Telma Gonzales: Cusco-Heidelberg und zurück
BLOG: Das Sabbatical
Telma Gonzales ist so peruanisch, wie sich ihr Name anhört. In Lima geboren, in Cusco aufgewachsen, betreibt sie ein Geschäft mit Anden-Artikeln gleich um die Ecke der weltberühmten Kathedrale und des Plaza de Armas am „Nabel der Welt“, wie die Inkas Cusco nannten. Ihre Lebensgeschichte ist die einer mutigen und intelligenten Frau in einer globalisierten Welt. Doch Telma hat heute einen deutschen Pass und keinen peruanischen mehr – Grund dafür sind die deutschen Bedenken gehen die Doppelstaatlichkeit. Aber wer weiß, vielleicht meistert sie diese Klippe auch noch und bekommt eine Ausnahmegenehmigung. Zuzutrauen wäre es ihr.
Ansonsten dominiert heitere Gelassenheit und ein Hauch von Weisheit ihr Dasein. Die holt sich die weltläufige Frau auf langen Spaziergängen in den Ruinen gesäumten Hügeln oberhalb Cuscos mit ihrem Labrador „Ikarus“. Telma Gonzales hat zwischenzeitlich nicht nur ihren deutschen Nachnamen „Armbruster“ abgelegt, sondern ist vor zehn Jahren sehr bewusst zu ihren Wurzeln zurückgekehrt – nach Jahrzehnten in den USA, Venezuela, Paris, Berlin und vor allem Heidelberg. Hier wurde ihre Tochter Chaska geboren, die heute in Österreich in Psychologie promoviert, hier hat sie 27 Jahre ihres Lebens verbracht. Und hierher stammt auch ihr Hund, der uns begleitet, sich genüsslich in den Schlammkuhlen wälzt und dann den Teich schwimmend durchpflügt.
Wir segeln auf einer Wellenlänge, ich habe das Gefühl, diese aparte Frau, mit dem großen Herzen und den klugen Augen schon ewig schon zu kennen. Wir sind uns in Heidelberg nie begegnet, das Schicksal wollte uns hier zusammenführen. Und so erzählen und schweigen wir in vertrauter Gemeinsamkeit. Telma sammelt Menschen wie andere Briefmarken, viele begleiten sie schon fast ein Leben lang, andere kommen frisch dazu und genießen die Wärme und ihre zugewandten Worte, die sie in fünf Sprachen auszudrücken versteht.
Aufgewachsen ist Telma Gonzales als älteste Tochter von Eltern, die sich an der Universität kennengelernt hatten, in der Nähe Cuscos auf der Hacienda des Großvaters. Zu ihren zwei jüngeren Brüdern pflegt sie immer noch innigsten Kontakt. Dieser Kindheit verdankt sie solide Kenntnisse in der Eingeborenensprache „Quechua“. Für die Eltern war Bildung unglaublich wichtig. Nicht nur das Kopfrechnen am Mittagstisch, sondern auch die Herzensbildung. „Alle Menschen sind gleich“, vermittelte der Vater seinen Sprösslingen. Er war Begründer der kommunistischen Partei in Cusco, diese Überzeugung bescherte Telma den Zweitnamen Ninoschka, den sie mit großem Stolz trägt.
Der Mutter – sie war bis zu ihrem Tod vor einem Jahr im Alter von 95 Jahren – erste weibliche Inhaberin eines Souvenirladens in Cusco – waren Fremdsprachenkenntnisse der Kinder wichtiger. So kam es, dass zwei amerikanischen Touristen es nicht fassen konnten, dass die neunjährige Telma ihnen in fließendem Englisch die Vorzüge von echten Alpakapullis erklären konnte, die in der mütterlichen Manufaktur entstanden waren.
Das amerikanische Paar beließ es nicht beim Erstaunen. Mit 17 Jahren erhielt Telma einen dicken Umschlag mit allen Unterlagen für ein vierjähriges Collegestipendium in Ohio. Dort setzte sie das schon in Peru begonnene Betriebswirtschaftsstudium fort. So katastrophal die Erlebnisse in den Gastfamilien waren, so sehr genoss sie die internationale Atmosphäre am College. Aus Ghana, Japan und Panama kamen die Kommilitonen und Kommilitoninnen – letztere war sogar die Tochter des damals amtierenden Präsidenten. „Ich bin mit dem richtigen Fuß auf die Welt gekommen“, formuliert Telma dankbar.
