Neurowissenschaft kritisch betrachtet

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Martin Huhn: Hallo Steve, uns hat mal wieder ein Neurothema zusammen gebracht. In GuG 2/2015 werfen drei Wissenschaftler einen kritischen Blick auf die Hirnforschung. Im Artikel “9 Ideen für eine bessere Neurowissenschaft” ist lesen, dass die Resultate der neurowissenschaftlichen und biomedizinischen Forschung zu positiv sind. Schätzungen gehen von über 80% falschen Ergebnissen aus. Was ist damit gemeint und woher kommt diese Schätzung?

Steve Ayan: Zunächst einmal muss man sich klar machen, dass nicht überall da, wo “wissenschaftliche Studie” draufsteht, auch Wahrheit drinsteckt. Forscher – egal ob sie das Gehirn oder irgendetwas anderes naturwissenschaftlich untersuchen – stellen Theorien auf und testen diese Theorien in Experimenten. Dabei lassen sich viele Zusammenhänge, an denen vielleicht sogar etwas dran ist, empirisch gar nicht belegen, etwa weil man keine geeigneten Methoden hat. Noch bedenklicher ist aber, dass natürlich auch Zufallsbefunde entstehen, die nur vermeintliche Beweise für Dinge liefern, die in Wahrheit gar nicht stimmen. Nur weil etwas bei einem Test statistisch “signifikant” wird, muss ja noch keine allgemeingültige Wahrheit dahinterstecken. Das gilt an sich erst mal für jede Wissenschaft. An der Hirnforschung, besonders der mittels bildgebender Verfahren, monieren unsere Autoren nun einen starken “Positivbias”. Das heißt, Forscher sind besonders bemüht überraschende Effekte zu präsentieren, denn nur die lassen sich gut publizieren und bringen Aufmerksamkeit, Prestige und Fördergelder ein. Also werden methodische Standards heruntergeschraubt, nachträglich Hypothese formuliert, die zu den Ergebnissen passen, Daten “kreativ” ausgewertet etcetera pp. Zu selten unternimmt man den Versuch, Ergebnisse zu replizieren, denn auch solche Wiederholungen von Experimenten lassen sich kaum publizieren. Probiert es doch mal jemand, findet er oft keinen Effekt. So kommt man zu der Schätzung mit den 80 Prozent. Wobei diese große Mehrheit der Studienergebnisse nicht per se falsch ist (was genau falsch ist, weiß ja keiner) – sie sind nur nicht sehr verlässlich oder robust. Das heißt, beim nächsten Mal kann es schon wieder ganz anders aussehen.

Huhn: Über 80% falsche Ergebnisse. Kaum zu glauben. Das ist also ein Nachteil, wenn die Wissenschaft zu stark ökonomisiert wird. Es geht zu Lasten der Qualität, weil die wissenschaftliche Methodik nicht sorgfältig genug angewandt wird. Dagegen scheint momentan kein Kraut gewachsen zu sein.

Steve Ayan
GuG-Redakteur und Textchef Steve Ayan

Ayan: Na ja, diese innerwissenschaftliche Methodenkritik ist das eine. Es geht aber tatsächlich auch um die Vermarktung von Forschung, also die öffentliche Darstellung, in diesem Fall eben der Neurowissenschaft. Es gibt ja immer mehr Subdiziplinen wie Neurodidaktik, Neuromarketing oder Neuroenhancement – mit solchen Schlagwörter wird teils schon ein Menge Geld verdient. Das erzeugt zusätzlichen, ökonomischen Druck, Befunde vorzuweisen, die Schlagzeilen machen. Und viele Laien dürsten ja fast danach zu erfahren, wie man die Hirnleistung “boosten” oder “gehirngerecht” lernen, erziehen oder essen kann. Hier muss man oft kritisch draufschauen: Halten die Studien, was mancher uns verspricht? GuG versucht genau das.

Huhn: Gab es schon Reaktionen von Forschern, die diese Ergebnisse produzieren?

