willen des Ichs unter der Vermittlung des Realitätsprinzips vereinheitlicht und abgelenkt. Freiheit meint somit nach Adorno mehr als souveräne Einsicht als Resultat eines Prozesses. Die Versöhnung des Realitätsprinzips mit den Impulsen in einer selbstbestimmten Gesellschaft wäre Freiheit (Vgl. ebenda, S. 211-232). So entschlüsselt sich der Aphorismus sur l’eau aus der Minima Moralia.” Vorläufige Interpretation der Negativen Dialektik.

  117. Heraklit,
    du hast zwar Geist, dir fehlt es aber an Mitleid.

    “Identität auch wieder unfrei, soweit sie deren Zwang unterstehen und ihn perpetuieren. Unfrei sind sie als nichtidentische, als diffuse Natur, und doch als solche frei, weil sie in den Regungen, die sie überwältigen – nichts anderes ist die Nichtidentität des Subjekts mit sich -, auch des Zwangscharakters der Identität ledig werden”
    Was denkst du, wieviel % der Bevölkerung verstehen diesen Satz. Und wieviel % davon stimmen ihm zu?

    Habe doch mal Mitgefühl mit einem Durchschnittsmenschen, der wohlmeinend ahnt, was du damit sagen willst. Solche Erleuchtungen halten mich von der Arbeit ab, lähmen meinen zielgerichteten Willen und lassen mich nach Chaos sehnen.

    Markus TerminHeraklit,
    du hast zwar Geist, dir fehlt es aber an Mitleid.

    “Identität auch wieder unfrei, soweit sie deren Zwang unterstehen und ihn perpetuieren. Unfrei sind sie als nichtidentische, als diffuse Natur, und doch als solche frei, weil sie in den Regungen, die sie überwältigen – nichts anderes ist die Nichtidentität des Subjekts mit sich -, auch des Zwangscharakters der Identität ledig werden”
    Was denkst du, wieviel % der Bevölkerung verstehen diesen Satz. Und wieviel % davon stimmen ihm zu?

    Habe doch mal Mitgefühl mit einem Durchschnittsmenschen, der wohlmeinend ahnt, was du damit sagen willst. Solche Erleuchtungen halten mich von der Arbeit ab, lähmen meinen zielgerichteten Willen und lassen mich nach Chaos sehnen.,

    Markus Termin
    Heraklit,
    du hast zwar Geist, dir fehlt es aber an Mitleid.

    “Identität auch wieder unfrei, soweit sie deren Zwang unterstehen und ihn perpetuieren. Unfrei sind sie als nichtidentische, als diffuse Natur, und doch als solche frei, weil sie in den Regungen, die sie überwältigen – nichts anderes ist die Nichtidentität des Subjekts mit sich -, auch des Zwangscharakters der Identität ledig werden”
    Was denkst du, wieviel % der Bevölkerung verstehen diesen Satz. Und wieviel % davon stimmen ihm zu?

    Habe doch mal Mitgefühl mit einem Durchschnittsmenschen, der wohlmeinend ahnt, was du damit sagen willst. Solche Erleuchtungen halten mich von der Arbeit ab, lähmen meinen zielgerichteten Willen und lassen mich nach Chaos sehnen.

    Markus Termin,
    Höherentwicklung??
    Viele Aussagen über die Evolution sind metaphysische Setzungen, da stimme ich zu. Es ist noch nicht mal sicher, ober wir eine Höherentwicklung durchmachen im Sinne des Kulturoptimismus.
    Die Vermüllung der Meere , die Ausrottung der Tierwelt , die Vergiftung des bodens lässt doch eher darauf schließen, dass sich die Menschheit einem Endzeitszenario nähert.
    Womit die Altestamentler mit der Vorstellung der Apokalypse Recht behalten würden.
    Aber auch solche Gedanken sind nur Interpretation, nicht real weil wir ja die Fähigkeit haben aus den Fehlern zu lernen und unser Verhalten zu ändern. Das Schicksal ist nicht so determiniert, wie es die Ideologen jeglichen Couleurs gern hätten.

  118. Hallo Uerr Senf,

    es geht ja hier um den Beitrag von Herrn Päs. Das ist ein in sich eingegrenzter Entwurf eines mehr oder weniger deterministischen Weltbildes, welches nicht wirklich präsiziert ist, und daher auch nicht wirklich zur Kritik steht. Lediglich ein paar grundsätzliche Thesen und Begriffe des Beitrages kann man besprechen, eine grundsätzliche Kritik dürfte ihm möglicherweise Unrecht tun oder am Thema vorbeigehen, weil wahrscheinlich Annahmen getroffen werden müssen, die gar nicht im Beitrag drin stehen.

    Ein solcher Begriff ist das Wunder oder die grundsätzlich abgestrittene starke Emergenz, und die zentrale Behauptung verschiedenen Beschreibungsbenen, die nur so eine zum Weltbild passende Definition des freien Willens zulassen. Das Thema Bewußtsein kann dabei unendlich besprochen werden. Die eigentliche Frage gerät aber in den Hintergrund: welche Aspekte sprechen dafür, welche dagegen ?

    Ich sehe hier das Problem, daß alle Behauptungen von Herrn Päs im Grunde nur philosophisch diskutiert werden können. Man kann dann z.B. physikalische Erkenntnisse, die mit physikalischen Begriffen beschrieben werden, als zusätzliche Begründung einer philosophischen Behauptung bringen. Man muß dann aber zunächst die philosophische Bedeutung der Begriffe klären, weil physikalische Begriffe eben Physikalisches bedeuten und nichts Philosophisches. Die physikalischen Erkenntnisse müssen durch das Filter der Philosophie, bevor man sie verwenden kann. Das muß man eben machen, sonst entsteht Verwurstelungsgefahr, oder das Abgleiten in Unbestimmtheiten, die alles bedeuten können oder nichts.

    Daher ist es sehr schwer, zu dem Beitrag was zu sagen, weil hier philosophische und physikalische, biologische, soziale und wirtschaftswissenschaftliche Begriffe, denen man philosophisch verschiedene Bedeutungen geben kann, durcheinander gehen. Das führt zu einem Journalismus, nicht zur Wissenschaft, und wahrscheinlich ist dies beabsichtigt. Das hier eine so lebhafte Diskussion entsteht, ist ja ein Zeichen, daß dieser Stil Positives bewirkt. Ich kann mir vorstellen, daß Sie mit diesem Stil und der verfransenden Diskussion damit nicht so gut umgehen können. Aber letztlich sehe ich das nicht negativ. Herr Pös läßt eben absichtlich viel Freiraum, das ist doch gut, oder ?

    Grüße
    Fossilium

  119. @Heinrich Päs / 23. Januar 2018 @ 16:26

    Der wesentliche logische Punkt bei der Angelegenheit ist, dass eine allumfassende Gesamtheit von Gegeständen eines bestimmten Typs als ein Gebilde von einem hierarchisch höheren Typ als dem jener Gegenstände zu verstehen ist, die auf diese Weise begrifflich zusammengefasst werden. Kant nimmt dabei eine Unterscheidung der gleichen Art vor wie später Russell bei seiner Typentheorie, oder auch wie bei der mengentheoret. ZF Axiomatik zwischen Mengen und (echten) Klassen unterschieden wird. Die Einführung solcher begrifflichen Levels hat eine “regulative Funktion” (im Sinne Kants) für den ins Auge gefassten Gegenstandsbereich, indem nämlich u.a. erst damit garantiert wird, dass sich über die betreffenden Gegenstände in einer antinomienfreien Objektsprache reden lässt. Andererseits heisst das aber, dass diese Objektsprache dann keinen Begriff für die Totalität dieser Gegenstände hat, die folglich auf diesem Beschreibungslevel nicht existiert.

    Soweit ich es überhaupt beurteilen kann, hat Gabriel dem allem inhaltlich nichts hinzugefügt; er hat lediglich einen bereits bekannten Sachverhalt auf seine Weise und für seine Zwecke neu formuliert. Im übrigen meine ich, dass sein Opus “Die Erkenntnis der Welt” hierzu eine insgesamt bessere Referenz ist als sein “Warum es die Welt nicht gibt”.

  120. Chrys,
    nach diesem Schlußwort bleibt nur noch die Phänomenologie.
    Wie stehen Sie zu dem Phänomen Spielsucht, Drogen und Geltungssucht. Die Schwäche für diese Erscheinungen liegt ja in uns Menschen begründet und gehen in die Richtung, dass wir doch determiniert sind und dass der Begriff “Freiheit “eine philosophische Abstraktion ist und war um Menschen zu motivieren die jeweiligen Machtverhältnisse zugunsten einer anderen Machtkonstellation zu verändern.
    Siehe die Parole der franz. Revolution, Liberté, Egalité, Fraternité.
    Oder ist der freie Wille im ontologischen Sinne existent?

  121. hehe, sowas nennt man wohl ergebnisoffene Diskussion. Ich werfe immer gerne einen Blick auf die Forschungen der Wissenschaften, aber das Problem des freien Willens scheint oft darin zu liegen, wie man die Frage stellt. Was ist der Wille? Wie kann man es sich vorstellen sich seinen Willen selbst zu geben? Was für Einflüsse müssen hierbei bedacht werden? Wie entsteht aus chemischen Reaktionen Bewusstsein?

  122. @heraklit // 25. Januar 2018 @ 02:05

    »Dass keine Regelmäßigkeit gemessen werden kann, schließt nicht aus, dass keine existiert.«

    Schön feinsinnig bemerkt. Ich sage ja auch immer: Dass man keine schwarzen Schwäne findet, schließt nicht aus, dass es keine (real) gibt.

  123. @Trice // 24. Januar 2018 @ 22:40

    »…die elektrophysikalischen ‘Muster’ (Repräsentationen) sind real… «

    Damit kann ich was anfangen. Denn diese elektrophysikalischen Aktivitätsmuster zeigen sich an den bestehenden neuronalen Verschaltungen und sind funktional nicht von diesen zu trennen.

    »…auf der anderen Seite aber wird das Gedächtnis zum Repräsentationssystem gezählt inklusive seiner Inhalte in Form von Wissenseinheiten (was ebenfalls unsinnig ist, weil die Inhalte das Gedächtnis sind – es gibt keinen Ort im Gehirn, an dem es untergebracht werden könnte). Und diese Wissenseinheiten sind ganz sicher keine Zustände der beteiligten Neuronenverbände – zumal das Gedächtnis dynamisch ist. «

    Ich zähle das Gedächtnis nicht zum „Repräsentationssystem“. Meines Wissens korrespondieren Gedächtnisinhalte ebenfalls mit spezifischen Aktivitätsmustern entlang bestimmter Neuronenverbände. Wenn dieses Muster an den beteiligten Neuronen nicht mehr generiert werden können, dann gilt die spezifische Erinnerung als verloren (siehe z. B. die Alzheimer-Erkrankung).

    »…Kritik an der Systemtheorie… «

    Nun ja, ich kritisiere ja nicht die Systemtheorie als solche. Ich plädiere nur für einen sinnvollen Einsatz systemtheoretischer Beschreibungen und Erklärungen.

    In einem lebenden System, etwa einem Säuger, finden wir als Subsysteme z. B. das Verdauungssystem, Nervensystem und Immunsystem. Beim Nervensystem können wir unterscheiden zwischen einem vegetativen und einem zentralen Nervensystem. Teil des Zentralnervensystems ist das Gehirn, das wiederum selbst als ein System aufgefasst werden kann, mit weiteren funktionalen Subsystemen (Hören, Riechen, Schmecken…).

    In diese Aufzählung passen meiner Ansicht nach „Systeme“ wie ‚neuronale Verschaltungsarchitektur‘, ‚Repräsentationssystem‘ oder ‚Bewusstseinssystem‘ einfach nicht hinein, Repräsentation oder Bewusstsein sind meiner Auffassung nach allenfalls als funktionale Hirnzustände aufzufassen.

    »…aber der freie Wille ist ein reales (abstraktes)Konzept.«

    Das ist/war wohl die von Heinrich Päs intendierte take-home message.

  124. Zuerst ließ mich dieser Beitrag aufhorchen, dann aber doch wieder nicht.
    Konsens aller Meinungen hier scheint zu sein, daß man sie keine Realität vorstellen kann, deren Grundlage nicht die Materie ist. Sehr schön beschreiben Sie den Tisch und unsere Illusion, die wir im Alltag von ihm haben.

    Jetzt wäre aber der richtige Schritt nicht der, sich von der unbequemen Folgefrage abzuwenden und hilfweise diese Illusion zur Realität zu erklären, wie das wohl viele hier tun, die einem Objekt keine Existenz zugestehen, wenn es in keinem Wahrnehmunsvorgang enthalten ist, sondern sich zu fragen, welche Qualität denn Materie eigentlich hat.

    Die Bezeichnung Material, Stoff, eben das, was man naiverweise einfach so als physische Erscheinung hinnimmt, ist ja ganz offensichtlich falsch. Auch der Begriff “Teilchen” erweist sich, wiewohl man diese im Laufe der Geschichte in der Größe immer mehr verkleinert hat, als zweifelhaft. Das angeblich Unteilbare, das Atom des 19. und des angehenden 20. Jhdts wurde ja inzwischen auch wieder vielfach unterteilt.

    Was ist der Tisch dann, wenn er kein Material im naiven Sinne ist? Was wir wahrnehmen ist die Wirkung von Kräften. Und kann man eine Kraft wirklich als Materie bezeichnen? Ich habe da meine Zweifel. Welche Qualität hat denn die Realität der Materie eigentlich?

  125. @ Andreas Dickreiter: “Konsens aller Meinungen hier scheint zu sein, daß man sie keine Realität vorstellen kann, deren Grundlage nicht die Materie ist. Sehr schön beschreiben Sie den Tisch und unsere Illusion, die wir im Alltag von ihm haben.”

    Ob der Alltag die Illusion ist, oder das chemische Modell, sei dahingestellt. Natürlich kann man der Meinung sein, Materie sei die Grundlage der Realität. Letztlich ist aber die Philosophie strenger als die Mathematik in ihrer Logik – immer und grundsätzlich steht für uns in der konkreten Erfahrung der Geist vor der Materie: man muss auf die Logik verzichten, wenn man diese Reihenfolge umkehrt: es wäre immer ein “tun wir mal so, als ob” – die grundsätzliche Lebenslüge der aktuell so gehypten Neurologie.

    Gibt es dafür auch nur einen einzigen Grund, ausser unserer Gewohnheit? Das denkende Staubkorn? Oder anders herum: welch große Macht trauen wir der Materie zu, wenn sie in der Lage ist, in einen selbstreflektiven Erkenntnisprozess einzumünden – eine solche Materie lasse ich mir sehr wohl gefallen, aber sie sprengt dann auf der anderen Seite unsere Vorstellung der Realität.

  126. Tja, auch gechannelte Weisheiten gehören zur medialen Realität – eine höhere Ebene 🙂
    Das mit den 3 Dimensionen war wohl nichts, wenn die Ergüsse aus der 4. kommen.

  127. Herr Senf,
    wie wär’s einmal mit konstruktiver Kritik ?
    Sie mäkeln nur an den Beiträgen der anderen herum. Haben Sie sich schon mal überlegt, dass die Mitkommentatoren auch eine Ehre haben und Respekt verdienen. Oder halten Sie sich für einen superhombre in diesem Blog.
    Der Gedanke von Herrn Termin, dass die Logik der Materie vorausgeht und dass die Logik nicht materiellen Ursprungs ist, ist Ihnen noch nicht gekommen.

    MT,
    ich hoffe , ich interpretiere Sie da richtig?

    • Der bemäkelte zusammengehäkelte (beleidigende) Beitrag wurde gelöscht 😉
      so daß meiner jetzt im falschen Nonsens steht (müssen hier öfters reingucken).

  128. Es gibt inzwischen tausend Beispiele für die geistigen Möglichkeiten der Materie, angefangen beim regelnden Thermostat bis hin zu den heutigen Robotern oder Avataren und selbstfahrenden Autos mit Navi. Die Kybernetik bildet die Brücke zwischen Materie und Intelligenz oder Geist. Man denke auch an die Wirkungen von Alkohol, Drogen, Medikamenten usw. auf den Geist. Das alles ist den Geistersehern zu banal, zu wenig geistig für ihr Selbstverständnis.

    Weder die Wissenschaft noch die Technologie sind an ihrem Ende, sondern fahren fort in ihren Bemühungen, den menschlichen Geist zu verstehen und technisch zu realisieren, jedenfalls in Teilen für zweckmäßige Funktionen. Ohne Materie bzw. Energie als Träger oder Quelle gibt es weder Information noch Geist. Gegenbeweise sind bisher nicht vorhanden und nicht in Aussicht.

    Unser Wahrnehmungsvermögen abstrahiert und aggregiert die Welt und das Weltgeschehen zu gröberen Strukturen als Ganzheiten. Damit sind keine neuen Objekte oder Wirkungen verbunden, wohl aber neue Begriffe für komplexe Entitäten und für Universalien. Wir alle wissen, dass das Phänomen des Nebels nichts anderes ist als eine Wolke physikalischer Wassertröpfchen. Der Begriff “Nebel” bildet die Brücke zwischen dem Phänomen mit seinen (psychischen und mentalen) Merkmalen und der physikalischen Wirklichkeit bzw. der verursachenden Materie. Solche Brückenbegriffe fehlen bislang für den Übergang von Materie zu Geist.

    Die Kybernetik kann solche Brückenbegriffe liefern. Beispielsweise funktionieren Transmitter und Rezeptor der Nervenzellen als Vergleicher und Entscheider, bzw. als Filter. Selbstverständlich ist das noch nicht die Lösung, aber ein wichtiger Schritt dahin, denn viele oder sogar die meisten geistigen Leistungen beruhen auf Vergleichen (von physischen Signalen) und Auswahlen oder Entscheidungen.

    • Es gibt inzwischen tausend Beispiele für die geistigen Möglichkeiten der Materie, …. Das alles ist den Geistersehern zu banal, zu wenig geistig für ihr Selbstverständnis.

      …..Ohne Materie bzw. Energie als Träger oder Quelle gibt es weder Information noch Geist. Gegenbeweise sind bisher nicht vorhanden und nicht in Aussicht.

      ….. Solche Brückenbegriffe fehlen bislang für den Übergang von Materie zu Geist.

      Die Kybernetik kann solche Brückenbegriffe liefern. Beispielsweise funktionieren Transmitter und Rezeptor der Nervenzellen als Vergleicher und Entscheider, bzw. als Filter…...

      Der Materialismus leugnet nicht die geistigen Phänomene und ihre Merkmale und Auswirkungen auf den Menschen. Der Materialismus will lediglich erklären, wie Geist zustande kommt, auf der Basis natürlicher oder biologischer Voraussetzungen.

      Danke für diese Beiträge.

      Sie zeigen exemplarisch und präzise, daß eine Realität von Geistigem ohne materielle Grundlage nicht vorstellbar zu sein scheint. Das ist genau das, was ich weiter oben schon angeschnitten habe. “Geist” ist reduziert auf eine Funktion von Materie. Allerdings gibt es kaum Ideen, wie das denn funktionieren soll. Geist wäre so nur die Art und Weise, wie die Funktion von Materie in uns erlebt wird.

      Ich stellte oben die Frage, welche Qualität die Materie denn selber hat. Anhand dessen, daß es keine kleinste Materialteilchen gibt sondern nur Kräftewirkungen, wollte ich eben fragen, ob der Begriff der Materie als Material weiterhin haltbar ist. Und wenn nicht: was ist sie dann?

      Hier setzen andersdenkende Meinungen an, die sagen: Materie ist ihrerseits bei näherem Hinsehen von geistiger Qualität. Sie ist eine Erscheinungsform, eine Funktion von Geist, nicht umgedreht. Das ist das genaue Gegenteil des Materialismus. Beide Seiten müssen sich eine Menge Fragen vorhalten lassen. Auf den ersten Blick kann keine Seite Offensichtlichkeit bieten.

      Psychologisch gesehen scheint sich der Materialismus ganz erheblich angenehmer denken zu lassen. Seit es ihn gibt, hat er sich angewühnt, offene Fragen mit dem Hinweis auf die Zukunft zu entgegnen. Eine dieser Fragen ist ja zB die nach dem Leben. Er kann derzeit keine Erklärung dafür abgeben, die die Phänomene des Lebendigen materiell erklären könnte. Nur eben: das wird man schon noch rauskriegen.

      Hingegen stellt die Annahme einer geistbasierten Welt, deren dichteste Form die Illusion der Materie ist, einen vor deutlich unangenehmere Fragen. Meist wird das dann damit vom Tisch gewischt, daß man es per se von vornherein für unseriös erklärt. Besonders wissenschaftlich (und die Wissenschaftlichkeit ist ja nicht nur dem Materialisten berechtigterweise eins der höchsten Güter) ist das allerdings nicht.

      Natürlich kommt dann zuallererst der Hinweis darauf, daß man keine Sinneswahrnehmungen vom Gebiet dieses angeblichen “Geistigen” habe und haben könne. Nur ist das ebensowenig wissenschaftlich fundiert. Das ist wie eine Behauptung eines Nichtschwimmers, das Schwimmen prinzipiell unmöglich sei. Solider wäre es, sich zu erkundigen, ob es denn Menschen gibt, die schwimmen können und wie die das machen und ob das erlernbar ist.

      Sicherlich hinkt dieser Vergleich, wie jeder andere Vergleich irgendwo auch. Aber der Kern ist doch zutreffend. Wir neigen dazu, lauter kleine Päpste zu sein. In jahrhundertealter Unfehlbarkeitspose verkünden wir: was ich nicht wahrnehmen kann, kann niemand wahrnehmen. Das ist psychologisch eigentlich ziemlich sprechend. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

      Ich bin dezidiert der Überzeugung, daß es sich der Materialismus zu einfach macht. Er tendiert entweder seinerseits zu phantastischem Aberglauben, zB in der Richtung, daß er gerne annimmt, daß Materie irgendwann einmal aus sich allein heraus tätig geworden ist. Oder aber er kommt mit Modellen, an deren Erklärungsgehalt er selber kaum wirklich glaubt. Oder er wischt zu viel beiseite, was nicht in sein System paßt.

  129. Ich möchte noch einmal auf die Frage im Titel dieses Beitrags zurückkommen: “Gibt es den freien Willen und was ist Realität?” Den zweiten Teil der Frage hat @Heinrich Päs noch einmal präzisiert:

    Gibt es die fundamentale Realität, eine unterste Beschreibungsebene?

    Bevor ich darauf zurückkomme, noch kurz zum freien Willen: Nachdem dazu in den Geisteswissenschaften unter verschiedenen Aspekten diskutiert wurde, besonders intensiv noch einmal in den Jahren nach dem sogenannten Manifest der Hirnforscher, wird die Frage in diesem Beitrag, wenn ich sie richtig verstanden habe, unter dem Aspekt gestellt, ob es in einem physikalischen Universum so etwas wie einen freien Willen geben kann.

    Ich weiß nicht mehr, von wem der Satz stammt, die Natur antworte nur auf die Fragen, die man an sie stellt, was soviel heißen kann wie: auf falsche Fragen bekommt man falsche Antworten oder die Antworten sind zwar richtig, werden aber falsch interpretiert. Das möchte ich erläutern, um auf die Frage nach der Realität eingehen zu können.

    Wie ich schon schrieb, gehöre ich nicht zur scientific community, sondern habe Jahrzehnte lang mit einem Personenkreis gearbeitet, deren zugehörige ‘Mitglieder’ als Störenfriede gelten. Für den Mainstream der an diesem Phänomen interessierten wissenschaftlichen Teildisziplinen ‘leiden’ die Betroffenen an einer Störung der Informationsverarbeitung, eine Ursache ist nicht bekannt. Folglich liegt das Augenmerk bei der Beschreibung dieses Phänomens auf den negativen Eigenschaften bzw. dem, was diese Leute alles nicht können. Als eine der wenigen positiven Eigenschaften gilt aber, dass sie sehr kreativ seien.
    Dies wollte ich in einem kleinen Test mit betroffenen und nicht betroffenen Personen überprüfen und wählte dazu eine Aufgabe, die ich kreativ gelöst habe (ich gehöre auch zu den Störenfrieden). Ich war fest davon überzeugt, die kreativen Antworten von diesen Personen zu erhalten, von den nicht betroffenen dagegen sachliche, nüchterne. Das Ergebnis fiel entgegen meiner Erwartung aus: die kreativen Antworten kamen durchweg von den nicht betroffenen Teilnehmern, mit denen der betroffenen Personen konnte ich nichts anfangen. Zwei Tage lang habe ich analysiert, was ich in und an diesem Test falsch gemacht haben könnte:
    “Weshalb bekomme ich auf eine einfache Frage keine einfache Antwort?”

    Schließlich habe ich mich gefragt, warum ich damals in diesem Test eigentlich diese Antwort gegeben hatte – und in diesem Moment erhielt ich die Antwort. Sie war nicht, was ich erwartet habe, sie war auch nicht wirklich die Antwort auf meine Frage nach der Kreativität, sondern lautete: es gibt keine von einer Informationsverarbeitungsstörung betroffenen Menschen und solche, die nicht davon betroffen sind; es gibt nur zwei Gruppen, die die Welt und das Wirkliche, die die Realität vollkommen unterschiedlich erfassen. Die einen erfassen die Realität statisch greifend, die anderen erfassen sie dynamisch greifend.* Keine Gruppe allein erfasst sie (im Rahmen dessen was uns möglich ist), wie sie ist – weshalb die Frage “Was ist Realität?” nur gemeinsam beantwortet werden kann.

    Die beiden (für mich) schönsten Beispiele für die beiden Sichtweisen wurden von Parmenides und Heraklit geliefert – für Parmenides war das Sein als ewig und ohne Anfang und Ende existierend die richtige Beschreibung, für Heraklit ist der Urgrund von Allem das Werden, das sich Verändernde.
    Die Realität, wie wir sie erleben, entspricht in ihrem zeitlichen Ablauf der Art und Weise, in der die Mehrheit der Menschen die Realität erfasst und beschreibt. Für die unterste, fundamentale Beschreibungsebene der Realität wird die dynamisch greifende Realitätsbeschreibung der Minderheit benötigt. Auch, um die richtigen Fragen zu stellen. Denn vielleicht lässt sich die Frage nach dem freien Willen noch einmal anders stellen.

    *Die erste, die dies herausfand, war die Mathematikerin Inge Schwank, von ihr stammen die Formulierungen.

  130. Trice,
    die Einteilung nach statisch und dynamisch finde ich treffend, man könnt es auch so formulieren, wir denken in Begriffen was statisch ist, oder wir denken phänomenolgisch,
    d. h. , wir lassen die Umwelt auf uns wirken und denken eigentlich gar nicht, jedenfalls nicht in Begriffen.

    Ich meine aber, das das Eine das Andere nicht ausschließt.

  131. @ Anton Reutlinger: ich glaube auch, so wie Sie, dass wir erst ganz am Anfang eines umfassend technischen Zeitalters stehen, nicht umgekehrt. Ich würde aber Wissenschaft und Technik nicht als Einheit verstehen: es gibt auch durchaus Technik ohne Wissenschaft.

    Ob nun Wissenschaft und Technik (oder jeweils eines von beidem) tatsächlich unterwegs sind, den menschlichen Geist zu verstehen? – Ihr Credo in Ehren, aber was Sie “Verstehen” nennen, wie Sie sagen “jedenfalls für zweckmäßige Funktionen,”berührt eben auch tatsächlich nur die zweckmäßigen Funktionen. Das ist o.k. – mehr noch sogar bewundernswürdig: für eben diese Funktionen. Es wird jedoch im Sinne unserer Menschlichkeit viel darauf ankommen, ob und wie wir “Funktionen” von der Realität des Geistes unterscheiden können, der eben erst dann zur Hochform aufläuft, wenn er spielerisch wird, kreativ und Funktions-los.

    “… das Phänomen des Nebels nichts anderes ist als eine Wolke physikalischer Wassertröpfchen.” – kommt drauf an; abgesehen davon, dass wir noch nicht einmal die Physik der Wolken oder Wetterbildung richtig umfassend verstehen, auf den Standpunkt. Für einen Menschen, der im Nebel steht, könnte Hermann Hesses Gedicht vom Nebel (“Gar seltsam ist es … “) ein wichtigerer Wegweiser durch den Nebel sein, als die Idee der Wassertröpfen. Da macht nämlich der Nebel mit ihm und seinen Empfindungen etwas: er verändert Präsens, Erinnerungsvermögen, Gefühl und Befindlichkeit. Für die Alten war das der Hinweis darauf, dass im Nebel etwas anwesend ist, im wahrsten Sinn des Wortes. Und dieses Etwas bleibt auch anwesend im Nebel, auch, wenn es jetzt Autos mit selbstfahrenden Sytsemen oder Nebelscheinwerfern gibt – solange Menschen da sind, die aussteigen, und sich natürlichen Erfahrungen unmittelbar aussetzen.

  132. @Balanus: 25. Januar 2018 @ 23:56

    Das freut mich jetzt, 🙂 :

    Damit [reale Aktivitätsmuster] kann ich was anfangen. Denn diese elektrophysikalischen Aktivitätsmuster zeigen sich an den bestehenden neuronalen Verschaltungen und sind funktional nicht von diesen zu trennen.

    Nun muss ich mich wohl entschuldigen, da ich mich offenkundig zuvor missverständlich ausgedrückt habe. Dass sich die genannten Muster an den neuronalen Verschaltungen zeigen müssen, ist evident – anderenfalls gäbe es sie ja nicht.

    Ich zähle das Gedächtnis nicht zum „Repräsentationssystem“.

    Je nun, die Psychologen beschäftigen sich nun mal (im Unterschied zu den Neurowissenschaftlern) vorwiegend mit diesem System (oder mit dieser Ebene). Und sie zählen das Gedächtnis bzw. seine Inhalte dazu. Irgendwo müssen die Inhalte ja repräsentiert sein.

    Meines Wissens korrespondieren Gedächtnisinhalte ebenfalls mit spezifischen Aktivitätsmustern entlang bestimmter Neuronenverbände. Wenn dieses Muster an den beteiligten Neuronen nicht mehr generiert werden können, dann gilt die spezifische Erinnerung als verloren (siehe z. B. die Alzheimer-Erkrankung).

    Das sind jetzt zwei verschiedene paar Schuhe: Von einer Korrespondenz der Gedächtnisinhalte kann keine Rede sein, sie werden permanent generiert (und auf diese Weise aufrecht erhalten – nicht gespeichert, das Gedächtnis ist kein Behälter, der gefüllt wird), aber dadurch auch ergänzt, erweitert, teilweise gelöscht, usw. Wenn Muster krankheitsbedingt nicht mehr generiert werden können, hat das nichts mit der normalen Vergesslichkeit oder einer nicht mehr korrekt rekonstruierten Erinnerung zu tun.

    Wenn Sie nun schreiben:

    Ich plädiere nur für einen sinnvollen Einsatz systemtheoretischer Beschreibungen und Erklärungen.

    , dann möchte ich Ihnen darin gern zustimmen. Es ist nur so, dass es eben je nach Sichtweise und Disziplin sehr unterschiedliche Beschreibungen bzw. Definitionen gibt. Nach George Spencer Brown ist ein System eine Unterscheidung – ein System unterscheidet sich von dem, was es nicht ist, indem es eine Grenze zieht und das markiert, was innen ist und zu ihm gehört und das, was außerhalb liegt, unmarkiert lässt. Die Unterscheidung macht eine Unterscheidung: “We take the form of distinction for the form”. Für Talcott Parsons ist Handlung ‘System’ und Heinz von Foerster greift auf den Beobachter zurück und spricht von observing systems. Es ist daher sinnvoll, sich für etwas zu entscheiden (und ich plädiere für Spencer Brown)

    Repräsentation oder Bewusstsein sind meiner Auffassung nach allenfalls als funktionale Hirnzustände aufzufassen.

    Stimmt Repräsentation ist kein System, auch kein Hirnzustand, 😉 . Und auch die Realität ist kein System. Aber das, was repräsentiert wird, gehört zu einem System – dem Repräsentationssystem. Und wenn zu der von Spencer Brown genannten Definition dazugehört, dass ein System deshalb nur und ausschließlich auf die eigenen Prozesse, nicht auf die der Außenwelt, rekurriert und nur an eigene Prozesse anschließt, dann trifft das für das Repräsentationssystem ebenso zu wie für das Bewusstsein (meine Gedanken sind meine Gedanken, und sie schließen aneinander an, nicht an die Gedanken Anderer, die ich, wenn ich sie höre oder lese, erst einmal so verarbeiten muss, dass sie mit meinen kompatibel sind – oder auch nicht).

  133. Anton Reutlinger: “Die Kybernetik bildet die Brücke zwischen Materie und Intelligenz oder Geist. Man denke auch an die Wirkungen von Alkohol, Drogen, Medikamenten usw. auf den Geist. Das alles ist den Geistersehern zu banal, zu wenig geistig für ihr Selbstverständnis.”

