Mit dem richtigen Bauchgefühl zum “Cover der Woche”
BLOG: Das innere Spektrum

Gibt es ein Bauchgefühl dafür, wann ein Coverbild den Nerv der Zielgruppe trifft? Vermutlich schon, denn zumindest Redaktionsleiter Hartwig Hanser, Art Director Karsten Kramarczik und die Chefin der Bildredaktion Alice Krüßmann hatten beim Motiv des Märzheftes von „Spektrum der Wissenschaft“ ein richtig gutes Gefühl.
Und die Zunft gab ihnen Recht: Horizont.net, das Fachportal für Marketing, Werbung und Medien, kürte den Titel zum „Cover der Woche“ – und das in illustrer Runde mit den Titelbildern des „Zeit Magazins“ und des Magazins der „New York Times“.
Begründung dafür: „Über die neue Volkskrankheit Demenz ist schon viel geschrieben worden. Illustriert werden die Artikel meist mit Bildern alter Menschen. Dass des auch anders geht, zeigt die aktuelle Ausgabe von „Spektrum der Wissenschaft“. Das sich in seine Einzelteile auflösende Gesicht illustriert den Aufmacher über die molekularen Ursachen der Krankheit ebenso anschaulich wie beeindruckend“. „Dem ist nichts hinzuzufügen“, strahlte der Art Director übers ganze Gesicht.
Dabei erwies sich die Aufgabe zu Beginn als recht schwer. „Die Wurzeln der Demenz. Ein molekularer Dominoeffekt verursacht Alzheimer“, so lautete der Titel des zu bebildernden Aufmachertextes. Ein wichtiges Thema, das aber extrem knifflig ins Bild zu setzen ist. „Scientific American“, das Mutterblatt, hatte für die optische Umsetzung des englischen Originalartikels ein furchterregendes Antlitz gewählt, das nach außen hin in psychedelischen Farben zerfließt.
Das auf den Titel zu heben, überlegten sich die Blattmacher nur kurz. „Dann brach ein Sturm der Entrüstung los“, erinnern sie sich. Vor allem der weibliche Teil der Belegschaft des Verlagshauses erhob schwere Bedenken. Alice Krüßmann erlebte sogar, dass besorgte Kolleginnen und Kollegen die Bildredaktion bestürmten, nur weil das Schock-Bildnis neben dem Farbdrucker gelegen hatte. „Das gibt ja hoffentlich nicht das Titelbild!“, lautete die unmissverständliche Forderung.
Auf wenig Gegenliebe stieß auch der Vorschlag, zwei bunt gefärbte Hirnschnitte, den eines gesunden und den eines von Alzheimer geprägten Gehirns, zu verwenden. Das erschien den kritischen Kolleginnen und Kollegen wiederum zu konventionell und langweilig.
Da stieß Alice Krüßmann bei einer Bildagentur unter den Schlagworten „Zerfall“ und „Kopf“ auf eine Illustration, die perfekt passte, weil es sowohl die Auflösung des Geistes eindringlich darstellt als auch den molekularen Dominoeffekt, der von den Wissenschaftlern entdeckt wurde.
„Dieser Entwurf kam, sah, siegte und passte“. Und ist wohl auch so ganz nach dem Geschmack der Spektrum-Leser. Die mögen nämlich keine Menschen und auf keinen Fall Tiere auf dem Cover, dafür darf die harte Wissenschaft schon einmal ein wenig mysteriös daher kommen.
Link zum digitalen Heft: www.spektrum.de/inhaltsverzeichnis/maerz-2014/1210047
Spiegel und Economist betreiben recht grossen Aufwand um das “richtige” Titelbild zu finden. Bei Spektrum der Wissenschaft könnte das Titelbild ebenfalls darüber entscheiden, ob das Heft gekauft wird oder nicht, denn nicht jedes Heft ist von den Themen her gleich interessant. Ein eingängiges Titelbild, welches ein interessantes oder viel diskutiertes Thema aufgreift, kann also den Unterschied ausmachen. Das hier besprochene Bild hat wirklich Signalcharakter und wirkt schon von Weitem. Vielleicht ist es ja der Beginn einer neuen Epoche, wo “Spektrum der Wissenschaft” versucht in die Breite zu wirken.
Ein “richtig gutes Gefühl” hat in der Wissenschaft nichts verloren. 😉
Oh, doch! Wer nur mit dem Kopf sieht, ist ein armer Tropf. Ihm bleibt das Wesentliche unsichtbar oder so ähnlich….