Ayan: Nein, wenn man Forscher danach fragt, sagen sie: Vielleicht sind 80% falsch, aber meine Ergebnisse gehören eben zu den 20% richtigen! Scherz beiseite, ich glaube, es macht wenig Sinn hier von entweder oder, richtig oder falsch, zu sprechen. Das ist eher ein Kontinuum: Studienergebnisse sind nun mal mehr oder weniger verlässlich – und vor allem: Sie ergeben nur vor dem Hintergrund von anderen Ergebnissen und Modellen Sinn, die man in die Betrachtung einbeziehen muss. Das macht unseren Job als Wissenschaftsjournalisten so anspruchsvoll: Wir müssen einordnen und kritisch bewerten, statt nur singuläre Befunde nachzubeten.

Huhn: Als naturwissenschaftlich interessierter Leser hat man ja kaum eine Chance zu durchblicken, wie valide die Forschungsergebnisse sind. Wie geht es Dir da als Journalist? Welche Möglichkeiten gibt es, um das zu durchleuchten?

Ayan: Möglichkeiten gibt es einige, aber natürlich habe ich auch nicht immer die Zeit oder das nötige Know-how, um jede Behauptung bis ins Detail auszuleuchten. Wichtig ist, dass man sich über Meta-Studien und Reviews, die einen größeren Forschungshorizont beleuchten, einen Überblick verschafft und verschiedene Leute zu ihrer Meinung befragt. Nur so kriegt man ein rundes Bild. Was man aber auch nicht vergessen darf: Wissenschaft lebt nicht zuletzt davon, dass Forscher Visionen entwerfen und mögliche Zusammenhänge als Ideen in den Raum stellen. Es ist nur wichtig, Hypothesen von den bewiesenen Tatsachen zu trennen und sie jeweils auch so kenntlich zu machen.

Huhn: Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass oftmals nur die Erfolgsergebnisse publiziert werden. Forschungsarbeiten, die nicht die gewünschten Ergebnisse bringen, werden nicht bekannt. So probieren sich eventuell andere das Gleiche und finden auch nichts. Tut sich auf diesem Gebiet etwas, um dem zu entgegnen?

Ayan: Hirnforschung ist ein Gemeinschaftsunternehmen. Wissenschaftler müssen natürlich miteinander reden und Ergebnisse – auch die negativen – austauschen. Manchmal passiert das eben eher informell, als über ein Publikationsorgan. Es gibt neuerdings aber auch eine Reihe von Fachjournalen, die das “Pre publication”-System ausprobieren. Dabei werden keine fertigen Studienergebnisse zur Veröffentlichung eingereicht, sondern Fragestellungen und experimentelle Designs. Wenn andere Forscher sagen, dass ist spannend und solide geplant, dann garantiert das Journal eine anschließende Veröffentlichung, egal wie die Ergebnisse ausfallen. Außerdem gibt es Bestrebungen, mehr Replikationsstudien, also Wiederholungen von früheren Experimenten, zu veröffentlichen. Ich denke, die Selbstkontrolle innerhalb der Neurowissenschaft funktioniert schon noch. Wie einer der Kritiker, die ihre “9 Ideen” in GuG vorstellten, mir letztens bei einer Veranstaltung sagte: “Wenn man der Natur eine Frage stellt, darf sie auch mal nein sagen.”

 

 

 

Etwas mehr zur Person von Steve Ayan findet sich in einem frühere Beitrag “Plaudereien zum Manifest“.

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Martin Huhn hat Verfahrenstechnik studiert und arbeitet seit dem Jahre 2000 bei Spektrum der Wissenschaft. Dort ist er im Bereich Webentwicklung tätig. Sein Geschäft ist so ziemlich alles, was mit dem Webauftritt des Spektrum Verlages zu tun hat.

22 Kommentare

  1. Die Zahl der nichtreproduzierbaren Studien in der biomedizinischen Forschung im allgemeinen und der Hirnforschung im Besonderen hat wohl auch zugenommen, weil sehr viel publiziert wird von einer wachsenden Schar von Forschern, deren Karriere jeweils von der Zahl der publizierten Papier abhängt.
    Bessere Fragestellungen und Studien-Designs wie sie aus dem von Steve Ayan erwähnten Pre-publication hervorgehen könnten, würden die Situation sicher verbessern. Auch Grossprojekte wie das Human Brain Project oder verschiedene Hirnkartierungsprojekte könnten wohl echten Fortschritt befeuern. Daneben sollte aber auch echter Wagemut möglich sein und unkonventionelles Denken eine Chance erhalten.

    • Daneben sollte aber auch echter Wagemut möglich sein und unkonventionelles Denken eine Chance erhalten.