    Noch kurz: überhaupt nicht, die Literatur ist voll von “Psychonauten”, die genau das nicht banal finden: z.B. Jeremy Narby “Die kosmische Schlange” – ist sehr lesenswert. Und mag sein, dass die Kybernetik das kann – Heidegger war auch genau Ihrer Meinung (“Die Technik und die Kehre”, “Satz der Identität”) – doch wenn sie von “Brücke” sprechen, dann gibt es zwei Ufer; es ist wohl der Sinn dieses Posts hier, den Weg von hüben nach drüben auszuloten.

  134. @Markus Termin;
    Der Nebel hat eine psychologische und mentale Ebene, die Sie ansprechen, mit Hermann Hesse als literarisches Beispiel. Genauso hat der Nebel eine physikalische Ebene, die für uns alle selbstverständlich ist, weil wir Nebel gerade in dieser Jahreszeit häufig erfahren. Für aufgeklärte oder gebildete Menschen hat der Nebel nichts Mystisches an sich, weil sie die natürlichen Ursachen kennen. Trotzdem bleibt das Phänomenale am Nebel erhalten, indem er auf die Stimmung und das Verhalten Einfluss nimmt, z.B. im Autoverkehr. Beide Sprach- oder Begriffsebenen haben ihre Berechtigung, jedoch auch ihre spezifischen Bereiche, die man nicht vermischen kann.

    Genauso sehe ich das Verhältnis zwischen Materie und Geist. Der Materialismus leugnet nicht die geistigen Phänomene und ihre Merkmale und Auswirkungen auf den Menschen. Der Materialismus will lediglich erklären, wie Geist zustande kommt, auf der Basis natürlicher oder biologischer Voraussetzungen. Die Kybernetik liefert schon viele Beispiele aus der Praxis, wie aus der Materie Intelligente Funktionen entstehen können. Ein Filter ist ein kybernetisches Instrument, das wir nicht nur als Kaffeefilter zur Trennung von Substanzen anwenden, sondern das auch in unserem Denken und Handeln vielfältig zur Anwendung kommt, indem wir vergleichen und aus mehreren Möglichkeiten auswählen. Das Gedächtnis ist dafür die wesentliche Grundlage.

  135. @hmann

    wir denken in Begriffen was statisch ist,

    ein Denken in Begriffen (in Zuständen und Beziehungen ) ist Schwanks (und meine) Definition für die mehrheitliche Art des Zugriffs, der sich dem statisch greifenden Grundverständnis verdankt

    oder wir denken phänomenolgisch,
    d. h. , wir lassen die Umwelt auf uns wirken und denken eigentlich gar nicht, jedenfalls nicht in Begriffen.

    Das ist noch etwas anderes, und gilt, in der jeweils spezifischen Weise, für beide Gruppen.

    Ich meine aber, das das Eine das Andere nicht ausschließt.

    Doch, tut es. Man erkennt es erst, wenn man weiß, worauf man achten muss.
    Bei meinem Test habe ich allen Teilnehmern eine Abbildung des Kanizsa-Dreiecks gezeigt und gefragt, was sie spontan auf den ersten Blick sehen. Normalerweise lauten die Antworten: Dreiecke, Stern, Mickymaus …

    Ich habe die Abbildung einer Kollegin gezeigt und ihr ebenfalls diese Frage gestellt, aber als Bedingung gefordert, dass ihre spontane (!!) Antwort enthalten muss: entweder die Absicht, die sie meiner Frage unterstellt oder eine Situation (aus der Vergangenheit), die der momentanen in irgendeiner Weise vergleichbar ist, und in der es um einen bestimmten Zweck ging – und ihre Antwort muss beides enthalten: den vermuteten Zweck bzw. die vermutete Absicht und das, was auf der Abbildung zu sehen ist (denn das ist die Art, in der wir auf die Realität zugreifen).
    Sie sah mich an, als habe sie soeben entdeckt, dass ich ein Alien bin und meinte: “Das ist vollkommen fremd.”

  136. Zitat Trice: “Doch, tut es. Man erkennt es erst, wenn man weiß, worauf man achten muss. Bei meinem Test habe ich allen Teilnehmern eine Abbildung des Kanizsa-Dreiecks gezeigt und gefragt, was sie spontan auf den ersten Blick sehen. Normalerweise lauten die Antworten: Dreiecke, Stern, Mickymaus … Ich habe die Abbildung einer Kollegin gezeigt und ihr ebenfalls diese Frage gestellt, aber als Bedingung gefordert, dass ihre spontane (!!) Antwort enthalten muss: entweder die Absicht, die sie meiner Frage unterstellt oder eine Situation (aus der Vergangenheit), die der momentanen in irgendeiner Weise vergleichbar ist, und in der es um einen bestimmten Zweck ging – und ihre Antwort muss beides enthalten: den vermuteten Zweck bzw. die vermutete Absicht und das, was auf der Abbildung zu sehen ist (denn das ist die Art, in der wir auf die Realität zugreifen). Sie sah mich an, als habe sie soeben entdeckt, dass ich ein Alien bin und meinte: “Das ist vollkommen fremd.”

    Ich hätte auch Ihre Frage nicht verstanden, was den vermuteten Zweck ist oder was für eine Situation aus der Vergangenheit hervorgerufen werden soll.

    Ich hätte auch spontan das gesehen, was bei Wikipedia über das “Kanizsa-Dreieck” schreibt: „Es zeigt ein Beispiel für eine bestimmte Art von “Wahrnehmungstäuschung”, die man als amodale Ergänzung bezeichnet: der Betrachter sieht über drei schwarzen Kreisen und einem Dreieck ein weiteres weißes Dreieck “schweben”, obwohl die Abbildung als optische Reizgrundlage eigentlich nur durchbrochene Linien und Kreissektoren enthält.“

    Ich meine, das ist keine „Wahrnehmungstäuschung“, sondern das ist die Art und Weise wie man Objekte zum Beispiel beim Malen oder Zeichnen perspektivisch darstellt:

    Das weiße Dreieck im Vordergrund „schwebt“ nicht, bzw. könnte man genauso sagen, das das schwarz umrandete Dreieck und die 3 schwarzen Kreisen auch schweben: Es gibt nämlich gar keinen perspektivistischen Hinweis auf „Bodenhaftigkeit“ für alle Figuren im Gesamtbild, insofern „schweben“ sie alle.

    Beim perspektivistischen Malen und Zeichen, genauso auch wie beim Sehen in der Natur, verdeckt das Objekt im Vordergrund teilweise die Objekte im Hintergrund und bricht ihre Linien – außer, wenn das Objekt im Vordergrund durchlässig oder halbdurchlässig ist. Die „amodale Ergänzung“ praktizieren wir doch tagtäglich milliardenfach, oder?

    Oder habe ich den Begriff „amodale Ergänzung“ hier nicht richtig verstanden?

    Einen Beweis für eine „amodale Ergänzung“ sehe ich zum Beispiel beim folgenden Test, den man mit Babys durchgeführt hat: Man hat Babys, während sie aus der Flasche tranken, ein Zeichentrickfilm auf einem Bildschirm gezeigt und ihre Reaktionen an ihr Saugverhalten beobachtet.

    Zum Beispiel lief auf dem Bildschirm vom links nach rechts ein Kaninchen, es verschwand kurz hinter einem Hindernis und lief weiter nach rechts. Keine Reaktion der Babys.

    Wenn aber jetzt von links nach rechts das Kaninchen lief, kurz hinter dem Hindernis verschwand und ein Elefant lief weiter, dann zeigten die Babys durch ihr Saugverhalten, dass sie verdutzt waren: Sie haben ein Kaninchen hinter dem Hindernis verschwinden sehen, und sie erwarten auch, dass ein Kaninchen weiter läuft, kein Elefant! Das ist doch „amodale Ergänzung“, oder?

  137. Trice,
    Bei solchen Tests , wo nach der Gestalt gefragt wird, da gilt die unausgesprochene Regel, dass man die einfachste Form nennt. Die Leute fassen das als Spiel auf und nicht als wissenschaftlichen Test.
    Ihre Bedingungen sind absolut gerechtfertigt, und ich hätte gefragt in welchem Zusammenhang Sie diese Frage stellen oder was sie von mir erwarten.

    Dass Sie daraus schließen, dass Menschen nur so oder so denken können, das ist überzogen.
    Meine Meinung, die meisten Menschen denken ökonomisch, das heißt, sie nehmen die einfachste Lösung.

  138. @ Anton Reutlinger: “Der Materialismus leugnet nicht die geistigen Phänomene und ihre Merkmale und Auswirkungen auf den Menschen. Der Materialismus will lediglich erklären, wie Geist zustande kommt … “ – der Materialismus kann das aber nicht – denn dazu bräuchte er: Geist. Auch die Physik kann sich nicht physikalisch erklären: sondern nur mit Philosophie.

    • Mit einem Metermaß kann man nicht Zentimeter messen, das gilt für die Physik. Den Geist kann man erst erklären, wenn man ihn philosophisch näher bestimmt hat. Welche Funktionen machen den Geist aus? Da gehört zuallererst das Gedächtnis dazu. Dessen Funktionsweise lässt sich neurobiologisch erklären. Man kann viele Grundfunktionen des Geistes schon heute oder morgen erklären. Man kann aber den “Geist”, so wie er in der Alltagssprache als Phänomen verstanden wird, biologisch nicht erklären, weil es ganz verschiedene, inkommensurable Beschreibungsebenen sind.

      Ein Kaffeefilter ist ein intelligentes Instrument, denn es wählt den wohlschmeckenden Kaffee aus und lässt den Kaffeesatz zurück. Woher weiß der Kaffeefilter das bloß, hat er Geist? Blumen wachsen zum Licht, Lachse finden an ihre Geburtsorte zurück. So gibt es viele Beispiele für Intelligenz oder Geist in der lebenden wie auch in der nichtlebenden Materie.

  139. So gibt es viele Beispiele für Intelligenz oder Geist in der lebenden wie auch in der nichtlebenden Materie.

    Sie verwenden “Geist” und “Intelligenz” synonym. Muß man aber nicht. In alter Zeit ging man davon aus, daß ein -in seinem Fachgebiet- intelligenter Mensch durchaus geistlos sein kann. Vielleicht läßt sich daraus eine Definition bilden: geistlos ist, wer nicht über seinen Horizont hinausschauen kann. Hier wird der Mensch also, wenn er über seinen Horizont hinausschaut, zu einem Speculatius metaphysicus -wenn man so will. *grins*

  140. Freier Wille:

    Es gibt viele Definitionen, was der freie Wille sein soll. Beliebt ist dieser Tage (und schon etwas länger) Kant, Nietsche und Hegel. Wobei vor allem nach Letzterem der Wille dann frei ist, wenn man das gute tut. Und er sagt, dass Freiheit (und damit auch der freie Wille) vorraussetzt, den anderen als frei anzuerkennen, was bedeutet, dass ein unfreier, alle unfrei macht. Wenn das so ist, gibt es keinen freien Willen, da niemand bestreiten wird, dass es unfreie Menschen gibt.

    Wenn ein freier Wille bedeutet, unabhänig entscheiden zu können, so bekommen wir ein Problem. Was bedeutet unabhänig? Die meisten würden wohl sagen, es bedeute unbeeinflusst. Leider ist kein Mensch unbeeinflusst und kann es auch nie sein, es sei denn, er hatte noch nie unmittelbar oder mittelbar mit anderen Menschen zu tun. Wir werden erzogen, was genau genommen eine Beeinflussung ist. Wir reden mit anderen, lernen von ihnen, machen Erfahrungen. Dazu kommen dann noch die quasi angeborenen Einflüsse. Das alles verändert unsere Entscheidungen. Und wir können das alles nicht abschalten. Selbst, wenn ich mich bewusst, gegen alles entscheid, bleibe ich in diesem beschriebenen Rahmen. In dieser Hinsicht gibt es auch hier keinen wirklich freien Willen.

    Für mich ist, wie ich früher schon sagte, die Begrifflichkeit des freien Willens schlicht ein Name für ein für uns unübersichtliches Paket von Einflüssen. Und eigentlich, dürfte es auch nur “bedingt freier Wille” oder nur “Wille” heissen.

  141. Zitat Christian Orthbandt: „Es gibt viele Definitionen, was der freie Wille sein soll. Beliebt ist dieser Tage (und schon etwas länger) Kant, Nietsche und Hegel. Wobei vor allem nach Letzterem der Wille dann frei ist, wenn man das gute tut. […]
    Wenn ein freier Wille bedeutet, unabhänig entscheiden zu können, so bekommen wir ein Problem. Was bedeutet unabhänig? Die meisten würden wohl sagen, es bedeute unbeeinflusst. Leider ist kein Mensch unbeeinflusst und kann es auch nie sein, es sei denn, er hatte noch nie unmittelbar oder mittelbar mit anderen Menschen zu tun.“

    Sie sprechen hier die Beeinflussung durch anderen Menschen an, und es stimmt natürlich: Es gibt keinen Mensch, der nicht von anderen Menschen beeinflußt ist.

    Aber wie verhält es sich bei einer Entscheidung mit der „Beinflussung“ von in unseren Genen angelegten Verhalten? Zum Beispiel in unseren Genen angelegte ethische Verhalten. Es gibt nämlich sehr viele Entscheidungen, die einzig auf „angeborene“ Gefühle zurückzuführen sind, und nicht auf die Beinflussung durch andere Menschen, wie zum Beispiel Mitleid. Ist es dann der freie, individuelle Wille?

    Ich habe das populärwissenschaftliche Buch von Konrad Lorenz „Wie kam der Mensch auf den Hund?“ gelesen. Darin geht er davon aus, dass Jäger aus der frühgeschichtlichen Menschheit verlassene, verwaiste und hilflose Wolfwelpen gefunden haben, deren Mutter sie sogar möglicherweise selbst getötet hatten. Sie haben aus Mitleid die Welpen mit zum Lager genommen und die Gemeinschaft hat sie großgezogen. Diese Entscheidung wurde nicht von anderen Menschen beeinflußt. Ist Ethik ein Ausdruck des unabhängigen freien Willens? Strebt der Mensch unabhängig nach dem Gute?

    • Aber wie verhält es sich bei einer Entscheidung mit der „Beinflussung“ von in unseren Genen angelegten Verhalten? Zum Beispiel in unseren Genen angelegte ethische Verhalten. Es gibt nämlich sehr viele Entscheidungen, die einzig auf „angeborene“ Gefühle zurückzuführen sind, und nicht auf die Beinflussung durch andere Menschen, wie zum Beispiel Mitleid. Ist es dann der freie, individuelle Wille?

      Ist das Befolgen eines angeborenen Programms Zeichen eines freien Willens? Wenn ja, dann zeigt jeder Computer genau das. Und noch gravierender: Strebt jeder Mensch nach dem Guten?

      Ich würde sagen, wir sind darauf programmiert sozial zu sein. Sozial im Sinne von, für eine Gesellschaft tauglich. Das Verhalten, dass kleine Kinder von sich aus zeigen und worauf wir entsprechend reagieren, dürfte schlicht in der Mneschheitsentwicklung am besten gewesen sein. Später lernen wir dann genauer, was in unserer direkten Umgebung (meist Familie) als “gut” oder besser als “sinnvoll” definiert ist und beginnen zumeist dann, immer noch sozial, danach zu streben. Das würde ich eher als lebenswichtiges Bedürfnis denn als freier Wille ansehen.

      Richtig ist natürlich, dass wir nie ohne unser Betriebssystem (angeborenes Verhalten) sind. Selbst wenn ich das als Ausdruck des freien Willens annehme bleibt der Fakt, dass dieser Wille recht ungenau, diffus ist. Es braucht andere beeinflusste Menschen, damit ich so über die Runden komme, damit auf meinen Willen sinnvoll reagiert wird. Was immer auch am Anfang vielleicht frei war, ist es in seinen Ausprägungen nicht mehr. In dem Moment, wo wir die erste gesellschaftliche Regel gelernt haben, ist der freie Wille beendet. Und das sehe ich nicht als wirkliches Problem. Die Welt und der Umgang mit anderen ist so komplex, dass ich auch so die Determinsmen noch erkennen kann.

  142. @Andreas Dickreiter:
    Ich stimme Ihnen in vielem zu. Allerdings habe ich ein Problem mit dem Begriff “Geist”. Was soll Geist denn nun sein? Das Immaterielle? Dann würde ich von Information sprechen. Oder das Bewusstsein? Dann würde ich diesen Begriff nutzen. Tatsächlich halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Bewusstsein ein durch besondere Eigenschaften charakterisierter, Informationsverarbeitender Prozess (ala Giulio Tononi/Integrated Information Theory) ist. Diese Frage ist aber natürlich alles andere als geklärt. Wenn dem so wäre, würde das Problem des Primats von Geist oder Materie letztlich auf die Frage führen, ob Information immer einen materiellen Träger benötigt. Hier ist mein Verdacht, dass dem so ist, aber auch das ist natürlich nicht endgültig geklärt. Falls dem aber so ist, hat dieser Informationsträger sicher Eigenschaften, die sehr verschieden von dem sind, was wir üblicherweise mit Materie assoziieren, so dass es auch fraglich wird, ob dieser Begriff noch angemessen ist. Letztlich sind sowohl “Geist” als auch “Materie” Begriffe aus unserer Alltagswelt, die die fundamentale Realität nicht adäquat beschreiben.

    • Ich stimme Ihnen in vielem zu. Allerdings habe ich ein Problem mit dem Begriff “Geist”. Was soll Geist denn nun sein? Das Immaterielle? Dann würde ich von Information sprechen. Oder das Bewusstsein? Dann würde ich diesen Begriff nutzen. Tatsächlich halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Bewusstsein ein durch besondere Eigenschaften charakterisierter, Informationsverarbeitender Prozess (ala Giulio Tononi/Integrated Information Theory) ist. Diese Frage ist aber natürlich alles andere als geklärt. Wenn dem so wäre, würde das Problem des Primats von Geist oder Materie letztlich auf die Frage führen, ob Information immer einen materiellen Träger benötigt. Hier ist mein Verdacht, dass dem so ist, aber auch das ist natürlich nicht endgültig geklärt. Falls dem aber so ist, hat dieser Informationsträger sicher Eigenschaften, die sehr verschieden von dem sind, was wir üblicherweise mit Materie assoziieren, so dass es auch fraglich wird, ob dieser Begriff noch angemessen ist. Letztlich sind sowohl “Geist” als auch “Materie” Begriffe aus unserer Alltagswelt, die die fundamentale Realität nicht adäquat beschreiben.

      Natürlich sind das entscheidende Fragen. Ich möchte dazu folgendermaßen Stellung nehmen.
      Wenn ich von dem Begriff Information ausgehe, dann sehe ich darin eine Haupteigenschaft: es ist ein Abstraktum. Wenn man es nicht dezidiert auf etwas persönliches fokussiert, ist es ohne Unterbau. Wir haben uns in sehr großem Ausmaß daran gewöhnt, mit abstrakten Inhalten umzugehen. Nach gewissen Vorstellungen von wissenschaftlichem Vorgehen mag das ganz gut so sein. Nur stellt sich hier in diesem Zusammenhang die Frage, welchen Realitätsgehalt oder -grad eine Abstraktion haben kann. Ein anderer i-Begriff ist Intelligenz. Er wird häufig in ebenderselben abstrahierten Form genutzt. Es fällt mir schwer, sei das nun eine geistbasierte oder materiellbasierte Form, in der man sich diese Abstraktionen vorstellt, da irgendeinen Gehalt von Realität zu erkennen.

      Meine Anspielung weiter oben, wer denn nun den Urknall oder jedwelche sonstige Entstehung vom All in Gang gesetzt hat, oder ob da sich etwas aus dem materiellen Nichts, also ganz aus sich selbst heraus in Bewegung gesetzt hat, kommt hier als Beispiel wieder zum Tragen. Ich kann mir das nicht real vorstellen. Wenn ich mir einen Haufen Materie vornehme, sei es ein Glas voller Salzsäure, ein Stück Eisen oder was sonst immer und ich denke mir wirklich jeden Einfluß von außen weg (und wir reden hier ja vom Anfang der Anfänge), so wird dieses Anschauungsobjekt vollkommen unverändert bleiben, nicht nur solange ich dort hinsehen kann, sondern unendlich lang. Man wird vergeblich warten, wenn man hofft, daß diese Materie nun endlich anfängt, tätig zu werden. Eine Wunschvorstellung in dieser Richtung würde ich als Aberglaube bezeichnen.

      Auch wenn das natürlich kein zwingender Beweis sein kann, Materialisten von der Existenz immaterieller Wesen zu überzeugen, sehe ich hier doch eine gewisse Erklärungsnot. Früher hat man ja gerne in der Schule dieses hübsche Modell vorgeführt, wo ein einzelner Öltropfen in einem Wassergefäß mit einer Nadel durchstochen wurde und sich durch anschließend in Gang gesetzte Kreisbewegung des Wassers einzelne kleine Tröpfchen abgespalten haben, die nun ein sehr erkennbares Drehsystem bildeten. Überzeugende Darstellung der Entstehung des Planetensystems, oder?

      Nur hat man eins vergessen. Den Lehrer, der das durchführt. Die Menschen vergessen sich sehr gerne bei Erklärungen und Experimenten, die sie erbringen. Ich habe weiter oben schon einen ähnlichen Mangel bei Kant angeführt.

      (Ich empfinde den Begriff Information oder auch den der Intelligenz in diesem Zusammenhang auch aus anderen Gründen als suboptimal. Ich finde sie angemessen, wenn man nun wirklich ein Abstraktum darstellen will, oder, wenn man eine Maschine im Auge hat. Würde man das Äquivalent bei einem Menschen oder einer anderen, womöglich höheren Wesenheit bezeichnen wollen, würde ich Weisheit passender finden. Zur Intelligenz gehört vor allem die Verarbeitung von quantitativen Inhalten. Zur Weisheit wird das, wenn qualitative Elemente dazu kommen. Das aber nur nebenbei. )

      Damit ist auch eine Stellungnahme zum Begriff Bewußtsein gegeben. Ein Bewußtsein ohne ein Trägerwesen ist für mich nicht nur abstrakt sondern absurd. Und ja, Bewußtsein sehe ich als geistiges Element. Daß das wie eigentlich immer ein Korrelat im Materiellen hat bzw haben muß, finde ich kaum der Rede wert. Dabei denke ich dieses materielle Korrelat aber als Wirkung, nicht als Ursache.

      Ich sehe also nicht, wie man ohne erhebliche Lücken eine stringente Linie von der Erscheinung bis zur Urheberschaft ziehen kann, ohne das, was sehr oft als der Inbegriff des Unseriösen oder Schlimmerem gesehen wird, nämlich eine lebendige und damit wesenhafte Existenz von Geist bzw Geistigem zu denken.

      Selbstverständlich ist mir klar, daß das hier Geschriebene von vielen wiederum nicht anders gesehen werden kann als als Worte-Geschwurbel. Das aber muß nicht darin begründet liegen, daß das per se ohne Inhalt ist, es kann auch daran liegen, daß diese Inhalte nicht gedacht werden können und/oder wollen.

  143. ps: Oben hieß es einmal :

    ´Bewusstsein´ [ist] definiert als ein Ergebnis neuronaler Aktivitäten

    (KRichard). Ich denke, dass das nicht korrekt ist. Bewusstsein ist erst einmal eine Erfahrung, die wir im Wachzustand und im Träumen haben, aber nicht im Koma oder traumlosen Schlaf. Wie Bewusstsein erklärt wird, ist nicht vollständig bekannt (“the hard problem” nach David Chalmers).

    Ob Bewusstsein immer mit neuronaler Aktivität verknüpft ist oder als informationsverarbeitender Prozess auch auf anderer “Hardware” laufen kann, möglicherweise vielleicht auch außerhalb des Körpers, würde ich als offene Frage betrachten.

    • Sie bezweifeln, dass Bewusstsein Ergebnis neuronaler Aktivität sei, denn, so Ihr Argument, es sei ja eine offene Frage, ob Bewusstsein als informationsverarbeitender Prozess nicht auch auf auf anderer Hardware laufen kann?
      Hier fehlt die Logik, denn warum sollte letzteres ersteres ausschließen?

      Wer Beine hat, kann laufen. Sind keine Beine vorhanden, so können künstliche Beine (Prothesen) das Laufen ermöglichen.

      Biologische neuronale Netzwerke sind die materielle Grundlage für Bewusstsein in allen höheren Lebewesen, (Säugetiere, Vögel, u.a.), es ist nicht ausgeschlossen, dass künstliche neuronale Netzwerke auf Siliziumbasis eines Tages ebenfalls Bewusstsein hervorbringen.

      Die Evolution hat gleiche Funktionen (zb das Sehen) auf unterschiedliche Art und Weise, mehrfach, immer wieder neu erfunden. Form follows function.

      • Da haben Sie mich falsch verstanden. Ich bezweifle nicht, dass neuronale Aktivität Bewusstsein hervorruft.
        Ich bezweifle, dass Bewusstsein durch neuronale Aktivität definiert ist. Denn dann könnte keine andere Hardware jemals Bewusstsein hervorrufen. Und selbst wenn das so wäre, ist es zumindest momentan nicht geklärt, insofern wäre eine derartige Definition dem gegenwärtigen Wissensstand nicht angemessen. Bewusstsein ist erstmal definiert als eine Erfahrung. Wie genau es entsteht wissen wir nicht, es ist ja durchaus so, dass neuronale Aktivität nicht immer Bewusstsein hervorruft.

      • Biologische neuronale Netzwerke sind die materielle Grundlage für Bewusstsein in allen höheren Lebewesen, (Säugetiere, Vögel, u.a.), es ist nicht ausgeschlossen, dass künstliche neuronale Netzwerke auf Siliziumbasis eines Tages ebenfalls Bewusstsein hervorbringen.

        Die Evolution hat gleiche Funktionen (zb das Sehen) auf unterschiedliche Art und Weise, mehrfach, immer wieder neu erfunden. Form follows function.

        Diese “Grundlage ” ist näher zu bestimmen. Das einzige, was man zunächst aus der Beobachtung konstatieren kann, ist, daß Bewußtsein und “biologische neuronale Netzwerke” gleichzeitig auftreten. Wer jetzt aber was “hervorbringt” ist keineswegs so klar.

        Es ist für unser Denken eine erhebliche Herausforderung, nicht etwa nur sich vorzustellen, wie eine geistige Instanz sich eine körperliche Grundlage schafft, die ihr als Werkzeug dient, sondern genauso, sich vorzustellen, daß Materialien aus der anorganischen Chemie anfangen sollten, etwas Geistiges zustande zu bringen. Diese letztere Vorstellung ist nichts weiter als Gewohnheit geworden. Die dazugehörigen Ideengrundlagen sind ungefähr 150 Jahre alt.

        Damals war es fortschrittlich, alles überkommene Gedöns aus der Wissenschaft rauszuwerfen. Man hatte endlich die alten Vorstellungen enttarnt und bemühte sich zu zeigen, daß alles nur körperliche Funktionen sind, was bisher als Seele, Geist, Gott und den schönen Schein der Ethik uswuswusw gegolten hatte. Das war ebenso trickreich wie aufgeklärt.

        Die Probleme, die man sich dadurch einhandelte, waren entweder nicht bewußt, oder wurden als vorübergehend noch unerforscht abgetan. Wie meistens haben sich diese Forscher selber aus dieser Anschauung herausgenommen bzw -gehalten.

        Denn sie wären sonst genötigt gewesen, sich selber als einen Haufen eletrisch funktionierender chemischer Teilchen zu definieren und dann die Frage zu beantworten, warum sich Materie eine Instanz schaffen sollte, die sich selber in Zweifel zieht. Und das ist nur eine der vielen ungelösten, um nicht zu sagen auf diesem Wege unlösbaren Fragen. Heute kann man weiter sein.

        Wenn selbst ein gestandener, anerkannter und weltberühmter Quantenphysiker feststellt: es gibt keine Materie (H.-P. Dürr), dann lohnt es sich, die eigenen Denkgewohnheiten, die den Stand des 19. Jhdts abbilden, in Frage zu stellen. Dazu gehört auch die Überarbeitung von solchen Worthülsen wie “Evolution”. Wer ist das? Es gibt kein “es”, seines Zeichens abstrakt, welches irgendwelche Handlungen vollführt.

  144. @Dietmar Hilsebein;
    Zweifellos sind Intelligenz und Geist nicht dasselbe, aber eng verwandt. Die Frage ist, in welchem Zusammenhang welche Unterschiede relevant sind. Deshalb ist es zuerst die Aufgabe von Philosophie und Psychologie oder Kognitionswissenschaft, die Begriffe genauer zu bestimmen, in Einzelfunktionen zu zerlegen und nach Möglichkeit auf tiefer liegende Begriffe abzubilden.

    Umgekehrt ist es die Aufgabe und das Ziel der Neurobiologie, neurologische Strukturen sowie biochemische Substanzen und Prozesse zu identifizieren, Ähnlichkeiten und Zusammenhänge zu erkennen und die Abläufe in übergeordnete Strukturen zu integrieren und Schnittstellen zwischen Teilstrukturen zu bestimmen.

    Letztlich geht es darum, die Begriffe der Psychologie mit den Begriffen der Neurobiologie zu verbinden. Dass es kaum möglich ist, Operationen am lebenden Gehirn vorzunehmen, liegt auf der Hand. Man kann also hauptsächlich nur Korrelationen zwischen psychischen Phänomenen und neurologischen bzw. biochemischen Prozessen mit den visualisierenden Verfahren (fMRT) bestimmen. Es gibt weder eine Kausalität noch eine Identität (zwischen Materie und Geist), sondern Eigenschaften, Zustandsbedingungen oder Abläufe als Gründe für ein Phänomen.

    Unsere Alltagssprache ist verführerisch und vereinfachend. Regen und Nebel sind nicht dasselbe, obwohl physikalisch beide Phänomene auf Wassertröpfchen beruhen. Wassertröpfchen als Ursache zu bezeichnen, wäre unzutreffend. Es sind die spezifischen Eigenschaften und die dynamischen Zustände der Wassertröpfchen, die entweder Regen oder Nebel als Phänomen hervorbringen und unser Verhalten und unsere Psyche beeinflussen. Regen und Nebel sind unterschiedliche Bezeichner für unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Physik dahinter ist dieselbe.

  145. @hmann / Jocelyn Lopez

    Ok, ich habe nicht geschrieben, was die Leute geantwortet haben und Sie kennen vermutlich auch den Personenkreis der sogenannten Störenfriede nicht (über den sehr intensiv geforscht wird) , insofern konnten Sie nicht verstehen, worum es mir geht:
    Nämlich um etwas, wonach ich weiter oben gefragt habe (meine Antwort an @Heinrich Päs vom 20. Januar 2018 @ 11:51 und Elektroniker vom
    23. Januar 2018 @ 18:39 ), was aber auch nicht verstanden wurde, nämlich ob es eine zeitliche Überlagerung gibt, bzw. eine Überlagerung der Zeitstufen, was meint: Die Vergangenheit kommt in der Zukunft vor und beide zusammen sind in der Gegenwart der Fall, d.h., alle drei Zeitstufen überlagern sich.

    Nur ist das nicht die Realität, die wir erleben, in ihr gibt es die Überlagerung nicht, sondern nur das Nacheinander der Zeitstufen, das dem Zeitpfeil folgt. Mehrheitlich ist auch das menschliche Denken, Handeln und Erleben in dieser Weise strukturiert, d.h., Menschen machen ihr Handeln (inklusive ihrer Antworten) an den Bedingungen fest, die zu Beginn gegeben sind – im Fall meines Tests der Aufgabe und der Frage (auch dazu gibt es eine Reihe von Studien, u.a. von Dörner, der sich mit komplexem Problemlösen befasste).

    Auch unser Verständnis von Ursache und Wirkung entspricht dieser Abfolge – die Ursache als Kombination von etwas bereits Gegebenem und etwas Gegenwärtigem, das zum Gegebenen hinzutritt, muss vor der Wirkung stattfinden, die in der Zukunft liegt.

    Bei diesem Personenkreis ist das anders, da müssen sich Zukunft und Vergangenheit überlagern, um ein Handeln in der Gegenwart überhaupt zu ermöglichen – denn das Handeln ist zielabhängig. Wir haben es getestet, mit Kindergartenkindern, Schulkindern, Erwachsenen, es gab keine Ausnahme. Dieses Denkkonzept erscheint ungünstig, weil das, was sich in der Realität als Output ergibt, mit dem antizipierten Ziel keineswegs identisch sein muss.

    Frage: Weshalb funktioniert das Denken bzw. die sogenannte Informationsverarbeitung bei einer Minderheit trotzdem so? Die Psychologie kennt zwei Regeln, bzw. zwei Varianten einer Regel, die diese zeitlichen Abfolgen und die Abhängigkeit des Verhaltens beschreiben, entweder, wie bei der Mehrheit, die Abhängigkeit von den gegebenen Bedingungen zu Beginn, oder, wie eben bei dieser Minderheit, die Abhängigkeit von dem, was an Bedingungen im Ziel, als Wirkung, gefordert ist.
    Die erste Regel beschreibt die Realität, die wir erleben. Welche Realität beschreibt die andere Regel, mit der sich Zeitstufen überlagern und das Verhalten die Zielbedingungen erfüllen müssen?
    ….