Das Glück sollte sie nicht verlassen. Mit 23 Jahren leitete sie in Puno am Titicacasee die Filiale einer japanischen Reiseagentur, erhielt Gehalt, Wohnung, Auto und konnte ihre Mutter unterstützen, die vom Vater verlassen worden war. Das Fernweh blieb. Französisch wollte sie lernen, nicht irgendwo, sondern natürlich in Paris. Ihr japanischer Chef erspürte das, ließ sie aber nicht ohne Zwischenstopp in Venezuela gehen. Dort arbeitete sie für einen Freund von ihm im Sekretariat der Abteilung „Reifen“ eines chemischen Betriebes, bis sie eine Stelle als Reservierungsmanagerin im Luxushotel „Sheraton“ fand. Eine mondäne Umgebung mit einflussreichen Menschen, wo sie ihre erste wirkliche Liebe, einen Deutschen aus Berlin kennenlernte, ihn aber wegen ihres Traumes, Französisch zu lernen, doch nicht heiratete.
In Paris angekommen, war ihr auch dort wieder der Zufall hold, sie fand Arbeit bei einer Fluggesellschaft, verdiente gut und konnte vier Mal im Jahr nach Hause fliegen. Doch nach drei Jahren hatte sie genug. Vor ihrer Rückreise wollte sie ihre Freundin Mechthild, eine Entwicklungshelferin, die sie während ihres ersten Jobs in Puno kennengelernt hatte, in Heidelberg besuchen. Am Abend gingen die beiden miteinander aus und unterhielten sich angeregt auf Spanisch über den gut aussehenden Mann am Nebentisch, seine schönen Augen, seine Ausstrahlung… Bis der dann auf Spanisch Telma am nächsten Tag zum Kaffee einlud. Feuerroter Kopf unter schwarzen peruanischen Haaren, aber der Beginn einer großen Liebe zum späteren Vater ihrer Tochter. Doch auch hier ließ sich die selbstbewusste junge Frau Zeit. Drei Jahre vergingen, bis sie nach der Heirat in Cusco nach Deutschland übersiedelte, dort 27 Jahre blieb und Wurzeln schlug.
„Dieses Land hat mir so viel gegeben“, sagt sie, „die Menschen sind wirklich großzügig“. Sie selbst hat 50-jährig mit einer ganz besonderen Ich-AG in Heidelberg für Aufsehen gesorgt. Im Stadtteil Handschuhsheim gründete sie im Altenheim Sankt Hedwig eine Sprachschule für Grundschulkinder und alte Menschen. Ein Sprung ins kalte Wasser, der für Furore sorgte und ihr den Bürgerpreis der Stadt einbrachte. Schlüssel zum Erfolg waren neben ihrer quirligen Kreativität vor allem die peruanische Wärme und Mitmenschlichkeit, die im kühlen Deutschland ihre Spuren hinterließen.
„Ich habe so viel Glück im Leben gehabt, so viel gesehen, so viel Unterstützung bekommen, davon möchte ich ein bisschen zurückgeben“, beschreibt sie, was sie heute antreibt. Doch nicht alles war Gold, im Leben der Telma Gonzales. Das Scheitern ihrer Ehe war nicht zu verhindern und es zog sie mit Macht zurück nach Peru. Als ihre Tochter 20 geworden war, setze sie den Wunsch in die Tat um. So konnte sie ihre Mutter auf den letzten sieben Jahren ihres Lebens begleiten. Heute hat sie deren Häuschen geerbt, betreibt den Laden, fungiert als Dolmetscherin und beginnt im Herbst ein Studium zur Fremdenführerin. „Neugierde sollte das Letzte sein, was ein Mensch vor seinem Tod aufgibt“, sagt sie und lächelt. Ich werde es mir merken.
Liebe Kirsten Baumbusch, würde ich Telma nicht schon seit 2009 kennen und schätzen, so hätte ich nach Ihrem absolut treffenden Artikel große Lust, diese tolle Frau kennenzulernen. Sie ist die “Kommunikationszentrale” für uns Deutschsprachige hier in Cusco, und außerdem eine Freundin, wie man sie sich nicht besser wünschen kann. Viva Telmita!
Andrea Kurz
Ein wunderbarer Artikel ueber eine ungewoehnliche Frau, meine liebe Freundin Telma!
Leider lernten wir erst in den letzten Stunden in Cusco das Geschäft und Telma kennen-schade viel zu spät! Nachdem sie erfuhr, dass wir aus Heidelberg kamen- und ich obendrein in Neuenheim wohne, war ihre Freude groß und wir gingen beschenkt mit Glücks-Stierchen weg. Zurück in HD erzählte ich von der beeindruckenden Begegnung meiner Schulfreundin, ehem. Apothekerin in der Brückenstrasse. Und sie kannte Telma und irgendwann fiel ihr auch der Name “Armbruster” ein und so fand ich den Artikel. Viele liebe Grüße von ihr und uns, den Peru-Reisenden