      Das ist wünschenswert, aber wie soll das geschehen? Querdenker sind nicht so gerne gesehen, obwohl oft das Gegenteil behauptet wird. Deren Forschung muß ja auch finanziert werden.

      • Echt “wildes” Forschen ist wohl schwer finanzierbar. Anders sieht es aber aus, wenn die Fragestellungen zwar ungewöhnlich sind, aber in Grundzügen nachollzogen werden können.
        Man könnte also eine Liste von “verrückten” Fragestellungen zusammenstellen und ein bestimmer Prozentsatz des Forschungsbudgets würde dann in die Beantwortung solch unkonventioneller Fragen gehen.

      • Exceptional Unconventional Research Enabling Knowledge Acceleration (EUREKA) for Neuroscience and Disorders of the Nervous System (R01) heisst ein Funding Title des NIH (National Institute of Health) und man liest dazu:

        This Funding Opportunity Announcement (FOA) seeks Research Project Grant (R01) applications addressing exceptionally novel hypotheses and/or remarkably difficult problems in neuroscience and disorders of the nervous system. This announcement is for support of new rather than ongoing projects, and is not intended for pilot research. The proposed research may have a high risk of failure, but it must promise results with especially high impact should it be successful. The research should be groundbreaking, innovative, original and/or unconventional, with the potential to solve important problems or open new areas for investigation.

        Riskante Forschung wird also hin und wieder sogar unterstützt. Forschung ist von ihrem Wesen her riskanter als andere Büroarbeiten, so ist Forschung nun mal: Echt unberechenbar wie ein kleines Kind.

  2. @Holzherr: Ich habe hier bei SciLogs seit 2008 darauf aufmerksam gemacht, dass man sich im Rahmen der sogenannten ´Nahtod-Erfahrung´(NTE) bewusst an Erlebnisse erinnern kann – und zwar genau in der gleichen Reihenfolge, wie sich die Sinne ab dem 5. Schwangerschaftsmonat entwickeln.
    Die Reihenfolge der Erinnerungen Fühlen > Hören > Sehen > Geburt(indirekt) > Babyzeit > frühe Kindheit > Rest des Lebenslaufes – entspricht dem tatsächlichen Lebenslauf eines Menschen.
    Das ist eine Korrelation von 1 (100%) – die Reihenfolge ist per Google/Wikipedia einfach nachprüfbar.
    Aber die Reaktion hier bei SciLogs war bisher erbärmlich – der Begriff ´NTE´ wird einfach bloß als ´off topic´ betrachtet und damit braucht man sich nicht weiter damit beschäftigen. So einfach ist das. Von Wissenschaftlern oder wissenschaftlich gebildeten Menschen hätte ich mehr erwartet.

    Warum ist dies so schlimm?
    z.B. bei NTEs kann man bewusst erleben, wie das Gehirn einen einzelnen Reiz systematisch und strukturiert verarbeitet => damit könnte man strukturelle Ablaufe des Denkens/Erinnerns aufklären => und zwar nachvollziehbar (= überprüfbar) am Beispiel des normalen Lebenslaufes von Menschen
    z.B. Wenn Erlebnisse ab dem 5. Schwangerschaftsmonat bewusst erinnert werden können => dann muss der Fachbegriff ´infantile Amnesie´ falsch sein; denn dabei geht man davon aus, dass bewusste Erinnerungen vor dem 4.-2. Lebensjahr nicht möglich sind. => d.h. die Fachliteratur muss umgeschrieben werden

    Ich verstehe, dass der Begriff ´Nahtod-Erfahrung´ negative Einstellungen auslöst – mir gefällt er auch nicht -. aber ich muss ihn verwenden, weil er von der Fachliteratur vorgegeben ist.
    Am Beispiel ´NTE´ lassen sich 40 Jahre (1975 – 2015) wissenschaftlichen Fehlverhaltens nachweisen. Denn – so meine konkrete (= nachprüfbare) Behauptung – wenn man das Standardwerk der NTE-Literatur ´Leben nach dem Tod´ welches 1975 erschienen ist, richtig studiert hätte, dann wäre niemand auf die Idee gekommen, dass NTEs unerklärbar seien! Von Wissenschaftlern sollte man erwarten können, dass sie lesen können.
    Ich habe den Inhalt dieses Buches verwendet, um NTEs als bewusst erlebbaren Erinnerungsvorgang zu beschreiben und mein Erklärungsmodell veröffentlicht: aktuelles Buch/e-book: Kinseher Richard ´Pfusch, Betrug, Nahtod-Erfahrung´.