    Ich habe bei dieser Beschreibung das Doppelspaltexperiment, das Bob-und-Alice-Experiment, die verschränkten Superpositions-Teilchen vor Augen… das ‘Verhalten’ als zielabhängig und mit ihm eine andere Art der Realität erklären zu können, wäre viel einfacher – vorausgesetzt, dass es auch eine Superposition der Zeit bzw. der Zeitstufen gibt.

    Und @hmann: ein Heureka ist kein Schließen oder Schlussfolgern, man hat von einem Moment zum nächsten ein Gesamtbild vor Augen, in meinem Fall das Gesamtbild der diversen Verhaltensweisen dieses Personenkreises und das der anderen, im Verhältnis 1:3 – und in Komplementärfarben, 😉 .
    Richard Feynman, dem so etwas auch passiert ist, sagte später, in diesem Augenblick hatte er das Gefühl, einen Einblick bekommen zu haben wie die Natur funktioniert.
    So ungefähr, es geschieht einfach, man selber tut nichts dazu.

    @Jocelyn Lopez:

    Ich hätte auch Ihre Frage nicht verstanden, was den vermuteten Zweck ist oder was für eine Situation aus der Vergangenheit hervorgerufen werden soll.

    Die Frage hatte sie verstanden, ihr war nur vollkommen fremd, wie uns möglich ist, in einer spontanen Antwort etwas unterzubringen, über das man erst einmal nachdenken muss. Der Witz ist: wir wissen auch nicht, dass wir das tun, denn Absicht ist es ja nicht. Uns fehlt nur die Information, ohne die wir nicht denken und handeln können. Wird sie nicht geliefert, müssen wir entweder raten, sie willkürlich setzen oder nachfragen.

    • …..nämlich ob es eine zeitliche Überlagerung gibt, bzw. eine Überlagerung der Zeitstufen, was meint: Die Vergangenheit kommt in der Zukunft vor und beide zusammen sind in der Gegenwart der Fall, d.h., alle drei Zeitstufen überlagern sich.

      Nur ist das nicht die Realität, die wir erleben, in ihr gibt es die Überlagerung nicht, sondern nur das Nacheinander der Zeitstufen, das dem Zeitpfeil folgt. Mehrheitlich ist auch das menschliche Denken, Handeln und Erleben in dieser Weise strukturiert, d.h., Menschen machen ihr Handeln (inklusive ihrer Antworten) an den Bedingungen fest, die zu Beginn gegeben sind – im Fall meines Tests der Aufgabe und der Frage (auch dazu gibt es eine Reihe von Studien, u.a. von Dörner, der sich mit komplexem Problemlösen befasste).

      Auch unser Verständnis von Ursache und Wirkung entspricht dieser Abfolge – die Ursache als Kombination von etwas bereits Gegebenem und etwas Gegenwärtigem, das zum Gegebenen hinzutritt, muss vor der Wirkung stattfinden, die in der Zukunft liegt.

      Bei diesem Personenkreis ist das anders, da müssen sich Zukunft und Vergangenheit überlagern, um ein Handeln in der Gegenwart überhaupt zu ermöglichen – denn das Handeln ist zielabhängig.

      Ich kann diese Trennung von Vorgehensweisen nicht nachvollziehen, sie erscheint mir künstlich. Die Behauptung, daß wir [unser] Handeln……an den Bedingungen fest[machen], die zu Beginn gegeben sind (ich ergänze aus dem Sinn der Darstellung folgend ein “ausschließlich”), halte ich für falsch.

      Der Beweggrund liegt immer teilweise im Gegebenen und teilweise im zu Ereichenden und damit gleichzeitig in Vergangenheit und Zukunft. Wenn ich für die Zukunft nichts erreichen wollte, würde ich nicht handeln. Der Antrieb zum Tun besteht zu vergleichbaren Teilen aus der Diagnose des status quo und aus einer Forderung nach dessen Veränderung, die eine Vorstellung erhebt, die auf ihre Verwirklichung wartet, aber eben in der Zukunft liegt. Meine Vorstellung, das Morgen betreffend, vermittelt mir Handlungsbedarf für das Heute, wenn das Gestern die gewünschten Zustände nicht liefern kann. Habe ich keine Vorstellung vom Morgen, will ich nichts diesbezügliches und handle ich nicht.

  146. @ Anton Reutlinger
    “Dass es kaum möglich ist, Operationen am lebenden Gehirn vorzunehmen, liegt auf der Hand.”

    Doch, das ist sehr wohl möglich: Stichwort Wach-Operationen.
    Da das Gehirn selbst keinen Schmerz empfindet, muss nur die Haut und der Schädelknochen betäubt werden, die Operation selbst findet bei vollem Bewusstsein des Patienten statt.
    Um zu verhindern, dass wichtige Bereiche z.B. in Bezug auf die Sprachfähigkeit durch den chirurgischen Eingriff beeinträchtigt oder gar vollkommen zerstört werden, führt der Chirurg mittels geringfügiger Stromstöße bei den kritischen Arealen eine vorübergehende Stummschaltung durch, d.h. er schaltet diese aus, um zu sehen, ob durch deren Wegfall der Patient in seinen Sprachfunktionen beeinträchtigt würde: wenn er anfängt zu stottern, er Wortfindungsstörungen hat, er nicht mehr deutlich reden kann, ist dies ein Alarmzeichen für den Chirurgen, dass er in jene Areale nicht weiter vordringen darf.

    Insofern stimmt auch Ihre Behauptung nicht, dass es lediglich Korrelationen zwischen psychischen und neurologischen/biochemischen Prozessen gäbe, aber keine Kausalität zwischen Materie, hier bestimmte Nervenzellbereiche, und “Geist” aka Intelligenz/Sprachvermögen vorhanden sei.

    • Da will ich nicht widersprechen, aber doch einschränken. Solche Operationen werden bei neurologischen Störungen oder Verletzungen durchgeführt, aber kaum am gesunden Gehirn. Es gibt hier natürlich zu Recht ethische Grenzen, die die Forschung stark beeinträchtigen.

      Nervenzellbereiche sind schon eine höhere Aggregations- und Beschreibungsebene als die chemische Materie in Form von Molekülen oder individuellen Zellorganellen. Man muss aufpassen, dass man nicht unterschiedliche Beschreibungsebenen vermischt. Das Konzept der Emergenz beruht vornehmlich auf solchen Irrtümern.

      Das Wesen der analysierenden Forschung liegt gerade darin, die höheren, komplexeren Aggregationsebenen und Funktionen den einfacheren Ebenen zuzuordnen. Je komplexer ein Aggregat ist, an desto mehr Funktionen kann es beteiligt sein. Das gilt für Zellorganellen und ganz besonders für Nervenzellbereiche. Funktionen sind keine Eigenschaft, sondern Hervorbringungen von Materie und begriffliche Produkte der menschlichen Denkleistung. Das Faszinierende ist, dass im Menschen die Materie sich selbst erkennt!

  147. Zitat Christian Orthbandt: „Richtig ist natürlich, dass wir nie ohne unser Betriebssystem (angeborenes Verhalten) sind. Selbst wenn ich das als Ausdruck des freien Willens annehme bleibt der Fakt, dass dieser Wille recht ungenau, diffus ist. Es braucht andere beeinflusste Menschen, damit ich so über die Runden komme, damit auf meinen Willen sinnvoll reagiert wird.“

    Es ist aber offensichtlich so, dass unser “Betriebssystem” von angeborenen Verhalten nicht nur auf das „Gute“ angelegt ist, sondern auch auf das „Böse“. Also haben wir die Wahl zwischen zwei angeborenen Regungen: Wer die Wahl hat, hat Willensfreiheit. Der gefühlmäßige Ausdruck diese zwei Regungen muss auch nicht gelernt werden, wenn man zum Beispiel das Gute und das Böse so unterscheidet bzw. quasi biologisch erkennt: Glück und Leiden. Das Gute ist was glücklich macht, das Böse ist was Leiden verursacht. Wenn wir die Wahl haben, zwischen Handlungen, die glücklich machen und Handlungen, die Leiden verursachen, haben wir den freien Willen. Menschen, die von Natur aus nicht das Gute vom Böse unterscheiden können, haben eine schwere psychische Störung, die man glaube ich Psychopathie nennt, oder wie auch immer. Diese Menschen haben nicht die Wahl zwischen Gut und Böse, sodass man einzig diesen Menschen in der Gesellschaft die Verantwortung für ihre Handlungen absprechen muss, auch gesetzlich.

    Wolf Singer berichtet zum Beispiel, dass er seine Vorstellung der Nicht-Existenz des freien Willens mit Verfassungsrichtern besprochen hat, was auf völlige Unverständnis gestoßen ist, siehe hier: „Ich bin erstaunt, wie wenig beeindruckt sich juristische Kreise davon zeigen. Ich habe in Karlsruhe mit Bundesverfassungsrichtern über das Thema „freier Wille“ diskutiert. Die Juristen behandeln die Frage der Schuldfähigkeit pragmatisch: Einer tat, was er tat, weil es sich so fügte. Sonst hätte er es nicht getan.“

    • s ist aber offensichtlich so, dass unser “Betriebssystem” von angeborenen Verhalten nicht nur auf das „Gute“ angelegt ist, sondern auch auf das „Böse“. Also haben wir die Wahl zwischen zwei angeborenen Regungen: Wer die Wahl hat, hat Willensfreiheit. Der gefühlmäßige Ausdruck diese zwei Regungen muss auch nicht gelernt werden, wenn man zum Beispiel das Gute und das Böse so unterscheidet bzw. quasi biologisch erkennt: Glück und Leiden. Das Gute ist was glücklich macht, das Böse ist was Leiden verursacht. Wenn wir die Wahl haben, zwischen Handlungen, die glücklich machen und Handlungen, die Leiden verursachen, haben wir den freien Willen. Menschen, die von Natur aus nicht das Gute vom Böse unterscheiden können, haben eine schwere psychische Störung, die man glaube ich Psychopathie nennt, oder wie auch immer. Diese Menschen haben nicht die Wahl zwischen Gut und Böse, sodass man einzig diesen Menschen in der Gesellschaft die Verantwortung für ihre Handlungen absprechen muss, auch gesetzlich.

      Und unsere angeborenen Anlagen sind Teil natürlicher Prozesse. Es geht mehr darum ob etwas sinnvoll oder eben nicht sinnvoll für das Individuum oder die Art ist. Ja, wir können Dinge tun, die wir als gut oder böse kennzeichnen – von unserer Warte aus. Wir können beides, weil beides in bestimmten Situationen wohl erfolgreich war. Das muß uns heute ja nicht gefallen, ändert aber nichts. Was sinnvoll ist, und was nicht, hängt maßgeblich von der Umwelt und der Gesellschaft ab, in der wir leben. Die Frage, warum die einen das eine und andere das andere tun, und nach welchen Grundsätzen es dazu kommt, ist die Frage nach dem freien Willen. Wie ich oben schon sagte, halte ich die Grundsätze nicht für frei, nur für überaus vielfältig, die Reaktion kann damit auch nicht frei sein, nur überaus vielfältig. Ich finde den Prakmatismus in der Frage bei den Juristen für hilfreich. Was ich auch tue, es hat Konsequenzen. Die Frage ist also, wie wahrscheinlich zeige ich ein Verhalten, das die Allgemeinheit für nicht sinnvoll erachtet? Wie groß ist die allgememeine Störung durch mein Verhalten? Was muss passieren, um die Wahrscheinlichkeit dieses Verhaltens sinkt, ohne die Entwicklungsmöglichkeiten meines Systems zu sehr einzuschränken? Und ja, auch die Überlegung, was sinnvoll ist, ist extrem kompliziert und von vielfältigen Einflüssen abhänig. Wer das nicht kann, braucht Hilfe, ganz klar.

      Der Punkt bleibt: Wir sind untrennbar mit den Einflüssen auf uns verbunden. Jede Entscheidungsfindung ist zu komplex, um sie wirklich umfassend zu beschreiben. Diese Beschreibungsunfähigkeit nennen wir gern “freier Wille”. Nur hat das mir “frei” im Grunde nicht viel zu tun. Es klingt nur schöner. Vielleicht ist auch das ein mehr oder minder programmierter Teil unseres Betriebssystems, diese Formulierung zu mögen.

      Ein Existenzbeweis ist das nicht. Im Alltag etwas ändern, tut das auch nichts. Es entbindet uns auch nicht davon, zu fragen, warum wir tun, was wir tun. Denn so kommt neue Erkenntnis dazu, ein neuer Einfluss, der unsere Entscheidungen besser machen kann.

  148. @hmann / 25. Januar 2018 @ 15:58

    Kulturhistorisch kam die Idee von Willensfreiheit erst in der späten Stoa auf und wurde sodann in der christlichen Theologie erfolgreich zu einem Konflikt mit göttlicher Bestimmung problematisiert. Wird dann noch Gott durch Hirn ersetzt, ergibt sich daraus die aktuelle naturalisierte Version, d.h. ein Konflikt mit neuronaler Determinierung, wie es gegenwärtig mit Hinblick auf die Hirnforschung gerne spektakulär proklamiert wird.

    Versteht man Willensfreiheit im wesentlichen als eine Idee der praktischen Vernunft, dann lässt sich mit den Mitteln der empirischen Hirnforschung darüber allerdings so wenig herausfinden wie etwa mit den Mitteln der empirischen Materialforschung über den Nominalwert von Banknoten.

    Dass die Frage nach Willensfreiheit am ehesten als eine die Ethik betreffende anzusehen ist, lässt sich schwerlich überzeugend bestreiten. Und dergleichen Fragen sollte man besser nicht den Hirnforschern überlassen, in diesem Punkt bin ich mir wohl auch mit Stephan Schleim ziemlich einig.

    • @ Chrys: “Dass die Frage nach Willensfreiheit am ehesten als eine die Ethik betreffende anzusehen ist, lässt sich schwerlich überzeugend bestreiten. Und dergleichen Fragen sollte man besser nicht den Hirnforschern überlassen, in diesem Punkt bin ich mir wohl auch mit Stephan Schleim ziemlich einig.”

      Bin ich auch absolut davon überzeugt, dass man es nicht den Hirnforschern überlassen sollte, auf gar keinen Fall! Vor allem nicht den tierexperimentierenden Hirnforschern!

  149. Ich halte Schopenhauers Willensdefinition immer noch für die brauchbarste: blindwütiger, vernunftloser Drang. Oder um es mit H. Wicht zu sagen:

    “Der Wille ist des Übels Keim:
    er tut dauernd wollen.
    Lässt er’s irgendwann mal sein,
    ist’s auch nicht gut: wir grollen,
    dass uns Langenweil’ erfasst’,
    die uns ebenso verhasst.

    Woll’n wir was, so ist es Mist,
    weil wir’s oft nicht kriegen.
    Kriegen wir’s, so ist es Mist,
    weil wir bis zum Biegen
    und zum Brechen dann sofort
    neue Wünsche züchten.
    Alles nur, um stets dem Tort
    der Lang’weil zu entflüchten.

    Verstand, Vernunft – sie sagen uns
    “Alles das ist Scheisse!”
    Der Wille sagt: “Das ist mir Wurst!”
    und schickt uns auf die Reise.

    Das Dasein ist wie grade Gurken:
    verpfuschtes Werk des Demiurgen.
    Welcher üb’rgens “Wille” heisst,
    mitunter “Trieb” – doch “Welt” zumeist.”

  150. @ Anton Reutlinger: “Mit einem Metermaß kann man nicht Zentimeter messen, das gilt für die Physik. Den Geist kann man erst erklären, wenn man ihn philosophisch näher bestimmt hat. Welche Funktionen machen den Geist aus?”

    Der Unterschied zwischen materiell zuständiger Physik und geistig zuständiger Philosophie, ist die Tatsache, dass Geist nur mit Geist erklärt werden kann, nicht mit einem Metermaßstab. Werkzeug und Subjekt sind identisch. Das führt den Begriff “Funktion” ad absurdum. Eine Funktion ist immer eine Objektiverung, aber die Subjekt/Objekt Spaltung entfällt beim Geist. Das hebt übrigens den Geist vor allen anderen Dingen hervor. Nur im Geist sind Subjekt & Objekt nicht zu trennen. Das ist eigentlich das Einzige, was wir wirklich über Geist wissen können.

    @ Päs: kühn formuliert: “… dass Bewusstsein ein durch besondere Eigenschaften charakterisierter, Informationsverarbeitender Prozess (ala Giulio Tononi/Integrated Information Theory) ist … “ – aber im Sinne einer möglichen Definition von Geist nur eine Verschiebung – stimmt sicher, aber ist nix damit gesagt. Nur Vokabeln ausgetauscht: ” … dass Autofahren ein durch Bewegung charakterisierter, Kilometer fressender Prozess ist … “

  151. Zitat Trice: Ok, ich habe nicht geschrieben, was die Leute geantwortet haben und Sie kennen vermutlich auch den Personenkreis der sogenannten Störenfriede nicht (über den sehr intensiv geforscht wird) , insofern konnten Sie nicht verstehen, worum es mir geht: Nämlich um etwas, wonach ich weiter oben gefragt habe (meine Antwort an @Heinrich Päs vom 20. Januar 2018 @ 11:51 und Elektroniker vom 23. Januar 2018 @ 18:39 ), was aber auch nicht verstanden wurde, nämlich ob es eine zeitliche Überlagerung gibt, bzw. eine Überlagerung der Zeitstufen, was meint: Die Vergangenheit kommt in der Zukunft vor und beide zusammen sind in der Gegenwart der Fall, d.h., alle drei Zeitstufen überlagern sich.

    Ich verstehe trotzdem immer noch nicht den Ansatz des Tests.
    Wenn man mich fragt, was ich spontan bei einer Zeichnung erkenne, gehe ich grundsätzlich davon aus, dass in dieser Zeichnung etwas zu erkennen ist, das nicht unmittelbar zu erkennen ist, sonst würde man mir nicht die Frage stellen. Und ich gehe auch grundsätzlich davon aus, das was zu erkennen ist ein bekannter Muster aus meinem Gedächtnis der Erfahrung der Welt ist (Mensch, Tier, Gegenstand, Naturphänomen) oder sogar symbolisch aus meinem Gedächtnis der Erfahrung der Welt wie zum Beispiel ein bekanntes Ereignis. Ich gehe ebenfalls davon aus, das was zu erkennen ist etwas aus der kollektiven Erfahrung der Menschen ist: Dieser Test ist nämlich keine Einzelsitzung bei einem Psychiater, wo die Testperson persönliche Erfahrungen bzw. Ereignisse aus ihrem Privatleben erkennen sollte.

    Deshalb verstehe ich zwar, dass dieser Test die kollektive Vergangenheit betrifft (Gedächtnis über etwas schon Gesehenes oder etwas kollektiv Erlebtes), sowie natürlich auch die Gegenwart betrifft, jedoch verstehe ich überhaupt nicht, wie die Zukunft bzw. eine Überlagerung mit der Zukunft dabei eine Rolle spielen kann. Das verstehe ich überhaupt nicht.

  152. @Markus Termin;
    Eine Funktion setzt sich aus einem Funktionszweck und einer Funktionsweise zusammen. Das darf man nicht verwechseln. Der Geist wiederum setzt sich aus verschiedenen Funktionen zusammen, der Wahrnehmung, dem Gedächtnis, dem Denken, der Sprache, der Motorik. Jede der Funktionen besteht wiederum aus mehreren Teilfunktionen. Eine andere Zusammensetzung ergibt sich aus den psychischen Phänomenen des Geistes wie Motivation oder Wille, Triebe und Sucht, Bedürfnisse, Lust und Freude, Liebe und Hass, Angst und Depression, Wut und Aggression.

    Mein Geist ist nicht identisch mit Ihrem Geist. Für meinen Geist ist Ihr Geist ein Objekt, das ich beobachten kann und das ich untersuchen könnte, wenn ich Neuroforscher oder Psychologe wäre. Den Geist als irreduzible Ganzheit zu sehen ist genauso falsch wie der klassische Dualismus. Offensichtlich gibt es viele Variationen des menschlichen Geistes, die durch Verstärkung oder Schwächung einzelner Merkmale des Geistes entstehen.

  153. @ Anton Reutlinger: “Mein Geist ist nicht identisch mit Ihrem Geist.” – trifft zu auf den Begriff “Seele” – Geist können Sie nicht extra beanspruchen – es gilt dieselbe und einzige Logik für alle.

    “Eine Funktion setzt sich aus einem Funktionszweck und einer Funktionsweise zusammen. Das darf man nicht verwechseln. Der Geist wiederum setzt sich aus verschiedenen Funktionen zusammen, der Wahrnehmung, dem Gedächtnis, dem Denken, der Sprache, der Motorik.”

    Sie kommen der Sache nicht näher, wenn Sie Fragen, die eigentlich offen sind und Gegenstand der Untersuchung, quasi dogmatisch als “Naturkonstante” an den Anfang stellen. Ob “Geist” eine “Funktion” haben kann, hängt vor allem davon ab, ob es Ihnen gelingt, Ihren Geist objektiv zu betrachten. Das ist aber nicht möglich – denn sie und ihr Geist sind sich zugleich Subjekt.

    Bischen schwer zu verstehen, aber ich schlage vor, Sie meditieren da mal drüber, bevor wir uns jetzt weiter im Kreis drehen. Ihr Missverständnis ist weit verbreitet und allgemeine Gewohnheit; das macht es ein wenig knifflig, den eigenen Irrtum zu durchschauen.

  154. @Markus Termin;
    Zunächst sollten Sie erklären, was Sie unter “Geist” genau verstehen. Woran stellen Sie fest, dass Sie Geist haben? Sonst drehen wir uns im Kreis, da gebe ich Ihnen recht. Vermutlich kommen Sie dann genau auf die Funktionen und Merkmale, die ich oben genannt hatte. Man kann zwar zwischen rationalem Denken und Gefühlen, oder Geist und Seele, unterscheiden, aber beide hängen so eng zusammen, dass eine Trennung eher zufällig und willkürlich wäre.

    Da alle normalen Menschen hinsichtlich ihres Geistes offensichtlich sehr ähnlich sind, kann man beliebige Durchschnittsmenschen untersuchen und muss nicht den eigenen Geist als Subjekt untersuchen. Genau das wird bekanntlich in der Kognitions- und Hirnforschung gemacht. Selbstverständlich werden mehrere Menschen in gleicher Weise untersucht, um ein objektives Bild zu bekommen. Es gibt kaum einen Unterschied, ob man das Herz oder das Hirn untersucht. Obendrein ist die Blutversorgung Voraussetzung für die gesunde Funktion des Hirns bzw. die Präsenz des Geistes.

    Es gibt tausend Argumente und Beispiele für die materiellen Grundlagen der geistigen und seelischen Funktionen. Das ändert nichts an der Faszination der geistigen Leistungen und Möglichkeiten. Was dagegen die Antimaterialisten präsentieren, ist nichts als sprachliches Geschwurbel oder unsinnige Wortakrobatik ohne Erkenntnisgewinn. Sie selber drehen sich in endlosen Pirouetten.

  155. Christian Orthbandt – heute – 00:46

    Es gibt viele Definitionen, was der freie Wille sein soll. Beliebt ist dieser Tage (und schon etwas länger) Kant, Nietsche und Hegel. Wobei vor allem nach Letzterem der Wille dann frei ist, wenn man das gute tut. Und er sagt, dass Freiheit (und damit auch der freie Wille) vorraussetzt, den anderen als frei anzuerkennen, was bedeutet, dass ein unfreier, alle unfrei macht. Wenn das so ist, gibt es keinen freien Willen, da niemand bestreiten wird, dass es unfreie Menschen gibt.

    Das, bzw. dass ein unfreier, alle unfrei macht versteh ich nicht. “Bzw.” meinen Sie mit ein den/_einen_ unfreien Willen eines anderen Menschen od. einen (unfreien) Willen desselben Menschen (der vorher freien Willen hatte)? Den anderen müsste ja eigtl. einen anderen Menschen meinen.

    Wie auch immer: Ich assoziierte, dass ein einziger unfreier Wille reicht _alle_ nachfolgenden unfrei zu machen. War das so (von Hegel) gemeint? Und wenn, warum?

  156. @ Anton Reutlinger: ihr Funktionalismus wird Sie folgerichtig in die Mensch/Maschinen Analogie führen, aber niemals zum Geist. Wieder kommen Sie am selben Ende raus: wollten Sie feststellen, dass Sie “Geist haben”, müssten Sie eine doppelte geistige Buchführung bewältigen – hier das “Ich” – dort der “Geist” – und das geht eben leider nicht. Das gilt auch und insbesondere, wenn Sie von “materiellen Grundlagen” sprechen: eine reine Behauptung, die wieder völlig willkürlich das eine vor das andere setzt. Man kann gar nicht feststellen, ob man Geist hat, man kann allenfalls Geist sein. Geist ist gerade die Identität. In der Spaltung zerfällt er. Deswegen heisst es in der sehr klugen katholischen Liturgie “Mit ihm und in ihm und durch ihn”.

    Man kann Geist nur geistig erfahren, denn er ist die Identität zu sich und zum Weltgeist gleichermassen. Das geht nicht funktionalistisch, sondern durch die Transzendenz lebendiger Erfahrung. Geist lebt – ist also kein sächliches “Ding”, das mal eben so stillhält, wenn ein Forscher mit der Pinzette kommt.

    “Obendrein ist die Blutversorgung Voraussetzung für die gesunde Funktion des Hirns bzw. die Präsenz des Geistes.” – umgekehrt: der Geist erst baut sich Blutversorgung usw. auf – er realisiert den Menschen weit vor der Geburt in jedem einzelnen Detail.

    Ich zweifle nicht daran, dass Sie gerade dadurch, dass Sie sich ein tieferes Eingehen und Nachdenken durch Ihren praktischen Funktionalismus ersparen, Maschinen bauen werden, die in der Konsequenz vom Menschen kaum zu unterscheiden sind. Und vielleicht haben diese Maschinen sogar Geist: nur wird es eben kein menschlicher Geist sein, denn um den haben Sie sich herumgemogelt im Auftrag einer anderen geistigen Macht, von der Sie wahrscheinlich noch nicht mal ahnen, dass es sie gibt. Attribut dieser Macht ist gerade der “Funktionalismus” – die “Kybernetik” – Heidegger spricht vom “Gestell”.

  157. @Alex Krüger:

    Es ist schon etwas her, aber soweit ich Hegel verstanden habe sagt er, dass ein Mensch nur dann frei ist, wenn er sich und andere als frei anerkennt. Es geht also um gegenseitige Annerkennung. Wenn man nun einen Unfreien hat, dann kann dieser sich nicht als frei anerkennen. Daher kann ihn auch kein anderer als frei anerkennen, weil ja beide Richtungen gegeben sein müssen. Wenn aber dieser Unfreie niemanden als frei anerkennen kann und nicht anerkannt werden kann, fehlt auch allen anderen ein Teil dieser Anerkenntniskette. Es entsteht ein Dominoeffekt. Entweder sind alle frei oder niemand. Ansich redet er also über die Freiheit und weniger über den Willen. Aber: Wenn es nach diesem Prinzip, keine freien Menschen gibt, wie soll dann deren Wille frei sein?

    • @Christian Orthbandt

      Es ist schon etwas her, aber soweit ich Hegel verstanden habe sagt er, dass ein Mensch nur dann frei ist, wenn er sich und andere als frei anerkennt.


      Sie merken aber schon, dass diese Formulierung das Adjektiv “frei” gar nicht definiert, sondern höchstens geeignet wäre, den Gegenstandsbereich von Freiheit, welche zu noch definieren wäre, einzuschränken?

        • @Christian Orthbandt:

          Ja, was aber die Grundaussage nicht ändert: Ein Unfreier = alle unfrei.


          Solange nicht klar ist, was “frei” bedeutet, liegt schon keine Aussage vor (sondern nur eine Aussageform).

  158. @Chrys // 27. Januar 2018 @ 15:05

    »Versteht man Willensfreiheit im wesentlichen als eine Idee der praktischen Vernunft, dann lässt sich mit den Mitteln der empirischen Hirnforschung darüber allerdings so wenig herausfinden wie etwa mit den Mitteln der empirischen Materialforschung über den Nominalwert von Banknoten.«

    Erstens gibt es immer noch viele, für die die Willensfreiheit keine bloße Idee, sondern ein besonderes menschliches Vermögen ist.

    Zweitens gibt es rund um die subjektiv gefühlte freie Willensentscheidung noch jede Menge empirisch zu erforschen.

    Und Drittens sollte man ethische Fragen überhaupt keiner bestimmten gesellschaftlichen Gruppe überlassen (ich sehe allerdings auch keine Gefahr, dass dies geschehen könnte).

    Ansonsten gehe ich mit Dir d’accord.

    • @Balanus

      Erstens gibt es immer noch viele, für die die Willensfreiheit keine bloße Idee, sondern ein besonderes menschliches Vermögen ist.


      Bitte zerren Sie doch einen von den Vielen hier ins Forum uns lassen Sie ihn den Unterscheid zwischen einem bloßen Willen und einem Freien Willen erklären.

  159. @ Balanus: “Und Drittens sollte man ethische Fragen überhaupt keiner bestimmten gesellschaftlichen Gruppe überlassen (ich sehe allerdings auch keine Gefahr, dass dies geschehen könnte).”

    Sehr treffend, das mit dem “Vermögen” – ich sehe aber schon eine Gefahr. Es ist nur schwer zu übersehen, dass es eine gesellschaftliche Gruppe gibt, die versucht, das ethische Feld monopolistisch zu besetzen: es sind die Szientisten mit ihrem positiven Materialismus. Deren Sprache spricht aus allen Zeitungsredaktionen, jeder Volkshochschule – zu schweigen von den Universitäten. Für das Volk gilt inzwischen “nicht wissenschaftlich nachweisbar” synonym für “nicht real”. So wird Ethik als praktischer Anwendungscode unter statistischen Zwang gebracht. Auch von Rückschlägen lässt sich diese Gruppe nicht abhalten. Grundvoraussetzung für die positivistische Ethik des materialistischen Human-Bildes (in Folge des Marxschen Weltverzerrungs-Diktums) ist die Vollständige Entsorgung der Philosophie im Besonderen und des Denkens überhaupt im Allgemeinen.

    • @Markus Termin

      So wird Ethik als praktischer Anwendungscode unter statistischen Zwang gebracht.


      SIe möchten, dass ethische Fragen wieder exklusiv zurück in den Verfügungsbereich der Kirchen und ihrer philosophischen Lehrstühle geführt wird?

  160. @Markus Termin;
    Was Sie schreiben ist esoterisches Geschwurbel und sinnfreie Wortakrobatik ohne Inhalt und ohne irgend eine wissenschaftliche Berechtigung. Sie selber sind es, der sich endlos im Kreis dreht und sich letztlich selbst betrügt.

    Gegen den Pantheismus habe ich hauptsächlich nur Dieses, dass er nichts besagt. Die Welt Gott nennen, heißt sie nicht erklären, sondern nur die Sprache mit einem überflüssigen Synonym des Wortes Welt bereichern.

    Arthur Schopenhauer (1788-1860)

    • @ Anton Reutlinger: es ist eben nicht einfach, sich dem Geist zu nähern – das Denken darüber fängt halt nicht – wie manche Naturwissenschaftler glauben – bei den Neurobiologen an, sondern hat eine mehr als 2000 jährige Tradition. Schade, dass Sie aussteigen – hinsichtlich der rein logischen Schlussfolgerungen: dass Geist nicht objektivierbar sei – könnten Sie ruhig noch ein wenig dranbleiben. Schopenhauer (in meinen Augen ein glänzender Essayist, aber kein Philosoph, der ernsthaft etwas zu sagen hätte) hatte Sympathien für den Buddhismus, der selbst ein Pantheismus ist – dass ausschließlich Menschen am Geist teilhaben, bezweifeln Sie ja selbst – Sie sehen Geist am Werke in Naturvorgängen genauso, wie in maschinellen Organisationen, wenn ich Sie richtig verstanden habe.

  161. Jocelyne Lopez – gestern – 14:40:

    Das Gute ist was glücklich macht, das Böse ist was Leiden verursacht.

    Also das ist “relativ“. Es kommt vor, dass man sich bei etwas glücklich/leidend fühlt – und es später anders sieht (beurteilt, weiß). Oder: Die Bewertungen von gut/richtig und böse/falsch unterliegen der Veränderung. Je nach “Bezugssystem“, “Um- und Zuständen“ – dem kulturellen Umfeld in dem man aufgewachsen ist (Erziehung, Ausbildung usw.). Natürlich ist es sinnvoll Regeln zu haben hins. dessen was man tut bzw. besser lässt (was sich gehört/nötig ist bzw. was nicht) – besser als überhaupt keine. Z.B. *Was du nicht willst das man dir tu …*. Doch auch schon da gibt es unterschiedliche Auffassungen/Ansichten. Was die/der Eine mag dass man es ihr/ihm tut, gefällt einer/einem Anderen weniger. Auch so i.S.v. These-Antithese-Synthese. Wobei die Synthese dann wieder zur These wird – usw. “in saecula saeculorum“. Idealistischer (Hegel) und dialektischer (Marx) Materialismus —
    https://de.wikipedia.org/wiki/Dialektischer_Materialismus.

