Der Schlüssel zur Motivation

BLOG: Das Sabbatical

Abenteuer Auszeit
Das Sabbatical

Freiwilligkeit ist der wichtigste Schlüssel zur Motivation und damit zum Lernen. Diese Erkenntnis ist hart für Lehrerinnen und Lehrer, aber wohl das Geheimnis, warum der Kochkurs für die zehn Jugendlichen aus den Waisenhäusern Arequipas so reibungslos funktioniert. Die acht Mädchen und zwei Jungs haben erkannt, dass alles, was sie hier an Kalkulation, Kochen und über Kosten einer Mahlzeit lernen, für ihr Leben wichtig ist. Deshalb sind sie pünktlich da, haben sich Messer und Schürzen besorgt, lassen in der Konzentration keine Sekunde nach und zaubern über Wiener Schnitzel, Asiatische Gemüsepfanne bis hin zu Honigbananen und Apfelküchlein alles, was “Jefe” Frank Nuscheler ihnen so auftischt.

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_2104463Am Anfang steht stets die Theorie: Wie viel Gramm pro Person muss ich für ein dreigängiges Menü rechnen (ungefähr 550)? Und warum sind es bei einem Büffet fast 700 Gramm pro Person? Antwort: Die Fülle des Angebots ist meistens so verführerisch, dass die Leute hemmungslos zuschlagen. Und warum sind beim Eintopf (auf Spanisch: plato unico) nur 400 Gramm notwendig? Antwort: Weil das Gleiche auch schnell langweilig wird und man dann nur so viel zu sich nimmt, bis man satt ist.

Doch das Gewicht der Lebensmittel stellt nur einen wichtigen Punkt dar, so viel wissen die künftigen Köchinnen und Köche schon. 300 Gramm Obstsalat sind mit 300 Gramm Mousse au Chocolat kaum zu vergleichen. Auch das gilt es in die Kalkulation mit einzubeziehen.

Neben dem deutschen Wort “schnell” wird das französische “Mise en place” bald zu einem Lieblingswort des peruanischen Küchennachwuchses. Denn Vorbereitung ist wichtig, das schärft ihnen Frank Nuscheler immer wieder ein, damit das Geschehen am Herd möglichst reibungslos vonstatten geht.

Dass ein Menüplan eine große Hilfe sein kann, leuchtet unmittelbar ein. Denn ein großes Fest mit vielen Gästen haben alle von ihnen mindestens miterlebt oder waren gar selbst der Mittelpunkt. Der 15. Geburtstag wird in Peru vor allem bei den Mädchen mit einer rauschenden Ballnacht und einer großen Torte gefeiert. Dieser Tag markiert den Übergang ins Erwachsenenalter und die jungen Frauen dürfen sich einen Tag lang wie eine Prinzessin fühlen.

Zur Abrundung der Theorie kommt dann noch etwas Gastro-Englisch dazu. Denn eine Küche, die einen solchen Aufschwung erlebt wie die in Peru, braucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zumindest die Grundzüge dieser internationalen Sprache beherrschen. Ganz klar am meisten Spaß macht aber die Praxis. Da werden mit größter Akribie Karotten, Lauch und Kürbisse geschnippelt, Ingwer gehobelt und Koriander gehackt und alles am Ende mit Sojasauce und exotischen Gewürzen abgeschmeckt. Wie professionell es aussieht, wenn Reis in einer Tasse geformet und dann erst auf den Teller gegeben wird! Noch größerer Begeisterung erfreuen sich gleichwohl die Apfelküchlein nach Franks bayrischem Rezept, die erst sorgfältig geschnitten, dann in Mehl gewendet und schließlich im Bierteig ausgebacken werden.

Während der ungewohnte Geschmack des asiatischen Gerichts viele der jungen peruanischen Gaumen kräftig herausfordert, werden die Apfelküchlein sofort ins Programm der Lieblingsspeisen aufgenommen. Auch, wenn es bei der Zubereitung richtig heiß herging und die Jugendlichen mit einem eher unliebsamen physikalischen Phänomen Bekanntschaft machen. Wenn die Gasflamme unter einer kleinen Pfanne mit sehr viel Butter viel zu groß ist und dann auch noch ein paar Tropfen Wasser darin schwimmen, gibt es eine Stichflamme, die es in sich hat. Glücklicherweise ist nichts passiert. Denn auch hier blieben die Küchenprofis in spe richtig cool.

