Der Kaffee-Mythos oder Aufklärung über die braune Bohne

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Der Kaffee-Mythos

Liesa Klotzbücher, 26 Jahre, Diplom-Psychologin und freie Journalistin, enthüllt in Gehirn und Geist Nr. 4/2014 die Geheimnisse der braunen Bohne und schreibt die zehn wichtigsten Fakten über Kaffee. Wir haben sie zu ihrer eigenen Biografie mit dem Nationalgetränk der Deutschen befragt, über das so viele Halbwahrheiten und Mythen kursieren.

GuG-Autorin Liesa Klotzbücher
“Gehirn und Geist”-Autorin Liesa Klotzbücher weiß jetzt fast alles über Kaffee, vom Trinken des Lieblingsgetränks der Deutschen hält sie das nicht ab.

Kirsten Baumbusch: Erzähle uns etwas über deine Kaffee-Biografie?

Liesa Klotzbücher: Ich trinke Kaffee gerne mit aufgeschäumter Milch, aus der klassischen italienischen Espressokanne, ohne Zucker, allerdings eher unregelmäßig und nicht morgens, außerdem habe ich relativ spät damit angefangen, etwa mit 17 Jahren. Ich gehöre auch zu den Leuten, die nie vor Prüfungen oder Vorstellungsgesprächen Kaffee trinken, sonst werde ich zittrig.

Baumbusch: Wie kamst du zu dem Thema?

Klotzbücher: Das war während meines fünfmonatigen Praktikums bei Spektrum im vergangenen Jahr. Ich hatte auf Spektrum.de gelesen, dass Bienen sich dank Koffein an den Duft einer Pflanze besser erinnern können. Es verbesserte also ihr Gedächtnis. Der Artikel erfreute sich großen Interesses und wir in der Redaktion stellten fest, dass wir das Thema Kaffee ebenfalls enorm spannend fanden. Alle tranken wir Kaffee, aber Ahnung darüber hatte niemand. Von Anfang an war mein Ziel dabei, diese ganzen Halbwahrheiten unter die Lupe zu nehmen und aufzudecken, was denn nun wirklich stimmt.

Baumbusch: Wie gingst du vor?

Klotzbücher: Erst einmal habe ich rumgefragt und recherchiert, welche Mythen überhaupt kursieren. Hilfreich war dabei der Kontakt zum deutschen Kaffeeverband. Natürlich war mir klar, dass sie ein Interesse daran haben, ihr Erzeugnis positiv darzustellen, aber so habe ich viele Studien gefunden, die natürlich objektiv gegengecheckt wurden.

Baumbusch: Was war für dich erstaunlich?

Klotzbücher: Was mich überrascht hat: Es war nicht einfach, Wissenschaftler zu finden, die mir eine Einschätzung geben wollten, wie viel Tassen am Tag denn nun okay sind. Das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel (EUFIC) hält 300 Milligramm Koffein pro Tag für „maßvoll“ – das sind drei bis sechs Tassen täglich. Die meisten meiner Gesprächspartner waren da etwas verhaltener.

Baumbusch: Gibt es einen Unterschied – im Hinblick auf die Gesundheit – wie der Kaffee zubereitet ist?

Klotzbücher: Durchaus. Die Presskanne oder türkischer Kaffee, der ungefiltert getrunken wird, sind nicht so zu empfehlen, weil Stoffe, die den Cholesterinspiegel erhöhen, nicht herausgefiltert werden. Der Filterkaffee ist besser, einfach weil das Wasser schnell durch das Kaffeepulver durchläuft.

Baumbusch: Haben die Recherchen deinen eigenen Kaffeekonsum verändert?

Klotzbücher: Ja, komischerweise habe ich mehr und regelmäßiger Kaffee getrunken, weil ich ständig daran erinnert wurde. Sonst passiert es mir oft, dass ich mir eine Tasse hole, die dann neben meinem Schreibtisch steht und kalt wird, weil ich so sehr im Schreiben drin bin.

Baumbusch: Wie viel trinkst du am Tag?

Klotzbücher: Zwei bis drei Tassen.

Baumbusch: Wie steht es denn nun um das Suchtpotenzial?

Klotzbücher: Das Abhängigkeitspotenzial ist nicht so groß, weil Kaffee anders wirkt als viele andere Drogen. Trotzdem können Entzugserscheinungen auftreten. Das ist durchaus ein Indiz dafür, dass Kaffee Abhängigkeit erzeugt. Bei manchen geht das sogar soweit, dass sie am Wochenende an Kopfschmerzen leiden, weil sie dann wesentlich unregelmäßiger Kaffee konsumieren als im Berufsalltag.

Baumbusch: Wo kann zu viel Kaffeekonsum Schaden anrichten?

Klotzbücher: Vor allem Leute mit empfindlichem Magen müssen aufpassen, da Kaffee viele verschiedene Säuren enthält. Espresso ist übrigens säureärmer und daher besser verträglich.

Baumbusch: Macht Kaffee wach?

Klotzbücher: Ja, im Prinzip schon. Allerdings gewöhnt sich der Körper an regelmäßigen Koffeinkonsum. Ob wir bei dauerhaftem Konsum daher wirklich wacher werden, ist zu bezweifeln. Allerdings reagieren Menschen sehr unterschiedlich auf Koffein. Es gibt manche, bei denen der Stoff gar nicht wirkt. Andere reagieren auch auf geringste Mengen empfindlich, beispielsweise mit Angstsymptomen, Zittern und Herzrasen.