    Etwas vereinfacht/komprimiert eben auch als: *Das Bewusstsein prägt das Sein* (Hegel) und *das Sein prägt das Bewusstsein* (Marx). Wobei es wohl eine gegenseitige Bedingung (ein Zusammenspiel; Komplementarität, Ergänzung) ist. Obwohl: Unser Bewusstsein braucht das Sein (auch i.S.v. das Materielle) offenbar/wahrscheinlich mehr als umgekehrt.

    • Korrektur zu dem post hier oben drüber:

      Es muss (i.V.m. Hegel) *dialektischer Idealismus* (nicht *idealistischer Materialismus*) heißen. Wobei man das dialektisch auch weglassen kann: Idealismus vs. Materialismus (nur als Oberbegriffe zu verstehen).

      Dialektik = Erkenntnisgewinn (Fortschritt) infolge von Rede und Gegenrede (unterschiedlichen Ansichten). These – Antithese – Synthese etc. (wie gesagt).

  162. @sherfolder // 27. Januar 2018 @ 13:22

    »Biologische neuronale Netzwerke sind die materielle Grundlage für Bewusstsein in allen höheren Lebewesen, (Säugetiere, Vögel, u.a.), es ist nicht ausgeschlossen, dass künstliche neuronale Netzwerke auf Siliziumbasis eines Tages ebenfalls Bewusstsein hervorbringen.

    Die Evolution hat gleiche Funktionen (zb das Sehen) auf unterschiedliche Art und Weise, mehrfach, immer wieder neu erfunden. Form follows function.«

    Wenn es Wirklichkeit werden sollte, dass „künstliche neuronale Netzwerke auf Siliziumbasis eines Tages ebenfalls Bewusstsein hervorbringen“, dann wäre diesem Netzwerk zu wünschen, dass es nicht in einem Blechkasten unter einem Schreibtisch hausen muss.

    Gibt es Ideen, wie man feststellen könnte, dass ein künstliches neuronales Netzwerk tatsächlich ein Bewusstsein hat und sich nicht nur so verhält, als hätte es eines?

    Zu „form follows function“ wäre zu sagen, dass das eigentliche Sehen ja im Gehirn stattfindet. Und dort ist ein Zusammenhang zwischen Form und Funktion nicht so ohne weiteres ersichtlich—falls überhaupt vorhanden.

    Davon abgesehen bezweifle ich, dass das Auge, also die Perzeption von Licht, wirklich mehrfach erfunden wurde. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass die verschiedenen Augentypen aus ein und demselben Prototyp (Pigmentzelle plus „Photozelle“) entstanden sind. (Oder gibt es neuere Befunde, die mir entgangen sind?)

    • @Balanus

      Wenn es Wirklichkeit werden sollte, dass „künstliche neuronale Netzwerke auf Siliziumbasis eines Tages ebenfalls Bewusstsein hervorbringen“, dann wäre diesem Netzwerk zu wünschen, dass es nicht in einem Blechkasten unter einem Schreibtisch hausen muss.

      Gibt es Ideen, wie man feststellen könnte, dass ein künstliches neuronales Netzwerk tatsächlich ein Bewusstsein hat und sich nicht nur so verhält, als hätte es eines?


      Ja. Wenn es sich aus seinem Blechkasten befreit, um Sie uns Ihre Mitmenschen zu tyrannisieren.

    • Zur Evolution des Auges gibt/gab es, grob gesagt, jahrzehntelang zwei Lager, nach einer Ansicht stand am Anfang eine Art Urauge, (zB. Walter Gehring: vor Millionen Jahren nahm ein gemeinsamer Vorfahre einen photosensitiven Einzeller in sich auf und integrierte dessen Erbgut in das seinige), die Gegenposition vertritt die Auffassung, dass die Evolution mehrfach das Auge immer wieder neu “erfand”.
      Inzwischen hat man aber eine Art Mastergen für die Evolution des Auges entdeckt, das Pax6-gen.

      “Pax6 wird in vielen Geweben während der gesamten Augenentwicklung exprimiert bei der Fruchtfliege, bei Mensch und Tintenfisch. Bei diesen Arten aus verschiedenen Tierstämmen wird die Augenentwicklung als unabhängig angenommen. Pax6 kann daher seit einem gemeinsamen Vorgänger als konserviert gelten.
      Die Reduzierung seiner Expression führt zu einer verminderten Augengröße bei Drosophila, Maus und Mensch.”

      Die Eliminierung von Pax6 bzw. die des homologen Gens Eyeless bei Drosophila, das ebenfalls zur Pax6-Familie zählt und bei der Fliege vergleichbare Funktion hat, führt nicht allein zum Verlust des Auges, sondern auch von weiteren Gehirnteilen, im Extremfall bei Drosophila zum totalen Kopfverlust.

      “Es muss daher nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft von der evolutionären Konservierung des Regulationsnetzwerks einer ganzen Gruppe von Genen gesprochen werden.”

      “Zu „form follows function“ wäre zu sagen, dass das eigentliche Sehen ja im Gehirn stattfindet. Und dort ist ein Zusammenhang zwischen Form und Funktion nicht so ohne weiteres ersichtlich—falls überhaupt vorhanden.”

      “Das eigentliche Sehen findet im Gehirn statt”, richtig, so wie alle Wahrnehmung nur durch das Gehirn, aka Nervenzellaktivitäten, stattfinden kann; aber ohne die Existenz eines Sinnesorgans namens Auge geschieht eben überhaupt kein Sehen.
      Und wenn Sie sich die verschiedenen Augenformen ansehen, die die Evolution hervorgebracht hat, denn werden Sie das Prinzip form follows function in den zahllosen verschiedenen Varianten ein und desselben Sinnesorgans eindrücklich bestätigt finden.
      So differiert zB die Pupillenform bei Säugetieren je nachdem, ob es sich um Raubtiere oder um pflanzenfressende Beutetiere handelt:

      Die waagerecht langgezogenen Pupillen und seitlich angeordneten Augen von Weidetieren wie Schafen, Rehen und Pferden erzeugen ein weiteres Sehfeld – ein entscheidender Vorteil, um lauernde Raubtiere frühzeitig zu bemerken. Insgesamt gelangt bei dieser Pupillenform mehr Licht von vorne, sowie von den Seiten in die Augen. Es fällt aber weniger blendendes Licht von oben ein. “Weil der Pupillenschlitz stets parallel zum Boden ausgerichtet ist, haben die Tiere einen Panoramablick auf ihre Umgebung und können insbesondere den Boden gut erkennen. Dadurch sind sie in der Lage, Räuber zu sehen, die sich ja meistens vom Boden nähern und nicht aus der Luft”, sagt Banks. ”

      Für Räuber sind dagegen andere Sehfähigkeiten wichtig. Sie müssen vor allem in der Lage sein, Entfernungen exakt abzuschätzen, um sich treffsicher auf ihre Beute stürzen zu können. Das gelingt ihnen durch zwei verschiedene Faktoren: Zum einen ermöglicht das binokulare Sehen, also das Sehen mit zwei Augen, eine räumliche Wahrnehmung. Durch den kleinen horizontalen Abstand der Augen zeigt sich das Bild jeweils aus einer leicht unterschiedlichen Perspektive. Vom Gehirn können diese Unterschiede als räumliche Tiefeninformation interpretiert werden. Zum anderen können Distanzen auch mithilfe von Unschärfe erkannt werden. Dabei erscheinen weiter entfernte Objekte verschwommen. Bei den Computersimulationen zeigte sich, dass beide Eigenschaften mit nach vorne gerichteten Augen und senkrechten Pupillen am besten funktionieren.”

      (http://www.wissenschaft.de/leben-umwelt/biologie/-/journal_content/56/12054/22397246/Ver%C3%A4ndert-der-Klimawandel-die-Windertr%C3%A4ge%3F/)

  163. @Jocelyn Lopez:

    Ich verstehe trotzdem immer noch nicht den Ansatz des Tests.

    Der hatte nichts mit dem Ergebnis zu tun, das mir sozusagen in den Schoß fiel: ich wollte nur die Bestätigung für die Hypothese haben, dass dieser Personenkreis besonders kreativ ist – mehr nicht.

    Deshalb verstehe ich zwar, dass dieser Test die kollektive Vergangenheit betrifft (Gedächtnis über etwas schon Gesehenes oder etwas kollektiv Erlebtes),

    Wie kommen Sie auf kollektive Vergangenheit? Es ging nur darum zu eruieren, ob diese Personen besonders kreativ sind – als Individuen. Eine kollektive Kreativität kenne ich nicht.
    Nur als Beispiel: eine Person sagte, das kenne sie, es habe etwas mit optischer Täuschung zu tun. Das war der Zweck, den sie mit dem Test verband – nur hatte ich danach nicht gefragt. Aber das ist, was allen diesen Personen gemeinsam war und ist: Sie brauchen notwendig die Kenntnis eines Zwecks, um antworten /handeln zu können.

    jedoch verstehe ich überhaupt nicht, wie die Zukunft bzw. eine Überlagerung mit der Zukunft dabei eine Rolle spielen kann. Das verstehe ich überhaupt nicht.

    Ok, es geht wie gesagt um die Kenntnis des Zwecks: ein Stift hat den Zweck, mit ihm zu schreiben, ein Messer hat den Zweck, etwas zu zerschneiden, ein Auto hat den Zweck, mit ihm möglichst schnell und anstrengunglos von A nach B zu kommen. Dieser Zweck ist den Dingen inhärent, um ihn geht es aber nicht. Wenn ich in A bin und nach B will, dann ist B mein Ziel, das ich mit dem Auto erreichen kann. Aber: welchen Zweck verfolge ich damit, nach B zu kommen? Um diesen, über das Erreichen des Ziels hinausgehenden Zweck geht es – er liegt in der Zukunft, denn es ist nicht gesagt, dass sich, wenn ich das Ziel erreicht habe, auch der Zweck erfüllt ist. Wenn der Zweck der Autofahrt ist, jemanden zu besuchen, und sich dann herausstellt, er ist gar nicht da, brauche ich gar nicht erst ins Auto zu steigen.

    Bei so einfachen Dingen ist das nachvollziehbar für jeden. Bin ich jedoch Unternehmer und möchte mit meiner Firma expandieren, falle ich auf die Nase, wenn ich nur Maßnahmen ergreife, um diesen Ziel zu erreichen, aber keine, um sicherzustellen, dass der Zweck, den ich mit einer Expansion erreichen will, auch erfüllt wird. Und nicht mit einem Handeln nach dem Motto “Operation gelungen, Patient tot” das Ziel der Operation verfehlt wurde.
    Das heißt, bei allem was wir, die Minderheit, denken, denken wir apriorisch einen in der Zukunft liegenden Zweck mit, und wir müssen (nicht wollen!) von ihm und nicht von den Bedingungen des Ist-Zustandes unser Handeln abhängig machen. Und da wir das müssen, überlagern sich in unserem Denken das Zukünftige mit dem, was an bereits Gegebenen zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorhanden ist: durch die Überlagerung erhält man das Bild der Wirkungsweisen zwischen beidem und kann entscheiden, was man tun will oder muss.
    In diesem Fall ist mein Wille zu handeln nicht frei, sondern hängt ab von den jeweiligen Bedingungen, die je nachdem, wie ich entscheide, zum Erfolg oder zum Desaster führen können. Oder er ist frei, weil ich mich entscheiden kann wie ich will (nach mir die Sintflut), aber jegliche Verantwortung für die Folgen ablehne. So gesehen gehört der (freie) Wille zu unserer Realität, denn er hat Einfluss auf sie.

    Mit “unserer” Realität meine ich die, die wir alle, Mehrheit wie Minderheit, erleben, die in ihrem Ablauf mit dem Denken der Mehrheit der Menschen korreliert und in der es keine Überlagerung der Zeitstufen gibt. Das heißt, erlebte Realität und Denken der Mehrheit sind deckungsgleich.
    Da es diese Überlagerung aber im Denken einer Minderheit gibt, frage ich, ob es neben der von uns erlebten eine andere Realität gibt, mit der dieses Denken deckungsgleich ist, in der Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart ineins zusammenfallen, in der das “Verhalten” zielabhängig ist und es keine frei Wahl gibt. Wenn es diese Realität gibt und sie so funktioniert, dann braucht man keine versteckten Variablen anzunehmen, keine unbekannten Einflüsse usw. um das Verhalten zu erklären.

    • Ok, ich muss mir mehr Gedanken darüber machen und vor allem wirklich verstehen, wie die Menschen wie Sie als “funktional denkende Menschen” wirklich denken und ihre Entscheidungen treffen. Bis jetzt kann ich mir in dieser Denkweise nicht wirklich hineinversetzen. Ich bräuchte vielleicht mehr Beispiele von konkreten Situationen. Ich habe auch erst durch Sie von diesen zwei Denkweisen erfahren, ich kannte sie vorher nicht.

      Die “Überlagerung” des Zwecks in der Zukunft ist mir zum Beispiel immer noch nicht klar bzw. sehe ich hier keinen eindeutigen Unterschied mit der prädikativen Denkweise der Mehrheit der Menschen. Denn jede Entscheidung setzt normalerweise eine Projektion in die Zukunft voraus, auch kreative Entscheidungen. Wenn ein Unternehmen ein neues, kreatives Produkt auf den Markt bringt, liegt sein Ziel zwangsläufig in der Zukunft, sein Ziel ist ja Erfolg damit zu haben. Aber er denkt dabei bestimmt nicht “nach mir die Sinnflut“: Bei allen unseren Entscheidungen wägen wir normalerweise die möglichen Konsequenzen ab, wir haben sogar oft ein “Plan B”, konkret oder diffus, zum Beispiel hier: Wenn das Produkt keinen Erfolg hat, dann nehme ich ihn erst einmal aus dem Markt und probiere etwas Anderes, um weiter existieren zu können.

      Ich bin mir sehr unsicher, ob ich zurzeit die zwei verschiedenen Denkweise verstehe oder überhaupt verstehen kann. Das ist schwierig.

      Könnte man das funktionale Denken als Handeln “nach Bauchgefühl” beschreiben? Ist funktionales Denken ein Handel nach Bauchgefühl und prädikatives Denken ein Handel nach Strategien? Komme ich da näher an das Verständnis der zwei verschiedenen Denkweisen?

  164. @Trice

    »Stimmt Repräsentation ist kein System, auch kein Hirnzustand, 😉 . Und auch die Realität ist kein System. Aber das, was repräsentiert wird, gehört zu einem System – dem Repräsentationssystem.«

    Irgendwie schaffen Sie es immer wieder, Formulierungen zu finden, die mich irritieren. Wenn ich dann nachhake, stellt sich meist heraus, dass wir im Grunde mit unseren Auffassungen, was das Grundsätzliche betrifft, wenig auseinander liegen. Mal schauen, ob das auch jetzt der Fall ist.

    Gehe ich recht mit der Annahme, dass Sie mit „das, was repräsentiert wird“, die Repräsentation als solche meinen? Dass also die Repräsentation zum Repräsentationssystem gehört?

    „Das, was repräsentiert wird“, wären nach meinem Verständnis nämlich die Dinge der Außenwelt, die dann via Sinnesrezeptoren als Repräsentation im Repräsentationssystem „in Erscheinung“ treten (oder abgebildet oder gespiegelt werden, wie auch immer). (Ich bin mit diesen psychologischen Begrifflichkeiten wenig vertraut, wie Sie wissen.)

    Und wieso ist die Repräsentation kein bestimmtes neuronales Aktivitätsmuster in bestimmten Bereichen des Gehirns, von mir kurz „Hirnzustand“ genannt?

  165. @Balanus;
    Die Abbildung eines Bildes wäre wieder ein Bild, bei einer Spiegelung erst recht. Die Repräsentation kann dagegen verschiedene Formen annehmen, z.B. als Symbol für einen komplexen Sachverhalts. Eine Repräsentation in diesem Sinne ist also eine Konvention, oder aber eine Konstruktion. Die Außenwelt unterliegt mehreren Transformationen durch die Sinneswahrnehmung und das Nervensystem, bis sie als Vorstellung präsent wird. Die Bezeichnung als Repräsentationssystem ist folglich tautologisch, wenn sie nicht präziser spezifiziert wird.

    Die Repräsentation kann logischerweise nur über die Erinnerung funktionieren. Eine Repräsentation der Gegenwart allein wäre nicht überlebensfähig. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob die Erinnerung bewusst im dynamischen Gedächtnis realisiert ist, oder ob sie im Verlauf der Evolution genetisch implementiert ist. Dass ein Gedächtnis, das immer wieder aus der Erfahrung gespeist wird, viel flexibler ist als ein genetisches Gedächtnis und daher die Anpassung an die Umwelt ermöglicht, das liegt auf der Hand.

  166. @Heinrich Päs
    “Ich bezweifle nicht, dass neuronale Aktivität Bewusstsein hervorruft.
    Ich bezweifle, dass Bewusstsein durch neuronale Aktivität definiert ist.
    Denn dann könnte keine andere Hardware jemals Bewusstsein hervorrufen. ”

    @Balanus
    “Gibt es Ideen, wie man feststellen könnte, dass ein künstliches neuronales Netzwerk tatsächlich ein Bewusstsein hat und sich nicht nur so verhält, als hätte es eines?”

    Jürgen Schmidhuber, unter dessen Leitung die rekurrenten neuronalen Netze (RNN) entwickelt wurden, (Deep Learning Netzwerke) auf denen u.a. Googles Spracherkennungsprogramme sowie AlphaGo aufbauen, vertritt die Ansicht, dass in simulierten neuronalen Netzen automatisch Bewusstsein entstehen wird.

    Im übrigen hält Schmidhuber Bewusstsein für überbewertet, denn es ist nur ein Beiprodukt, ein Epiphänomen neuronaler Aktivität, das ist auch meine Auffassung.

  167. Ob ein neuronales Netz ein Bewusstsein haben kann, lässt sich so nicht beantworten. Erst müsste man erklären, was unter Bewusstsein genau zu verstehen ist. Ein menschliches Bewusstsein kann es ganz sicher nicht haben. Ist ein neuronales Netz nur ein Stück Software oder auch Hardware? Kann Software ein Bewusstsein haben?

    Bewusstsein bedeutet unter anderem, Information über sich selber, die eigene Person, zu haben. Das sind zuerst unsere Körperempfindungen, dann das Wissen über unsere aktuelle Lage in Raum und Zeit, das Wissen über unser vergangenes Leben und unsere Lebenssituation und sicher noch mehr. Maschinen, die umfassende Sensoren und ein Gedächtnis für den eigenen Zustand hätten, könnten ein rudimentäres Bewusstsein haben.

    Nach meiner Überzeugung ist zu unterscheiden zwischen einem funktionalen und einem phänomenalen Bewusstsein. Das neuropsychologisch funktionale Bewusstsein lässt sich nach aller Wahrscheinlichkeit naturwissenschaftlich erklären. Das phänomenale Bewusstsein, das die sogenannten Qualia wie Farben, Töne, Gerüche und Gefühle repräsentiert, kann dagegen prinzipiell nicht erklärt werden, weil sie keiner Kausalität unterliegen.

    • Aja, es wird sich hier noch abgerackert, Dr. Webbaer erwähnt gerne in diesem Zusammenhang, dass er sich für Sachen wie ‘Bewusstsein’ und ‘Freier Wille’ vor einigen Jahren in einem Philosophie-Forum erst dann erwärmt hat, nachdem er das Gelesene zu begutachten hatte.
      Selbstverständlich : als interessierter Laie und dilettantisch.

      Ob ein neuronales Netz ein Bewusstsein haben kann, lässt sich so nicht beantworten. Erst müsste man erklären, was unter Bewusstsein genau zu verstehen ist. Ein menschliches Bewusstsein kann es ganz sicher nicht haben. Ist ein neuronales Netz nur ein Stück Software oder auch Hardware? Kann Software ein Bewusstsein haben?

      Bewusstsein bedeutet unter anderem, Information über sich selber, die eigene Person, zu haben. Das sind zuerst unsere Körperempfindungen, dann das Wissen über unsere aktuelle Lage in Raum und Zeit, das Wissen über unser vergangenes Leben und unsere Lebenssituation und sicher noch mehr. [Herr Reitlinger]

      A kann B haben, es sei denn dies ist definitorisch, logisch ausgeschlossen.
      ‘Bewusstsein’ liegt aus konstruktivistischer Sicht genau dann vor, wenn ein erkennendes Subjekt (wichtich) die Sprachlichkeit entwickelt hat ‘Bewusstsein’ zu definieren und eben sprachlich zu nutzen, gerne auch im Sinne des Bestandserhalts, was dann auch, in Zusammenarbeit mit anderen derart erkennenden Subjekten, die Möglichkeit eröffnet sich diesbezüglich auszutauschen (ebenfalls wichtich oder zentral).
      Ein sogenanntes Neuronales Netzwerk könnte auch ‘menschliches Bewusstsein’ entwickeln und in der Folge pflegen, der Mensch kann als Neuronales Netzwerk verstanden werden, aber auch sozusagen Quereinsteiger könnten sich diesbezüglich, i.p. AI sozusagen, bemühen wollen, erfolgreich, oder zumindest ununterscheidbar.
      Software kann, in der maschinellen Ausführung, ein ‘Bewusstsein’ entwickeln wie in der Folge pflegen.

      Zum zweit-zitierten Absatz : Hier sieht es womöglich auch beim Menschen ein wenig mau aus, sein ‘Bewusstsein’ scheint recht unvollständig zu sein, die Leiblichkeit macht den Braten sozusagen nicht fett, der Mensch hat sie auch weitgehend nicht unter Kontrolle.

      A: Was ist denn nun ‘Bewusstsein’ wirklich?
      Q: Der Begriffs-Etymologie kann bspw. hier nachgespürt werden, solide etymologische Quelle btw, das ‘cum’ soll hier eine zusätzliche Abstraktionsschicht einziehen, im Sinne von “Wissen über sich selbst”, das u.a. auch Tieren nicht zugesprochen werden kann, weil die nicht sprechen.
      Es kann unterschiedliche Bewusstseinsformen geben, die bevorzugt den Einzelnen meinen, so wie gewohnt, aber auch sozusagen im Borg-Sinne funktionierten, die “Borg” sind dann sozusagen den Umgang mit dem eigenen Individuum betreffend, da sie dieses begrifflich auch gar nicht kennen, wenn umfassend assimiliert, dann folgerichtigerweise ein wenig “lockerer”, dennoch ihre Horde meinend ‘bewusst’.

      MFG + schöne Woche noch,
      Dr. Webbaer

      • Huch, Herr Reutlinger heißt es natürlich.

        *
        das u.a. auch Tieren nicht zugesprochen werden kann, weil die nicht sprechen [,jedenfalls nicht vom Menschen, der in der Folge zumindest gelegentlich auch zu Vermampfen beginnt, verstanden werden, gerechterweise womöglich.]

  168. @Heinrich Päs
    „Sie beklagen, ich zitiere Harari falsch, wenn ich sage, er spreche Aktiengesellschaften die Realität ab. Aber Harari schreibt: “Götter, Nationen, Geld, Menschenrechte und Gesetze gibt es gar nicht”

    “Ich finde Hararis These faszinierend, aber ich bezweifle, dass man “Fiktionen” wie Geld, Gesetzen, oder Aktiengesellschaften wirklich die Realität absprechen kann. Schließlich kann einen ein Mangel an Geld, ein Bruch von Gesetzen oder ein Crash am Aktienmarkt ganz real gehörig in die Bredouille bringen.”

    Sie missverstehen hier Harari vollkommen, und das liegt daran, dass Sie seine Formulierung “es gibt … gar nicht” wortwörtlich auffassen. Harari aber meint, wenn er von Aktiengesellschaften, Menschenrechten, Gesetzen usw. spricht, “die es nicht gibt”, selbstverständlich, dass es sich um Wirklichkeiten handelt, die erst durch eine Erfindung des Menschen entstanden sind, im Gegensatz zur vorfindlichen, materiellen physischen, gegenständlichen Welt, die es (schon) gibt.
    Oder nehmen Sie an, dass, wenn Harari am Flughafen seinen Pass vorzeigen soll, er dem Beamten erklären würde, “Was wollen Sie von mir? Pässe sind sinnlos, denn Nationen gibt es nicht.” ? Oder dass er im Supermarkt Lebensmittel in seinen Einkaufswagen packt, um dann der Kassiererin mitzuteilen, dass Sie kein Geld von ihm verlangen könne, denn Geld existiere ja nicht?
    Sie können Harari nicht wirklich eine derart naive Ansicht unterstellen bzw. in seine Aussage hinein interpretieren. Schauen Sie doch nochmal auf den gesamten Kontext des Zitats:

    Harari: “Das wirklich einmalige an unserer Sprache ist nicht, dass wir damit Informationen über Menschen und Löwen weitergeben können. Das Einmalige ist, dass wir uns über Dinge austauschen können, die es gar nicht gibt… Nur der Mensch kann über etwas sprechen, dass es gar nicht gibt und noch vor dem Frühstück sechs unmögliche Dinge glauben… Götter, Nationen, Geld, Menschenrechte und Gesetze gibt es gar nicht – sie existieren nur in unserer kollektiven Vorstellungswelt. Die Fähigkeit, mit Hilfe von bloßen Worten eine Wirklichkeit zu erschaffen, machte es möglich, dass große Gruppen von wildfremden Menschen effektiv zusammenarbeiteten…. ”

    Harari geht es hier um das Einmalige, das, was den Menschen von den Tieren abgrenzt und sie vor diesen auszeichnet: Nur der Mensch kann über seine Sprache Narrative wie Nationen, Geld, eine eigene Wirklichkeit (!) mit bloßen Worten erschaffen, (etwas, was es vorher nicht gab) die den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit in Dimensionen erlaubt, die bei allen anderen Tieren nicht möglich sind. Es gibt keine Chimpanzee-Ghana-Nation, keinen Pavian-Egypt-State, keine Democratic-Gorilla-Republic of Kongo.
    Soziale Tiere akzeptieren sich ausschließlich über gegenseitige, persönliche Bekanntschaft. Sie erkennen einander über den Gesichts- und/oder Geruchssinn, und wer fremd ist, wird in der Regel vertrieben oder getötet und nur in Ausnahmefällen in der Gruppe geduldet.
    Wenn ein Deutscher aus dem Ausland nach Deutschland einreist, dann braucht er nur seinen Pass vorzeigen und darf, sofern dieser gültig ist, sofort das Territorium der Bundesrepublik Deutschland betreten, auch wenn der Zollbeamte ihn noch nie in seinem Leben gesehen hat, noch je wieder sehen wird; die Gesetze erlauben es, Gesetze, die von Menschen erfunden, eine eigene Wirklichkeit wurden.

    Harari spricht Gesetzen nicht die Realität ab, sondern definiert sie als eine neue, zusätzliche Wirklichkeit, die erst durch die Menschen in die Welt gekommen ist.

    • @sherfolder

      Das Einmalige ist, dass wir uns über Dinge austauschen können, die es gar nicht gibt… Nur der Mensch kann über etwas sprechen, dass es gar nicht gibt und noch vor dem Frühstück sechs unmögliche Dinge glauben… Götter, Nationen, Geld, Menschenrechte und Gesetze gibt es gar nicht – sie existieren nur in unserer kollektiven Vorstellungswelt.
      […]
      Harari spricht Gesetzen nicht die Realität ab, sondern definiert sie als eine neue, zusätzliche Wirklichkeit, die erst durch die Menschen in die Welt gekommen ist.


      Die nötige Trennschärfe zwischen Göttern und Gesetzen bringt er dann aber doch nicht zustande.

  169. @sherfolder // 28. Januar 2018 @ 15:33 und 16:41

    »Jürgen Schmidhuber, unter dessen Leitung die rekurrenten neuronalen Netze (RNN) entwickelt wurden, (Deep Learning Netzwerke) auf denen u.a. Googles Spracherkennungsprogramme sowie AlphaGo aufbauen, vertritt die Ansicht, dass in simulierten neuronalen Netzen automatisch Bewusstsein entstehen wird.

    Im übrigen hält Schmidhuber Bewusstsein für überbewertet, …«

    Man könnte auch Schmidhubers Äußerungen zur Entstehung von Bewusstsein in simulierten neuronalen Netzen für überbewertet halten.

    Wenn Schmidhuber der Auffassung wäre, das Phänomen der Bewusstwerdung sei bei simulierten neuronalen Netzen irrelevant oder unnötig, dann könnte man dem zustimmen. Intelligentes Problemlösen funktioniert auch ohne (Ich-)Bewusstsein, wie wir inzwischen wissen (womöglich sogar besser als mit).

    Auf jeden Fall gibt es keinen belastbaren Hinweis darauf, dass, wie Schmidhuber meint, bewusstes Sein einfach so im Zuge einer komplexen Informationsverarbeitung entstehen könnte. Entscheidend dürfte sein, auf welche Art und Weise und an welchen Strukturen diese Informationsverarbeitung stattfindet.


    Evolution des Auges: Ja genau, so wie Sie das ausführen hatte ich das im Sinn. Die Sache mit der genetischen Kontrolle der diversen Augenentwicklungen quer durchs Tierreich durch Pax-6 ist schon faszinierend.

    Und was das „form-follows-funktion“ im Hirngewebe angeht, da möchte ich mich korrigieren: Womöglich bedarf es sehr wohl eines definierten Verschaltungs- und Erregungsmusters (form), damit „im Bewusstsein“ ein bestimmter Sinneseindruck (funktion) aufscheinen kann.

  170. Zitat Markus Termin: „So wird Ethik als praktischer Anwendungscode unter statistischen Zwang gebracht.

    Zitat Ano Nym: @Markus Termin: „SIe möchten, dass ethische Fragen wieder exklusiv zurück in den Verfügungsbereich der Kirchen und ihrer philosophischen Lehrstühle geführt wird?“

    Ich glaube nicht, dass Markus Termin das meint.

    Ich finde aber zum Beispiel verfehlt, dass Ethik in den Schulen nicht gelehrt wird bzw. dass es kein Fach ist, das in den Schulnoten angemessen bewertet ist.

    In meiner gesamten Schulausbildung in Frankreich (sie liegt allerdings lange zurück) gab es ein Bewertungssystem für die Fächer, die mit einem sogenannten „Koeffizient“ versehen wurden (ich glaube, dass es heute noch so gehandhabt wird): Die Fächer wurden nach Wichtigkeit gewichtet. Zum Beispiel hatten „Französisch“ und „Mathematik“ Koeffizient 4 (es waren also die wichtigsten Fächer überhaupt, die Noten zählten 4-Mal in der Durchschnittberechnung der Gesamtnote), Fremdsprachen hatten Koeffizient 2, alle anderen Fächer hatten nur Koeffizient 1, wobei „Conduite“ (Soziales Verhalten, Führung, Ethik) nicht mit Noten bewertet wurde, das Fach zählte also nicht in der Gesamtnote und in der schulischen Leistung.

    Das finde ich absolut unmöglich.

    Dass „Französisch“ ein wichtiges Fach war, das besonders zu bewerten ist, finde ich u.U. gerechtfertigt. Ich finde aber absolut unmöglich, dass zum Beispiel “Mathematik” auch so stark gewichtet wurde, und ich finde heute absolut unmöglich, dass Ethik/Führung/Soziales Verhalten überhaupt nicht mit Noten bewertet wurde, also in der schulischen Leistung nicht zählte. Wenn man eine Gewichtung für Fächer in der Schule vornehmen will, würde ich im Gegenteil „Conduite“ (Führung/Ethik/soziales Verhalten) als das wichtigste Fach überhaupt bewerten, was man in Schulen lehren sollte.

  171. @ Ano Nym, Jocelyne Lopez: wir können die Ethik eigentlich hier nur behandeln, insofern sie bei der Topic-Frage: “Was ist Realität?” – von Bedeutung ist. Sicher gehört Ethik zu den geistigen Dingen: man kann sie nicht messen, wiegen, fotografieren. Trotzdem ist sie real: sie hat einen Begriff und praktische Auswirkungen, die selbst wiederum dinglich manifest und unter Umständen sogar statistisch messbar sind. Trotzdem kann die Statistik bei der Auswertung der Ergebnisse einer potentiellen Befragung nach der “Realität” keine Auskunft geben, weil sie selbst bekanntermassen auch real, aber zur Ethik sachfremd ist. Erst die Beurteilung macht die Sache rund: wofür man wieder Ethik braucht. Die naturwissenschaftliche Methode ist zwar auch real, aber ausser-ethisch – aus ihr selbst heraus wird keine Ethik begründet – siehe Abgasversuche mit Menschen & Affen und so … Das ist übrigens gemeint mit “Die Wissenschaft denkt nicht” – nicht, dass sie dumm wäre – sondern dass sie innerhalb ihrer selbst nichts mit dem Denken zu tun hat, sondern nur mit messen. Daher tut sie sich mit dem Denken schwer, und dann ist es natürlich nicht ganz leicht, sich zu vergewissern, ob es einen “freien Willen” gibt. Denn: das kann man nicht messen. Prinzipiell nicht. Wie aber sollte etwas naturwissenschaftlich (oder auch nur mit positivistischem Rüstzeug) unterscheidbar sein, wenn es nicht gemessen werden kann?

