• Von Dierk Haasis
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Filmische Sprachkonvention

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Ich habe mich gestern geärgert. Lange nachdem jeder andere bereits Black Panther gesehen hat, nahm ich mir auch zwei Stunden dafür. Soll ja einer der interessanteren Comic-Filme sein. Nun ja.

Bevor ich weiter mache, kennen Sie die Sandwich-Methode? Dabei geht es darum, negative Kritikpunkte zwischen Lob zu sandwichen. Die Methode kommt aus den USA, hat neben der Nervenschonung der Kritisierten ihre Vorteile. Wir folgern, dass es nicht das Schlechteste ist, mit den positiven Aspekten von Black Panther zu starten.

Der Film ist unterhaltsam, keine Frage. Das Tempo stimmt, auch wenn er mit über 120 Minuten immer noch auf der zu langen Seite ist. Da hätte man gut auf die eine oder andere Figur verzichten können, z.B auf den einen  oder anderen der unübersichtlich vielen Villains. Das hätte auch der Ausarbeitung von Killmonger [oder Ulysses Klaue, je nachdem, für wen das Studio sich entschieden hätte] geholfen. Seine Motivation bleibt im Film oberflächlich und klischiert.

Die Besetzung ist durchweg sehr gut, die Darsteller spielen von subtil bis over-the-top den Beats des Films entsprechend. Selbst pathetische Klischeedialoge kommen dabei meist anständig rüber, man könnte fast sagen ‘glaubwürdig’. Allerdings haben sich die Macher entschieden, alle Wakandans mit einem teils deutlichen Akzent sprechen zu lassen.

Und das ärgert mich.

Die literarische Konvention ist, Figuren in der Sprache reden zu lassen, in der und für die ein Werk geschrieben ist. Ein Buch – auch Filmdrehbuch -, das von einem Engländer für den englischen Markt geschrieben ist, aber in Indien spielt, wird auf Englisch geschrieben und alle Figuren werden Englisch reden. Konventionell steht dies dann für die am Handlungsort gesprochene Sprache. Anderes Beispiel: Historische Romane und Filme, also jene, die nicht in unserer Gegenwart spielen, sondern in der Vergangenheit. Robin Hood spricht heutiges Englisch, nicht Mittelenglisch, Artus und Merlin unterhalten sich nicht Altenglisch, Keltisch oder Gotisch.

Selbstverständlich gibt es narrative Gründe für Instanzen anderer Sprachen – eine Figur spricht die vorherrschende Sprache nicht, benötigt also eine Übersetzung. In Black Panther fällt dies in einigen Szenen dem CIA-Agenten zu [ein US-Amerikaner gespielt von einem Briten, Martin Freeman], Wakandans nutzen seine Unkenntnis, über ihn bzw. den Umgang mit ihm zu reden. Es gibt noch einige andere Ausnahmen, die aber eben dies sind: Ausnahmen.

Auch der Einsatz von gebrochenem Englisch, einem starken Akzent, wird manchmal eingesetzt, um Sprachabweichungen zu zeigen. Solche zwischen Figuren ebenso wie die zur angenommenen Sprache des Films. Auf diese Weise können Sozio- und Dialekte deutlich gemacht werden oder der Wechsel einer Figur von einer zur anderen Sprache.

Black Panther spielt überwiegend unter Wakandans, die sich in ihrer eigenen Sprache unterhalten. Ein Dialog findet auf Koreanisch statt, einige eindeutig auf Englisch, manche vielleicht. Es ist nicht ganz klar1, ob Killmonger Wakandan versteht und spricht. Die konventionelle Hauptsprache des Films ist eindeutig Wakandan. Da der Film zuerst ein US-amerikanisches, dann ein internationales, sicher kein wakandisches Publikum erreichen will, ist Englisch im Film weitgehend Stand-in für Wakandan.

Und wie sprechen Wakandans im Film? Sie ahnen es: mit starkem Akzent. Als könnten sie ihre eigene Sprache nicht. Ein Akzent wäre für Killmonger angebracht [sofern er überhaupt Wakandan kann, er wuchs komplett ausserhalb auf und nur seine ersten ca. 10 Jahre hatte er zwei Wakandans, die es ihm hätten beibringen können], vielleicht auch ein etwas schwächerer für T’Chala, der einige Jahre seiner Ausbildung ausserhalb Wakandas verbrachte.

Diese Inkongruenz hat mich immer wieder aus dem Film geworfen. Ich hatte dauernd den Eindruck, ein Werk von vor 1970 zu sehen, in dem Schwarze gebrochenes Englisch sprachen, weil sie ungebildete wären, Sklaven, Abkömmlinge von Sklaven, Wilde. Aber genau das ist bei Wakandans nicht der Fall. Das Thema des Films ist genau, dass Wakandans praktisch allen Nationen technologisch und in der Bildung weit voraus sind. Wieso also gebrochenes Englisch für alle?

Die Action wiederum gefiel mir recht gut, auch wenn sie trotz der kleinen Bedrohung, die leider in Superheldenfilmen kaum mehr vorhanden ist, überwiegend erheblich over-the-top war. Man kann ihr folgen, man hat Bezug zu ihr. Auch die Auflösung der Action-Sequenzen ist logisch.

Wäre da nur nicht dieses Sprechproblem …

Notes:
1. Ich mag es einfach verpasst haben.

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?