    Dass man Gehirn-/Gedächtnisforschung und Geisteswissenschaft (*) 40 Jahre wissenschaftliches Fehlverhalten vorwerfen kann und muss, ist echt peinlich. Ich bin gespannt auf die Ausreden!
    ( *) = sofern sich Geisteswissenschaftler mt diesem Thema beschäftigt haben)

    • NTE und andere Zustände nahe am Tod oder an Bewusstlosigkiet bieten sicher auch einen Zugang zum Hirn und zu neuronalen Prozessen. Eine empirische Wissenschaft sollte alle Phänomene, die Untersuchungen zugänglich sind in Betracht ziehen. Erlebnisberichte allein genügen aber wohl nicht um allzu weitgehende Schlüsse zu ziehen.

      • 1) Prof. Dehaene betonte in ´Gehirn und Geist Nr.10/2014´ die Wichtigkeit von Erlebnis-Berichten für die Gehirnforschung, weil diese Introspektion/Selbstbeobachtung oft die einzige Möglichkeit ist, um an bestimmte Informationen zu kommen.
        2) Per Google sollten Sie Arbeiten von Prof. Thomason Moriah und Prof. Veronika Schöpf nachlesen. Mit verbesserten fMRT Messungen und Auswertungen können sie am lebenden Fetus im Mutterbauch zeigen, wie sich die Netzwerke und Funktion der Sinne entwickeln.
        3) NTEs werden sowohl von Menschen erlebt, die zum Erlebniszeitpunkt – a) nachweislich bei bester Gesundheit und geistig normal sind; wie auch von Leuten -b) deren Gesundheit beeinträchtigt ist, bis hin zu ´klinisch tot´. => In der NTE-Forschung werden Erlebnisse der Gruppe a) weitgehend ignoriert – indem man sich selektiv nur NTEs der Gruppe b) zuwendet, wird so absichtlich suggeriert, es könne sich bei NTEs um Sterbeerfahrungen bzw. Halluzinationen eines sterbenden Gehirns handeln.
        Wenn Wissenschaftler aus einer Gesamtmenge von gleichartigen Daten (alle NTEs), ohne hinreichend nachvollziehbare Begründung(!), eine Teilmenge von Daten (NTEs von a) ) gezielt ignorieren – um dann mit der Restmenge von Daten (NTEs von b) ) eine wissenschaftliche Arbeit/Theorie zu erstellen; dann gilt dies in der Wissenschaft üblicherweise als Datenmanipulation/-fälschung (= Betrug)
        4) Wenn irgendwo systematische Strukturen erkennbar und nachvollziehbar sind, dann kann mit diesem Wissen eine Theorie bzw. ein Erklärungsmodell entwickelt werden. Dieses Erklärungsmodell muss dann auf Plausibilität überprüft werden. Dann erst kann man ´weitgehende Schlüsse´ aus diesem Wissen ableiten. – Aber eindeutig erkennbare Strukturen vollkommen zu ignorieren, hat nichts mit Wissenschaft zu tun.

    • Ihren Sermon bringen Sie in jedem passenden Log, zuletzt vor wenigen Tagen bei Matthias Bethge. NTEn sind für die Wissenschaft ziemlich nutzlos, weil es subjektive und seltene Phänomene sind. Zudem ist ihre Zuverlässigkeit zweifelhaft. Gewisse Phänomene der NTEn, die sogenannten Out-of-body-Erfahrungen, hat man schon in Laborexperimenten nachvollziehen können. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich hinter den NTEn nichts Mystisches oder Mysteriöses verbirgt.

      Dass Mustererkennung eine Funktion des Gehirns ist, das ist trivial. Interessant wäre es zu erklären, wie sie genau vollzogen wird. Das ist die Herausforderung. Dazu fehlen immer noch die Voraussetzungen, nämlich die Lösung des Kodierungsproblems und des Bindungsproblems. Das Hirn verarbeitet weder Informationen noch Bilder, sondern elektrische und chemische Signale. Die Hirnforscher sind schon viel weiter als Sie glauben wollen. Sie können sich aber nur mit Beobachtungen beschäftigen, die sie selber untersuchen und prüfen können. NTEn und vorgeburtliche Erinnerungen gehören nicht dazu, außer ein Hirnforscher wäre selber davon betroffen. Und selbst dann wäre es nur ein Einzelfall ohne wissenschaftliche Bedeutung.