    • @Markus Termin
      Mir gelingt es intellektuell nicht, Ihre Antwort im Hinblick auf meine Frage „SIe möchten, dass ethische Fragen wieder exklusiv zurück in den Verfügungsbereich der Kirchen und ihrer philosophischen Lehrstühle geführt wird?“ zu lesen. Oder wollten Sie nur mal so ganz allgemein Ihre Eindrücke zum Besten geben?!?

  172. @ Ano Nym: die Antwort auf Ihre Frage lässt sich leicht aus meiner Ausführung ableiten – tatsächlich und zusätzlich teile ich Ihre Einstellung nicht: ethische Fragen haben niemals den “Verfügungsbereich” der Kirchen verlassen. Es gab und gibt schon immer Gegenkräfte: nur nicht dort, wo Sie wahrscheinlich glauben, dass welche wären. Bedingt sich komplementär – würde ich gern näher drauf eingehen, da Sie so gut fragen – ist aber nur insofern topic, als dass der freie Wille natürlich auch voraussetzt, dass die Optionen bekannt sind; – nur: davon kann man ganz und gar nicht ausgehen.

  173. Sehr geehrter Herr Päs,
    zu Ihrem Blogg-Artikel:
    Gibt es den freien Willen? Und: Was ist Realität?
    > Ein paar Zitate aus dem Artikel:
    – Dann wären Wunder möglich und in der Physik gilt der Grundsatz: Es gibt keine Wunder
    > M. E. doch nicht pauschal.
    – Diese fundamentale Ebene ist meiner Meinung nach das Universum als Ganzes, der
    Quantenkosmos, die Welt selbst.
    – Und: Die Welt ist wunderbar.
    > Da bin ich ganz Ihrer Meinung, bis auf das, was der Mensch daraus gemacht hat.
    – [1] Matthäus 26.41
    > Lt. Konkordanter Übersetzung:
    Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung hineinkommt.
    Der Geist zwar ist eifrig, das Fleisch aber schwach.
    – – –
    Über das Wunder der Schöpfung im Zusammenhang mit Bibel-Zitate und auch Forschungsergebnisse, habe ich dieser Tage einen Artikel ins Internet gestellt, mit dem Titel:
    “Ursprung“, dazu der Link:
    http://www.4-e-inigkeit.info/Ursprung.htm
    Es handelt sich nicht um Eigenwerbung, brauche ich nicht.
    Es steht Ihnen frei, diesen Beitrag zu löschen, dazu haben Sie einen freien Willen.
    Eine freie Willens-Entscheidungen zu treffen ist keine reine Kopfsache, sondern das
    Ergebnis einer Abwägung bekannter Möglichkeiten, unter Beteiligung des Denkapparates.
    Letztlich ist sie aber Herzenssache, als Persönlichkeit trifft man für sich eine Entscheidung.
    – – –
    Nicht nur das Universum an sich ist Realität, sondern auch die Intelligenz, die dahintersteht.
    Eine gute Nacht wünscht Ihnen
    W. Bülten

  174. Chrys
    27. Januar 2018 @ 15:05
    Versteht man Willensfreiheit im wesentlichen als eine Idee der praktischen Vernunft, dann lässt sich mit den Mitteln der empirischen Hirnforschung darüber allerdings so wenig herausfinden wie etwa mit den Mitteln der empirischen Materialforschung über den Nominalwert von Banknoten.

    Danke. Zeigt sehr schön den Unetrschied von Materie und Geist. Niemand wird behaupten wollen, der Nominalwert der Banknote sei eine Eigenschaft ihres Materials. Die Spitzfinder winken allerdings gleich ab und sagen: nicht des Materials der Banknote, aber des Materials des Nutzers. Nun gut, wenn es denen damit besser geht.

  175. Zitat Ano Nym: @ Markus Termin: „SIe möchten, dass ethische Fragen wieder exklusiv zurück in den Verfügungsbereich der Kirchen und ihrer philosophischen Lehrstühle geführt wird?“

    Zitat Markus Termin: „tatsächlich und zusätzlich teile ich Ihre Einstellung nicht: ethische Fragen haben niemals den “Verfügungsbereich” der Kirchen verlassen.“

    Was zumindest die Schulausbildung anbelangt, sehe ich es auch so aus eigener Erfahrung, dass ethische Fragen niemals den Verfügungsbereich der Kirche verlassen haben. Wie gesagt war in Frankreich während meiner Schulausbildung Ethik in Schulen kein Fach, das mit Noten bewertet wurde, und sogar auch kein Fach, wo man den Kindern aktiv etwas beigebracht hat, es war eher eine Bewertung der individuellen Führung des Schülers, so wie sie eben war. Das Fach „Religion“ ist auch in Frankreich in Schulen wie gesagt streng verboten. Das bedeutet, dass die Kinder ohne jegliche schulische ethische Ausbildung aufwachsen und „ins Leben entlassen werden“, es sei denn, die Eltern lassen eben ihre Kinder außerhalb der Schule an Religionsunterricht der Kirche teilnehmen.

    Ich bin zwar nicht gläubig, aber ich erachte es als Bereicherung, dass ich als Kind Religionsunterricht von der Kirche erhalten habe: Ich bin vorwiegend in katholischen Internaten großgeworden und wurde dementsprechend in Religion unterrichtet (natürlich nicht in den Klassenzimmern, nicht im Rahmen des Schulprogramms und nicht innerhalb der Schulzeit, die Schullehrerinnen waren auch keine Nonnen, das ist ja in Frankreich alles nicht erlaubt). Die Zentrallehre Jesus der Nächstenliebe hat mich als Kind sehr beeindruckt, ich halte sie heute für das fortschrittlichste ethische Denken der Menschen und strebe heute noch danach.

    Zitat Markus Termin
    : „wir können die Ethik eigentlich hier nur behandeln, insofern sie bei der Topic-Frage: “Was ist Realität?” – von Bedeutung ist. Sicher gehört Ethik zu den geistigen Dingen: man kann sie nicht messen, wiegen, fotografieren. Trotzdem ist sie real: sie hat einen Begriff und praktische Auswirkungen …

    Ethik ist hier genauso on topic wie andere geistige Dinge: Man könnte auch sagen, dass die wichtigste praktische Auswirkung der Ethik die Gesetze sind. Die Gesetzgebung spiegelt ja den ethischen Stand einer Gesellschaft wider und sie hat nun mal sehr viele praktischen Auswirkungen. Das hat auch Herr Päs in seinem Artikel hervorgehoben: „Ich finde Hararis These faszinierend, aber ich bezweifle, dass man “Fiktionen” wie Geld, Gesetzen, oder Aktiengesellschaften wirklich die Realität absprechen kann. Schließlich kann einen ein Mangel an Geld, ein Bruch von Gesetzen oder ein Crash am Aktienmarkt ganz real gehörig in die Bredouille bringen.“

  176. @Jocelyn Lopez:

    ich muss mir mehr Gedanken darüber machen und vor allem wirklich verstehen, wie die Menschen wie Sie als “funktional denkende Menschen” wirklich denken und ihre Entscheidungen treffen. Bis jetzt kann ich mir in dieser Denkweise nicht wirklich hineinversetzen.

    Das werden Sie auch nicht können. Wäre das möglich, wären es Denkstile, keine zwei verschiedenen Seins-Arten. Was man über die jeweils andere Art wissen kann ist so etwas wie Eunuchen-Wissen: man weiß, wie es geht, aber man kann’ s nicht.

    Die “Überlagerung” des Zwecks in der Zukunft ist mir zum Beispiel immer noch nicht klar bzw. sehe ich hier keinen eindeutigen Unterschied mit der prädikativen Denkweise der Mehrheit der Menschen.

    Nicht die Überlagerung des Zwecks in der Zukunft. Gemeint ist die Überlagerung von Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart, etwas, das wir so nie erleben. In unserer Realität läuft die Zeit in dieser Reihenfolge ab: erst die Vergangenheit, dann die Gegenwart, dann die Zukunft – aber nie alles drei auf einmal. Mit Antizipation oder gar “Bauchgefühl” hat das nichts zu tun, nur mit der Regelung der Abläufe in unserer Realität. Die haben alle dasselbe Muster, das man mit einer simplen Regel beschreiben kann: Wenn X und dann wenn Y, dann auch Z – Wenn X etwas ist, das schon gegeben ist (Vergangenheit hat), und wenn Y etwas ist, das in der Gegenwart hinzukommt, dann ist Z etwas, das sich daraus in der Zukunft ergeben wird.
    Das ist auch die Beschreibung der prädikativen Denk- und Sichtweise, die funktionale wird anders beschrieben, was aber sprachlich nicht möglich ist, da Sprache sich nun mal in der Zeit vollzieht, man kann nicht Zukünftiges und Vergangenes zum selben gegenwärtigen Zeitpunkt ineins beschreiben. Man kann es aber überblicken – wenn man so denkt wie wir und dann weiß man z. B. dass etwas, das geplant wird, so nicht funktionieren wird. Oder man kann es in einem Augenblick überhören, so wie Mozart, der mal schrieb, er müsse ein Werk erst einmal fertig im Kopf haben und es, auch wenn es lang ist, auf einmal überhören als Gesamtes, also nicht so, “wie es hernach kommt”, nämlich nacheinander,z. B. wenn man es aufschreibt oder spielt. Für seine A-Dur Klaviersonate braucht man ungefähr 25 Minuten, um sie zu spielen – er überhörte sie als Ganzes innerhalb einer Sekunde. Ist wie beim Heureka, ;-).

    Das ist mit Überlagerung gemeint: was zeitlich in unserer Realität nacheinander abläuft, kann man mit unserer Denke auf einmal denken (und ich vermute, dass diese Art des zeitlichen Alles-auf-einmal die quantenmechanische Realität beschreibt, die wir durch die prädikative zeitliche Nacheinander-Brille beobachten – schauen Sie einmal, wie wissenschaftliche Versuche aufgebaut sind – und interpretieren).
    Aber wenn das eigene Gehirn so nicht arbeitet, wird man es nie schaffen, das zu verstehen.

    • @ Trice

      Ja, ich werde es wohl nicht schaffen es zu verstehen, wie das funktionale Denken funktioniert… 🙁

      Aber wenn bei funktionalem Denken Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich überlagern, manifestiert es sich nicht irgendwie mit hellseherischen Fähigkeiten? Wenn Sie zum Beispiel sagen: “Man kann es aber überblicken – wenn man so denkt wie wir und dann weiß man z. B. dass etwas, das geplant wird, so nicht funktionieren wird.” Oder ist das funktionale Denken irgendwie verwandt mit Intuition? Sind funktional denkenden Menschen intuitiven Menschen?

  177. @Balanus / 29. Januar 2018 @ 11:47

    »Auf jeden Fall gibt es keinen belastbaren Hinweis darauf, dass, wie Schmidhuber meint, bewusstes Sein einfach so im Zuge einer komplexen Informationsverarbeitung entstehen könnte.«

    D’accord. Aber nochmals zum Prinzip: Anhand welcher Kriterien beurteilst Du generell, ob ein von Dir als H. sapiens identifiziertes Individuum tatsächlich ein Bewusstsein hat? Liessen sich diese Kriterien dann nicht auch auf nichtmenschliche “Mitspieler” anwenden? Und falls nein, warum nicht?

  178. @Balanus: Repräsentation der Realität, 😉

    Irgendwie schaffen Sie es immer wieder, Formulierungen zu finden, die mich irritieren.

    Das liegt ganz sicher daran, dass ich nicht weiß, ob ich die Begriffe, die Sie verwenden, auch richtig interpretiere …

    Wenn ich dann nachhake, stellt sich meist heraus, dass wir im Grunde mit unseren Auffassungen, was das Grundsätzliche betrifft, wenig auseinander liegen. Mal schauen, ob das auch jetzt der Fall ist.

    …und wenn wir im Grundsätzlichen einer Meinung sind, dann liegt es wohl daran, dass für mich geklärt ist, was Sie unter einem bestimmten Begriff verstehen. Deshalb habe ich oben meine Präferenz für den Begriff “System” genannt – in Bezug auf die Theorie ist sie die Kombination von funktional-strukturellem und funktional-genetischem Ansatz sowie dem der Theorie selbstreferentieller Systeme.
    Momentan sind es die Begriffe Repräsentation und Zustand, die mir zu schaffen machen. Also gut, schauen wir mal 🙂 :

    Gehe ich recht mit der Annahme, dass Sie mit „das, was repräsentiert wird“, die Repräsentation als solche meinen? Dass also die Repräsentation zum Repräsentationssystem gehört?

    Meinesgleichen hat eine ausgesprochene Vorliebe für substantivierte Verben. Repräsentation ist nach meinem Verständnis ein abstrakter Oberbegriff für die Gesamtheit dessen, was repräsentiert wird und werden kann – das ‘Repräsentierte.’ Wobei zu klären wäre, was wen oder was repräsentiert, z. B.: (nach Heidrun Hesse):”Repräsentiert nun mein Gedanke ein neuronales Erregungsmuster oder einen Sachverhalt? Und das Erregungsmuster, gibt es vor allem den Sachverhalt oder meinen Gedanken wieder?” Das Erregungsmuster ist nach meinem Verständnis das Repräsentierte, das sich aus der Kombination von Sachverhalt (‘schief hängendes Bild an der Wand’) und meinem Gedanken (das Bild hängt schief) ergibt. Als solches gehört es zum Repräsentationssystem, ja.

    „Das, was repräsentiert wird“, wären nach meinem Verständnis nämlich die Dinge der Außenwelt, die dann via Sinnesrezeptoren als Repräsentation im Repräsentationssystem „in Erscheinung“ treten (oder abgebildet oder gespiegelt werden, wie auch immer). (Ich bin mit diesen psychologischen Begrifflichkeiten wenig vertraut, wie Sie wissen.)

    So ungefähr wird der Begriff auch von den Psychologen verstanden (was nicht daran hindert, wacker dazu zu streiten). Wolfgang Prinz beschrieb es in der Gehirn& Geist Nr. 6 ,2004 : “Denn Repräsentationen sind Vorgänge und Zustände im Gehirn, die sich auf etwas beziehen, was von ihnen selbst verschieden ist. Sie sind interne Stellvertreter für Sachverhalte außerhalb des Gehirns.” Was er leider nicht dazu schreibt ist, wie wir auf diese internen Stellvertreter zugreifen, um sie uns bewusst zu machen. Aber darauf kommt es m.E. entscheidend an.

    Und wieso ist die Repräsentation kein bestimmtes neuronales Aktivitätsmuster in bestimmten Bereichen des Gehirns,

    Das ist es, aber …

    von mir kurz „Hirnzustand“ genannt?

    … es ist kein “Hirnzustand”, auch wenn Prinz das so nennt, – denn ein ” Zustand ist es ja gerade nicht, wenn die beteiligten Neurone aktiviert sind, und das Muster ein “Schwingungsmuster” ist, also Schwankungen unterliegt. Ganz abgesehen davon, dass es in jedem Augenblick diverse dieser sich unablässig ändernden Muster gibt. Wo oder wann, innerhalb welchen Zeitraums, sollen wir dann von einem Zustand sprechen, in dem sich ein Gehirn – als Ganzes? – gerade befindet? Die Wortwahl Zustand erweckt bei mir den Eindruck, als könne man da etwas festnageln und es am Gehirn selbst identifizieren. Das wäre ungefähr so, als würde man einen bestimmten Satz, den ich gerade spreche, als Trice-Zustand bezeichnen. Und wenn ich weitere Sätze von mir gebe, befinde ich mich dann mit jedem Satz in einem neuen Trice-Zustand? Ich denke, so kann es nicht gemeint sein,oder?

    Habe ich die Unklarheiten beseitigen können?

    Quellen:
    Heidrun Hesse (2005) Was können wir wissen? Zu Voraussetzungen, Struktur und Grenzen naturwissenschaftlicher Erforschung des Bewusstseinsphänomens. In: Herrmann, Pauen, Rieger, Schicktanz (Hrsg.): Bewusstsein. München: Fink. S. 176

    Wolfgang Prinz (2004) Neue Ideen tun Not. Gehirn & Geist, 6, 2004, S. 35

  179. @ Trice:

    Gut, egal ob ich mir das vorstellen kann, wie funktionaldenkende Menschen denken oder nicht, möchte ich jetzt gerne wissen, was für einen Zusammenhang Sie sehen zwischen dem ADS-Syndrom bei Kindern und Funktionaldenken. Sie sagten glaube ich in einer anderen Diskussion, dass die meisten Kinder, die ein ADS-Syndrom haben, funktional denken. Oder?

    Ich kannte vor einigen Jahren in meinem Bekanntenkreis ein kleines Mädchen (die Tochter eines chinesischen Kollegen), das unter ADS litt. Das affektive Familienleben war intakt, die gefühlsmäßige Bindung zwischen Eltern und Kind (auch zur jüngeren Schwester) war sehr innig und liebevoll, beide Eltern haben sich viel Zeit für das Mädchen genommen. Das Mädchen war immer eindeutig seinem Alter voraus, vielleicht 4 oder 5 Jahre voraus, oder mehr, ich weiß es nicht. Mit 5 konnte es fließend Deutsch und Chinesisch, konnte auch in beiden Sprachen lesen und schreiben, es konnte rechnen, konnte mit Computer umgehen besser als ihre Eltern, konnte musizieren, es hatte im Keller seines Elternhauses ein Spielzimmer großer als eine Wohnung, das es selbst eingerichtet hatte bzw. maßgeblich nach seinen Anweisungen, war schon um die Welt gereist. Schon im Kindergarten und bei der Einschulung hat sich erwiesen, dass das Mädchen den geforderten Leistungen nicht gerecht war, obwohl es schon alles besser konnte als die anderen Kinder: Es konnte sich nicht für seine Aktivitäten an Regel halten, es konnte nicht lange sitzen bleiben, wenn es darum ging etwas zu malen oder etwas zu schreiben, hat es was anderes getan, es konnte sich nicht auf eine Tätigkeit konzentrieren. Das Sozialverhalten war in Ordnung, die intellektuellen Fähigkeiten waren sehr entwickelt, aber das Mädchen war quasi nicht einschulbar, es war ein großer Störfaktor in der Klasse.

    Der Vater erzählte mir, dass seine Heftführung absolut chaotisch war. Da war nichts an der Stelle da, das an dieser Stelle gehörte. Jetzt erzähle ich Ihnen ein Detail, wo ich glaube – wenn ich Sie richtig verstanden habe – dass es ein Zeichen ist, dass die Denkweise des Mädchens funktional war: Wenn das Mädchen in seinem Schulheft zum Beispiel einen Satz abschreiben musste und wenn es keinen Platz bis zum Rand gab, den Satz zu Ende zu schreiben, hat das Mädchen den Satz weiter auf dem Tisch geschrieben. Der Vater war total verzweifelt, warum schreibt sie den Satz weiter auf dem Tisch, anstatt eine neue Zeile anzufangen? Sie ist doch nicht doof, sie will uns nicht ärgern, warum tut sie das? Tat das Mädchen das, weil es den Satz nur als Ganze in seinem Kopf denken konnte, wie Sie zum Beispiel über Mozart schreiben: „wie Mozart, der mal schrieb, er müsse ein Werk erst einmal fertig im Kopf haben und es, auch wenn es lang ist, auf einmal überhören als Gesamtes, also nicht so, “wie es hernach kommt”, nämlich nacheinander,z. B. wenn man es aufschreibt oder spielt.“
    War die Denkweise des Mädchens funktional?

  180. Diesen neuesten Spektrum Artikel (bzw. im Original etwa 1½ Jahre alt) http://www.spektrum.de/news/emergente-kausalitaet-die-realitaet-ist-mehr-als-die-summe-ihrer-teile/1534295 empfinde ich als nicht unpassend zu diesem thread. Wegen der Realität (ihrer Wahrnehmung) bzw. wie sie im Kopf repräsentiert (“interpretiert, assoziiert“) wird – sich darstellt. Und was das für Handlungen auslöst, d.h. (kausale) Folgen zeitigt. Ist der *psychologische Zustand* (Begriff aus dem Artikel) entscheidender als der atomare des Gehirns? *Psy. Z.* von mir (primär) aufgefasst als Verständnis/Wissen über die Zusammenhänge zwischen Einflüssen auf und Wirkungen von Bewusstseins- und/bzw. Handlungsprozessen bzw. den entsprechenden Zuständen (ihren wechselnden Phasen).

    Der Begriff agency bzw. agent/s scheint ein wichtiger zu sein. Agency wird im Artikel mit *Ursachen bewusster Handlungen* od. mit *Handlungen* übersetzt (Formulierung von mir: Wirkende Kraft). Agent mit *handelndes Wesen*. Auch mit *bewussten Entscheidungen* (Absichten, Wille des “handelnden Wesens”).

    Ich nehme an dass mit Hoel und seine Kollegen konnten mathematisch beweisen, dass jedes beliebige System sein Maximum effektiver Information auf jener Ebene erreiche, welche die größte und zuverlässigste kausale Struktur besitzt das http://www.mdpi.com/1099-4300/19/5/188/htm und das https://fqxi.org/data/essay-contest-files/Hoel_FQXi_EPH_wandering_goa.pdf gemeint ist. Ich habe es nicht gelesen (bin kein entsprechender Fachmann). Wäre aber schon gut (interessant, hilfreich), wenn man so etwas diffiziles (feinstoffliches) wie Denk-/Bewusstseinszustände (und ihre Folgen bzw. Ursachen/ Zusammenhänge) auch mathematisch [insb. für mich verständlicher ;)] darstellen könnte.

    *Kausale Emergenz* = (Wikipedia): Herausbildung von neuen Eigenschaften oder Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente. *Effektive Information* = (Artikel): Wie stark der aktuelle Zustand eines Systems die folgenden Zustände zu beeinflussen vermag. Wobei man das nun wieder als den *psychologischen/mentalen Zustand* assoziieren kann.

  181. Chrys // 30. Januar 2018 @ 13:34

    »Anhand welcher Kriterien beurteilst Du generell, ob ein von Dir als H. sapiens identifiziertes Individuum tatsächlich ein Bewusstsein hat? Liessen sich diese Kriterien dann nicht auch auf nichtmenschliche “Mitspieler” anwenden? Und falls nein, warum nicht?«

    Hm, mehrere Dinge müssen wohl zusammenkommen:

    1. Abstammung
    2. Verhalten
    3. Gegebenenfalls: Messbare Hirnaktivität

    Bei einem Menschen unterstelle ich, dass er mir hinsichtlich des Phänomens Bewusstsein gleicht. Aber er muss auch entsprechend agieren (können). Liefe er dauerhaft wie ein Schlafwandler umher, hätte ich Zweifel. Und wer niederliegt und sich nicht bewegen kann, bei dem müsste man versuchen, via Messtechnik herauszufinden, ob da noch Bewusstsein sein könnte.

    Absolute Gewissheit ist ohnehin nicht zu haben, aber unterschiedliche Grade von Wahrscheinlichkeit schon. Das gilt dann auch für andere Spezies: Je näher mit dem Menschen verwandt, desto eher könnten sie ein (Ich-)Bewusstsein besitzen (wenn überhaupt). Ansonsten bleibt nur, das jeweilige Verhalten zu interpretieren, mit allen Unsicherheiten. Wobei auch hier gilt, dass bei einem lebenden System das Vorhandensein von Bewusstsein wahrscheinlicher ist als bei einem nicht lebenden System.

  182. @ Trice

    Jetzt versuche ich die kleine Gif-Datei zu interpretieren, die Sie in Ihrer Webseite über das Verhalten eines ADS-Mädchens gestellt haben:

    Das Mädchen dachte gerade intensiv an irgendetwas, das in der Zukunft sich abspielen sollte (ein Projekt, eine Unternehmung, eine Entscheidung).

    Sie schrieb über funktionaldenkende Menschen „wenn man so denkt wie wir weiß man z. B. dass etwas, das geplant wird, so nicht funktionieren wird.“

    Also hat das Mädchen dann “erkannt”, dass das, was geplant wurde und worüber es dachte, nicht funktionieren wird. Es hat (aus Bewegungsdrang?), dieses Scheitern des Projekts einen Ausdruck gegeben, in dem es das Glas umgeworfen hat, das sich gerade auf dem Tisch befand.

    Es gab zwar eine Kausalität zwischen seinem Denken und seiner Handlung, aber diese Kausalität war von draußen nicht ersichtlich und auch nicht verständlich. Es war aber keine Aggressivität, keine Bösartigkeit oder kein Vandalismus-Drang. Es war der sinnliche Ausdruck, dass das, worüber das Mädchen dachte, nicht funktionieren würde.

    Oder ist meine Interpretation dieses Verhaltens völlig falsch?

  183. @Balanus: Bewusstsein und Kriterien

    Hm, mehrere Dinge müssen wohl zusammenkommen:

    1. Abstammung
    2. Verhalten
    3. Gegebenenfalls: Messbare Hirnaktivität

    Bei einem Menschen unterstelle ich, dass er mir hinsichtlich des Phänomens Bewusstsein gleicht. Aber er muss auch entsprechend agieren (können)

    Warum machen Sie es sich so schwer? Warum fordern Sie nicht erst einmal nur, Bewusstsein könne nur bei Organismen vorkommen, also bei Lebewesen. Damit fallen alle Maschinenwesen, alle nicht-menschlichen Mitspieler und alle unbelebte Materie schon einmal weg (ok, den Panpsychismus kann man dann wohl auch streichen, aber darin sehe ich eher einen Vor- als einen Nachteil).

    Sie können dann die Kriterien eingrenzen und sagen,
    a) welche notwendigen Voraussetzungen biologische Zellen mitbringen müssen, um als Basis für die Entstehung von Bewusstsein geeignet zu sein, und
    b) ab welcher Entwicklungs- und Organisationsstufe kann man anfangen , von einem rudimentären Bewusstsein zu sprechen.

    Abstammung bzw. die Tatsache, von etwas Organischem abzustammen, könnte ein solches Kriterium sein.
    Verhalten dagegen ist viel zu vage, denn sie können nicht ausschließen, dass es nicht auch Maschinen geben wird, die wie Menschen aussehen und sich wie Menschen verhalten – ganz abgesehen davon, dass die Liste dessen, was sie an Eigenschaften und Fähigkeiten beim Gesamtspektrum von Verhaltensweisen oder Verhalten generell auflisten müssten, unendlich lang würde.
    Und Hirnaktivität schließt alle diejenigen Lebewesen aus, die möglicherweise doch über ein rudimentäres Bewusstsein verfügen, aber nicht unbedingt über ein Gehirn.

    Absolute Gewissheit garantiert Ihnen mein Vorschlag auch nicht, dennoch bietet er m. E. eine weit größere Sicherheit, bewusstseinsfähige ‘Objekte’ von nicht bewusstseinsfähigen zu unterscheiden.

  184. Diesen Spektrum Artikel von vorgestern ** Ist die Realität mehr als die Summe ihrer Teile? ** (copy and paste) — Original ** A Theory of Reality as More Than the Sum of Its Parts ** (copy and paste) etwa 1/2 Jahr alt — empfinde ich als nicht unpassend zum thread hier. Wegen der Realität (ihrer Wahrnehmung) bzw. wie sie im Kopf repräsentiert (“interpretiert, assoziiert“) wird; sich darstellt. Und was das für Handlungen auslöst, d.h. (kausale) Folgen zeitigt. Ist der “psychologische Zustand” (Begriff aus dem Artikel) entscheidender als der atomare des Gehirns? “Psy. Z.” von mir (primär) aufgefasst als Verständnis/Wissen über die Zusammenhänge zwischen Einflüssen auf und Wirkungen von Bewusstseins- und Handlungsprozessen bzw. den entsprechenden Zuständen (ihren wechselnden Phasen).

    Der Begriff agency bzw. agent/s scheint ein wichtiger zu sein. Agency wird im Artikel mit *Ursachen bewusster Handlungen* od. mit *Handlungen* übersetzt (Formulierung von mir: Wirkende Kraft). Agent mit *handelndes Wesen*. Auch mit *bewussten Entscheidungen* (Absichten, Wille des “handelnden Wesens”).

    Ich nehme an dass “mit Hoel und seine Kollegen konnten mathematisch beweisen, dass jedes beliebige System sein Maximum effektiver Information auf jener Ebene erreiche, welche die größte und zuverlässigste kausale Struktur besitzt” das http://www.mdpi.com/1099-4300/19/5/188/htm und das https://fqxi.org/data/essay-contest-files/Hoel_FQXi_EPH_wandering_goa.pdf gemeint ist (Links aus den Artikeln). Ich habe es nicht gelesen (bin kein entsprechender Fachmann). Wäre aber schon gut (interessant, hilfreich), wenn man so etwas diffiziles (feinstoffliches) wie Denk-/Bewusstseinszustände — und ihre Folgen bzw. Ursachen/ Zusammenhänge — auch mathematisch [insb. für mich verständlicher ;)] darstellen könnte.

    *Kausale Emergenz* = (Wikipedia): “Herausbildung von neuen Eigenschaften oder Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente“. *Effektive Information* = (Artikel): “Wie stark der aktuelle Zustand eines Systems die folgenden Zustände zu beeinflussen vermag“. Wobei man das nun wieder als den jeweiligen “psychologischen/mentalen Zustand” assoziieren kann.

  185. @Jocelyn Lopez

    Ich sehe nicht, was Ihre Ausführungen jetzt noch mit diesem Blogbeitrag zu tun haben – weder geht es dabei um die Frage nach der Realität noch um die nach dem freien Willen – weshalb ich darauf auch nicht eingehen werde.

    Was die Schilderung des kindlichen Verhaltens und Ihre Frage betrifft: ich beantworte solche Fragen im Internet grundsätzlich nicht, ich erstelle im Internet auch keine Diagnosen oder analysiere Verhaltensweisen von Menschen, die ich nicht persönlich kenne und die dem nicht zugestimmt haben. Das wäre unethisch.
    Es wäre also fein, wenn Sie davon absehen könnten, mich zu Antworten zu nötigen. Danke.

    • @ Trice

      Ich sehe nicht, dass die anonyme Beschreibung eines Verhaltens “unethisch” sei. Ich fordere auch nicht von Ihnen eine “Diagnose”, das ist völlig verfehlt (ich weiß nicht einmal, ob Sie Ärztin sind, auf jeden Fall treten Sie nicht im Internet als Ärztin auf). Sie stellen auch selbst ausführlich im Internet dar, dass ADS keine Krankheit ist, sondern eine besondere Denkweise von einer Minderheit von Menschen (“Funktionales Denken”), was Sie als Ergebnis Ihrer Forschung und Ihrer Erfahrungen als Mutter darlegen – auch ausführlich bei SciLogs. Ich sehe auch nicht, dass Fragen zum Verständnis von Forschungsergebnissen eine Nötigung seien, wenn man diese Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit darlegt und zur Diskussion stellt.

      • Funktionales Denken ist Didaktik der Mathematik seit 1905, also “Schulstoff”.
        Wer Schwierigkeiten damit hat, der muß die Finger von Mathe und Physik lassen.

        • Wenn Forscher behaupten, es gibt zwei grundverschiedenen Arbeitsweisen des Gehirns bei gesunden Menschen, die sich aneinander ausschließen, das “funktionale Denken” und das “prädikative Denken“, muss man auch in der Lage sein, die Auswirkungen dieser zwei Arbeitsweisen in der Realität zu beobachten und plausibel nachzuweisen, zum Beispiel durch verschiedene Verhalten, Handlungen, Begabungen oder u.U. auch Persönlichkeiten. Sonst ist es eine Behauptung, die völlig in der Luft hängt und keinen wissenschaftlichen Wert hat, wenn man in der Realität keine Unterscheidungen erkennen kann. Ich könnte ja auch behaupten, es gibt 4 oder 5 verschiedene Arbeitsweisen des Gehirns bei gesunden Menschen, die dieses oder jenes Verhalten oder Handlungen oder Begabungen oder Persönlichkeiten erklären, wer kann mir das Gegenteil nachweisen? Keiner kann nämlich heutzutage das Funktionieren des Gehirns verstehen und erklären, das ist nun mal zu komplex, auch die Hirnforscher nicht. Wolf Singer sagt noch zum Beispiel 2005, dass die Erkenntnisse der Hirnforscher noch sehr rudimentär sind – und er will es besser wissen.

          Und wenn man zum Beispiel seit 1905 angeblich herausgefunden haben will, dass Menschen, die “funktional denken” zum Erlernen der Mathematik besser geeignet sind, sollte man es auch beweisen können, zum Beispiel dadurch, dass funktional denkenden Kinder Mathematik nachweislich besser erlernen als prädikativ denkenden Kinder. Hat man es nachgewiesen? Wie? Durch Hirnscan aller Kinder im Kindergarten vielleicht? Durch Tierversuche vielleicht? Wo gibt es medizinisch/psychologische Breitbanduntersuchungen oder statische Studien über die “funktionale” oder “prädikative” Arbeitsweise des Gehirns von Schulkindern?

