Das Liebgewordene loslassen
BLOG: Das Sabbatical

Mitunter gehen mir Dinge nah, zu nah. Der Schmerz dringt tief unter die Haut, setzt sich fest und geht nicht mehr weg. Mitleid ist dann das richtige Wort, aber das bringt ja nicht viel. Und ich bewundere einmal mehr die Verantwortlichen der peruanischen Kinderheime, die das Liebgewordene so viel besser loslassen können als ich und weiter machen.
Da haben diese Jungen und Mädchen schlimmste Vernachlässigung und Misshandlung erlebt, bekommen nun einen Schutzraum, Schule und endlich genügend zu essen. Und doch ist die Liebe zur Familie so stark, die Sehnsucht nach Zugehörigkeit so groß, dass sie alles auf sich nehmen, um dorthin wieder heimzukehren. Egal wie groß die Gefahr des Scheiterns und die Bedrohung ihrer Zukunft ist.
Dann möchte ich mich manchmal auf den Boden setzen, wie die kleine Sayda das tut, und einfach nur traurig sein, abgrundtief und trostlos. Aber es hilft ja nichts. Und vielleicht kehrt Fernando doch irgendwann aus dem Colca Canyon zurück, weil der Wunsch, wirklich einen Beruf zu erlernen und Koch zu werden, stark genug ist und er etwas findet, wofür er wirklich brennt. Noch inständiger hoffe ich, dass er bis dahin die Schule besucht und nicht die Chance auf Bildung aus der Hand gegeben hat. Und vielleicht hat Cynthia in der Zeit in Casa Verde so viel an Zuneigung erfahren, dass sie das Haus als warmen Ort der Zuflucht in ihrem Herzen bewahrt. Hoffentlich bekommt sie die medizinischen Behandlung, die sie braucht und hoffentlich lässt ihr Stiefvater sie in Ruhe. Viktor, ein beeindruckender 19-jähriger Freiwilliger aus dem Allgäu hat einmal gesagt: “Wenn ich eines hier gelernt habe, dann das, wie wenig selbstverständlich es ist, Eltern zu haben, die einen einfach nur lieben – um unserer selbst willen”. An dieser Stelle ein Dank für alle Mütter und Väter, die einfach so sind.
Ich glaube nicht, dass es die Liebe zur Familie ist, die diese Kinder wieder zurücktreibt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und akzeptiert deshalb lieber Bekanntes (wenn auch Unglück) wie sich in eine ihm unbekannte Richtung zu verändern. Und gerade Kindern fehlt es hier ja noch an den nötigen Erfahrungen, aus denen sie lernen könnten. Wenn es uns gelingt, unser Mitleid, was wie du schreibst keinem was nutzt, in Mitgefühl zu wandeln, dann ist Unterstützung möglich. Das haben die Mitarbeiter/innen der Kinderheime wohl erkannt und können deshalb Liebgewordenes besser loslassen. Der Satz von Viktor ist einfach nur schön und ich möchte mich ihm gerne anschliessen! Mit der Entwicklung von Dankbarkeit für das was wir haben und Mitgefühl mit uns und anderen können wir alle unseren persönlichen Beitrag für eine glücklichere und friedvollere Welt leisten. Wir müssen nur den Schritt von der Theorie in die Praxis wagen . . .