Der Weg zu …

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Im Moment komme ich leider nicht so recht dazu, ausgefeilte Gedankengebäude in Blogtexte zu schmieden. Das gibt sich hoffentlich bald wieder. Einer der Gründe ist die schiere Flut an interessanten Ideen und Themen, die sich alle gegenseitig blockieren. Um zumindest ein wenig davon los zu werden, einige aufsuchenswerte Links.

Realismus und Kritik

Ich weiß nicht, ob es wirklich in den letzten Jahren mehr geworden ist, doch durch das Internet sehen wir auf jeden Fall immer mehr davon – Artikel, die empirische Fehler in Filmen und TV-Serien aufzählen. So als wäre Fiktion dokumentarisch.

Das gab es immer, darauf gründet sich der schlechte Ruf von Nerds und Geeks, die einem haarklein auseinander klamüsern, weshalb Explosionen im Weltall keine Geräusche machen, oder die auf eine Ungereimtheit in der Kontinuität einer seit Jahren laufenden Serie hinweisen. Menschen, die Angst haben, sich auf Fiktion und deren Regeln einzulassen, vermute ich. Die zwar ihr emotionales Moment spüren, aber das nicht zulassen wollen.

Isaac Butler hat dazu einen schönen Text verfasst.

Der Film- und TV-Kritiker Matt Zoller Seitz fast das schön zusammen:

If authorial intent were really a magic bullet, racist authors and filmmakers could say “This isn’t racist” and that’d be the end of it.

Stummfilme

Open Culture hat einen kleine Liste mit Stummfilmen, die es für lau im Internet zu sehen gibt. Auch wenn die Überschrift 10 Filme verspricht, sind nur 9 in der Liste verlinkt – und viele weitere auch zu finden, z.B. über das Internet Archive, wo es auch Tonfilme gratis gibt.

Denkwerkzeuge

Zu diesem Vortrag von Daniel Dennett wollte ich eigentlich ausführlicher schreiben.

Leider sind so viele Dinge darin, die aufgenommen gehören, dass ich mich darüber noch gut sortieren muss. Ein Gedanke, den ich dazu hatte

Es gibt keinen Unterschied zwischen Freiem Willen und der Illusion von Freiem Willen. Die Ärztin in Dennetts Beispiel nimmt dem Patientin nicht den Freien Willen, wie sie behauptet, sondern seine Illusion davon – was ein genereller Konsens unter Philosophen und Psychologen nicht tut.

Besser Fernsehen

Das gute Fernsehen fing nicht mit The Wire an oder Deadwood oder gar Breaking Bad. Es entwickelte sich ab Ende der 1970er/Anfang der 1980er aus teilweise noch heute geschätzten, aber selten gesehenen Serien, von The Rockford Files über Magnum P.I. und Dallas bis zu Miami Vice. Ein Blick zurück von Brian Doan.

Buchstabierte Hochkultur

Stephen Colbert parodiert nicht nur spitz satirisch politische Pundits, vor allem Rechtsausleger wie Bill O’Reilly, er benutzt seine Form der Comedy, um [jungen] Menschen Hochkultur näher zu bringen. Dafür stößt er den Glaskasten um, in dem High-School-Curriculae und Elfenbeinturmvergeistigte literarische Werke aufbewahren und sie durch langweilige Lehreranbetung Schülern und Studenten unzugänglich machen.

In seinem Buchclub kümmerte er sich bisher um F. Scott Fitzgeralds The Great Gatsby und J.D. Salingers Catcher in the Rye. Die Folge zu Fitzgerald scheint im Moment nur in Einzelclips zu existieren.

Vorhersage

Vermutlich die bekanntesten politischen Utopien stammen von Aldous Huxley – Brave New World – und George Orwell – 1984. Ersterer verglich 1949 beide miteinander in einem Brief an letzteren.

Mir scheint, auf lange Sicht gewinnen Orwells “Vorhersagen”, nicht zuletzt, weil seine Vision – immerwährender Krieg zur Entschuldigung totalitärer Maßnahmen [‘nur zu ihrem Besten’] – eine satirische Abrechnung mit Stalinismus und Faschismus war, weniger Science Fiction. Er scheint die Menschen, ihre Möglichkeiten und Grenzen besser gekannt zu haben, als es der Esoteriker Huxley tat.

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?

2 Kommentare

  1. Es gibt keinen Unterschied zwischen Freiem Willen und der Illusion von Freiem Willen.

    Wir vergleichen mit:
    ”So macht uns die Soziologie paradoxerweise frei, indem sie uns von der Illusion der Freiheit befreit.’ (Pierre Bourdieu)

    Sie werden sicherlich Ihrem Kommentatorenfreund die Einordnung des zugrunde liegenden Gedankengut als neomarxistisch nachsehen.

    Das aber nur nebenbei, damit die kommentarische Leistung Feedback bekommt.

    MFG
    Dr. W

  2. Vielleicht auch interessant “Wir amüsieren uns zu Tode” von Neil Postman zu dem Thema zu lesen. Sein Postulat (1985) war ja gerade das Huxley und nicht Orwell zutreffender die Realität wiederspiegelt. Ich halte nach wie vor viele seiner Argument für valide.