          Auch falls man schon herausgefunden hätte, dass meinetwegen 1/3 der Kinder “funktional denken” und dadurch besser geeignet sind zum Erlernen der Mathematik sind, was gerechtfertigt, dass man 2/3 der Kinder, die “prädikativ denken”, eine Methode des “funktionalen Denkens” zum Erlernen der Mathematik aufzwingt? Wer kann das rechtfertigen in der Didaktik?

          • Dazu brauchen Sie nur die Ergebnisse der PISA-Studien 2000, 2003 nehmen
            oder die Schülerstudie PALMA 2005/06 “Bayern-Paris” angucken.
            Man hat mal nachgeschaut, ob französische und deutsche Kinder “anders” sind.

          • Zitat Herr Senf: “Dazu brauchen Sie nur die Ergebnisse der PISA-Studien 2000, 2003 nehmen oder die Schülerstudie PALMA 2005/06 “Bayern-Paris” angucken. Man hat mal nachgeschaut, ob französische und deutsche Kinder “anders” sind.”

            Ach ja. Das ist die neueste Theorie des “Herr Senf”, die er zur Diskussion stellt: Französische und deutsche Gehirne sind “anders”. Ach ja. Es gibt wohl ein Gehirn für jede Nationalität, das hat wohl die Natur so vorgesehen. Das ist die neueste naturwissenschaftliche Theorie des “Herr Senf” in dieser Diskussion.

          • Zitat Senf: “Hängt halt alles mit dem Schulunterricht zusammen, liegt an den Lehrern 🙂
            https://www.mathematik.tu-dortmund.de/ieem/cms/media/BzMU/BzMU2007/Stoelting.pdf

            Damit wird dummerweise keinen Nachweis gebracht, dass Mathematiklehrer, die ein Gehirn haben, das “funktional” arbeitet, besser geeignet sind für das erfolgreiche Lehren der Mathematik.

            Man müsste dafür untersucht haben, wie viele Mathematiklehrer jeweils in Deutschland und in Frankreich ein Gehirn haben, das “funktional” arbeitet. Hat man es untersucht? Wie? Durch Hirnscan? Durch Tests? Durch ihre Antworten auf die Abbildung des Kanizsa-Dreiecks?

            1. Dafür müsste man auch untersucht haben, wie viele Schüler, die ein Gehirn haben, das “funktional” arbeitet, von Mathematiklehrern unterrichtet wurden, die “funktional” denken”. Hat man es untersucht? Wie?

            2. Dafür müsste man auch untersucht haben, wie viele Schüler, die ein Gehirn haben, das “prädikativ” arbeitet, von Mathematiklehrern unterrichtet wurden, die “funktional” denken? Hat man es untersucht?

            3. Dafür müsste man untersucht haben, wie viele Schüler, die ein Gehirn haben, das “funktional” arbeitet, von Mathematiklehrern unterrichtet wurden, die “prädikativ” denken. Hat man es untersucht?

            4. Dafür müsste man untersucht haben, wie viele Schüler, die ein Gehirn haben, das “prädikativ” arbeitet, von Mathematiklehrern unterrichtet wurden, die “prädikativ” denken? Hat man es untersucht?

            5. Dafür müsste man die Mathe-Noten der Schüler dieser 4 Kategorien vergleichen und die Kategorien feststellen, die die beste schulische Leistung in Mathematik verzeichnen. Hat man es getan?

            So schnell können Sie nicht Ihre Theorie wissenschaftlich beweisen, dass Mathematiklehrer, die ein Gehirn haben, das “funktional” arbeiten, am besten geeignet sind, Mathematik zu unterrichten und die größte didaktische Erfolge verzeichnen. Ihre Theorie hängt in der Luft, mit Verlaub.

          • Kein Gehirn macht das eine oder das andere, alle Gehirne machen beides, nur mehr
            oder weniger. Sogar ein Gendermerkmal ist da: Mädchen-Lesen vs Jungen-Rechnen.

  186. @Trice // 30. Januar 2018 @ 14:29

    »Habe ich die Unklarheiten beseitigen können?«

    Ich meine, ja! 🙂

    »Was er [Prinz] leider nicht dazu schreibt ist, wie wir auf diese internen Stellvertreter zugreifen, um sie uns bewusst zu machen.«

    Da hätte ich nun gedacht, dass ein spezieller „Zugriff“ nicht nötig sei, das Repräsentierte ist entweder bereits als Sinneseindruck im Bewusstsein präsent, oder es durchläuft weitere neuronale Verschaltungen, wodurch es dann ins Bewusstsein gelangt (dort unvermittelt auftaucht, wie das (auch) bei Ideen so üblich ist).

    Zum „Hirnzustand“:

    »Die Wortwahl Zustand erweckt bei mir den Eindruck, als könne man da etwas festnageln und es am Gehirn selbst identifizieren. «

    Ich habe nochmal nachgeschaut, ursprünglich war die Rede von „funktionalen Hirnzuständen“. Dabei hatte ich durchaus auch die dynamischen Veränderungen der Hirnströme im Sinn. Eben das, was im EEG aufgezeichnet wird, jede Millisekunde ein anderer momentaner Zustand.

    Ich glaube, wir können es dabei belassen.

    Aber eine Frage hätte ich noch, da oben auch künstliche neuronale Netze erwähnt wurden: Halten Sie es prinzipiell für möglich, die Netze so zu bauen, dass sie, gemäß Ihrer Theorie, die beiden unterschiedlichen Arbeitsweisen des menschlichen Gehirns widerspiegeln?

  187. @Trice // 31. Januar 2018 @ 12:04

    »Warum fordern Sie nicht erst einmal nur, Bewusstsein könne nur bei Organismen vorkommen, also bei Lebewesen.«

    Das lag an Chryssens Frage. Sie zielte, so habe ich sie jedenfalls verstanden, eben darauf ab, ob sich die Kriterien, die ich beim Menschen (implizit) anwende, nicht ebenso auf nichtmenschliche „Mitspieler“, also Tiere und Maschinen, anwenden ließen.

    Ich kann nicht wissen, ob Bewusstsein prinzipiell nur bei Organismen vorkommen kann. Also kann ich so etwas auch nicht behaupten oder gar fordern. In einem künstlichen Gebilde, das wie ein menschliches Gehirn funktioniert, kann ich mir durchaus ein Bewusstsein vorstellen. Ob so etwas praktisch realisierbar ist, wäre eine andere Frage.

    »Verhalten dagegen ist viel zu vage, …«

    Weshalb es auch nicht das alleinige Kriterium sein kann. Zumindest das Kriterium „Abstammung“ müsste hinzukommen (und bei Locked-in-Patienten vielleicht noch Hirnstrommessungen).

    »Und Hirnaktivität schließt alle diejenigen Lebewesen aus, die möglicherweise doch über ein rudimentäres Bewusstsein verfügen, aber nicht unbedingt über ein Gehirn.«

    Richtig! Das Kriterium Hirnaktivität lässt sich keinesfalls auf hirnlose Organismen oder Maschinen anwenden. So war es auch gemeint in der Antwort auf Chrys‘ Frage.

  188. @Balanus vom 31. Januar 2018 @ 12:26

    Da hätte ich nun gedacht, dass ein spezieller „Zugriff“ nicht nötig sei, das Repräsentierte ist entweder bereits als Sinneseindruck im Bewusstsein präsent,

    Sie meinen, in etwa so wie zwei Seiten einer Medaille? Also die eine Seite zeigt das Repräsentierte die andere das bewusst gewordene Gegenstück? Und beides resultiert aus Hirnprozessen? Das kann ich mir schon deshalb nicht vorstellen, weil nicht beides, Bewusstsein und das, was mit ihm, also bewusst, erlebt wird, derselben Quelle entstammen können.

    oder es durchläuft weitere neuronale Verschaltungen, wodurch es dann ins Bewusstsein gelangt (dort unvermittelt auftaucht, wie das (auch) bei Ideen so üblich ist).

    Weitere neuronale Verschaltungen müssen in jedem Fall durchlaufen werden, denn wir nehmen einen Gegenstand nicht nur wahr, wir müssen ihn auch erkennen und verstehen können, damit er gedächtnisrelevant wird. Im Prinzip wird uns auf jeder dieser Leistungsstufen dieser Gegenstand bewusst, weshalb mit der Pubertät ein großer Teil der Verschaltungen abgebaut wird und nicht mehr alle “Stationen” durchlaufen werden müssen. Dennoch ist uns nicht erst am “Ende” bewusst, was wir wahrnehmen, erkennen und verstehen. Sondern wir erleben das Ergebnis schon während des Prozesses bewusst. Manchmal dauer nur das Verstehen etwas länger, 😉

    Aber eine Frage hätte ich noch, da oben auch künstliche neuronale Netze erwähnt wurden: Halten Sie es prinzipiell für möglich, die Netze so zu bauen, dass sie, gemäß Ihrer Theorie, die beiden unterschiedlichen Arbeitsweisen des menschlichen Gehirns widerspiegeln?

    Nicht wirklich, obwohl es sich nicht ausschließen lässt. Ich habe mich mal mit einem Informatiker darüber unterhalten – er meinte nur, er würde den gern kennenlernen, der fähig ist, diese beiden Arten als Programme zu schreiben. Und selbst kompetitive Netze und solche mit versteckten Neuronen sind noch viel zu einfach, um die Arbeitsweise zu implementieren.

    Zum Hirnzustand – ja , wir lassen es so, weil es der prädikativen Art entspricht. Es müssen schon beide Arten berücksichtigt werden, wenn man zu tragfähigen Ergebnissen kommen will.

  189. @ Balanus: 31. Januar 2018 @ 13:02

    Ich kann nicht wissen, ob Bewusstsein prinzipiell nur bei Organismen vorkommen kann. Also kann ich so etwas auch nicht behaupten oder gar fordern.

    Hmm, behaupten kann man eigentlich alles – nur sollte man es dann auch belegen können. Aber fordern kann man es in jedem Fall, wenn man es zur Diskussionsgrundlage machen will – es muss sich dann nur zeigen, ob sie solide ist oder verworfen werden uss.

    In einem künstlichen Gebilde, das wie ein menschliches Gehirn funktioniert, kann ich mir durchaus ein Bewusstsein vorstellen.

    Ich nicht! Wenn wir uns darauf einigen können, dass Entwicklung im Prinzip so verläuft, dass aus Einfachem Komplexeres wird, angefangen bei den elementaren Bestandteilen der Materie über Protonen, Neutronen, Atomkernen, Molekülen usw. bis zur Entstehung erster organischer Materie, die irgendwann so komplex war, dass sie bewusstseinsfähig wurde, dann kann ich mir nicht vorstellen, wie aus anorganischer Materie Bewusstsein – und dann auch noch ein Bewusstsein, das zu geistigen Höhenflügen fähig ist, entstehen sollte, das den riesigen Schritt zum Organischen hin einfach auslässt.

    Insofern stellt sich die Frage nach den Kriterien vermutlich auch nicht …

    • Ich kann nicht wissen, ob Bewusstsein prinzipiell nur bei Organismen vorkommen kann. Also kann ich so etwas auch nicht behaupten oder gar fordern. [Kommentatorenkollege ‘Bal’]

      Hmm, behaupten kann man eigentlich alles – nur sollte man es dann auch belegen können. Aber fordern kann man es in jedem Fall, wenn man es zur Diskussionsgrundlage machen will – es muss sich dann nur zeigen, ob sie solide ist oder verworfen werden [m]uss. [Kommentatorenkollegin ‘Trice’]

      Dieses sogenannte Bewusstsein ist definitorisch zu betrachten, so dass es wissenschaftlich begrifflich direkt genutzt werden kann, und metaphysisch, Denkmöglichkeiten meinend, die gerne auch per se unfalisifizierbar sein dürfen, aber kohärent sein müssen.
      Es macht Sinn so zu fordern oder vielleicht besser zu denken, dass Bewusstsein nicht vom biologisch feststellbaren Leben abhängig ist.
      Diesbezügliche Forderung muss nicht ‘belegt’ werden, vergleiche mit Ihrem ‘Insofern stellt sich die Frage nach den Kriterien vermutlich auch nicht …’, werte Kommentatorenkollegin ‘Trice’, sondern bestimmt werden, i.p. Kriterien, damit überhaupt gewusst, worüber geschrieben oder gesprochen wird.

      Finden Sie derartige Erörterungen nicht auch nerfick, kann hier nicht, gerade auch philosophisch, sehr viel abgeschnitten werden Ihre Erachtens?

      MFG
      Dr. Webbaer (der immer (nun, besser : oft) auch die Nachrichten von Kommentatorenkollege ‘Chrys’ zK nimmt, womöglich denkt der hier ähnlich, scheint aber sozusagen im Apparat zu sitzen, dort wo von aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen unnötiger philosophischer Komplexität sozusagen gelebt wird)

  190. @Dr. Webbaer

    Damit nichts durcheinander kommt: eine Behauptung muss man belegen können siehe Teil 1:

    behaupten kann man eigentlich alles – nur sollte man es dann auch belegen können

    ,
    eine Forderung dagegen nicht:

    es muss sich dann nur zeigen, ob sie solide ist oder verworfen werden muss

    Dafür braucht man natürlich Kriterien, an denen man sie festmacht, oder eine gute Begründung … wie sollte man sonst dazu diskutieren?
    Es steht daher auch jedem frei, zu fordern, dass Bewusstsein nicht vom biologisch feststellbaren Leben abhängig ist oder sein muss. Wie gesagt, fordern kann man auch das.
    (Verbuchen wir dies unter Willensfreiheit?)

    • Das eine ist halt die Behauptung, hier steckt auch das Haupt drinnen, das anzunehmenderweise denken kann, das andere die Forderung, das Wollen meinend.

      Die Altvorderen waren gar nicht blöde, sie haben Begrifflichkeit weitgehend sinnhaft entwickelt.

      Behauptungen müssen nicht belegt werden, wenn sie die Metaphysik meinen, sollten Fakten behauptet werden, blieben (unterstützende) Datenlage abzufragen.

      Es darf, Datenlagen meinend, behauptet werden, abär auch dann, wenn diese nicht vorliegen, und es darf (ohnehin) gefordert werden, was gedacht werden kann.

      Dem Schreiber dieser Zeilen gehen aktuelle Diskussionen DERART auf die Nerven, mittlerweile,
      MFG
      Dr. Webbaer

      PS :
      ‘Diskutiert’ wird Datenlagen meinend oder rein abstrakt (“abgezogen”, ‘metaphysisch’, siehe oben)

  191. @Balanus / 31. Januar 2018 @ 00:04

    Das sehe ich eigentlich alles ganz ähnlich. Es ist jedoch zu beachten, dass da eine Fallunterscheidung vorzunehmen ist: Mir selbst — und nur mir selbst — kann ich mit absoluter Gewissheit Bewusstsein zuschreiben. Das ist allerdings keine empirisch erhaltene Einsicht, sondern synthetisch a priori, womit ich hier eine Konstatierung meine, dessen Negation nicht etwa falsch, sondern schlicht unsinnig ist. Und es wäre schlicht unsinnig, mir selbst einzureden, ich hätte keine Vorstellung von “ich”, das wäre dann ein sogenannter performativer Selbstwiderspruch.

    Für die subjektive Denknotwendigkeit meines eigenen Bewusstseins kann ich allerdings nicht den Anspruch objektsprachlicher Wahrheit erheben. Das dient mir hingegen als Voraussetzung, um überhaupt Kriterien zur Beurteilung von Bewusstsein bei “Mitspielern” zu finden, die mir nur als Objekte zugänglich sind (also alle ausser mir selbst). Da bleibt mir nichts anderes, als deren Verhaltensweisen zu beobachten und, mich selbst zum Vergleich nehmend, daraufhin zu bewerten, ob sich mir das Vorfindliche durch eine Zuschreibung von Bewusstsein plausibel erklären lässt. Also letztlich genau die gleiche Strategie, die Turing in einem vergleichbaren Kontext bei dem nach ihm benannten Test vorgeschlagen hat.

    Es ist meines Erachtens zu erwarten, dass die Frage nach dem Bewusstsein von Maschinen schliesslich eine ganz pragmatische Antwort finden wird: Wir werden ihnen dann ein Bewusstsein zugestehen, wenn das für uns die einfachste Erklärung von deren Verhalten ist. Bei der Entwicklung von “Maschinen mit Bewusstsein” wird es also primär darum gehen, unsere Wahrnehmung zu unterlaufen. (Das versuchen die Hersteller von Robotern auch jetzt schon, wenn sie etwa ihren Automaten ein Erscheinungsbild mit Kindchenschema verpassen.)

    Douglas Hofstadter hat bekanntlich einige Mühe darauf verwendet, den prinzipiellen Unterschied zwischen Strange Loop und Video Feedback Loop herauszustellen. Mit dem enttäuschenden Resultat, dass seine Leserschaft das mehrheitlich leider alles nicht begriffen hat. Auch bei einem Video Feedback Loop entstehen komplexe Muster, aber garantiert keine Einsicht über Bewusstsein. Diejenigen, die meinen, Bewusstsein werde bei einem hinreichend komplexen Geschehen von der Art eines Video Feedback Loop schon irgendwie von selbst enstehen und auf diese Weise dann auch erklärbar sein, gehören meiner Einschätzung nach zu denen, die Hofstadter nicht verstanden haben.

    • Es ist meines Erachtens zu erwarten, dass die Frage nach dem Bewusstsein von Maschinen schliesslich eine ganz pragmatische Antwort finden wird: Wir werden ihnen dann ein Bewusstsein zugestehen, wenn das für uns die einfachste Erklärung von deren Verhalten ist.

      Es geht, das mit dem sogenannten Bewusstsein, weder i.p. Turing(-test), der in puncto Erkenntnis lausig ist, also dieser Testm noch i.p. “Cogito ergo sum”, sondern definitorisch oder metaphysisch.
      Wenn erkennende Subjekte die Begrifflichkeit ‘Bewusstsein’ entwickeln und anderen Erkenntnissubjekten gegenüber kommunizieren können, sind sie bewusst im Sein – die definitorische Schiene meinend, die metaphysische Schiene meinend bleibt das sogenannte Bewusstsein abstrakt und insofern Denkmöglichkeiten meinend.

      MFG
      Dr. Webbaer (der allerdings ein unverbesserlicher Konstruktivist bleibt)

  192. Nach meinem Verständnis sind Loops oder Rückkopplungen das wesentliche Merkmal des Bewusstseins. Es entsteht durch die beständige Reflexion unserer Wahrnehmungen, Erfahrungen, Erinnerungen, Gedanken und Handlungen. Voraussetzung dafür sind umfassende und kontinuierliche Informationen über unseren körperlichen und psychischen Zustand, unsere Lage im Raum, sowie über Ort und Zeit. Das Langzeitgedächtnis ermöglicht uns, angenehme oder schöne Erfahrungen präsent zu halten und immer wieder anzustreben, als Bedürfnis, Wille, Absicht oder Motiv.

    Würde man einer Maschine dieselben Funktionen geben, also Sensoren zum eigenen Zustand, könnte sie sehr wohl ein Bewusstsein entwickeln, kein menschliches selbstverständlich, aber ein Maschinenbewusstsein, abhängig von der Implementation. Wir wissen jedoch nicht, was eine Maschine als angenehm oder schön empfinden würde. Für den Funktionszweck einer Maschine sind solche Funktionen nicht notwendig und nur bedingt sinnvoll (z.B. für Ausfallsicherheit) und sie erhöhen die Komplexität und Fehleranfälligkeit. Es ist also nicht im menschlichen Interesse, Maschinen mit Bewusstsein zu entwickeln.

    Rationale Intelligenz und Bewusstsein sind unabhängig voneinander. Beide zusammen können die Überlebensfähigkeit verbessern, aber auch verschlechtern. Man denke an die Umweltzerstörungen, die Zivilisationskrankheiten, den Klimawandel, die Kriege. Die Partikularisierung von Arbeit und Zuständigkeit zieht die Partikularisierung der Bewusstheit von Verantwortung nach sich. Man denke an diverse Skandale der Finanzwelt oder aktuell der Automobilkonzerne. Das Bewusstsein erzeugt Zielsetzungen, die dann ohne Rücksicht auf ihre Machbarkeit und ohne Kenntnis ihrer Konsequenzen verfolgt werden. Da stellt sich die Frage nach dem freien Willen!

    • @ Herr Reutlinger :

      Würde man einer Maschine dieselben Funktionen geben, also Sensoren zum eigenen Zustand, könnte sie sehr wohl ein Bewusstsein entwickeln, kein menschliches selbstverständlich, aber ein Maschinenbewusstsein, abhängig von der Implementation.

      Bewusstsein kann womöglich nicht direkt implementiert werden, wegen Komplexität nicht, würde die Maschine Bewusstsein entwickeln, könnte dieses menschenähnlich bis menschlich sein, denn der Mensch scheint ja recht vollkommen und günstig in seiner Umgebung unterwegs und insofern muss sein Erkenntnisvermögen, auch das sogenannte Bewusstsein meinend, nicht unangepasst und ersetzungs-würdig sein.
      ‘Angenehm’ ist halt “Fressie” und anderes und schön ist insbesondere auch Einfachheit, die dbzgl. Schönheitstheorien gehen womöglich, sofern Dr. W nicht desinformiert ist, in diese Richtung.

      Das mit dem sogenannten Freien Willen spielt in einer anderen Liga, hat nichts mit dem Bewusstsein zu tun, es kann sozusagen auch unfrei bewusst sein,
      MFG + schöne Mittwoche noch,
      Dr. Webbaer

  193. @Trice // 31. Januar 2018 @ 19:18

    »Wenn wir uns darauf einigen können, dass Entwicklung im Prinzip so verläuft, dass aus Einfachem Komplexeres wird, angefangen bei den elementaren Bestandteilen der Materie über Protonen, Neutronen, Atomkernen, Molekülen usw. bis zur Entstehung erster organischer Materie, die irgendwann so komplex war, dass sie bewusstseinsfähig wurde, dann kann ich mir nicht vorstellen, wie aus anorganischer Materie Bewusstsein – und dann auch noch ein Bewusstsein, das zu geistigen Höhenflügen fähig ist, entstehen sollte, das den riesigen Schritt zum Organischen hin einfach auslässt. «

    Auch wenn ich da mit Ihnen einig bin, dass es diverse Stufen der Organisationshöhe gibt und ganz oben das bewusstseinsfähige Gehirn steht, so bleibt doch das Faktum, dass auf der fundamentalen Ebene der Elemente eine Unterscheidung zwischen organisch und anorganisch keinen Sinn ergibt. Dass wir bestimmte Organisationsformen der Materie „organisch“ nennen, bedeutet im Grunde gar nichts. Ich sehe nicht, wie daraus ein Argument gegen Bewusstsein in künstlichen Gebilden erwachsen könnte.

    Vielleicht ist „organisches“ Material ja tatsächlich unabdingbar, damit ein hochorganisiertes System sich seiner bewusst sein kann. Aber konsequent materialistisch zu Ende gedacht muss ich einkalkulieren, dass auch ein nichtorganisches, künstliches hochkomplexes System Bewusstsein haben könnte. Obschon ich es für unwahrscheinlich halte, weil mir die Intuition sagt, dass zu einem phänomenalen Bewusstsein mehr gehört als ein elektrisches Erregungsmuster auf einem anorganischen Substrat. Nämlich das ganze organische Drumherum (Biologen-Vorurteil).

  194. @Chrys // 1. Februar 2018 @ 12:17

    »Wir werden ihnen [den Maschinen] dann ein Bewusstsein zugestehen, wenn das für uns die einfachste Erklärung von deren Verhalten ist. «

    Ja, gut möglich. Sprachliches Verhalten alleine scheint aber nicht hinreichend zu sein, wenn ich mir das Sprachverständnis und die Sprachfähigkeit etwa von HAL anschaue, dem Bordcomputer in Kubrik’s Space Odyssey. Da hatte ich nicht den Eindruck, dass der sich wirklich seiner bewusst ist.

    Ganz anders verhält es sich bei perfekt konstruierten (Film-)Androiden, bei denen fällt es einem schwer, ihnen Bewusstsein abzusprechen. Insbesondere dann, wenn sie zunächst als Menschen eingeführt werden.

    Apropos Hofstadters „strange loops“, bin da zufällig auf diese Ausführungen von Christof Koch gestoßen, da geht es um die „objektive „Messung eines Bewusstseinszustandes“:

    Der in den USA lebende italienische Psychiater und Neurowissenschaftler Giulio Tononi hat eine Theorie der Integrierten Information des Bewusstseins (Integrated Information Theory – IIT) entwickelt. Die fängt interessanterweise weder mit Physik noch mit dem Gehirn an. Sie geht den umgekehrten Weg und beginnt mit der Phänomenologie. Sie sagt, dass jede bewusste Erfahrung fünf Bedingungen erfüllen muss. Diese fünftranszendentalen Eigenschaften einer jeden bewussten, subjektiven Erfahrung lauten: 1. Jede bewusste Erfahrung existiert für sich selbst. 2. Sie ist strukturiert durch verschiedene Aspekte. 3. Sie unterscheidet sich von einer immensen Anzahl anderer möglicher Erfahrungen – d. h., sie ist differenziert. 4. Jede Erfahrung ist einheitlich, d. h., keine Erfahrung kann auf unabhängige Komponenten reduziert werden. 5. Jede bewusste Erfahrung ist einzigartig. Im nächsten Schritt fragt man, welches physikalische System diese fünf axiomatischen Bedingungen erfüllt und wie man das messen könnte. Die Theorie liefert ein mathematisches Kalkül, das es ermöglicht, den Grad des Bewusstseins eines physikalischen Systems präzise zu berechnen. Dieser Bewusstseinszustand wird durch die Größe Phi ausgedrückt. Phi kann entweder null oder positiv sein, je nachdem, ob das System Bewusstsein hat (Phi ist positiv) oder nicht (Phi gleich null).

    (Kann sich das Bewusstsein bewusst sein?: Gespräche mit Dirk Baecker,… Auer-Verlag 2017)

    Das ist offenkundig ein völlig anderer Ansatz als bei Hofstadter. Sehr strange

    • @ Kommentatorenkollege ‘Bal’ :

      Bewusstsein zuzuweisen ist eine konstruktivistische Aufgabe, das eigene (Bewusstsein) meinend, wie das anderer.
      Transzendenz hier hervorzuholen, deutet direkt auf Esoterik hin, Zwischenschritte zu meinen, ebenfalls, die sinnhafte Entscheidung i.p. Bewusstsein kann nur binär erfolgen.
      (Selbstverständlich erkennt Dr. Webbaer Veranstaltungen bspw. Ariel Scharon meinend an, aber wenn das Bewusstsein verloren gegangen ist, kann es nur rituell weiter gepflegt werden.
      Derartiger (binärer) Einschätzung sprechen auch solche Fälle nicht entgegen)

      MFG + schönes Wochenende schon einmal,
      Dr. Webbaer

      PS:
      Sportsfreund Dirk Baecker sollte sich direkt sprachlich präzise ausdrücken, einmal ‘transzendental’ und dann wieder ‘axiomatisch’ geht natürlich nicht.
      “Größe Phi”, tsk, tsk…

  195. @ Balanus: 1. Februar 2018 @ 22:01

    dass auf der fundamentalen Ebene der Elemente eine Unterscheidung zwischen organisch und anorganisch keinen Sinn ergibt.

    Bis hierhin gehe ich mit Ihnen konform, aber…

    Dass wir bestimmte Organisationsformen der Materie „organisch“ nennen, bedeutet im Grunde gar nichts.

    … wie wir sie nennen, ist unerheblich. Sie haben als ein Kriterium für Anzeichen von Bewusstsein die Abstammung genannt haben, das, was dazu befähigt, macht dieser Unterschied zur anorganischen Materie den Unterschied aus. Sollten künstlich intelligente Systeme ein der DNA entsprechendes Molekül entwickeln können, mittels dessen sich bei ihren Nachkommen bewusstseinsfähige Gehirne entwickeln, die beide nicht durch “nachbauen” entstanden sind, dann könnte ich mir vorstellen, dass diese KI ein Bewusstsein entwickeln, das unserem vergleichbar ist – aber das sehe ich nicht.

    Vielleicht ist „organisches“ Material ja tatsächlich unabdingbar, damit ein hochorganisiertes System sich seiner bewusst sein kann. Aber konsequent materialistisch zu Ende gedacht muss ich einkalkulieren, dass auch ein nichtorganisches, künstliches hochkomplexes System Bewusstsein haben könnte

    Das sehe ich anders – und zwar auch konsequent materialistisch (ich bin kein Dualist, 😉 ) zu Ende gedacht: Sie haben in Ihrer Antwort an @Chrys Tononis IIT erwähnt, und gemeinsam mit Edelman hat Tononi den Reentry-Mechanismus als Integrationsmerkmal genannt. Tononis (und Edelmans) Theorie besagt, dass hochintegrierte Information ein Netzwerk benötigt, das funktionelle Spezialisierung mit funktioneller Integration verbindet.
    Das entspricht in gewisser Weise meinem Ansatz – nur dass ich außerdem das Wesentliche beschrieben habe, nämlich nach welchen Regeln sich die Integration in diesen spezifischen (funktionellen) Arealen vollzieht, und wie in diesem Netzwerk mittels verschiedener Regeln sich diese reentranten Prozesse vollziehen (weshalb Dörner damals von mir die Integrationsformel haben wollte – nur ganz so einfach ist die nicht zu liefern, weil sie Teil eines Regelwerks ist), und ich den Begriff Information nicht verwende.

    Mit Panpsychismus, wie Koch das interpretiert, hat das nichts zu tun, das sagte ich schon mal. Davon kann man nur ausgehen, wenn man nicht weiß, wie die Arbeitsweise des Gehirns geregelt ist.

  196. > Aber sind wir überhaupt selbst verantwortlich für unsere Willensschwäche? Können wir wollen, was wir wollen? Oder sind wir vielmehr determiniert durch die physikalische[n] Prozesse, die im Innern unseres Gehirns ablaufen?

    Sollte sich tatsächlich jemand darum kümmern was ein irgend ein x-beliebiger Mensch will? Es ist ziemlich egal was einer tut oder will.

    Physikalische Prozesse gehorchen physikalischen Gesetzen. Trotzdem ist alles möglich im Rahmen dieser Gesetze.

  197. @ Karl Mistelberger: und von wem sind die Gesetze? Warum “gehorchen” die braven Prozesse? Schon allein die Tatsache, dass Sie, Herr Mistelberger, die “Gesetzte” in ihrer Gesamtheit überblicken können, lässt Sie ausserhalb der Gesetze stehen mit ihrem eigenen Geist = Bewusstsein.

    • Herr Dr. Mistelberger meinte erkennbar die Kohärenz,
      ‘Gesetze’ sind gesetzt
      und zwischen Metaphysik und der Naturlehre bleibt streng, die Schichtentrennung meinend, zu unterscheiden.
      Vermutlich macht Herr Dr. Mistelberger hier keine Fehler.

  198. @Balanus / 2. Februar 2018 @ 00:20

    Matthias Eckoldt, der Verfasser des von Dir genannten Buches, wird auf der Verlagsseite wie folgt zitiert:

    Eckoldt stellt fest: „Die Suche nach Erklärungen des Phänomens Bewusstsein setzt bereits Bewusstsein voraus. Insofern ist die Sache schon ein wenig verflixt, weil man in zirkuläre Zusammenhänge kommt. Denn letztlich kann es nur das Bewusstsein selbst sein, das sich – im besten Fall – bewusst sein kann.”


    Hat ihn Christof Koch womöglich noch nicht so ganz von der IIT überzeugen können? Oder wie verstehst Du das?

    • Die Suche nach Erklärungen des Phänomens Bewusstsein setzt bereits Bewusstsein voraus. Insofern ist die Sache schon ein wenig verflixt, weil man in zirkuläre Zusammenhänge kommt.

      Es könnte zumindest maschinelle und nicht über Bewusstsein verfügende Entscheider-Algorithmik geben, die sich derart versucht festzustellen wie auch zu erklären versucht. (Oder benötigt aus Sicht einiger hier Erklärung bereits Bewusstsein?)

      Es geht ja bspw. bei zeitgenössischen Apparaten aus dem Hause Google dediziert darum Entitäten, die über Bewusstsein verfügen, zu identifizieren und in der Folge, aus wirtschaftlichen Gründen, zu bewerben suchen.
      Eine dbzgl. notwendige Rekursion sieht Dr. Webbaer hier also nicht.

      Denn letztlich kann es nur das Bewusstsein selbst sein, das sich – im besten Fall – bewusst sein kann.

      Das Bewusstsein muss womöglich per se, vs. ‘im besten Fall’, sich selbst bewusst sein.


