Mit der Wasserfrau in den Colca-Canyon

BLOG: Das Sabbatical

Abenteuer Auszeit
Das Sabbatical

„Wasser ist Leben“, sagt Maria Kunzelmann mit einem begeisterten Blick auf die grünen Flecken im ansonsten staubtrockenen Colca-Canyon und sogar hinter der dunklen Sonnenbrille ist zu ahnen, dass ihre Augen mit der Sonne um die Wette strahlen. Die 47-jährige Biologin aus Königsfeld in der fränkischen Schweiz ist Entwicklungshelferin, Naturwissenschaftlerin mit hoher Affinität zur Technologie und überdies mit einem Faible für alles, was mit Wasser und Abwasser zu tun hat. Dass sie hierzu beratend in Peru tätig sein kann, kommt der Erfüllung eines Lebenstraumes gleich.
Zwar träumte schon die kleine Maria, die in der Schule immer die Größte war, von fernen, fremden Ländern; in die Wirklichkeit umgesetzt hat sie diese Sehnsucht jedoch erst in einem Alter, in dem sich die meisten Menschen schon längst mehr oder weniger zufrieden in der deutschen Behaglichkeit eingerichtet haben.

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Arequipa im Süden des Landes ist das richtige Fleckchen Erde für jemanden wie Maria. Wenn die ehrgeizigen Projekte klappen, dann wird die Millionenstadt die erste peruanische Kommune sein, deren Abwasser komplett erfasst und gereinigt wird. Das ist auch bitter notwendig, denn der Rio Chili, so heißt die Lebensader der Wüstenstadt, ist biologisch tot, nachdem der Fluss Arequipa passiert hat. Fast genauso kompliziert ist die Gewinnung des lebensspendenden Nass. Die zwei bis drei Monate Regenzeit reichen kaum aus, um die Speicher in den Bergen zu füllen. Droht dann noch wie derzeit das Klimaphänomen „El Niño“, dann denken die Verantwortlichen bereits darüber nach, wie viel Stunden am Tag das Wasser abgestellt werden muss, um ein Jahr ohne Regen zu überstehen.

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Früher spendeten wenigstens die Gletscher der bis zu 6000 Meter hohen Berge zuverlässig Wasser, doch der Klimawandel, der in Lima für Schlammlawinen sorgt, ist in Arequipa dafür verantwortlich, dass sich die Eismassen gewaltig reduziert haben. In den Aufbereitungsanlagen wird das Wasser filtriert, chloriert, mitunter auch mittels UV-Licht desinfiziert und es werden Stoffe ausgefällt. Eigentlich sollte das reichen, um Wasser aus dem Hahn trinken zu können, trotzdem wird davor gewarnt und alle kochen es ab. Grund dafür sind Keime in den Leitungen und eine Choleraepidemie vor 20 Jahren, die den Menschen immer noch tief ins Gedächtnis gegraben ist.

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Schon als Kind muss Maria ein ungewöhnliches Mädchen gewesen sein. Der Sport, vor allem Handball, war ebenso ihr Metier wie die Natur, Wiesen, Felder und Wald, eine richtige Dorfkindheit eben, die sie als Tochter des örtlichen Schmiedemeisters mit ihren beiden jüngeren Brüdern verbrachte. Noch heute erinnert sie sich, dass es bei der Berufsberatung eine Broschüre für Entwicklungshelfer gab, die sie magisch anzog. „Nichts für mich“, lautete damals allerdings die Erkenntnis für die mathematisch-naturwissenschaftlich begabte Jugendliche, „mehr was für Leute mit ausgeprägter sozialer Ader“.

Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Ingenieurassistentin Fachrichtung Datentechnik, heute Industrietechnologin, bei Siemens und arbeitet mehrere Jahre darin. Eine Australienreise ließ dann das Fernweh mit Vehemenz durchbrechen. „Ich wollte auswandern“, erinnert sie sich, doch wieder war es der ungeeignete Beruf, der das verhinderte. Ein Ausstieg wurde es dennoch und zwar aus dem gelernten Beruf in das Studium der Biologie. Auch hier suchte und überlegte sie auf ihre akribische Art lange, bis sie Würzburg als Universität wählte, denn dort gab es den Schwerpunkt der Biotechnologie. Darüber wiederum entwickelte sich ein Praktikum in der Kläranlage. Die Abwassertechnik faszinierte sie dermaßen, dass sie ihre Diplomarbeit über ein intelligentes Reglersystem schrieb und aus dem Studium heraus eine Anstellung fand. Technischer Vertrieb und Projektmanagement waren für Jahre die berufliche Heimat.

