Verkauft Peru sein Kulturerbe?
BLOG: Das Sabbatical
Streik in Peru ist anders, als ich das von Deutschland gewöhnt bin. Nichts geht mehr in Cusco. Die Kinder bleiben von der Schule daheim – zu gefährlich. Kein Bus fährt mehr, auch kein Taxi. Die Straßensperren aus dicken Steinen und großen Autoreifen werden von kampfesmutigen Männergruppen bewacht oder sie spielen dort einfach Fußball. Nur Krankenwagen dürfen durch. Die kleinen Läden haben geöffnet, Straßenhändler machen das Geschäft ihres Lebens. Die großen Supermärkte hingegen haben die Rollgitter halb heruntergelassen, um im Fall einer Attacke schnell komplett schließen zu können. Die Banken haben zu, die Behörden auch, das öffentliche Leben erliegt. Dafür flanieren Familien auf den Hauptverkehrsstraßen in Feierstimmung. Und trotzdem liegt eine gewisse Anspannung in der Luft. Lagen eskalieren schnell, hier in Peru.
Und warum das Ganze? Nach Ansicht vieler Menschen droht Peru, sein Kulturerbe zu verkaufen. Klammheimlich wurde nämlich von der Regierung ein Gesetz erlassen, dass geschichtsträchtige Kulturstätten und Nationalparks privatisiert werden dürfen. Die Umsetzung zu verhindern, dazu haben sich die Menschen jetzt zusammengeschlossen. Sie nehmen Unannehmlichkeiten und Einkommensverluste in Kauf, denn sie fürchten, dass nicht nur am Machu Picchu ein Disneyland auf Peruanisch entstehen könnte.
Bislang genießen die Peruaner, die ja zumeist ein deutlich niedrigeres Einkommen aufweisen als die Touristen, fast überall Vorzüge. An manchen Tagen dürfen sie gratis auf den Machu Picchu, im Colca Canyon zahlen sie für das Touristenticket nur 20 statt 70 Soles und die Inkastätten und Nationalparks dürfen sie auch zu einem Bruchteil der Kosten für Ausländer besuchen. Und trotzdem haben viele Menschen in Cusco das Nationalheiligtum Machu Picchu noch nie gesehen, denn der Zug dorthin (das einzige Verkehrsmittel) wurde schon lang privatisiert und die Preise damit erhöht. “Das würde mit Privatinvestoren überall geschehen”, fürchten viele Peruaner die Kommerzialisierung. Ganz zu schweigen davon, dass sie glauben, dass dann Großprojekte wie Seilbahnen entstünden, die den Monumente und Parks eher schaden als nützen .Die Peruaner sind stolz auf ihr kulturelles Erbe, sie wollen es vor Ausbeutung bewahren und dafür streiken sie.
Und es liegt eine beschauliche Ruhe über der Stadt, sogar die Straßenhunde genießen ungestört die Sonne auf dem Mittelstreifen, der sonst umtost ist von Verkehr. Das Fahrrad erlebt eine Renaissance und ich gerate kilometerlang ins Zentrum stapfend ins Grübeln. Würden die Menschen in Heidelberg streiken, wenn das Schloss privatisiert werden sollte?
P.S. Der Protest hat gewirkt. Das Gesetz wurde vom Kongress gekippt.
Ich glaube kaum, dass man das Schloss in Heidelberg mit einem der neuen Weltwunder dem Machu picho vergleichen kann. In keinem betracht. Diese Frage zeigt einem nur, daß ihr bisher wenig verstanden habt!
1. Es geht allgemein um Kulturgüter, a) die für die einheimische Bevölkerung eine große Bedeutung haben und b) auch dem Rest der Leser hier zumindest ein Begriff sein dürften. Da ist der Vergleich mit dem Heidelberger Schloss durchaus naheliegend – ganz egal, wie alt oder wertvoll das Schloss nun sein mag.