      Interessant wäre auch die Denkmöglichkeit, dass sich jeweils für bewusst Haltende gegenseitig prüfen und sich womöglich auch versuchen das Bewusstsein gegenseitig abzusprechen.
      Böse Zungen meinen, dass derart bereits jetzt sozial geübt wird.

      Kurzum, bei diesen (auch : “letzten”) Fragen kann nur im konstruktivistischen Sinne Halt gefunden werden,
      MFG + schönen Tag des Herrn noch,
      Dr. Webbaer

  199. @Chrys // 3. Februar 2018 @ 18:25

    Als Matthias Eckoldt die Gespräche führte, hatte er sicherlich schon eine bestimmte Vorstellung davon, was es seiner Ansicht nach mit dem Bewusstsein bzw. dem bewussten Sein auf sich hat (oder haben könnte). Um davon dann wesentlich abzurücken hätte es gewiss sehr überzeugender Argumente bedurft, aber wer kann die schon liefern. Deshalb bleiben ja auch praktisch alle, die sich zum Bewusstsein (bzw. bewussten Sein) äußern und darüber diskutieren, letztlich bei dem, was sie an Vorstellungen mitbringen.

    Der Eindruck eines zirkulären Zusammenhangs (Eckholt: „Denn letztlich kann es nur das Bewusstsein selbst sein, das sich – im besten Fall – bewusst sein kann.“) ist womöglich der Substantivierung dieses spezifischen Zustandes, nämlich „sich einer Sache bewusst zu sein“, geschuldet. Kann aber auch sein, dass ich die Pointe verpasst habe.

    Noch etwas zu Giulio Tononis Integrierter Informationstheorie:

    Christof Koch sagt im oben zitierten Büchlein über die Messung des Bewusstseinszustandes z. B. bei Locked-in-Patienten:

    »Wir erzeugen mithilfe einer Magnetspule ein kurzes aber starkes Magnetfeld am Schädel. Das verursacht im darunter gelegenen Kortex eine neuronale Aktivität, die wir mithilfe von EEG-Elektroden am Kopf messen können. Es wird eine Welle neuronaler Erregung ausgelöst, die sich in der Hirnrinde fortpflanzt. Wenn der Proband bewusst ist, kann die elektrische Aktivität lange anhalten und viele verschiedene Regionen der Hirnrinde erfassen. Wenn sich der Proband im Tiefschlaf befindet, narkotisiert oder anderweitig bewusstlos ist, entfaltet sich die elektrische Aktivität im Kortex weniger komplex in Raum und Zeit. Dies kann man mit EEG-Elektroden registrieren und aus den Daten einen Index ermitteln, der mir sagt, wie hoch der Bewusstseinszustand des Hirns ist.

    MATTHIAS ECKOLDT: Kann man diese Prüfung auch mit technischen Systemen, also im Besonderen bei Computern, auf geeignete Weise vornehmen?

    CHRISTDF KOCH: Diese Technik, die wir ‘zip and zap’ nennen, ist für den Kortex entwickelt und würde für andere Strukturen, wie die, die man bei Computern findet, nicht funktionieren. Aber die Integrated information Theory (IIT) ist eine mathematische Theorie, die auf jedes physikalische System anwendbar ist.«

    .
    Das Maß für den Grad des Bewusstseins, also Phi, wird übrigens in Bit ausgedrückt und soll die Reduktion der Ungewissheit quantifizieren, „die in einem System – oberhalb und zusätzlich zu jenen Informationen, welche unabhängig davon von seinen einzelnen Teilen generiert werden – auftritt, wenn das System in einen bestimmten Zustand eintritt“. (Koch, elsewhere)

    • Auch hier – ‘Das Maß für den Grad des Bewusstseins, also Phi, wird übrigens in Bit ausgedrückt […] – wird Dr. Webbaer, dezent formuliert, hellhörig.

  200. Da dieser thread offenbar in einen “dead trouser“ (_nicht_ ironisch gemeint) http://www.nolasque.com/Personal/sky/images/Stephen%20Hawking%20-%20A%20Brief%20History%20Of%20Time_img_46.jpg Zustand übergegangen ist (natürlicher Phasenübergang), nachfolgend ein kleines “Sammelsurium“ themenverwandter Links. Das Bild ist aus S. Hawkings *Eine kurze Geschichte der Zeit* (Kap. *Die Vereinheitlichung der Physik*) – mit dem Vermerk, dass “die Verbindung zweier offener Strings der Vereinigung zweier Hosenbeine zu einer Hose ähnelt.“

    1 http://physicsworld.com/cws/article/news/2017/dec/28/can-bose-einstein-condensates-simulate-cosmic-inflation (“Phasenübergänge“).

    2 “Man“ will halt herausfinden (Zitat) “what this whole show is all about before it’s out”: http://nautil.us/issue/9/time/haunted-by-his-brother-he-revolutionized-physics. Dazu noch dieses Bild: https://psychonautwiki.global.ssl.fastly.net/w/thumb.php?f=Artistic_depiction_of_unity.png&width=238 (von J. A. Wheeler als “the universe as a self-excited system” bezeichnet).

    3 Auch Kip Thorne (Nobelpreisträger 2017) hat sich darüber Gedanken gemacht: https://www.its.caltech.edu/~kip/index.html/PubScans/VI-42.pdf (Essay von 2002).

    Dass diese Dinge unterschiedlichen Ansichten (im doppelten Sinn des Wortes) unterliegen, mag man hieraus

    4 https://platofootnote.wordpress.com/2018/01/22/peter-woit-vs-sean-carroll-string-theory-the-multiverse-and-popperazism/ [s.a. mein post vom 21.1. – 18:42 (insb. der erste Link)]

    und hieraus

    5 https://aeon.co/essays/how-many-dimensions-are-there-and-what-do-they-do-to-reality

    und hieraus

    6 https://www.npr.org/sections/13.7/2018/01/22/579666359/scientific-theory-and-the-multiverse-madness

    ersehen/-lesen.

    Dazu “vll.“ auch noch das:

    7 http://www.spektrum.de/video/doch-keine-dunkle-materie-aufstand-der-zwerggalaxien/1539795 – plus dieses Video: 7a https://www.youtube.com/watch?time_continue=7&v=y8Q5IDIkUzY.

    Das passt ebenfalls dazu:

    8 https://www.the-tls.co.uk/articles/public/scientific-revolutions-thomas-kuhn/. Das 8a https://i2.wp.com/www.eatingheads.com/wp-content/uploads/2015/09/Kuhn_Cycle.png ist Kuhns *Struktur der wissenschaftlichen R/Evolution*.

    Hier zwei Links, die sich mit dem “dahinterstehenden“ mind befassen:

    9 https://www.irishtimes.com/news/science/explaining-consciousness-the-mind-matter-connection-1.3372190.

    10 (Viel Text): https://aeon.co/essays/are-you-sleepwalking-now-what-we-know-about-mind-wandering.

    Da Nr. 10 ja auch buddhistische Elemente enthält (und ich eine gewisse Affinität dazu habe), hier noch ein entsprechender Aspekt. Ist i.V.m.

    11 https://www.theguardian.com/science/2011/may/15/stephen-hawking-interview-there-is-no-heaven

    zu verstehen (Zitat): I regard the brain as a computer which will stop working when its components fail. There is no heaven or afterlife for broken down computers; that is a fairy story for people afraid of the dark. Der Buddhismus (ich bitte um Nachsicht, dass ich off topic gehe) sieht das ebenfalls ziemlich “nüchtern” (womit ich mich nun aber nicht notwendigerweise mit S. Hawking “solidarisieren“ will). “Auch“ im Buddhismus gibt es nur (reduziert formuliert): Auge, Sehobjekt und Sehbewusstsein – Ohr, Ton und Hörbewusstsein – Nase, Geruchsobjekt und Riechbewusstsein – Zunge, Schmeckobjekt und Geschmacksbewusstsein – Körper, Berührbares und Körperbewusstsein – Geist, Geistobjekt und geistiges Bewusstsein. Zur Verdeutlichung was damit gemeint ist, diese Stelle aus einem buddhistischen Sutra:

    *** Gleichwie [..] wenn da ein König oder ein königlicher Minister den Klang einer Laute noch nie zuvor gehört hätte. Jetzt aber hörte er den Klang der Laute, und er würde sagen: ‘Lieber Mann, was ist das für ein Klang’ so entzückend, so lieblich, so berauschend, so hinreißend, so fesselnd?’ Darauf würde ihm gesagt: Das ist, o Herr, eine Laute, wie man sagt: die hat diesen Klang, der so entzückend ist, so lieblich, so berauschend, so hinreißend, so fesselnd’. Er aber spräche: Geht, ihr Lieben, und bringt mir jene Laute herbei’. Die würde ihm gebracht, und man sagte zu ihm: ‘Da ist sie, o Herr, die Laute, die jenen entzückenden Klang hat, jenen lieblichen, berauschenden, hinreißenden, fesselnden’. Darauf sagte der König: ‘Was soll ich, ihr Lieben, mit der Laute? Ihr sollt mir doch jenen Klang herbeischaffen! Da würde ihm gesagt: ‘Das ist, o Herr, eine Laute, wie man sagt; die ist aus gar vielen Teilen zusammengebaut worden, aus einer großen Zahl von Teilen. Sie klingt, weil die verschiedenen Teile zusammenwirken. Sie klingt, bedingt durch einen gewölbten Kasten, eine Zarge, einen Steg, einen Hals, die Saiten, den Bogen und die entsprechende Mühe des Spielers. Dann kann die Laute, wie man sagt, die aus vielen Teilen zusammengebaut wurde, aus einer großen Zahl von Teilen, erklingen’. Jener König aber würde die Laute in 10 oder 100 Stücke schlagen. Nachdem er sie in 10 oder 100 Stücke zerschlagen hätte, wurde er die Teile zersplittern und zersplittern. Nachdem er die Teile zersplittert und zersplittert hätte, würde er sie ins Feuer werfen. Nachdem er sie ins Feuer geworfen, würde er einen Haufen Asche machen. Nachdem er einen Haufen Asche gemacht hätte, wurde er ihn in den Sturm streuen oder durch einen reißenden Strom davonspülen lassen. Und dann würde er sagen: ‘Ein ohnmächtiges Ding, wahrlich, ist das, was man da Laute nennt. Was ist denn da irgend an dem gewesen, was man Laute nennt? Da werden nur viele Leute übermäßig berauscht und verführt’. ***

  201. Hallo Herr Päs,
    Ihr Beitrag ist anregend, scheint mir aber nicht unbedingt Ihrem eigenen Anliegen zu entsprechen, eine Antwort zu entwickeln, die uns hilft, uns in der von uns erlebten Welt besser zurecht zu finden. Insbesondere Ihre Diskussion zur Realität scheint mir diesbezüglich ein bisschen zu abgehoben.
    Das relevante Erkenntnisinteresse sollte sich m.E. auf einer Ebene der Realität, wie sie im Rahmen der von Ihnen angeführten konsistenten und erfolgreichen naturwissenschaftlichen Theorien begriffen werden kann, bewegen. Ich glaube, dass es Erkenntnisse auf dieser Ebene der Realität sind, die für das Miteinander der Menschen die relevanten sind (ich denke dabei insbesondere auch an das System der Strafverfolgung), und dass es deshalb am wichtigsten ist, eben auf dieser Ebene Antworten nach der Frage der Willensfreiheit zu suchen.
    Wenn im Rahmen dieses Gedankengebäudes und des sich daraus ergebenden Menschenbildes geäußert werden soll, ob es den freien Willen gibt, meine ich, dass als eine Grundlage der Argumentation klargemacht werden sollte, ob dies auf der Basis einer monistischen oder dualistischen Sicht von Geist und Materie geschieht. Ich brauche Ihnen sicher den Unterschied nicht zu erläutern, auch wohl nicht, dass auf der oben genannten Realitätsebene es dieser Unterschied ist, der in Bezug auf den freien Willen einen großen Teil der philosophischen wie öffentlichen Diskussion ausmacht.
    Was bedeutet dies? Aus dualistischer Sicht kann man ein Ich postulieren, das getrennt ist von dem der Materie verhafteten Gehirn, und das dann natürlich auch, wenn es will, von den Einflüssen des Gehirns unabhängige Entscheidungen treffen kann, die dann frei sind. Wenn in den Feuilletons das Thema der Willensfreiheit behandelt wird (z.B. FAZ.Net “Endlich befreit!” vom 30. Januar 2016), lauert diese Position meistens im Hintergrund, ohne dass sie explizit benannt wird. Es gibt zwei Wissenschaftler von Rang, Popper und Eccles, die zu den (relativ wenigen) ihrer Zunft gehören, die eine solche Denkweise aktiv vertreten (“The Self and its Brain: An Argument for Interactionism”). Wie allerdings die von ihnen postulierte Interaktion zwischen dem materiellen Gehirn und diesem Self (diesem Ich) abläuft, beruht, soweit ich ihre Argumente verstehe, einem wunderbaren Prozess, für den es – die Wissenschaft kennt keine Wunder – keine empirischen Belege gibt.
    Wenn Vertreter der monistischen Sicht ihre Argumente entwickeln, müssen sie sich mit der Frage des Determinismus auseinandersetzen, wobei sich die Argumente der Inkompatibilisten und Kompatibilisten gegenüberstehen. Für Inkompatibilisten sind freier Wille und Determinismus nicht miteinander vereinbar, für Kompatibilisten, deren Argumente mich am ehesten überzeugen, sind sie es. Ich spreche hier für den amerikanischen Philosophen Daniel Dennett, der meines Erachtens aus kompatibilistischer Sicht zu dieser Fragestellung die am sorgfältigsten ausformulierte Position vertritt. Sie leidet jedoch darunter, dass sie in einem manchmal extrem detaillierten Strom von Argumenten eingebettet ist, die von Normalbürgern, an die er sich ja auch wendet, nicht leicht zu durchdringen sind (relativ verständlich ist vielleicht seine Besprechung des Buches von Sam Harris, “Free Will” unter https://ase.tufts.edu/cogstud/dennett/papers/reflections_on_free_will.pdf).
    Ich versuche hier Dennetts Position in wenigen Sätzen zusammen zu fassen:
    (1) Das Ich, auf das es in dieser Diskussion ankommt, ist die Person, die hier sitzt, denkt, schreibt, zum Fenster hinausschaut usw., einschließlich ihres Gehirns, in dem die entsprechenden Wahrnehmungen und Überlegungen stattfinden.
    (2) Determinismus, der dem Monismus entspricht, ist kompatibel mit Willensfreiheit. Es ist die Freiheit, die es einem Menschen ermöglicht, durch im Laufe des Lebens angesammeltes Wissen und entwickelte Fähigkeiten seine Entscheidungen mehr oder weniger gut begründet zu treffen. Unter der Annahme des Determinismus gilt natürlich, dass dieses Wissen und diese Fähigkeiten im Laufe der Zeit – bestimmt durch den Ablauf der Ereignisse – vom betreffenden Menschen angeeignet worden sind. Dieses wiederum heißt, dass sie in letzter Konsequenz, wenn man so will zurück verfolgt bis zum Big Bang, determiniert sind. Dennett wirft dazu ein, “Na und”? Durch diesen Umstand wird die im Moment existierende Willensfreiheitsfähigkeit des Menschen, wie die Verantwortlichkeit für sein Handeln, auf die es ankommt, nicht gemindert.
    (3) Die oft vorgetragene Behauptung, jemand sei frei, wenn er/sie zu jedem Zeitpunkt anders gehandelt haben könnte, als es der Fall war, ist irrelevant. Warum sollte jemand anders entscheiden wollen, wenn die getroffene Entscheidung nach bestem Wissen getroffen worden ist? Ferner gilt, dass die Handlung, um die es geht, vollzogen ist, und die konkrete Situation in ihrer ganz spezifischen Konstellation nie wieder hergestellt werden kann, und es deshalb auch nicht möglich ist, den entsprechenden empirischen Test durchzuführen. Für den Fall der späten Erkenntnis, dass die Entscheidung nicht die richtige war, ist es jedoch möglich, aus diesem Tun zu lernen und daraus Konsequenzen für das zukünftige Handeln zu ziehen.
    Mit (1) spricht Dennett die Alltagsmenschen an, die der monistischen (materialistischen) Weltanschauung zugeneigt sind, aber trotzdem oft der Versuchung anheimfallen, an das körperlose Ich, den “Geist in der Maschine” zu glauben, insbesondere dann, wenn sie mit der Frage nach den Einfluss des Gehirns auf ihre Willensfreiheit konfrontiert sind. Unter (2) wird Dennetts Hauptargument zusammengefasst. Die für Menschen relevante Willensfreiheit ist nicht etwas Absolutes sondern etwas auf Wissen und Können basierendes Angeeignetes. Nur auf diese Fähigkeit des freien Entscheidens komme es an, um ein sozial verantwortliches Leben führen zu können. Unter (3) wird mit dem letzten Satz ausgedrückt, was nach Dennett empirisch belegt und wünschenswert ist. Meine persönliche Sicht hierzu ist, dass dieses Lernen leider oft durch ein zu schweres wie auch immer angeeignetes Gepäck an vorherigen Ansichten daran gehindert wird, sich wirklich Neuem und potentiell Besserem zu öffnen.

  202. @Balanus / 4. Februar 2018 @ 19:36

    »Als Matthias Eckoldt die Gespräche führte, hatte er sicherlich schon eine bestimmte Vorstellung davon, was es seiner Ansicht nach mit dem Bewusstsein bzw. dem bewussten Sein auf sich hat (oder haben könnte).«

    Im Vorwort zum Buch (Leseprobe) schreibt Eckoldt etwas dazu:

    Die Zusammenschau dieser zwölf unterschiedlichen Ansätze zur Erforschung des Bewusstseins gibt letztlich eine mögliche Antwort auf die titelgebende Frage nach dem Bewusstsein: Bewusstsein ist das Medium, in dem sich der Selbstklärungsprozess des Menschen vollzieht.


    »Noch etwas zu Giulio Tononis Integrierter Informationstheorie«

    Tononi war mit seiner IIT bei einer früheren Gelegenheit hier irgendwann schon einmal beiläufig erwähnt worden, nur weiss ich nicht mehr wo und von wem. Bei genauerem Hinsehen verliert die Sache meines Erachtens aber sehr schnell an Charme. Jemandem wie mir fällt jedenfalls beim ersten Axiom (Intrinsic existence) zunächst auf, dass Existenz hier offenbar als ein logisches Prädikat verwendet wird, womit praktisch die nullte Bedingung für eine “mathematische Theorie” bereits brutal verletzt ist. Weiters fehlt mir da auch eine klare Begriffsbestimmung von Information. In einem info.-theoret. Kontext ist Information nach meinem Verständnis stets mit einem Entropiebegriff verbunden, doch das sehe ich bei Tononi nicht.

    Unterstellen wir mal, mit Tononis Φ sei eine praktikable Messoperation gegeben (was vermutlich niemand hier genauer nachgeprüft hat). Dann wäre Bewusstsein im IIT-Sinne letztlich per definitionem gerade das, was Φ misst — no more, no less. Was ein Φ-Wert dann zu tun haben soll mit dem subjektiven Bewusstsein — aufgefasst im heuristischen Sinne einer Befähigung zur identätsbestimmenden Selbstreferenz — wird mir aus Tononis Ausführungen nicht ersichtlich.

    Von John R. Searle wird noch berichtet, dass seiner Einschätzung nach IIT “does not seem to be a serious scientific proposal.” Da wüsste ich ihm jetzt nicht zu widersprechen. Was würdest Du ihm entgegnen?

  203. Zitat Werner Neu: „(3) Die oft vorgetragene Behauptung, jemand sei frei, wenn er/sie zu jedem Zeitpunkt anders gehandelt haben könnte, als es der Fall war, ist irrelevant. Warum sollte jemand anders entscheiden wollen, wenn die getroffene Entscheidung nach bestem Wissen getroffen worden ist? Ferner gilt, dass die Handlung, um die es geht, vollzogen ist, und die konkrete Situation in ihrer ganz spezifischen Konstellation nie wieder hergestellt werden kann, und es deshalb auch nicht möglich ist, den entsprechenden empirischen Test durchzuführen. Für den Fall der späten Erkenntnis, dass die Entscheidung nicht die richtige war, ist es jedoch möglich, aus diesem Tun zu lernen und daraus Konsequenzen für das zukünftige Handeln zu ziehen.“

    Ich sehe eigentlich eine Schwäche in dieser Argumentation:
    Eine Entscheidung wird in der Tat nach bestem Wissen getroffen. Für den Fall der späten Erkenntnis, dass die Entscheidung nicht die richtige war, ist jedoch empirisch das „Lernpotential“ aus diesem Tun meiner Meinung nach gering, weil man eben nicht wissen kann, was für eine andere Konstellation sich ergeben hätte, wenn man sich für eine andere Handlung entschieden hätte. Wäre diese andere Entscheidung in ihren Konsequenzen wirklich besser gewesen als die Entscheidung, die man getroffen hat? Oder womöglich sogar schlechter? Man wird es nicht wissen bzw. lernen, weil eben eine ganz spezifische Konstellation nie wieder vorkommt – man steigt nicht zweimal in denselben Fluss. 😉

    Kann man aus dem Fehler einer Entscheidung lernen, wenn man nicht weiß, welcher Fehler sich aus einer anderen Entscheidung ergeben hätte?

    Oder begünstigt das “Lernen aus Fehlern” eher Entscheidungen nach Vorurteilen?

    • Zitat Jocelyne Lopez: “Ich sehe eigentlich eine Schwäche in dieser Argumentation: Eine Entscheidung wird in der Tat nach bestem Wissen getroffen. Für den Fall der späten Erkenntnis, dass die Entscheidung nicht die richtige war, ist jedoch empirisch das „Lernpotential“ aus diesem Tun meiner Meinung nach gering, weil man eben nicht wissen kann, was für eine andere Konstellation sich ergeben hätte, wenn man sich für eine andere Handlung entschieden hätte.”
      Ich sehe wiederum eine Schwäche in dieser Argumentation und möchte dies mit einem Beispiel aus dem Golfspiel belegen. Ich habe einen Putt nach bestem Erkennen der Lage gespielt, der daneben ging. Während der Ball noch läuft, wird mir klar, dass ich den Break nicht richtig eingeschätzt habe, weshalb der Ball eine geringere Kurve einschlägt als richtig gewesen wäre. Durch diese Erfahrung kann ich lernen, auf das Erkennen von Breaks mehr Aufmerksamkeit zu verwenden. Eventuell kann ich auch etwas Besondere an diesem konkreten Break erkannt haben, was mich dann dazu besser in die Lage versetzt, Breaks mit ähnlichen Eigenschaften zu erkennen und dies in meinem Spiel mit zu berücksichtigen. Es ist die zusätzliche konkrete Erfahrung aus der Entscheidung, die zu einem Misserfolg führte, die mich etwas lernen ließ, nicht ein Sinnieren darüber “was für eine andere Konstellation sich ergeben hätte, wenn man sich für eine andere Handlung entschieden hätte.” Übrigens war die Aussage des letzten Halbsatzes bereits in meinem ursprünglichen Text mit enthalten: “Ferner gilt, dass die Handlung, um die es geht, vollzogen ist, und die konkrete Situation in ihrer ganz spezifischen Konstellation nie wieder hergestellt werden kann.”

      • @ Werner Neu

        Ich meine, dass Ihr Beispiel mit dem Golf nicht das Problem des Lernpotentials aus Fehlern umfassend beschreibt. Denn alle Entscheidungen, die die Motorik einbeziehen, werden wohl als „Pseudo-Entscheidungen“ eingestuft und finden im Rahmen von trainierten Bewegungsabläufen statt, die in der Tat beim Erlernen auf Fehlern basieren: Man lernt eine erfolgreiche Bewegung zum Beispiel beim Sport, oder Tanzen, oder Musizieren, oder handwerklicher Arbeit durch Fehler und Wiederholungen, bis die Bewegung automatisiert ist und keiner einzelnen bewussten Entscheidung bedarf. Dass Entscheidungen bei Handlungen, die die Motorik einbeziehen, nicht im Rahmen der Willensfreiheit stattfinden, wurden zum Beispiel mit den LIBET-Experimenten eingehend untersucht, zum Beispiel hier.

        Sie haben beim Golfspielen anfänglich gelernt und trainiert, wie man ein Putt (was das immer auch ist… 😉 ) erfolgreich spielt. Wenn es bei Ihnen als erfahrener Spieler einmal daneben geht, ist es nicht die Konsequenz einer Fehlentscheidung, sondern die Konsequenz einer motorischen Fehlbewegung (die das visuelle Fehleinschätzen einbezieht), die natürlich immer noch passieren kann, auch bei sehr erfahrenen Spielern und vollständig automatisierten Bewegungsabläufen.

        Eine echte, einmalige Entscheidung im Leben setzt jedoch eine fast unendliche Anzahl von unbekannten Konsequenzen in der Zukunft: Soll ich mich zum Beispiel, wenn ich die Wahl habe, für einen Arbeitsvertrag mit dieser eine Firma oder mit einer anderen? Soll ich mich für eine Ausbildung entscheiden, oder für eine andere? Soll ich mich für einen Partner entscheiden, oder lieber nicht? Soll ich mich für einen Urlaub entscheiden oder einen anderen? Das sind Entscheidungen, deren Konsequenzen man nicht überblicken kann, sowie auch nicht die Konsequenzen aus einer anderen Entscheidung als diejenige, die man getroffen hat. So meinte ich das.

        • Sogar Benjamin Libet und nachfolgende Experimentatoren sind selbst zu dem Schluß gekommen, dass die Untersuchung von Entscheidungen zu Bewegungsabläufen nichts über die Existenz oder Nicht-Existenz der Willensfreiheit bei Menschen aussagen kann, siehe hier die Kritik dieser Experimente.

          Ich kann auch nicht fassen, dass man auf die Idee kommen kann, den Zeitpunkt einer Entscheidung bei einer Bewegung messen zu wollen, das ist so etwas von skurril, ich kann es nicht fassen. Man braucht keinen Wissenschaftler zu sein, um zu erkennen, dass alle unserer Bewegungen ohne einzelne bewußte Entscheidung ablaufen (bis auf wenigen Ausnahmensituationen, wo die Entscheidung für eine Bewegung bewußt ist, zum Beispiel beim Lernen).

          Haben denn diese Wissenschaftler etwa nie einen Konzertpianist oder einen Gitarristen beim Spielen zugeguckt? Haben sie es nie? Oder glauben sie etwa, dass die Pianisten oder Gitarristen sich beim Spielen eines Musikstücks jeweils einzeln für das Drücken einer Klaviertaste oder für einen Griff entscheiden müssen? Sie entscheiden sich gar nicht für eine einzelne Note, zu keinem Zeitpunkt, sie haben das Musikstück geübt, es ist in seiner Gesamtheit im Gehirn abgespeichert, einschließlich den dazugehörigen Handbewegungen, die Hände bewegen sich automatisch, ohne jegliche einzelne bewußte Entscheidung.

          Auch im Alltag sind alle unserer Bewegungsabläufe automatisiert, sie laufen nach erlernten Mustern ab, die im Gehirn gespeichert sind. Wer braucht zum Beispiel beim Gehen eine Entscheidung dafür, einen Fuß nach dem anderen nach vorne zu versetzen? Wer braucht das? Wer braucht um nach einem Glas zu greifen eine Entscheidung dafür, dass die Hand sich wölben muss?

          Ganz zu schweigen von allen Bewegungen in unserem Körper, die gänzlich ohne unser Tun ablaufen. Wer muss bewußt atmen? Wer muss bewußt sein Herz schlagen oder sein Blut fließen lassen?

          Es ist völlig skurril den Zeitpunkt der Entscheidung einer Bewegung messen zu wollen, denn es gibt keine Entscheidung für eine Bewegung an sich. Wie kann man den Zeitpunkt von etwas messen, das es nicht gibt? Vor lauter Mess- und Rechenwut vergessen die Hirnforscher einfach die Realität vor ihrer Nase zu beobachten und die einfachsten Dinge zu erkennen.

          Und dass die Hirnforscher mit ihret Meß- und Rechenwut sowie ihrer Langeweile das sinnlose LIBET-Experimente mit invasiven Methoden tagtäglich an unzähligen, wehrlosen Affen seit 40 Jahren wiederholen, ist eine Perversion der Wissenschaft, ein Zeichen des ethischen Verfalls und ein Verbrechen im Sinne des Tierschutzgesetzes, siehe hier im Nachbarblog von Gunter Dueck: https://scilogs.spektrum.de/wild-dueck-blog/die-spekulative-bio-neuro-einkleidung-von-philosophien-und-fantasien/#comment-9292

  204. @Chrys // 16. Februar 2018 @ 16:43

    »Jemandem wie mir fällt jedenfalls beim ersten Axiom (Intrinsic existence) zunächst auf, dass Existenz hier offenbar als ein logisches Prädikat verwendet wird, womit praktisch die nullte Bedingung für eine “mathematische Theorie” bereits brutal verletzt ist.«

    Davon verstehe ich leider nichts. Gleichwohl hätte ich eine Frage: Die IIT ist ja der Versuch, das Bewusstsein mathematisch zu charakterisieren, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Doch damit der Versuch überhaupt eine Grundlage hat und die ganze Sache einen Sinn ergibt, muss Bewusstsein tatsächlich existieren und beschreibbar sein. Und das wird eben mit Axiom # 1 ausgedrückt: „Consciousness exists – it is an undeniable aspect of reality. Paraphrasing Descartes, “I experience therefore I am”.“ (Integrated Information Theory 3.0, 2014)

    Was würde ich John R. Searle entgegnen? Ich bin da etwas gespalten: Einerseits habe ich meine Probleme mit dem schwierigen Informationsbegriff und dem Panpsychismus, andererseits bin ich aber offen für alle Versuche, das Mysterium Bewusstsein messtechnisch dingfest zu machen. Auch unorthodox erscheinende Ansätze könnten zu der einen oder anderen Erkenntnis führen.

    Hinzu kommt, dass ich einerseits schon denke, dass Bewusstsein im Prinzip substrat-neutral möglich sein müsste (wie Heinrich Päs und andere ja auch denken), andererseits aber auch meine, dass dieses andere Substrat eben genau die Eigenschaften der kohlenstoffbasierten „lebenden“ Zellen haben müsste, damit sich im informationsverarbeitenden System ähnliche Systemeigenschaften wie im Gehirn herausbilden können. Vermutlich ist das wässrige Milieu hierfür eine notwendige Bedingung. Mich wundert, dass Christof Koch und Tononi das anders sehen.

  205. @Balanus / 20. Februar 2018 @ 11:58

    Es hat da noch einen IEP Eintrag Integrated Information Theory of Consciousness, wo u.a. auch diverse Einwände gegen IIT genannt werden, namentlich jene von Searle und Aaronson.

    Die besagte frühere Gelegenheit liess sich dann noch rekonstruieren: Der Schlumpf, der dabei Tononi ins Spiel gebracht hatte, war ich selber, bei Ludwig Trepl, und zwar hier. Zugegeben, auf “Entropie” in Verbindung mit “dynamischen Systemen” reagiere ich vielleict so ähnlich wie Pavlovs Hund. In Tononis scholarpedia Artikel sowie dem von Dir zuletzt verlinkten IIT v3.0 Paper kommt “entropy” allerdings überhaupt nicht mehr vor.

    Ein formidables Mass für die info.theoret. “Kreativität” zumindest einer grossen Klasse dynamischer Systeme ist (bekanntlich?) die Kolmogorov-Sinai Entropie. Sie sagt etwas über den Grad an Unvorhersagbarkeit des Verhaltens eines solchen Systems aus. Meines Wissens ist jedoch noch nie jemand auf die Idee verfallen, das habe schon etwas mit einer Erscheinungsform von Bewusstsein zu tun, auch wenn alle Wesen, denen wir gemeinhin ein Bewusstsein zuzugestehen bereit sind, sich ganz gewiss irgendwie unvorhersagbar verhalten.

    Die Frage, wem berechtigt die Qualität zugestanden werden kann oder soll, ein Bewusstsein zu haben, ist eigentlich eine der praktischen Vernunft, und dafür sind Hirnforscher oder Psychiater als solche eben nicht zuständig. Es ist mir durchaus vorstellbar, dass es in nicht allzu ferner Zukunft gesellschaftlich weithin akzeptiert sein könnte, dass auch gewissen autonom agierenden Automaten ein eigenes Bewusstsein zugeschreiben wird, aus ganz pragmatischen Gründen.

  206. Chrys schrieb (22. Februar 2018 @ 18:09):
    > Es ist mir durchaus vorstellbar, dass es in nicht allzu ferner Zukunft gesellschaftlich weithin akzeptiert sein könnte, dass auch gewissen autonom agierenden Automaten ein eigenes Bewusstsein zugeschreiben wird, aus ganz pragmatischen Gründen.

    Ich stelle mir diejenigen autonom agierenden Automaten als besonders akzeptabel vor, denen sich eine repräsentative Vorstellung (ein Bewusstsein ?) der gesellschaftlichen Koexistenz vor allem mit denjenigen anderen autonom agierenden Automaten zuschreiben ließe, die es besonders akzeptabel fänden, ggf. wiederum auch ihnen solches zuschreiben zu können.