      • 1) Meinen ´Sermon´ bringe ich auf SciLogs nunmehr seit 2008 – darauf lege ich Wert.
        2) Ich gehe davon aus, dass es sich bei NTEs um einen bewusst erlebbaren und naturwissenschaftlich erklärbaren Erinnerungsvorgang handelt – auch Out-of-Body-Erfahrungen sind auf Basis von Erinnerungen aufgebaut.
        3) Bei NTEs kann man erkennen, wie das Gehirn einen einzelnen Reiz sytematisch und strukturiert verarbeitet. Das ist nicht trivial – weil es sonst keinen anderen derartig weitreichenden bewusst erlebbaren Zugang zur Arbeitsweise unseres Gehirns gibt. => Die Gehirn-/Gedächtnisforschung hat bis heute kein plausibles theoretisches Konzept über die Ablaufstrukturen des Denkens entwickelt!
        4) NTEs werden von 4 bis 5 % der Bevölkerung erlebt. Auch wenn nicht jede einzelne NTE auswertbar ist, so sind doch soviele NTEs verfügbar, dass damit ein allgemeines Strukturmodell erstellt werden kann. Und das reicht für die Grundlagenforschung.

        • In der Logik gibt es die “Schlussfolgerung auf die beste Erklärung” oder Abduktion. Nach diesem Schema funktionieren Verschwörungstheorien, Ideologien und die Esoterik, also praktisch alles, was nicht wissenschaftlich ist. Zu einem Phänomen hat man bereits eine bestimmte Ursache parat, ohne zu prüfen, ob noch andere Ursachen infrage kämen, nichts anderes als ein Vorurteil oder festgefügtes Weltbild.

          • Ich versuche sachlich zu argumentieren und erwarte sowohl, dass meine Beiträge gelesen, wie auch geprüft werden.
            Wenn ich z.B. den konkreten Vorwurf von Datenmanipulation erhebe, dann hat dies nichts mit Verschwörungstheorie oder Esoterik zu tun. Dass man aus einer Gesamtmenge gleichartiger Daten, nicht einfach bestimmte Daten unterdrücken/ignorieren darf, ist eine der wichtigsten Grundlagen seriöser Wissenschaftsarbeit Dies sollte Ihnen bekannt sein!
            Da dieser Blogbeitrag von einem Vertreter von G&G geschrieben wurde, hoffe ich, dass dieser Hinweis dort zur Kenntnis genommen wird

            Hier ein paar Beispiele: Im Buch ´Leben nach dem Tod´ finden Sie die NTE eines LKW-Fahrers (Kapitel ´Die Rückschau´) ,der zum Zeitpunkt des Erlebens einen Unfall hatte, wo er nicht verletzt wurde (Zitat: “nicht einen Kratzer”). Im Kapitel ´Das Lichtwesen´ wird mehrmals darauf hingewiesen, dass man parallel zur NTE die Umgebung auch noch deutlich wahr nehmen kann. => Wenn ein Mensch sich selbst und seine Umgebung deutlich wahr nehmen kann, dann ist dies unser Normalzustand!
            Dr Moody schreibt übrigens (Zitat) “Auch in solchen Fällen, wo der Herzschlag für längere Zeit ausgesetzt hat, muss das Körpergewebe, speziell das Gehirn, die meiste Zeit über irgendwie perfundiert (mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt) worden sein. Man ist in keinem dieser Fälle zu der Annahme gezwungen, da sei ein biologisches oder physiologisches Naturgesetz durchbrochen worden.” (Quelle: rororo ISBN 3498042521). Moody geht denn auch davon aus, dass der biologische Tod nicht reversibel sei und keine der Personen gestorben war, als sie ein NTE hatte. (Ende von Kapitel 4. => Aber trotzdem werden NTEs ausschließlich als Sterbeerfahrung betrachtet
            Im Buchtitel suggeriert Moody etwas völlig anderes, speziell im Originaltitel: Life after Life – The Investigation of a Phenomenon – Survival of Bodily Death. => d.h. man sollte nicht bloß den Titel lesen, sondern auch den Inhalt gründlich studieren und hinterfragen.

