Abschied und Aufbruch
BLOG: Das Sabbatical

Wenn einem im Sabbatjahr die Liebe zerbricht, wegen der man den kühnen Schritt überhaupt gewagt hat, ist das der emotionale Super-GAU. Alles tut weh, ganz unten angekommen, ohne Haut. Die Arme der Freundschaft, in die man sich zuhause flüchten würde, sie sind so weit weg. Und es heult sich nicht gut vor dem Computer, auch wenn mit Bildern telefonieren eine geniale Erfindung ist, die viel Trost ermöglicht.
So einzigartig einem Liebeskummer immer vorkommt, so verbreitet dürfte das Phänomen in der gemeinsamen Auszeit sein. Klar, aus heiterem Himmel entstehen solche Gewitter des Lebens nie. Sie haben sich aufgetürmt wie Wolken, waren am Horizont zu ahnen, schickten Blitze in Form von Zweifeln.
So nahe wie in einer solchen Zeit kommen sich Paare sonst nie. Das ist Segen und Fluch zugleich. Die Zweisamkeit kann wundervoll sein und neue Bindung ermöglichen, aber es werden auch Unterschiede nicht mehr durch Ablenkung oder Sehnsucht kaschiert.
Beispielsweise, wenn die Lebenskonzepte nicht zueinander passen. Der eine will eine monogame Liebe auf Dauer, der andere ist eher polyarmor unterwegs; für denen einen ist die Rückkehr ins alte Leben programmiert, der andere Partner möchte lieber alles offen und auf sich zukommen lassen; der eine versucht überall Wurzeln zu schlagen, der andere ist ein Reisender, der das nicht braucht. Auch kommunikative Naturen vermögen dann irgendwann die Kluft nicht mehr zu überbrücken und der Bruch ist da.
Da stehe ich nun, die Scherben in der Hand. Der Schmetterling ist auf seinem Höhenflug abgestürzt: Bruchpilot, alles ist fremd geworden. “Wo die Nacht am dunkelsten scheint, ist der Morgen am nächsten”, war ein Lieblingsspruch meiner Oma, den ich vor vielen Jahren mit der nachsichtigen Milde der Jugend belächelt habe. Nun hoffe ich, sie wird Recht behalten und schäme mich gleichzeitig dafür, dass ich mich angesichts des Elends der Welt und dem Schicksal der Kinder, mit dem ich mich hier konfrontiert sehe, selbst so wichtig nehme.
Alleinsein ist nicht gefährlich, nur Einsamkeit macht krank, das habe ich vor einem Vierteljahrhundert begriffen. Auch wenn einigeln jetzt willkommen wäre, es hilft nicht weiter. Besser ist es, offen zu sein gegenüber Menschen, die einem gerade in solchen Befindlichkeiten begegnen.
Marlies schickt der Himmel. Mitten auf dem Titicacasee begegne ich der fünffachen Mutter, Sterbebegleiterin und Sozialarbeiterin aus Hessen. Die patente Mittsechzigerin, die auch schon mal als Entwicklungshelferin in Guatemala gearbeitet hat, wird zu meiner ganz persönlichen Seelsorgerin. “Nähre Dich jetzt erst einmal selbst, kläre, was Deine Lebensaufgabe ist und nimm’ Dir für alles Zeit”, gibt sie mir mit einer schwesterlichen Umarmung auf den Weg. Dazu kommen noch ein Abschiedsritual und ein Morgengebet. Und nichts in mir sträubt sich.
So, mit Proviant versorgt, versuche ich mich nun zu sammeln und tastend meinen Weg zu finden. Damit der Schmetterling dann doch vielleicht noch irgendwann einmal in diesem Sabbatjahr, richtig fliegen lernt.
Dann viel Erfolg dabei.
Alles, alles Gute – und danke für diesen wundervollen und tiefen Blog! 🙂
“schäme mich gleichzeitig dafür, dass ich mich angesichts des Elends der Welt und dem Schicksal der Kinder, mit dem ich mich hier konfrontiert sehe, selbst so wichtig nehme”
Ich finde es ja gut, daß Du nicht nur an Dich selbst denkst. Allerdings in Deiner Lage, da darfst Du eine Zeitlang auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit an den Tag legen und Dich erstmal vornehmlich um Dich selbst kümmern. Sich um andere kümmern mag vielleicht auch helfen, aber das könnte auch in Verdrängung ausarten. Laß es Dir gut gehen. Du wirst es überwinden.
Soll der Schreiber dieser Zeilen mal, auch: zur Auflockerung, ein wenig ursisch oder zynisch zur Sache kommentieren? Ist dies vielleicht gewünscht bis angefordert?
MFG
Dr. W
Ich sehe dich, Kirstin!