 

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

2 Kommentare

  1. Rofl. Freiwilligkeit im Kontext eines Waisenhauses und betroffener Kinder, die zwangszweise diese Chance wahrnehmen und sich dabei höchstwarscheinlich an der Sicherheit und Funktionalität der Gruppe laben, das Stückchen Normalität genießen.

    Auf welchem Stern lebt man, wenn man das mit dem Begriff “Freiwilligkeit” an deutschen Schulen vergleicht?

    Der Kochunterricht mit Freiwilligkeit in Deutschland war eine Qual für die Lehrer. Was vor allem an der von Oben herab befohlenen Küche lag. Anstelle individueller Wunschgerichte entscheidet schon der Lehrer über den Inhalt des Gerichts. Und genau darum ist die Beteiligung und Begeisterung gering, das Maulen und die Ablehnung der Gerichte enorm gewesen.

    Kein Wunder, hatte der Lehrkörper nicht mal nachgefragt ob irgendjemand das Gericht mag, ist einfach von seinem Geschmackssinn ausgegangen – stolperte mit Schwein über Moslems und Fleisch über Vegetarier und allgemeiner Essunlust in den frühen Morgenstunden.

    Nene, Freiwilligkeit ist etwas anderes als die durch äußere und innere Umstände dankbar aufgenommene Chance der Obdachlosigkeit in eine funktionierende Gemeinschaft zu entfliehen.

    Und Freiwilligkeit in der Schule deutscher Prägung ziemlich fraglich, weil die Freiwilligkeit einer Zwangsveranstaltung schwierig herzustellen ist – Vor allem aber deshalb, weil Lehrinhalte und Lebenswirklichkeit von Lehrern und Ministerien bestimmt werden aber letztlich der Verwertbarkeit der Heranwachsenden in der brutalen kapitalistischen Berufswelt dienen und das bekommen gerade in Deutschland die Kinder frühstmöglich aufs Pausenbrot geschmiert.

    Die Schule ist eben keine Lustveranstaltung und nur was Lust macht, ist wirklich freiwillig.

    Maximal die Zustimmung der Schüler kann sich ein Lehrer einholen. Und das wäre eigentlich schon ein bedeutender Fortschritt. Denn Zustimmung hätte die Kochrezepte der in meinem Beispiel genannten Lehrerin erst sinnvoll gemacht. Zustimmung und Auswahl aus Zustimmungsoptionen.

    Das werden wir aber in einer Gesellschaft nicht mehr erleben, in der Koch”kunst” heute nicht gefragt ist, sondern Kochunterricht primär eine Indoktrinationseinrichtung für vermeintlich gesundes Essen geworden ist und böse meist minderqualifizierte Tanten als Ernährungsberaterinnen getarnt erzählen das der Schokoriegel böse und die keimgefährdete Rohkostmatsche gut sei – entgegen der Tatsachen, das die meisten Lebensmittel-Infektionen heute durch Rohkost und nicht genug gegartes Obst / Gemüse passieren.

    Nein, wirklich, Freiwilligkeit ist etwas anderes. Auch wenn das nicht der Sinn Ihres Postings war sondern einfach nur ein einleitender gedankenloser Gedanke.

    Trotzdem: Das Projekt ist super und man wünscht allen Beteiligten alles Gute!

    • Gegenbeispiel
      Also ich fand den Kochunterricht in der Schule immer recht gut. Da störte es gar nicht, wenn die Lehrerin die Rezepte vorgegeben hat. Denn das, was gekocht wurde, würde man heute wohl als Hausmannskost bezeichnen. Ist allerdings auch schon über 30 Jahre her und da ging es eher noch darum, dass auch die Jungen kochen lernen und nicht nur die Mädchen. Und auf die türkischstämmigen Schülerinnen und Schüler wurde automatisch Rücksicht genommen, denn die machten in allen Jahrgängen etwa die Hälfte der Klasse aus.
      Und schliesslich ist noch zu sagen, dass ich ein Rezept aus dem Kochunterricht in meinen Fundus übernommen habe, weil es mir so gut schmeckte.

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