  3. Die Wissenschaftsjournalisten wären gut beraten, auch sich selber auf den Prüfstand zu stellen, denn sie sind es, die Studien interpretieren und für die Publikation auswählen. Journalisten sind an sensationellen Resultaten interessiert und mancher Wissenschaftler gerät dann in die Versuchung, diesen Wünschen nachzukommen. Dazu kommt, dass Journalisten eben meist keine Fachexperten sind und die Studien entsprechend selektiv auswerten oder gar falsch widergeben. Man muss das Gesamtsystem in Betracht ziehen. Im Unterschied zu früheren Zeiten sind heute viel mehr Forschungsresultate der Öffentlichkeit zugänglich, die früher zuerst ausschließlich unter Forschern diskutiert worden wären. Dass die Öffentlichkeit gerade im Bereich der Hirnforschung nach Möglichkeiten der Leistungsverbesserung giert, ist doch primär auch der Journaille zuzuschreiben, die solche Forschungsresultate entsprechend als Schlagzeilen aufbereitet und schmackhaft macht. Also liebe Wissenschaftsjournalisten, bitte erst den eigenen Augiasstall ausmisten!

    • Der Neurowissenschaftler hat’s schwör, auch wenn es sich nicht reimt.

      Man muss das Gesamtsystem in Betracht ziehen.

      Es fällt demzufolge nicht leicht auf das mehr als 1kg schwere Kernsystem zu schauen, auf diese CPU, die “Subsysteme” werden hier auch eine Rolle spielen, wenn die Komplexität derart hoch ist, und zuverlässig etwas herauszufinden.
      Anscheinend sind hier aber ganz gute Leute unterwegs, so gut, dass bspw. auch einmal Derartiges übersehen werden kann.

      • PS:
        Wobei Sie sozusagen auf das Gesamtsystem des Gesamtsystems hinauswollten, das kam hier schon an, Herr Reutlinger.

        • Ich hatte versäumt, das “Gesamtsystem” näher zu spezifizieren, deshalb war eine Deutung nicht einfach ersichtlich. Gemeint hatte ich den Zusammenhang und die Wechselwirkung von wissenschaftlicher und journalistischer Publikation. Die Grenzen zwischen journalistisch seriösen und kommerziell intendierten Publikationen verschwimmen. Ein typisches Beispiel ist neben der Hirnforschung die Quantenphysik mit einer Heerschar von Erklärern und Deutern, für alle Lebensbereiche, mit teilweise skurrilen Behauptungen. Der Wissenschaftsbetrieb selber sorgt dafür, dass auch unausgereifte Zwischenresultate in die Öffentlichkeit geraten, z.B. Nachrichten über neue Entdeckungen, Vorträge bei Symposien. Letztlich unterliegt dieses Gesamtsystem den Zwängen ökonomischen Handelns und individueller Interessen. Der idealistische und einsame Forscher in seinem Labor, der zur Publikation überredet werden muss wie Darwin, ist nur noch Romantik oder Legende.

    • Ich weiß nun nicht, wer mit “die Wissenschaftsjournalisten” genau gemeint ist, aber ich verfolge über Gehirn und Geist das Thema Hirnforschung schon seit Jahren. Da kommen eigentlich alle Standpunkte zu Wort. Ob verschiedene Hirnforscher, Psychologen, Philosophen, Juristen, Theologen. Das Thema wurde aus verschiedenen Richtungen angegangen. Falls die Themenseite zum Manifest noch nicht bekannt ist. Die gibt einen guten Überblick. Das Manifest

      • Hirnforschung ist wie Artificial Intelligence-Forschung: Zuerst verspricht man Superintelligenz in 10 Jahren (AI) oder eben die Decodierung der “DNA des Denkens” in 10 Jahren und dann präsentiert man dem Publikum scheinintelligente Programme wie Eliza (künstlicher Psychologe, von Joseph Weizenbaum programmiert) oder behauptet im Bereich der Hirnforschung, nun könne man dem Hirn beim Denken zusehen – via Neuroimaging. Doch auf diesem Niveau bleiben diese sich relevant gebenden Wissenschaften (Hirnforschung und AI) Jahrzehnte stecken, bis dann unerwartete Ansätze doch noch eine goldene Zukunft eröffnen. Bei der künstlichen Intelligenz sind es Ansätze wie hierarchische neuronale Netze (Deep Learning) und diverse statistische Verfahren und Theorien (Markovketten, Lineare Algebra), die das Bild aufgehellt haben. Bei der Hirnforschung erwarte ich ebenfalls, dass statistische Ansätze/Big Data-Ansätze und Ansätze wie sie in der theoretischen Physik verbreitet sind die mittlere Dimension im neuronalen Geschehen erklären helfen – die Dimension, die im Hirnforschungsmanifest von spektrum.erwähnt wird als ” mittlere Ebene, die das Geschehen innerhalb von Verbänden von hunderten oder tausenden Zellen beschreibt”