Baumbusch: Was hat dich am meisten verblüfft?

Klotzbücher: Mich haben die positiven Auswirkungen am meisten überrascht. Gerade bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ergaben mehrere Studien, dass Kaffee möglicherweise auch schützt. Das Gleiche gilt für Altersdiabetes, Parkinson und Demenz, da gibt es riesige Untersuchungen mit 50.000 Probanden. Die Leute, die viel Kaffee tranken, hatte eine geringere Wahrscheinlichkeit, später an Demenz zu erkranken. Man nimmt allerdings an, dass das nicht am Koffein liegt, sondern an einem der anderen tausend Inhaltsstoffe. Die Antioxidantien könnten eine Rolle spielen, sie wirken als so genannte Radikalfänger im Körper. Außerdem fand ich interessant, dass Koffein früher ein Dopingmittel war.

Baumbusch: Wie wurde das eingesetzt?

Klotzbücher: Um hellwach und schmerzunempfindlich zu sein und dadurch leistungsfähiger. Koffein wirkt vor allem auf die Ausdauer, nicht bei Kurzstrecken.

Baumbusch: Was denkst du, wie reagieren die Leser auf deinen Artikel?

Klotzbücher: Ich bin gespannt auf die Reaktionen. Kaffee ist ein emotionales Thema. Ich habe versucht, alles zu erfassen, in all seinen Fassetten. Das war wirklich aufwändig – zehn verschiedene Themen und jedes Mal einen Überblick und eine Einschätzung. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich Menschen auf den Artikel melden, schließlich trinken viele gerne und viel Kaffee.

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

7 Kommentare

  1. Ja, dass Kaffe gesund ist, wissen gar nicht so viele. Die meisten stufen es als Luxusgetränk ein und denken an das bekannten Volkslied:

    C A F F E E,
    trink nicht so viel Caffee.
    Nicht für Kinder ist der Türkentrank,
    schwächt die Nerven,
    macht dich blass und krank.
    Sei doch kein Muselman,
    der ihn nicht lassen kann.

    Auch der Autor von The dark side of my morning coffee hat wohl – unter anderem – an dieses Lied gedacht, als er über die dunklen Seiten des Kaffekonsums schrieb.
    In der Wikipedia findet man unter den positiven Wirkungen:
    “Other studies suggest coffee consumption reduces the risk of Alzheimer’s disease, dementia, Parkinson’s disease, heart disease, diabetes mellitus type 2, non-alcoholic fatty liver disease, cirrhosis, and gout.” Moreover, “habitual coffee consumption is associated with improved vascular function” and a lower heart failure rate. Furthermore “Caffeine acts as an acute antidepressant. A review published in 2004 indicated a negative correlation between suicide rates (50% less if 4 coffees per day) and coffee consumption”

    Kaffetrinker, die 4 Tassen Kaffe täglich trinken, begehn 50% weniger Suizide. Das allein schon wäre ein Grund um Kaffekonsum zu empfehlen.

  2. Gibt es eigentlich irgendwelche Beweise für die Wirkung von Antioxidantien?
    Also mir kommt das doch sehr seltsam vor, daß diese Radikalfänger in die Magensäure gekippt werden und dann noch irgendetwas fangen können?!?

    • Lange Zeit ging man davon aus, dass freie Radikale den Alterungsprozess vorantreiben und Antioxidantien davor schützen können. Der Markt an Vitaminpräparaten boomte. Doch ganz so einfach ist es offenbar nicht, wie aktuelle Studien zeigen: Freie Radikale sind wohl nicht immer schädlich und ihre Gegenspieler, die Antioxidantien, nicht immer nützlich, wie der Spektrum-Artikel »Entzauberte Antioxidantien« (http://www.spektrum.de/alias/medizin/entzauberte-antioxidanzien/1207955) oder der SciLogs-Beitrag von Lars Fischer (https://scilogs.spektrum.de/fischblog/sch-dliche-antioxidantien/) eindrücklich beschreiben. Die Frage zur Wirkung von Antioxidantien ist also bisher nicht eindeutig zu beantworten, da sich viele Studien widersprechen.

      Es gibt jedoch keinen Grund zu der Annahme, dass die Magensäure generell Antioxidantien zerstört. Vitamin C ist zum Beispiel selbst eine Säure. Dieses Antioxidans kann unser Körper nicht selbst herstellen, daher müssen wir es über die Nahrung aufnehmen.

      • Lange Zeit ging man davon aus, dass freie Radikale den Alterungsprozess vorantreiben und Antioxidantien davor schützen können.

        Wer ist denn man? Die Redaktion der Apotheken-Umschau? Die Marketing-Abteilung von Pfizer (“Centrum”)?

        Aktuell (2012) liegt keine wissenschaftliche Studie vor, die belegt, dass die systematische Einnahme von Antioxidantien bei asymptomatischen Patienten einen Überlebensvorteil erbringt. Dagegen gibt es jedoch Evidenz dafür, dass die Einnahme bestimmter Antioxidantien mit einer erhöhten Letalität (Sterblichkeit) assoziiert ist.[4]

        http://www.psiram.com/ge/index.php/Antioxidantien

  3. Meine Eltern hatten folgenden Spruch an der Küchenwand:
    “Kaffee, wie er doch belebt, wunderbar erhebt, möcht nie bleiben ohne – meiner Tasse Bohne”
    Und so trinke ich hoffentlich noch viel Kaffee.

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