Kunst des Kochens

BLOG: Das Sabbatical

Abenteuer Auszeit
Das Sabbatical

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Gar nicht so leicht, die Geschichte mit den hauchfeinen Crêpes. Crystel guckt ein bisschen verzweifelt in ihre Pfanne. Viel zu flüssig erst die Masse, dann klebt das Ganze und am Ende ist das Produkt schwarzverbrannt. “Hey, das ist normal, dass in der Küche mal was schief geht”, beruhigt sie Frank Nuscheler, Profikoch und Betriebswirt der Hotellerie aus Heidelberg, “ihr seid doch hier, um zu lernen”. Und das werden die zehn Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren drei Wochen lang, jeden Werktag für fünf Stunden. Sie sind Teilnehmer des ersten Basiskurses Kochen und Hotellerie, den Frank den Kinderheimen von Arequipa zum Geschenk gemacht hat.

Er strahlt an diesem Tag: Nicht einmal zwei Monate nach seiner Ankunft hat sein Auszeitprojekt schon konkrete Gestalt angenommen. Berufsausbildung, das ist ihm als Praktiker ein Herzensanliegen. Und da trifft er sich mit Volker Nack, der vor vielen Jahren als deutscher Sozialarbeiter in die Südperuanische Stadt kam, um dort gemeinsam mit seiner Frau Dessy ein Kinderheim aufzubauen. (http://www.blansal-casaverde.org/).

Zwischenzeitlich ist Volker Nack auch noch Präsident des Rings der Kinderheime (Red) in Arequipa und sein Herzenswunsch ist es, dass die Jungen und Mädchen, wenn sie mit 18 Jahren volljährig sind und den “Herbergen” (albergues) den Rücken kehren müssen, nicht nur einen Schulabschluss, sondern auch erste Erfahrungen im Berufsleben in der Tasche haben.

Und was bietet sich da derzeit mehr an als die Gastronomie? Die erlebt nämlich eine enorme Blüte in Peru. Kochen ist eine Art Traumberuf geworden und die entsprechenden Institute schießen wie Pilze aus den Boden. An einem von ihnen, dem so genannten “Estid”, hat Frank Nuscheler einen Lehrauftrag bekommen, mit anderen sind die Kinderheime in Kontakt. Doch ihm geht es in erster Linie um den sozialen Aspekt. Er möchte diesen Jugendlichen aus den Heimen, die einen schweren Start ins Leben erwischt haben, in seinen Basiskursen so fit machen, dass sie eine derartige Ausbildung schaffen können.

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Und dazu sind die acht Mädchen und zwei Jungs wild entschlossen. Die Pfarrei “Ave Maria” hat ihre Räume zur Verfügung gestellt. Bis zwei Uhr nachmittags findet dort eine Art Armenküche statt (Kinder und Alte umsonst, alle anderen bekommen für vier Soles, etwa ein Euro, Vorspeise und Hauptgericht frisch gekocht), dann heißt es “Herd frei” für Frank und seine Truppe.

Doch erst einmal gibt es ein bisschen Theorie. Warum sind Pünktlichkeit, Sauberkeit und Zuverlässigkeit wichtig? Wieso sind geschlossene, feste Schuhe notwendig? Antwort: Wegen eventuell fallender Messer! Wieso gehört auch Mathematik zum Programm? Antwort: Ohne Kalkulation kein gutes Geschäft. Und was erwartet die Koch-Azubis in den nächsten Wochen? Sie werden nicht nur jeden Tag mindestens zwei Rezepte kochen und selbst verspeisen dürfen, sondern auch zusammen auf dem Mark einkaufen gehen, Grundkenntnisse im Service erhalten und am Ende für die Verantwortlichen ihrer Heime ein großes Festessen zubereiten.

Und die Besten von ihnen? Die dürfen eine richtige Ausbildung machen und werden vielleicht eines Tages ein neuer Stern am Peruanischen Küchenhimmel. Doch bis dahin dauert es noch ein bisschen. Am Anfang fremdeln die Jugendlichen ein wenig. Disziplin ist in Peru kein Thema, Motivation und Zutrauen zu sich selbst schon eher. Doch spätestens am Herd tauen die Jungen und Mädchen auf. Nach Rezept und unterstützt vom “Maître” aus Alemania trauen sie sich in kleinen Gruppen an Kartoffelsuppe und süße Crêpes mit Orangensugo.

Das geht natürlich nicht mit Tütenaufreißen, sondern wird von Grund auf alles eigenhändig gemacht. Die Gemüsebrühe aus den Schalen zubereitet, die Kartoffeln werden für 14 Leute geschält (gleich in kaltes Wasser legen, damit sie nicht braun werden); daneben gibt es noch ein paar betriebswirtschaftliche Tipps (immer Deckel drauf, das spart Wasser und Energie) und dann noch der Rat: Wer Knoblauch, den er in großer Menge schälen muss, erst für ein paar Sekunden in kochendes Wasser wirft, spart sich Lebenszeit. Und natürlich die Schneidetechnik: Hier geht es nicht nur um Messerkunde, sondern vor allem um den Schutz der Finger. Stäbchen für Stäbchen werden Julienne geschnitten, gaaaaaanz laaaaaangsam am Anfang und am Ende richtig flott.

_2104436Und danach noch der Teig für die Crêpes… Nach zwei Fehlversuchen sind die richtige Teigmischung und die richtige Pfanne gefunden. Und es wird produziert, was das Zeug hält, damit auch 14 Mäuler (Gäste gibt es immer) satt werden. “Der Geschmack ist schon richtig prima”, lobt am Ende der “Jefe” (so heißen die Küchenchefs hier). Er ist rundum zufrieden mit seiner Crew. Nicht nur, weil sie ungemein konzertiert und engagiert zu Werke gehen und sich gegenseitig helfen, wo es nur geht. Ein echtes Wunder ist die Reinigungsaktion zum Schluss: Eine Viertelstunde mit zwei Dutzend zupackender Hände und das Küchenchaos ist Vergangenheit.

 

 

 

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

6 Kommentare

  1. Sehr schöne Geschichte, da kommt gleich wieder Hoffnung auf. Ganz viel Erfolg für dieses Kochprojekt wünsch ich dem ‘Jefe’ und seiner Crew. Aber ‘Blog-Crepes’ sind wirklich etwas trocken 🙂

    • Erläuternd…

      Rat: Wer Knoblauch, den er in großer Menge schälen muss, erst für ein paar Sekunden in kochendes Wasser wirft, spart sich Lebenszeit.

      hierzu, die Küchenarbeit fällt leichter, es wird Zeit, auch ‘Lebenszeit’ gespart, vgl. :
      -> http://www.wunderkessel.de/t/knoblauch-schaelen.87012/ [1]

      MFG
      Dr. W

      [1]
      Disclaimer:
      Die Quelle ist nicht geprüft worden, hoffentlich ist sie politisch annehmbar.

      • Bei frischem Knoblauch kann ich mir das ja vorstellen mit dem Kochwasser… aber bei getrocknetem reicht es ihn anzudrücken, dann knackt die Schale, danach läßt sich das einfach abziehen, bzw. fällt schon von selbst ab.

        MFG

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