        • Aber diese “mittlere Ebene …” das war schon vor über zehn Jahren. Es scheint alles sehr langsam voran zu gehen.

    • Neuro-Enhancement für jedermann und andere überzogene Erwartungen an die Hirnforschung sind also dem Wissenschaftsjournalismus und nicht den Hirnforschern selbst zu verdanken, meinen sie, Herr Reutlinger.
      Doch wer meint, Wissenschaftler seien nur dem Fortschritt verpflichtet und nicht sie seien es, die das Bild ihrer Wissenschaft in der Öffentlichkeit prägen, der täuscht sich wohl.
      Forscher sind letztlich Menschen wie du und ich. Sie forschen auch darum weil sie an die Relevanz ihrer Forschung glauben. Und diese Relevanz liegt nicht nur in der Erkenntnis an und für sich sondern auch in der Bedeutung für die Gesellschaft. Wer aber würde selbst zugestehen, dass seine Forschung keine so grosse Bedeutung für die Gesellschaft hat.

      • Wissenschaftsjournalismus reicht von Fachzeitschriften bis Boulevard. Selbstverständlich muss man differenzieren, insofern war mein Rundumschlag objektiv nicht berechtigt, es war eine spontane Reaktion, das räume ich ein. Nicht viel anders sieht es auf der Seite der Wissenschaft aus, auch dort gibt es ein breites Spektrum an Forschungsinstituten und Forschern, mit sehr zweifelhaften Vertretern darunter, wie Kreationisten, Esoteriker oder Lobbyisten. Hier müsste man genauso differenzieren, deshalb ist die Aussage 80% wissenschaftlicher Studien seien falsch, im Prinzip ebenso bedeutungslos. Darauf zielte mein Kommentar.

        Wie will man überhaupt bewerten, was in der Forschung, speziell in den life sciences, falsch oder richtig ist, was Irrtum, Schlampigkeit oder absichtliche Täuschung ist. Die Wissenschaftler stehen unter dem inneren Druck der eigenen Erfolgserwartung und dem äußeren Druck der Arbeit- oder Auftraggeber, sowie der Öffentlichkeit. Vielleicht sind auch die Erwartungen an die Wissenschaft überhaupt zu hoch, nach all den Erfolgen der letzten Jahrzehnte. Erschwerend kommt hinzu, dass die Erkenntnisse für den Normalbürger häufig nicht mehr einsichtig sind, oder aber Traditionen und Gewohnheiten infage stellen, andererseits sich gegenseitig infrage stellen und daher die Menschen verunsichern.

        • Traditionen oder Gewohnheiten würde ich aber auch nicht so schnell aufgeben, wenn es gerade mal wieder eine neue wissenschaftliche Erkenntnis gibt. Ich würde da genauer hinsehen, um welche Wissenschaft es sich da handelt und welcher Methoden sie sich bedient. Zudem ist Wissenschaft vorläufig und je nach Fach sehr interpretationswürdig. Das ist dann für viele Menschen zusätzlich verwirrend.

          • Was infrage gestellt wird, muss man nicht gleich aufgeben, aber man sollte es überdenken. Jede Wissenschaft stellt alte Annahmen, Vermutungen, Bräuche, Mythen infrage, das ist ihr Wesen und ihr Zweck, auch wenn natürlich nicht jede neue Erkenntnis solche Folgen hat. Beispiele sind die Evolutionstheorie, aktuell die Klimawissenschaft, die Medizin, die Hirnforschung, die Psychologie und Soziologie. Die Diskussionen um die Bioethik muss man nicht eigens noch erwähnen, denke ich, auch das trägt zu Zweifeln, zu Verunsicherung und sogar zu Ablehnung bei. Hier können gefälschte Resultate verheerende Folgen haben.

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