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BLOG: Con Text
Erinnern wir uns, Peer Review bedeutet Kollegen rund um die Welt nutzen und prüfen wissenschaftliche Beiträge. Verlage hingegen machen Lektorat – to cover their arses. Dass sie dafür auch die Expertise von gestandenen Wissenschaftlern nutzen, ist zwar kein Zufall, aber auch nicht systembedingt.
Überhaupt ist die Rekursion auf prestigereiche Wissenschaftsverlage oder Magazine wie Nature unwissenschaftlich, da nicht der Inhalt und die Methoden, die in den Beiträgen beschrieben werden Massstab für die Qualität der Forschung sind, sondern der Ruf des Herausgebers. ‘Der Beitrag war sogar in Nature’ ist keine Aussage über die Güte der Wissenschaft, die betrieben wird, sie ist Rückgriff auf die Autorität und damit ein Fehlschluss.1
Selbstverständlich arbeiten Verlage daran, Vertrauen zu erhalten, z.B. indem sie vor einer Veröffentlichung Fachwissenschaftler gelieferte Beiträge beurteilen lassen. Sie verlegen also die Peer Review vor die Veröffentlichung. Menschen, die hoffentlich genug von der Materie verstehen und tief genug in einen Artikel einsteigen, sollen Probleme rechtzeitig aufzeigen. Dem Verlag. Vielleicht noch den Autoren eines Beitrags, sofern der Verlag konkrete Kritik weiter gibt.
In diesem Lektorat zeigt sich vielleicht eine methodisch so schlechte Arbeit, dass ein Paper besser nicht veröffentlicht wird. Natürlich sollen auch kleinere Fehler oder missverständliche Formulierungen erkannt und werden, so dass die Autoren noch einmal auf Klarheit umschreiben. Trotzdem werden immer wieder Beiträge angenommen, die sich später als kompletter Humbug, Fälschung 2 oder methodisch höchst fragwürdig herausstellen.
In der interessierten Öffentlichkeit ist Platz für etwas Empörung, wie denn ein so angesehener Verlag so einen Mist … Wenig bleibt übrig, sich zu fragen, weshalb man Unsinn vertraut, nur weil er in einem hoch geschätzten Verlag/Blatt erschien.
Info: Nach einer 2-jährigen Startphase wird De Gruyter Open von Autor/innen eine Gebühr von € 500,- pro Veröffentlichung nehmen. #openaccess
— Anatol Stefanowitsch (@astefanowitsch) 22. Juni 2014
Wir sollten nicht auf die Autorität von Wissenschaftsverlagen oder deren regelmässigen Publikationen vertrauen. Sie sind eine alte, früher notwendige Methode, Ideen, Beobachtungen und Analysen möglichst günstig mit möglichst vielen Kollegen diskutieren zu können. Vor allem mit Kollegen, die nicht in derselben Filterblase unterwegs sind, wie man selbst, die daher andere Perspektiven haben als Kollegen vor Ort.
So ein Verlag druckte viele, viele Exemplare, schickte sie an Bibliotheken und Institute überall in der Welt. Das ist alles mit Aufwand verbunden, der bezahlt werden muss. Überhaupt keine Frage. Nur ist das keine Wissenschaft, sondern nur Werkzeug, damit Menschen am wissenschaftlichen Prozess Teilhaben können – Autoren schreiben, was sie entdeckt haben, Leser überprüfen und antworten gegebenenfalls mit eigenen Beiträgen, die wieder über das Hilfsmittel Verlage verbreitet werden. Echte Peer Review.
Ist das in dieser Form heute noch nötig? Für Verlage schon, sie haben erfolgreich das Geschäftsmodell ‘Wissenschaft’ entwickelt, das seit ungefähr 150 Jahre sehr gut funktioniert. Sie haben es auch fertig gebracht, selbst Wissenschaftlern, Instituten und Bibliotheken das Autoritäts-Argumentso fest einzuhämmern, dass viele wirklich glauben, ohne Wissenschaftsverlage ginge es nicht. So mancher wehrt sich mit Händen und Füssen gegen die heute ohne Schwierigkeiten zu implementierende Alternative:
Open Access
Ob @Wikimedia die Ressourcen hätte, um eine #openaccess-Zeitschrift zu hosten?
— Anatol Stefanowitsch (@astefanowitsch) 22. Juni 2014
Es spricht nichts dagegen, auch wissenschaftliche Fachartikel mit den Mitteln des Internets zu veröffentlichen.3 Im Moment nutzen vor allem Scharlatane die Möglichkeiten, ein grosses Publikum mit ihren Pamphleten zu erreichen. Wissenschaftler bekommen sogar Probleme, wenn sie versuchen, ihre Forschung zumindest populär aufbereitet in Blogs darzulegen.
Ein wirkliches Argument, vielen Kollegen innerhalb und ausserhalb der Akademie die eigenen Erkenntnisse per Open Access und im Internet vorzuenthalten, habe ich noch nicht gehört. Schneller, einfacher und billiger kommt man kaum an Peer Review. Oder haben viele Forscher doch Angst vor öffentlicher und allgemein zugänglicher Kritik, verlassen sie sich nur zu gerne darauf, mit dem Fachlektorat der Wissenschaftsverlage das Wasser zu testen? Sollte da etwas auffallen, zieht man fast unbemerkt wieder zurück.
Dierk Haasis schrieb (23. June 2014):
> […] Ideen, Beobachtungen und Analysen möglichst günstig mit möglichst vielen Kollegen diskutieren zu können. Vor allem mit Kollegen, die nicht in derselben Filterblase unterwegs sind
In wie fern es darum geht, sich in eine Diskussion mit “möglichst vielen” zu begeben, hängt natürlich davon ab, wie eng der Begriff “Kollegen” ausgelegt wird.
Es gilt wohl eher, sich denjenigen zu stellen, die Kritik oder Anregungen deutlich und unbefangen vorbringen könnten und würden, sofern dazu Anlass bestünde und sie Gelegenheit hätten.
Es geht um die Auseinandersetzung damit, was zu kritisieren wäre; weniger darum wer und wie viele den jeweiligen Kritikpunkt zum Ausdruck brächten.
Ansonsten sollten Zugang und Teilnahme natürlich möglichst Barriere-frei für jeden sein.
> “Ob @Wikimedia die Ressourcen hätte, um eine #openaccess-Zeitschrift zu hosten?”
> — Anatol Stefanowitsch (@astefanowitsch) June 22, 2014
Ob bestimmte, tatsächliche “Ideen, Beobachtungen und Analysen“, deren eventuelle Kritiken, sowie die Versions-Geschichte der entsprechenden Auseinandersetzung und Aufarbeitung am besten in einer Enzyklopädie aufgehoben wären?
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