Leser der ersten Stunde – Gespräch mit Prof. Joachim Wambsganß über Vergangenheit und Zukunft des Wissenschaftsjournalismus

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Das innere Spektrum

„Meine allererste Begegnung mit Spektrum der Wissenschaft fand statt, als es diese Zeitschrift noch gar nicht gab“. Professor Joachim Wambsganß, Direktor des Heidelberger Zentrums für Astronomie, freut sich sichtlich über dieses Rätsel, das er uns aufgibt. Dann steht er flugs auf, holt sich einen Schemel, klettert drauf und öffnet eine Schranktür in lichter Höhe seines Büros in der Mönchhofstraße. Dahinter verbergen sich die gesammelten Spektrum der Wissenschaft-Ausgaben seit 1978 (!), also vom allerersten Tag an. Es wird sicher nicht viele Leser geben, die solch einen Besitz ihr Eigen nennen können.

Kennengelernt hat der aus Landau in der Pfalz stammende Wissenschaftler das Heft schon vor dessen „Geburt“. Im Physikleistungskurs am dortigen Otto-Hahn-Gymnasium hielt er einen Vortrag, dem ein Artikel aus Scientific American, dem amerikanischen „Mutterblatt“ von Spektrum der Wissenschaft, zu Grunde lag. Sein Physiklehrer Hans Stolte hatte ihm diesen Artikel vorgeschlagen. „Warum gibt es so etwas nicht auf Deutsch?“, fragte sich der Schüler und konnte sein Glück kaum fassen, als dies kurze Zeit darauf in die Tat umgesetzt wurde:

Prof. Wambsganß mit Heften von Spektrum der WissenschaftSpontan und tatkräftig wie der heute 52-Jährige schon damals war, hat er die Zeitschrift sofort abonniert und von seinem Taschengeld bezahlt. Er verschlang die Hefte geradezu und las sie von der ersten bis zur letzten Seite. Die Faszination blieb ihm dann auch als Student in Heidelberg erhalten: Wenn er zwischen Theoretischer Physik am Philosophenweg und Experimentalphysik im Neuenheimer Feld pendelnd mit dem Rad durch die Mönchhofstraße flitzte, habe er immer ehrfurchtsvoll den damaligen Verlagssitz von Spektrum der Wissenschaft betrachtet. Wie „Heilige Hallen“ erschien ihm das damals. Das Astronomische Rechen-Institut schräg gegenüber, dessen Chef er heute ist, interessierte ihn deutlich weniger.

Haben die Leser vom „Inneren Spektrum“ vielleicht eine ähnliche Geschichte mit den Spektrum Magazinen wie Joachim Wambsganß? Wie hat das Heft den Lebensweg begleitet? Wir würden in den Kommentaren gerne davon lesen.

Unverhohlen räumt Wambsganß ein, zu Studienzeiten selbst ein Weilchen mit dem Wissenschaftsjournalismus geliebäugelt zu haben, auch wenn am Ende der Drang ins Forscherdasein stärker war. Doch um die Vielfalt der Themen und die zahlreichen Begegnungen mit interessanten Menschen beneide er die Spektrum-Redakteure noch heute ein bisschen.

Begeistert habe ihn von Anfang an das Spektrum-Konzept, die Forschenden selbst zu Wort kommen zu lassen. Als er im Jahre 2001 erstmals selbst als Spektrum-Autor eingeladen wurde – ein Beitrag über Gravitationslinsen (kostenpflichtig zum Download) – Gravitationslinsen empfand er das als ganz besondere Ehre. Und da wurde noch eins drauf gesetzt, als Scientific American bat, den Artikel in der amerikanischen Ausgabe übernehmen zu dürfen. Eigentlich klar, dass er den Text selbst übersetzte, und dann bei Erscheinen des Beitrags sechs Monate später in den USA noch einmal dafür gefeiert wurde.

Selbermachen liegt ihm ohnehin. Als es für sein Buch „Universum für alle“ trotz großzügiger Förderung durch die Klaus Tschira Stiftung nicht gelang, den Preis unter die magischen 20 Euro zu drücken, brachte er sich das notwendige professionelle Textverarbeitungsprogramm selbst bei, überarbeitete und bebilderte sämtliche Artikel und machte das Layout des gesamten Buches komplett selbst. Dabei achtete er auf viele Details, wie etwa, dass die Seitenzahlen überall zu finden sind.