2. Ein Vergleich ist nicht automatisch eine Gleichstellung.
Hallo Kirsten,
sehr schöner Artikel!
Dafür lohnt es sich doch wirklich mal zu streiken und das ganze Verkehrs-Chaos auf sich zu nehmen. Soweit ich weiß, gibt es für die Einheimischen aber einen lokalen Zug. Das heißt, sie müssen nicht mit den überteuerten Touristen-Zügen fahren.
Liebe Grüße nach Peru,
Nora
Ich stimme Andres da zu. Blödsinniger Vergleich und ich gehe auch mal davon aus, dass die Angst der leite zum größten Teil unbegründet ist. Aber ja, ein Investor hat bestimmt reichlich Interesse einen Vergnügungspark am einen der Weltwunder zu bezahlen. Wer zahlt denn momentan für die ganze Instandhaltung und alles weitere? Die Peruaner wohl kaum, sondern eher die “reichen Gringos” (alle ausländischen Touristen). Privatisierung heißt nicht immer, dass es dadurch schlechter wird.
Ich finde es ja generell schlimm bei den Preisen Unterschied zwischen Ausländer und Einheimischen zu machen, so ist mir das auch noch nie irgendwo anders aufgefallen, dass ich für eine Attraktion wie Alcatraz oder wie auch immer mehr zahlen musste als die einheimische
Und man muss mal sehen, wem dieser Streik nun auch nur Nachteile bringt. Vielen Peruanern die auf ihre Tageseinnahmen angewiesen sind und die ganzen Touristen, die aufgrund des Streiks nun nicht mehr von A nach B kommen und dadurch irgendwelche weiteren Züge, Flüge oder Busse verpassen. Und wer kommt dann für deren kosten auf? Wahrscheinlich niemand, die Ausländer haben es ja…
Unterschiedliche Preise je nach Nationalität gibt es sogar in Europa (wo das Argument “die arme lokale Bevölkerung soll es sich ja auch leisten können” nicht wirklich zieht). Allerdings wird nur zwischen “EU-Bürgern” und “Nicht-EU-Bürgern” unterschieden, schätze mal da steckt irgendeine Regelung aus Brüssel dahinter. Deswegen fällt einem das hier nicht so auf.
Unterschiedliche Preise je nach Nationalität gibt es sogar in Europa (wo das Argument “die arme lokale Bevölkerung soll es sich ja auch leisten können” nicht wirklich zieht). Allerdings wird nur zwischen “EU-Bürgern” und “Nicht-EU-Bürgern” unterschieden, schätze mal da steckt irgendeine Regelung aus Brüssel dahinter. Deswegen fällt einem das hier nicht so auf.
Ich denke nicht, dass hinter unterschiedlichen Preisen in der EU Brüssel steckt, eher umgekehrt. Brüssel weiß nichts davon. Es scheint mir eher ein Verstoß gegen EU-Recht zu sein, weil es eines Diskriminierung ist.
‘Geschichtsträchtige Kulturstätten und Nationalparks’ zu privatisieren, muss keine schlechte Idee sein; der Staat könnte als Erhalter des dbzgl. Bestands schon Privaten deutlich unterlegen sein.
Arbeitsplätze, Mehrwert und Wohlstand zu generieren, gelingt Privaten oft ganz gut, wie bspw. auch im ehemaligen “Ostblock” gelernt werden konnte.
Unterschiedliche Preise, in diesem Fall: Eintrittspreise, sind ein interessanter Punkt, eine Lösung könnte hier sein, dass sich der verkaufende Staat ausbedingt, dass regelmäßig (auch kurzfristig angekündigte) Tage mit freiem Eintritt stattfinden, von denen der Anreisende nicht profitieren kann, der Einheimische schon.
MFG + schönes Wochenende!
