Zwischendurch – ein Quickie

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Heute mal eine kurze Zwischenbemerkung, angestoßen durch einen Artikel von Laura Miller, Literaturredakteurin bei Salon.com. Sie schreibt aktuell gegen die – wie sie es nennt – Besessenheit, in jeder literarischen Geschichte eine ‘Message’ zu finden. Die klassische Frage, ‘Was will uns der Autor damit sagen’, die wir in der Schule sicher alle gehasst haben.

Kunst beantwortet keine Fragen, sie stellt sie. Das gleiche gilt für Literatur und Musik. Hier der Link zu Laura Miller. [Englisch]

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?

6 Kommentare

  1. Ist Literatur auch Kunst?

    Kunst beantwortet keine Fragen, sie stellt sie. Wenn das auch für Literatur gilt, muss auch Literatur Kunst sein. Oder nicht?

  2. Krimis sind oft ohne Message

    Bücher, gerade literarisch “wertvolle” haben oft keine Message. Doch auch Krimis werden nicht wegen der Message gelesen, sondern oft weil sie spannend und packend sind. Sagt nicht der Vater zu seiner Tochter – nicht zum Sohn, denn der spielt lieber, als das er liest – : Lese mal etwas Gescheites und nicht den romantischen Kram, den ich immer herumliegen sehe. Und ja, der Vater glaubt, dass das “Gescheite” eben eine Message rüberbrint, die seine Tochter gescheiter oder reifer macht.

  3. Fehlschluss

    @Martin
    Dierk hat oben gesagt, dass Kunst und Literatur und Musik Fragen stellen. Daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass Literatur Kunst sei, WEIL sie Fragen stellt, halte ich doch für sehr kurz gedacht. Ja, Kunst stellt Fragen (davon gehen wir hier und jetzt für diese Diskussion einfach mal aus), das bedeutet aber nicht, dass alles, was Fragen stellt, auch Kunst ist. Fragen stellen ist vielleicht ein Kriterium, aber bestimmt nicht DAS Kriterium, das über Kunst/Nichtkunst entscheidet.

    Deinen zweiten Kommentar verstehe ich leider überhaupt nicht.

  4. @Alexandra: Unlogisch aber nicht falsch

    Natürlich ist der Umkehrschluss oder Analogieschluss: Literatur beantwortet keine Fragen wie das Kunst auch nicht macht, also ist Literatur auch Kunst ein schwerer logischer Fehler. Sie können beruhigt sein, dessen bin ich mir bewusst. Doch der Begriff Kunst meint nicht nur bildende Kunst, dazu gehört auch die Literatur (und die Musik).

    Zusätzlich gilt wohl: Literatur braucht nicht nur keine “Message”, Literatur, auch gute Literatur hält sich nicht immer an die Schlussregeln der klassischen Logik. Doch diese Bemerkung ist wiederum “unpassend”.

    Nun zum weiten Kommentar: Die Leser heute suchen im Lesestoff gar keine Message und es gilt sogar: Je weniger offensichtliche Message umso begeistertere Leser. Wer Krimis liest oder “Harry Potter” sucht nicht nach der Message. Oder passender gesagt: Die meisten Leser suchen keine Weiterbildung in ihrem Lesestoff.
    Von Büchern, die man in der Schule liest oder vielleicht von ernsthafter Literatur überhaupt, erwartet man aber oft eine Message, eine “Moral”. Es ist traurig aber wahr: Für viele ist hohe Literatur langweilig. Aber immerhin hat sie eine Message. Man kann also gescheiter werden oder noch trivialer: Man kann sich weiterbilden.

  5. Die Absolutheit Ihrer Aussagen, Martin, über das, was Krimis oder Harry Potter bringen und was Leser suchen, sind problematisch. Natürlich können Werke dieser Genres/Reihe als pure Unterhaltung gelesen werden. Allerdings ist das weder die These von Laura Miller noch meine.

    Warum lesen Menschen Krimis? Da gibt es ganz, ganz viele Antworten, teils sehr oberflächliche. Aber einer der Gründe, weswegen Krimis immer sehr beliebt sind, ist der einfache Zugang zu ethischen Fragen. Sehr oft sind es dabei – zumindest in Deutschland – ausgerechnet die spezifisch auf Botschaft hingeschriebenen Romane/Filme, die sehr erfolgreich sind, z.b. die von Sjöwall/Wahlöö oder -ky oder Werremeier.

    Harry Potters Erfolg hat auch damit zu tun, dass J.K. Rowling etwas sagen wollte, was über ‘Ey, so’n Zauberbesen wäre doch cool’ hinaus geht. Terrorismus spielt da u.a. eine Rolle, Oppression und noch mehr.

    Ihre Vermutung, dass ausgerechnet ‘hohe’ Literatur eine Message hätte, wirft die Frage auf, ob Sie den verlinkten BEitrag überhaupt gelesen haben.

  6. @Dierk: Hab reagiert, nicht gedacht.

    Ihr Einwand Aber einer der Gründe, weswegen Krimis immer sehr beliebt sind, ist der einfache Zugang zu ethischen Fragen. ist nicht von der Hand zu weisen: Der typische Krimileser ist vielleicht nicht so anders als derjenige, der auf bestimmte neuere Fernsehserien (Dr. House, Desperate Housewives) steht. Alle diese Medien transportieren ja mehrere Inhalte und Botschaften gleichzeitig. Und ja, es steht oft ein relativ einfaches, vielleicht sogar geschlossenes Weltbild hinter solchen Krimis oder Fernsehserien. Ein Weltbild, das so nebenbei in den Kopf der Zuschauer und Leser eindringt und auf stumme Zustimmung stösst, weil – so würden es einige dieser Fans wohl formulieren – es einfach stimmt und alles letzlich stimmig ist.

    Den Artikel von LAURA MILLER hab ich schon gelesen, allerdings mehr überflogen. Beim nochmaligen Lesen ist mir noch stärker als schon beim erstmaligen Lesen aufgefallen, dass sie sich fast exklusiv an amerikanische Leser richtet. Amerika oder besser gesagt die USA hab ich ehrlicherweise noch nicht ganz verstanden, weswegen ich nun auch einen iTunes U-Lehrgang über die American Revolution heruntergeladen habe. Dieser Lehrgang besteht fast nur aus Videosequenzen, die die Yale-Professorin Joanne B.Freeman in Aktion und beim Denken zeigen. Auch LAURA MILLER hat einen ähnlichen, für viele Europäer schwer zu verstehenden Hintergrund, wo Sätze wie der folgende vorkommen: As the Puritans saw it, writes Avery, fiction might “deflect the reader from more profitable occupation” and was furthermore “untrue, therefore a lie.”
    Darum war also in den USA früher Literatur etwas falsches und nicht angemessenes für einen wahren Amerikaner.
    Doch Europa hat eine andere Geschichte. Wir lesen aus anderen Gründen heute weniger ernsthafte Literatur. Ein Grund liegt darin, dass es nun zuviele Schriftsteller gibt, man sich nicht mehr an ein paar grossen Namen orientieren kann. Ein anderer ist der, dass es nun zuviele andere Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Vom Bloggen bis zum Filmen oder Romane schreiben: Man findet einfach nicht mehr die Zeit, das Zeug von anderen zu lesen.