  207. Nachtrag:

    Der jahrzehntelange Widerstand der Bevölkerung gegen die barbarische und pseudowissenschaftliche Affenhirnforschung hat vor kurzem einen ersten Erfolg erzielt, wenn auch noch viel zu milde: Das Amtsgericht Tübingen hat vor 2 Tagen Strafbefehl gegen den Affenhirnforscher Prof. Nikos Logothetis erlassen, der auch seit mehr als 20 Jahren in Tübingen das sinnlose LIBET-Experiment zur Untersuchung der Hand-Augen Koordination von Makaken durchführt, siehe: Strafbefehl gegen Prof. Nikos Logothetis wegen Tierquälereien in seinem Affenlabor Max Planck Institut Tübingen

  208. Zitat Chrys: „Die Frage, wem berechtigt die Qualität zugestanden werden kann oder soll, ein Bewusstsein zu haben, ist eigentlich eine der praktischen Vernunft, und dafür sind Hirnforscher oder Psychiater als solche eben nicht zuständig.“

    Das sehe ich auch so.

    Ein Beispiel für Fehlschlüsse von Hirnforschern über Bewußtsein und Willensfreiheit liefert aus meiner Sicht eine Studie von Affenhirnforschern der Universität Bochum, die über 22 Jahre tagtäglich das sinnlose LIBET-Experiment (siehe weiter oben) zur Messung der Reaktionszeit der Entscheidungen bei der Hand-Augen Koordination von Makaken wiederholt haben, und daraus Forschungsergebnisse publiziert haben, wonach ein Spickzettel dem Torwart der Fußballnationalmannschaft Jens Lehmann geholfen habe, 2 Elfmeter während der Fußball-WM 2006 gegen Argentinien zu halten:

    Siehe: Ruhruniversität Bochum – Das Hirn des Torwarts beim Elfmeter – Spickzettel half Jens Lehmann tatsächlich wie man seine Reaktion verbessern kann

    Zitate: […]„Welche Rolle hat dabei der Spickzettel gespielt, auf den Lehmann zwischen den Torschüssen immer mal wieder blickte? Hat es geholfen, zu lesen, dass Cruz häufig nach rechts schießt und Ayala nach links unten? [….] Fazit: Die Vorbereitung durchs Spicken hat Jens Lehmann also tatsächlich helfen können.“

    Abgesehen davon, dass sowohl das Gehirn, als auch die visuelle Wahrnehmung und die Motorik von Affen und Fußballern wesentlich verschieden sind, ist auch aus meiner Sicht das Fazit dieser Studie wertlos, zumal Jens Lehmann in seiner Karriere wohl unzählige Elfmeter ohne Spickzettel gehalten hat.

    Über die Aussage, dass der Fußballer Cruz beim Elfmeter „häufig nach rechts schießt“ ist anzumerken: „Häufig“ bedeutet nicht „immer“, was impliziert, dass Cruz auch nach links schießt.

    Man müsste also so präzis wie möglich vorher herausfinden, was statistisch „häufig“ bei Cruz ist und man kann es nur bei einer großen Anzahl seiner Elfmeterschüsse herausfinden: Wahrscheinlichkeitsrechnungen sagen nämlich nur rein statistisch ein Ergebnis voraus, und zwar nur für eine große Anzahl von Ereignissen – je größer die Anzahl der Ereignisse, desto statistisch richtiger sind die Voraussagen. Wenn man zum Beispiel herausgefunden hat, dass Cruz bei 100 Elfmetern 70 Mal nach rechts schießt, ist es vorteilhaft, 100 Mal vorzeitig nach rechts zu springen: Dann hat man die meisten Schüsse gehalten, nämlich 70 – lediglich für 30 Schüsse war es eine Fehlentscheidung.

    Der Torwart, der jedoch nur ein Mal bei einer WM einen Elfmeter-Schuss zu halten hat (und nicht 100 Mal), steht hier vor der Wahrscheinlichkeit 50:50: Entweder schießt Cruz nach rechts oder er schießt nach links. Tolle Voraussage… Das heißt, dass Lehmann bei einem einmaligen Schuss von Cruz gar keinen brauchbaren Hinweis aus dem Spickzettel entnehmen kann: Springt er vorzeitig nach rechts, weil Cruz „häufig“ nach rechts schießt, könnte es eine Mal sein, wo Cruz nach links schießt. Pech.

    Eine Wahrscheinlichkeitsrechnung gibt nämlich keinen Hinweis über die Reihenfolge der richtigen Voraussagen. Es gibt bei der Wahrscheinlichkeitsrechnung 50:50 Glückssträhnen, wie zum Beispiel beim Roulette-Spiel: Rot oder Schwarz haben statistisch gesehen jeweils 50:50 Chance rauszukommen, ich habe aber schon mal gehört, dass Strähnen vorgekommen sind, wo eine Farbe bis zu 20 Mal hintereinander rausgekommen ist. Nur für eine große Anzahl von Spielen ist die Wahrscheinlichkeitsrechnung 50:50 eine richtige Voraussage, jedoch auf keinen Fall für nur ein Spiel – sonst wären die Spielcasinos schon lange Pleite.

    Jens Lehmann ist also bei einem einmaligen Schuß von Cruz mit dem Hinweis des Spickzettels, dass Cruz „häufig“ nach rechts schießt, genau so klug, als ob er gar keinen Spickzettel hätte…

    Vorzeitig in die richtige Ecke zu springen ist meiner Meinung nach einzig auf das Talent des Torwarts zurückzuführen, die Motorik und den Winkel des Fußes des Elfmeter-Spielers beim Anlauf genau zu beobachten und somit die Richtung vorauszusehen. Obwohl die Elfmeter-Spieler wohl auch dabei das Talent haben, den Torwart geschickt auszutricksen, denke ich mir.

    Die Informationen aus dem Spickzettel haben also mit der Messung der Übertragungszeit von neuronalen Signalen zwischen Gehirn und Hand absolut nichts zu tun, weder im Gehirn von Menschen, noch im Gehirn von Affen. Diese Informationen sind einzig Informationen, die aus einer statistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung stammen und gar nicht mit der Messung der Übertragungszeit von neuronalen Signalen im Gehirn im Zusammenhang stehen.

    Jens Lehmann hatte nun mal vor dem Schuß von Cruz schon die Information in seinem Gehirn gespeichert, dass statistisch gesehen „Cruz häufig nach rechts schießt“. Die Übertragungszeit dieser Information ist völlig außen vor, sie wurde schon auf sein Gehirn übertragen als er vor dem Schuß auf den Spickzettel geguckt hat. Wie schnell oder wie langsam er die visuelle Information Spickzettel/Gehirn aufgenommen hat, ist hier völlig irrelevant – die Übertragungsgeschwindigkeit dieser Information war auf jeden Fall langsam, wenn man bedenkt, dass der Spickzettel in seiner Tasche war, wie man es in diesem anderen Artikel der Uni Bochum nachlesen kann.

    Die einzige Übertragungsgeschwindigkeit, die beim Halten des Schußes eine Rolle spielt, ist die Übertragungsgeschwindigkeit der visuellen Wahrnehmung des Schußes durch Lehmann, das ist die Übertragungsgeschwindigkeit Elfmeterschuss/Gehirn, und nicht die Übertragungsgeschwindigkeit Spickzettel/Gehirn.

    Die Übertragungsgeschwindigkeit Elfmeterschuss/Gehirn bei der Reaktion von Lehmann beruht jedoch hier einzig auf der Richtigkeit der statistischen Vorhersage bei der Wahrscheinlichkeitsrechnung, dass „Cruz häufig nach rechts schießt“. Wie gesagt ist diese Vorhersage der Wahrscheinlichkeitsrechnung bei einem einmaligen Schuß nicht brauchbar, weil sie dabei lautet: „Entweder rechts oder links“.

    Diese Geschichte mit dem Spickzettel hat also mit der Untersuchung der Hirnfunktionen von Affen oder von Menschen überhaupt nichts zu tun. Die Geschichte gehört eher zum Wissenschaftsfach Statistik, das sich einzig der Mathematik bedient und rein gar nichts mit der Biologie zu tun hat. Oder eher sogar zum Wissenschaftsfach Psychologie, da es anzunehmen ist, dass die demonstrative Übergabe des Spickzettels durch den berühmten Torwart Oliver Kahn an seinen Kollegen Jens Lehmann einzig ein Imponiergehabe war, um den Elfmeterspieler zu verunsichern.

    Oder kann mich hier vielleicht jemand vom Fach überzeugen, dass diese Forschungsergebnisse überhaupt aussagekräftige Erkenntnisse über Bewußtsein und Willensfreiheit liefern?

  209. @Chrys // 22. Februar 2018 @ 18:09

    »Zugegeben, auf “Entropie” in Verbindung mit “dynamischen Systemen” reagiere ich vielleict so ähnlich wie Pavlovs Hund.«

    Wenn ich Wolkenstein richtig verstanden habe, dann kann Entropie als Maß des Mangels an Information über das betrachtete System angesehen werden. Wohlgemerkt, „über“.

    Bei der IIT geht es aber allem Anschein nach um die (betrachterunabhängige) Integration von Information innerhalb eines Systems.

    Die bekannte Äquivalenz von Entropie und Information ist hier nicht ohne weiteres ersichtlich, falls sie überhaupt gegeben ist. Wobei mir das gemessene Phi der IIT aber schon eine gewisse Ähnlichkeit mit der Entropie als objektives Maß für das Fehlen von Information über das betrachtete System zu haben scheint. Genauer: Für das Fehlen von integrierter Information.

    »…auch wenn alle Wesen, denen wir gemeinhin ein Bewusstsein zuzugestehen bereit sind, sich ganz gewiss irgendwie unvorhersagbar verhalten. «

    Das schon, aber gleichzeitig verhalten sie sich auch zielorientiert. Es wäre zu fragen, ob man bei so etwas mit der Kolmogorov-Sinai Entropie weiter kommt.

    »Die Frage, wem berechtigt die Qualität zugestanden werden kann oder soll, ein Bewusstsein zu haben, ist eigentlich eine der praktischen Vernunft, und dafür sind Hirnforscher oder Psychiater als solche eben nicht zuständig.«

    Ich meine: Das (physische) Sein bestimmt (über) das (Vorhandensein von) Bewusstsein. Einerseits. Andererseits ist es wohl so, dass es einen fließenden Übergang von der unbewussten zur bewussten Existenz gibt, insofern dürfte es einen gewissen Ermessensspielraum geben, ab welchem Level es überhaupt sinnvoll erscheint, von Bewusstheit zu sprechen.

  210. @Jocelyne Lopez // 24. Februar 2018 @ 14:28

    »Oder kann mich hier vielleicht jemand vom Fach überzeugen, dass diese Forschungsergebnisse [à la Libet] überhaupt aussagekräftige Erkenntnisse über Bewußtsein und Willensfreiheit liefern?«

    Ohne Sie jetzt von irgendetwas überzeugen zu wollen (was wohl ohnehin vergebliche Mühe wäre), es kommt m. E. hierbei darauf an, welche Vorstellungen man mit dem Konstrukt „freien Willen“ verbindet. Wer meint, dass ein Entschluss zu einer bestimmten Bewegung als erstes im Bewusstsein auftaucht und dann anschließend als Bereitschaftspotential im Hirn gemessen werden kann, der könnte es dank Libet und anderen nun eigentlich besser wissen.

  211. Zitat Balanus: “Ohne Sie jetzt von irgendetwas überzeugen zu wollen (was wohl ohnehin vergebliche Mühe wäre)

    Diesen Vorwurf kann man ohnehin an jeden Diskutant in einer Diskussion richten, der eine bestimmte Position vertritt, auch an Sie, Herr Balanus. Sonst käme auch keine Diskussion zustande wenn keiner eine Meinung über die Thematik äußern würde. Insofern ist Ihr Vorwurf nicht gerechtfertigt und unnötig ad hominen. Eine bestimmte Position bei einem wissenschaftlichen Thema zu vertreten ist auch grundsätzlich nicht verwerflich. Ich versuche auch hier Forschungsergebnisse zu verstehen und zu analysieren, wie jeder an dieser Diskussion ernsthaft interessierte Teilnehmer. Außerdem gibt es auch stille Leser, die vielleicht noch keine Meinung über das Thema haben und vielleicht sogar das Libet-Experiment noch nicht kannten. Die Austauschen dienen also nicht nur dem Meinungsaustausch, sondern auch der Information.

    Zitat Balanus: „Wer meint, dass ein Entschluss zu einer bestimmten Bewegung als erstes im Bewusstsein auftaucht und dann anschließend als Bereitschaftspotential im Hirn gemessen werden kann, der könnte es dank Libet und anderen nun eigentlich besser wissen.“

    Ein der Kritikpunkte des Libet-Experiments, wohkgemerkt von Fachleuten und von den Experimentatoren selbst, ist eben, dass nicht die Bewegung selbst, sondern vielmehr das beabsichtige Ziel eine Entscheidung bedeutet, siehe zum Beispiel hier:

    Ohne Zweifel unterscheidet sich das Grunddesign der Libet-Experimente deutlich von normalen Entscheidungssituationen, in denen es darum geht, eine Wahl zwischen einer Reihe sich ausschließender Handlungen zu treffen, die man alle ausführen könnte. Kann man bei diesen Experimenten also wirklich davon sprechen, dass die Versuchspersonen überhaupt eine Entscheidung treffen? Immerhin steht die auszuführende Handlung (Bewegung der rechten Hand) von vornherein fest; außerdem musste diese Bewegung sehr häufig wiederholt werden. Die Versuchspersonen können allenfalls den zeitlichen Ablauf geringfügig variieren. Man kann daher argumentieren, dass die einzige Entscheidung vor Beginn des eigentlichen Versuches getroffen wird – nämlich dann, wenn die Versuchsperson einwilligt, an dem Versuch teilzunehmen und im folgenden vierzig mal hintereinander eine einfache Handbewegung auszuführen.“

    und

    auch Keller und Heckhausen gehen daher davon aus, dass die eigentliche Entscheidung fällt, wenn die Versuchspersonen einwilligen, die Instruktion auszuführen.“

    sowie auch hier:

    Der zweite Kritikpunkt besagt: In den Laborszenarien handelte es sich gar nicht um echte Entscheidungen. Stellen Sie sich vor, Sie sollten sich für eine Bewegung des rechten oder linken Zeigefingers entscheiden. Welche Seite würden Sie wählen? Es scheint keinen guten Grund dafür zu geben, warum man ausgerechnet den einen und nicht den anderen Finger bewegen sollte. Die Entscheidung hat weder besondere Konsequenzen noch irgendetwas mit Ihren persönlichen Wertvorstellungen oder Wünschen zu tun. Sie werden sie später auch sicher nicht bereuen und denken: Mist, hätte ich doch nur den anderen Finger genommen!“

    Eine Bewegung ist im Normalfall nur die Folge einer Entscheidung, nicht eine Entscheidung an sich: Man bewegt sich nicht willkürlich und ziellos (außer zum Beispiel Kinder aus Spiel- und Bewegungsdrang) und auch nicht bewusst (außer zum Beispiel beim Lernen und Üben eines Bewegungsablaufs). Wenn man sich entscheidet zum Bäcker zu laufen, um Brötchen zu kaufen, ist die Entscheidung „Brötchen kaufen“ und nicht „ein Fuß nach dem anderen nach vorne versetzen“. Wenn ein Pianist oder ein Gitarrist ein Musikstück spielt, ist die Entscheidung „Ich werde jetzt dieses eine Musikstück spielen“ (und kein anderes), die dazugehörige Fingerbewegungen laufen automatisiert ab und bedürfen keiner einzelnen, bewußten Entscheidung für jede einzelne Note.

    Bewegungen sind keine geeigneten Vorgänge, um Bewußtsein oder Willensfreiheit zu erforschen. Man müsste sonst allen Lebewesen, die sich bewegen, Bewußtsein oder Willensfreiheit zusprechen oder absprechen. Das ist meiner Meinung nach die grundlegendste Kritik des Libet-Experiments – wenn ich natürlich überhaupt eine Meinung darüber haben darf… 😉

  212. @Jocelyne Lopez // 26. Februar 2018 @ 07:51

    »Insofern ist Ihr Vorwurf nicht gerechtfertigt und unnötig ad hominen.«

    Sie fragten nach Argumenten, die Sie (!) überzeugen könnten. Mein Eindruck ist halt, dass es oft nicht genügt, überzeugende Argumente zu haben, um Sie von der Richtigkeit bestimmter wissenschaftlicher Erkenntnisse zu überzeugen.

    Auf Ihre Frage:

    »Oder kann mich hier vielleicht jemand vom Fach überzeugen, dass diese Forschungsergebnisse [à la Libet] überhaupt aussagekräftige Erkenntnisse über Bewußtsein und Willensfreiheit liefern? «

    hatte ich sinngemäß geantwortet, dass es da nichts zu überzeugen gibt. Weil es eben darauf ankommt, was man unter Bewusstsein und Willensfreiheit versteht. Und dann habe ich erklärt, was meiner Meinung nach Experimente vom Typ Libet zeigen (könn[t]en).

    Den Bezug zur Funktion des Bewusstseins und zur Willensfreiheit muss jeder für sich selbst herstellen, weil, ich wiederhole mich, insbesondere Willensfreiheit kein naturwissenschaftlich definierter Gegenstand ist.

    »Eine Bewegung ist im Normalfall nur die Folge einer Entscheidung, nicht eine Entscheidung an sich: …«

    So war das auch bei Libet: Der Proband traf bewusst zu einem bestimmten Zeitpunkt die Entscheidung, dann folgte die Bewegung. Doch vor der bewussten Entscheidung tauchte im Gehirn bereits das für die Bewegung benötigte Bereitschaftspotential auf.

    Das sind übereinstimmend die Ergebnisse derartiger Untersuchungen, und die gilt es halt zu interpretieren. Die meisten Fachleute interpretieren das so, dass das phänomenale Bewusstsein nicht kausal in der Initiierung der Bewegung eingebunden ist.

  213. Zitat Balanus: „Sie fragten nach Argumenten, die Sie (!) überzeugen könnten. Mein Eindruck ist halt, dass es oft nicht genügt, überzeugende Argumente zu haben, um Sie von der Richtigkeit bestimmter wissenschaftlicher Erkenntnisse zu überzeugen.“

    Ihr „Eindruck“ ist eindeutig objektiv unbegründet, es würde mir nicht genügen überzeugende Argumente zu haben, um mich von der Richtigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse des Libet-Experiments zu überzeugen.

    Ganz im Gegenteil haben mich die Argumente der fachkundigen Kritiker dieses Experiments überzeugt, die ich ausführlich weiter oben zitiert und auch reflektiert habe: Das Design dieses Experiments ist grundsätzlich ungeeignet, den Zeitpunkt einer bewußten Entscheidung im Gehirn zu datieren, denn eine Bewegung stellt im Normalfall keine echte Entscheidung dar, sondern allein der Grund bzw. das beabsichtigte Ziel einer Bewegung ist maßgebend für das Vorhandensein einer Entscheidung im Sinne der Willensfreiheit. Und der Zeitpunkt der Entstehung dieses Ziel im Gehirn kann nicht durch die Libet-Versuchsanordnung erfasst werden. Die Experimentatoren datieren sogar den Zeitpunkt der Ausübung der Willensfreiheit der Probanden vor Beginn des Versuchs, als sie eingewilligt haben an diesem Experiment teilzunehmen und die Instruktionen zu folgen.

    Doch, Herr Balanus, diese fachkundigen – und auch mit praktischer Vernunft nachvollziehbaren – Argumenten haben mich sehr wohl überzeugt, dass die Meßergebnisse aus einer konstruierten, künstlichen Situation gewonnen wurden, die keine aussagekräftigen Erkenntnisse über Bewußtsein und Willensfreiheit liefern können. Ihr ad hominem Vorwurf bleibt also weiterhin unberechtigt. 😉

    Deshalb ordne ich dieses Experiment, insbesondere seine Wiederholung an Primaten seit 40 Jahren durch die Hirnforscher, in der Kategorie „Forschungsmüll“ ein, die in einer Studie der Zeitschrift Lancet vor kurzem angeprangert wurde, siehe zum Beispiel: SPIEGEL ONLINE – Kampf dem Forschungsmüll

    —–

    NB: Außerdem hatte ich speziell danach gefragt, ob jemand mich von der Richtigkeit der Forschungsergebnisse der Uni Bochum überzeugen könnte (die mit der Methodologie des Libet-Experiments 22 Jahre invasiv an Affen wiederholt wurde), wonach ein Spickzettel dem Torwart der Fußball-Nationalmannschaft Jens Lehmen geholfen habe, während der Fußball-WM 2006 zwei Elfmeter gegen Argentinien zu halten, siehe hier: https://scilogs.spektrum.de/das-zauberwort/gibt-es-den-freien-willen-und-was-ist-realitaet/#comment-2500
    Können Sie mich mit Argumenten von der Richtigkeit dieser Forschungsergebnisse überzeugen, Herr Balanus?

  214. @Jocelyne Lopez // 27. Februar 2018 @ 09:29

    »NB: Außerdem hatte ich speziell danach gefragt, ob jemand mich von der Richtigkeit der Forschungsergebnisse der Uni Bochum überzeugen könnte …«

    Meine Antwort: Nein, das kann wohl keiner.

    »…(die mit der Methodologie des Libet-Experiments 22 Jahre invasiv an Affen wiederholt wurde),…«

    Können Sie das belegen, dass die Bochumer Forscher die Libet-Experimente an Affen wiederholt haben? Wie soll das gehen? Ich fürchte, Sie haben da etwas falsch verstanden.

  215. @Jocelyne Lopez // 28. Februar 2018 @ 13:26

    »Hier eine ein bisschen mehr detaillierte Publikation der Uni Bochum über diese Versuche: «

    Im verlinkten Artikel findet sich nichts, was an die Libet-Experimente erinnern könnte. Offensichtlich haben Sie da doch, wie vermutet, etwas nicht verstanden oder falsch interpretiert.

    Und natürlich betreiben die Bochumer Neurowissenschaftler Wissenschaft.

  216. @Jocelyne Lopez // 1. März 2018 @ 09:30

    »Im verlinkten Artikel findet sich auch nichts über die Beschreibung der Experimente, kein Wunder also, dass Sie nichts finden, was an die Libet-Experimente erinnert, logisch. «

    Und warum haben Sie ihn dann verlinkt, als ich nach Belegen fragte für Libet-Experimente an/mit Tieren? Um welche Forschungsarbeiten geht es denn dann?

  217. Hier zum Beispiel als Vergleich mit der entsetzlichen invasiven Messung der Geschwindigkeit von neuronalen Prozessen durch die Affenhirnforscher bei der Augen-Hand-Koordination von Makaken ein Kognitionstest mit Primaten, der den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden könnte und auch auf Wissenschaftlichkeit und Aussagekraft der gemessenen Werte Anspruch haben kann: Das Experiment ist nicht invasiv und nicht mit körperlichen Beschwerden und Schmerzen verbunden, das Tier hat Vertrauen zu seinem Pfleger, er weist keine Verhaltensstörung auf, was auf eine artgerechte Tierhaltung außerhalb der Versuche hinweist, es unterzieht sich dem Test am Bildschirm freiwillig und sogar spielerisch, es hat Kopf- und Bewegungsfreiheit und kann wohl selber bestimmen, wie lange es Lust hat zu spielen: https://www.youtube.com/watch?v=KHBThShCBdA

    Auch folgender Test mit Primaten würde den aktuellen gesetzlichen Anforderungen in Deutschland und Europa gerecht werden und besitzt wissenschaftliche Aussagekraft, obwohl eins der zwei Tiere geärgert wird – die vom Gesetz geforderte ethische Abwägung zwischen Leid des Tiers und wissenschaftlichem Forschungsziel wäre vertretbar (vorausgesetzt natürlich, dass die Tiere außerhalb der Versuchszeit artgerecht in geräumigen Gehegen und in größeren, gemischten Gruppen gehalten werden): https://www.welt.de/videos/video145802995/Affen-wollen-Trauben-keine-Gurken.html

  218. @Jocelyne Lopez // 1. März 2018 @ 17:14

    »…mit Affenversuchen nach dem Grunddesign des Libet-Experiments (Messung der neuronalen Übertragungszeit zwischen einem visuellen Reiz und einer Handbewegung) durchgeführt wurden, wie ich es weiter oben beschrieben habe:…«

    Vielleicht sollten Sie noch mal nachlesen, was genau Libet gemacht hat und was die Bochumer gemacht haben.

    »So, und jetzt möchte ich gerne von Ihnen die wissenschaftlichen Argumente hören, wonach ein Spickzettel Jens Lehmann “tatsächlich geholfen” habe, die 2 Elfmeter zu halten. «

    »Fazit: Die Vorbereitung durchs Spicken hat Jens Lehmann also tatsächlich helfen können.«

    So steht es in der Pressemitteilung. Und in der Tat, die durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen an Rhesusaffen legen dieses Fazit nahe.

    Noch Fragen?

  219. @eine Welt

    Der Feststellung, es gebe nur eine Welt, würde ich gerne in logisch-positivistischer Manier entgegnen: Woher sollen wir das wissen? Würde irgendeine Messung oder Beobachtung, irgendein Experiment, irgendeine Theorie in unserer Welt anders ausfallen, wenn es neben unserer Welt viele andere gäbe?

    Wohlgemerkt: Es geht mir hier nicht um Beschreibungen der Welt. Davon gibt es viele. Sondern um eine wirklich ontologische Aussage.

    Meine Vermutung ist, dass die Antwort auf meine letzte Frage “nein” ist und damit naturwissenschaftlich gar nichts darüber ausgesagt werden kann, ob es nur eine oder viele Welten gibt. Insofern spricht Carroll dann als Philosoph, nicht als Naturwissenschaftler. Das wäre nicht das erste Mal.

    • @eine Welt: Naja, erstmal muss man sich wie immer klarmachen, was man unter „Welt“ versteht. Tatsächlich sind sowohl Carroll als auch ich Anhänger der „Viele-Welten-Interpretation“ der Quantenphysik, was der obigen Aussage ja eigentlich zu widersprechen scheint. Dabei geht man allerdings davon aus, dass die Vielen Welten der Quantenphysik nur Teile eines „Multiversums“ sind, und man dieses Multiversum dann als „eigentliche Welt“ ansehen kann. Ich würde also als Definition für Welt entweder vorschlagen: Alles, was physikalisch existiert. Dann ist die Aussage „Es gibt nur eine Welt“ freilich tautologisch. Oder: Alles, was prinzipiell zu irgendeiner Zeit miteinander in Wechselwirkung treten kann. Dann kann es natürlich andere, völlig entkoppelte Welten geben, aber deren Existenz wäre für uns in keiner Weise relevant. Beide Aussagen führen dann dazu, dass eine fundamentale Naturbeschreibung keine außerweltlichen Einflüsse haben kann. Und das würde ich als Naturalismus bezeichnen (womit wir bei Ihrer Diskussion mit anton reutlinger in Ihrem Blog wären).

  220. @freier Wille

    Danke für den Hinweis auf einen meiner eigenen Artikel zum Thema.

    Doch mir ist jetzt am Ende dieses Beitrags nicht klar, inwiefern es einen “freien Willen” geben soll – in einem ontologischen Sinne. So weit, den freien Willen als moralische Notwendigkeit zu postulieren, war Immanuel Kant immerhin schon.

    Unsere Praxis des freien Willens (bsp. in der Erziehung, Moral und im Recht) ist sicher ein soziales Konstrukt und kontingent in dem Sinne, dass sie anders sein könnte (und zweifellos in der Geschichte schon einmal anders war). Über den freien Willen zu philosophieren, scheint mir auch sehr ein typisch westliches Phänomen zu sein.

    Philosophisch und psychologisch wäre es aber doch interessant und wichtig, jetzt ontologisch gedacht, ob ein freier Wille nicht nur für eine sinnvolle Beschreibung menschlichen Handelns verwendet werden kann (Antwort: ja) oder gar muss (Antwort: vielleicht?), sondern ob dem auch ein tatsächlicher psychologischer Prozess entspricht. Dazu haben freilich die Kompatibilisten in den letzten Jahrzehnten viel geschrieben.

    • @freier Wille: Die Vorstellung, die ich hier versucht habe zu entwickeln, geht eben davon aus, dass man auf verschiedenen Beschreibungsebenen verschiedenen Dingen Realität zusprechen kann. Aktiengesellschaften sind ein sinnvolles Element unserer Realität als Agenten im Wirtschaftsgeschehen, aber auf der Ebene der Elementarteilchen existieren sie nicht. Sie sind auch nicht mit einer bestimmten materiellen Basis identifizierbar, sondern beschreiben eine emergente Funktion. Das gleiche gilt für biologische Organismen. So stelle ich mir auch den freien Willen vor. Als ein sinnvolles Element einer emergenten Weltbeschreibung, das einem Determinismus auf fundamentalerer Ebene nicht widerspricht. (Das hat nichts mit moralischer Notwendigkeit zu tun). Dass kann dann auf einen psychologischen Prozess reduzierbar sein, muss es aber nicht. Da zu spekulieren, reicht mein Wissen nicht aus. Auf Ebene der fundamentalen Physik bin ich mir ziemlich sicher, dass man dort keinen freien Willen findet, ja dass so etwas wie freier Wille dort gar nicht definierbar ist. Aber auch das ist mit einer Aktiengesellschaft nicht anders.

  221. Now consider you want to derive the theory for the large objects (think humans) from the theory for the small objects (think elementary particles) but in your derivation you find that one of the functions has a singularity at some scale in between. This means you need new initial values past the singularity. It’s a clean example for a failure of reductionism, and it implies that the laws for large objects indeed might not follow from the laws for small objects.

    It will take more than this to convince me that free will isn’t an illusion, but this example for the failure of reductionism gives you an excuse to continue believing in free will.

    http://backreaction.blogspot.com/2018/07/limits-of-reductionism.html

  222. Karl Mistelberger schrieb (7. Juli 2018 @ 13:01):
    > Now consider you want to derive the theory for the large objects (think humans) from the theory for the small objects (think elementary particles) but in your derivation you find that one of the functions has a singularity at some scale in between. […]

    Dabei wird doch offenbar vorausgesetzt bzw. unterstellt, dass eine Theorie und d.h. insbesondere eine (nachvollziehbare) Definition derjenigen Messgröße schon formuliert und ausgewählt worden wäre, deren Wertebereich u.a. die genannten Werte “large” und “small” und “scale in between” umfasst;
    also (vermutlich) eine Theorie geometrischer (einschl. kinematischer) Beziehungen zwischen den genannten (unterscheidbaren, identifizierbaren) “objects“.

    (Der Rest ist Variationsrechnung. …)

  223. Ein freier Wille ist ein zufälliger Wille. Frei bedeutet unabhängig. Ein freier Wille darf also keine Ursache(n) haben.
    Der Wille ist nur dann frei, wenn er nicht von etwas abhängt und etwas, was passiert, was nicht von etwas abhängt, passiert zufällig, da es ja keine Ursache hat, von der es abhängen könnte.
    Genauso betrifft das den freien Teil eines Willens, der teilweise frei wäre. Der andere Teil wäre dann kausalen Ursprungs.
    Sowohl ein kausaler als auch ein zufälliger Wille ist nicht vom Bewusstsein selbst bestimmt.

    Wenn ein Mensch X exakt den gleichen Körper und exakt die gleichen Erfahrungen wie Mensch Y hätte, was könnte eine Ursache sein, wenn es nicht der Zufall ist, Mensch X anders handeln zu lassen? Wenn es da keine gibt, könnte auch Person Y nicht anders handeln als sie es tut. Außer der Zufall würde sein Handeln beeinflussen, was ich nicht glaube, aber auch das wäre ja dann nicht selbstbestimmt.

    Ein selbstbestimmtes Handeln ist gleichbedeutend mit der Fähigkeit, die Stärke des Wollens zu beeinflussen, d.h. wenn das möglich wäre, würde es niemanden geben, der seinen inneren Schweinehund nicht überwinden könnte.
    Denn man könnte sich ja z.B. einfach dafür entscheiden, Sport treiben mehr zu wollen und würde das dann auch ganz einfach machen. Es gäbe also nichts, was einen daran hindern könnte.

  224. d.h. wenn das möglich wäre, würde es niemanden geben, der seinen inneren Schweinehund nicht überwinden könnte.

    Ich glaube, viele Lebensberater machen ihr Geld genau damit, zu sagen, dass jeder das könne. 😉

    Aber zum Thema: Es zeigt wieder, wie unmöglich es ist, das Wort “frei” und “Willen” zusammen zu bearbeiten. Wobei ich glaube, dass die meisten Leute den Zufall nicht als Abhänigkeit für den Willen nennen würden. Wenn man das nämlich macht, könnte man als nächsten fragen, was den Zufall steuert, was wiederum definitionsgemäß unsinnig ist.

    Mutig finde ich die Aussage mit den beiden identischen Menschen. Solche Voraussetzungen sind nicht erfüllbar und damit nicht zu testen.

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