Dr. W (dem, mit Verlaub!, dieser soziale Touch ein wenig auf die Nerven geht, auch möglicherweise böse ‘Seilbahnen’ betreffend)
Der Bau einer Seilbahn in Machu Picchu dürfte mit dem Welterbetitel der UNESCO nicht vereinbar sein. Wenn das passiert, entzieht die UNESCO höchstwahrscheinlich diese Auszeichnung. Eine Seilbahn ist einerseits eine ästhetische Verschandelung der grandiosen Szenerie, erhöht andererseits den Besucherstrom massiv.
Laut wikipedia fordert die UNESCO schon jetzt eine Reduzierung der Touristenzahl von 2000 auf 800 Besucher täglich. Man kann natürlich auf den Welterbetitel pfeifen, wie Dresden. Money talks.
https://de.wikipedia.org/wiki/Machu_Picchu#Tourismus
Eine Privatisierung von nationalen Kulturgütern ist in der Tat nicht akzeptabel, allerdings müsste man genauer die Bedingungen wissen. Sicherlich gelten weiterhin Regeln des Denkmalschutzes. Aber ein auf Gewinn orientiertes Unternehmen könnte diesbezüglich auf einem oder zwei Augen blind sein. Letztendlich ist es auch eine Frage des Nationalstolzes, ob man Stätten wie Machu Picchu veräußert. Oder geht es nur um einen privatwirtschaftlichen Betrieb? Das wird hier nicht ganz klar. Auch dieser kann problematisch sein.
Das Heidelberger Schloss rangiert in der Tat nicht in derselben Gewichtsklasse wie Machu Picchu. Geeigneter wären Beispiele wie Kölner Dom, Neuschwanstein oder die Dresdner Staatlichen Sammlungen. Dresden hat übrigens den Weltkulturerbetitel für die Waldschlösschenbrücke dran gegeben.
Übrigens spielen in Deutschland manche Politiker mit dem Gedanken, Kunst zu verkaufen, um Haushalte zu sanieren, siehe den Verkauf von Tripple Elvis in Nodrhein-Westfalen durch eine landeseigene Spielbank.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/westspiel-versteigert-andy-warhol-bilder-fuer-rekordsumme-a-1002625.html
Staatlicher Museumsbesitz lässt sich in der Regel nicht so einfach verkaufen, aber wenn das Museum privatisiert wird und nur als Privatunternehmen im Besitz des Landes (oder der Gemeinde) bleibt, dann ändern sich unter Umständen die Bedingungen, siehe “Westspiel”.
Also bei diesem ‘klammheimlich’ steifen einige schon ein wenig ab, Gesetze in Peru werden nicht ‘klammheimlich’ von Mandatsträgern im Parlament beschlossen (vs. ‘erlassen’), Peru ist eine Demokratie aufklärerischer Prägung oder eine Republik.
Hier darf besser beigebracht werden, hier darf beigebracht werden, was die Privatisierung von ‘geschichtsträchtige[n] Kulturstätten und Nationalparks’ genau bedeutet; einige gingen beim Lesen des Artikels davon aus, dass nun verstärkt privat bewirtschaftet werden soll.
Abär, weil der Schreiber dieser Zeilen nett ist, ein schönes Wochenende schon mal allen Mitllesenden!, wird nun ein wenig recherchiert, …, Moment, …, …, …, gleich wieder da…
OK, vgl. :
-> http://www.state.gov/e/eb/rls/othr/ics/2012/191217.htm
-> http://perureports.com/2015/09/28/private-companies-to-manage-perus-archaeological-sites/ (‘Peru’s culture minister Diana Alvarez said that cultural heritage sites will remain property of the state, but services such as cleaning, security, restaurants and museums may be outsourced to private companies for periods no greater than ten years.’)
-> http://perureports.com/2015/10/23/peru-repeals-tourism-privatization-law-after-protests/
…ischt also alles bereits wieder “gegessen” und es geht im Sinne einer Staatswirtschaft weiter.
HTH
Web Dr. Baer