Bis ein Wechsel anstand und sie sich dazwischen zehn Wochen Auszeit gönnte. Auch dies wieder auf ihre überlegte Art geplant, nicht ins Blaue, sondern wohl vorbereitet. Der Traum von Lateinamerika sollte wahr werden und ein Spanischkurs sie vorbereiten. Die Lehrerin stammte aus Sucre in Bolivien und erzählte von den dortigen Friedhofskindern (http://lorenzerladen.mws3.de/boliviengruppe). Um Maria war es geschehen.

Zurück kam sie fasziniert von Land und Leuten, deren Zuversicht und Gottvertrauen, deren Freude an den kleinen Dingen des Lebens. Sogar Panflöte zu spielen hatte sie begonnen. „Es fühlte sich an wie eine zweite Heimat“, erzählt sie. In Deutschland wurde sie in einem Spendenprojekt für die Friedhofskinder aktiv, verbrachte den nächsten Jahresurlaub wieder in Sucre und stieg nach zwei Jahren für ein Sabbatjahr aus. Knochenhart war die Arbeit mit den Kindern, doch die Technikerin lernte, dass auch soziale Tätigkeit ungemein erfüllend sein kann. „Und Kinder sind ja schließlich unser aller Zukunft, oder?“, sagt sie und führt weiter aus, „wenn sie lernen, in Frieden zu leben, eine Ausbildung bekommen, Mutter Erde achten, dann kann sich auch ein bettelarmes Land wie Bolivien gut entwickeln“.

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Der Zufall wollte es, dass das Kolping-Hotel, in dem sie untergekommen war, eine neue Geschäftsführerin brauchte. Maria bewarb sich und wurde Managerin der Hotellerie. Ein aufreibender Job, der sie vieles lehrte, vor allem auch den Umgang mit den Menschen in Lateinamerika. Nach anderthalb Jahren kehrte sie zwar nach Deutschland zurück, doch die Sehnsucht blieb.

Eine Zusatzausbildung in internationalem Projektmanagement, Schwerpunkt internationale Zusammenarbeit, brachte die Wende. Das vorgeschriebene Praktikum hätte sie gerne in Peru gemacht, doch Proagua, wo sie sich beworben hatte, bot kein Praktikum. Indes an einer Entwicklungshelferin mit ihrem Profil war man kurz darauf interessiert. Und so ist sie seit März 2015 für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Land. Ihr Auftrag: das Programm zur Modernisierung und Stärkung des Wasser- und Abwassersektors zu beraten und eine duale Ausbildung nach deutschem Muster für Abwassertechniker aufzubauen. Im nächsten Sommer, der hier der Winter ist, soll das Pilotprogramm starten. Ein paar der künftigen Auszubildenden, die zum Teil richtig alte Hasen aus der Praxis sind, kennt sie bereits. „Deren Motivation ist wirklich umwerfend”, sagt sie und wieder strahlt Maria mit der Andensonne um die Wette – dieses Mal unter ihrem frisch erworbenen Hut der Colca-Frauen in XL.

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

3 Kommentare

  1. Liebe Maria,
    das ist ja fast wie im Märchen, was man da über dich liest.Aber ich kenne dich ja (ein wenig aus der Ferne) und weiß auch, dass das die Erfüllung deines Lebens ist und wie du dich wirklich fühlst.
    Aber nichts kommt von alleine und vor den Erfolg haben die “die Götter den Schweiß gesetzt” !
    Ich wünsche dir weiterhin viel , viel Erfolg , die Kraft dazu und dein Gottvertrauen .

    Herzlichst…Heinrich (Heinz)

  2. Liebe Maria, wie schön dass der zweite Start in Südamerika so viel besser läuft und du glücklicherweise (für alle Beteiligten) jetzt auch all dein Fachwissen einbringen kannst.
    Auf dass dir die Puste in der Höhe nicht ausgeht und die Freude an der Anstrengung weiterhin überwiegt:
    Herzliche Grüsse Katharina

  3. Hallo Mary, manchmal ist man ein bißchen neugierig was aus den Studienkollegen geworden ist… und wird, wie in deinem Fall ziemlich überrascht. Das klingt sehr spannend was du machst, und auch mutig. Ich wünsch dir von Herzen viel Erfolg!
    Schöne Grüße von Ursel

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