Wambsganß bei der HeftkritikSolche Hinweise gibt er uns auch bei der anschließenden Spektrum-Blattkritik mit auf den Weg, für die er nicht nur das Flaggschiff „Spektrum der Wissenschaft“, sondern auch „Gehirn und Geist“, „Sterne und Weltraum“ sowie „Spektrum neo“ unter die Lupe genommen hatte.  Dabei zeigte er sich als akribischer Physiker, der mit Röntgenblick vorgeht. Er ist immer noch begeistert von den Heften – vor allem die Infografiken findet er klasse. Aber wenn das „Schwarze Loch“ in einer künstlerischen Darstellung fünf Mal im Blatt vorkomme oder die Überschriften auf dem Cover nicht zu denen im Inhaltsverzeichnis passen, dann findet er das „verbesserungsfähig“.

Auch vertritt er die Ansicht, dass die Spektrum-Redaktion ruhig mehr „Gesicht zeigen“ könne. Überhaupt sieht er die Zukunft im Wissenschaftsjournalismus nicht zuletzt im menschlichen Kontakt. „Persönliches ist im Kommen“, das hat er bei seinen Sternstunden zur Mittagszeit, die dem Buch „Universum für alle“ zugrunde liegen, gelernt, das ist aber auch sonst seine Überzeugung. Wissenschaft zum Anfassen, zum Staunen und zum Kommunizieren, davon ist Joachim Wambsganß überzeugt, das hat Zukunft!

Und seinen Lieblingsbeitrag der letzten Zeit aus dem Hause Spektrum hat er uns auch noch verraten. Er handelt nicht von Sternen und fernen Galaxien, sondern von Logarithmen (Seite 6 und 10)!

Neuer Blick auf die Physik – Spektrum der Wissenschaft Spezial

Alle Fotos: Martin Huhn

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

4 Kommentare

  1. Joachim Wambsganß – nie gehört (oder aufgefallen). Klingt aber alles sehr Symphatisch, was da über ihn berichtet wird. Er scheint auf jeden Fall Spaß an seinen Projekten zu haben – ist aufgrund der Inhalte motiviert, selbst viel beizutragen (sein Buch etwa). Für ihn gilt wohl auch, dass, wenn man ein gutes Ergebnis will, dass man es selbst tun muss.

    Spektrum Neo habe ich neulich inder Hand gehabt und war etwas enttäuscht. Oder gar verärgert. Das für Kinder alles schönbunt sein muß und leichtgängige Aufbereitung, ist einleuchtend. Aber zuweilen gabs ideologische Schwächen und ästhetische Anpassungen an eine naive Historie und grandios überzeichnete Zukunftsvisionen. Das entbehrt gewissen Ansprüchen an die Ethik und Moral – solch bedenkenloses einlullen in utopische und zuweilen menschenverachtender Übertreibungen und Grenzüberschreitungen. An solchen Stellen, wo totalitäre Systematiken und Strukturen als heilsbringende Zivilisationsverbesserungen und Hochkultur verkauft wird. Gebrannte Eltern würden sowas niemals für gut befinden, was da in positiv optimistischer Weise “angedroht” wurde.

    Und gelogen wurde auch noch. Allerdings betraf das ideologische Begebenheiten, wo die Lüge ja immer auf seiten des Feindes zuhause ist. “Objektiv” aber war eben wenig.

    • In der Tat ist Joachim Wambsganß so, wie er in den zwei Beiträgen rüber kommt. Beigeistert von der Sache und sehr engagiert. Er hat Ideen, krempelt die Ärmel hoch und setzt sie um. Die Angebote werden auch begeistert angenommen.

      Um welche Beiträge geht es da bei spektrum neo, die ideologisch sein sollen?

      • Ich weiß nicht, welche Ausgabe es war. Es wurden die Wissenschaften hochgelobt und eine Zeitskala mit einigen besonderen Vorkommnissen war abgebildet. Eine Sache ging um den Kommunismus, dessen Fall 1989/91 niemand aus den Wissenschaften vorhergesehen haben konnte/wollte/hatte. Ich erinnere mich aber an Carl v. Weizsäcker, der das so mal unmissvertändlich sagte – vor 1989.

        Aber wie gesagt: Ideologie, die sich vorher niemand hat getraut zu denken – öffentlich (ausser eben der Weizsäcker wohl)….

  2. Unter Ideologie verstehe ich dann doch etwas anderes. Was Carl v. Weizsäcker dazu sagte, weiß ich nicht. Fakt ist die ganzen Astrologen, Wahrsager, Zukunftsdeuter etc. haben dieses Ereignis nicht vorher gesehen.

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