Zwischenhoch

BLOG: Clear Skies

Astronomie mit eigenen Augen
Clear Skies

Um Neumond herum, wenn sich astronomisches Beobachten besonders lohnt, ist das Wetter ja erfahrungsgemäß oft weniger ideal… So zumindest der subjektive Eindruck eines Hobby-Sternguckers. Anders aber vorgestern: Am Nachmittag klarte der Himmel durch ein winziges Zwischenhoch endlich mal auf und ich packte mein Dobson-Teleskop zum Auskühlen direkt ins Auto.

Ein paar Stunden später machte ich mich auf den Weg zu meinem liebsten Beobachtungsplatz, der ziemlich abgelegen im Odenwald liegt. Dick angezogen im unbeheizten Auto, damit der Spiegel meines 10“-Newtons auch schön kalt bleibt. Beim Aussteigen aus dem Wagen direkt der Wow-Effekt, den ich leider am Wohnort im Rheingraben nicht mehr kenne: Die Milchstraße strahlend über mir und der Himmel nur im Westen Richtung Rhein-Neckar-Raum störend aufgehellt (leidiges Thema "Lichtverschmutzung"…).

Das Seeing war mittelmäßig und mein f/5-Newton bot im 27 mm-Übersichtsokular bei 5,5 mm AP schon schnell ein brauchbares Bild. Im Südosten stand Orion schon hoch genug über dem Horizont, so dass ich mir einige Prachtstücke dieses Wintersternbildes direkt eingehend anschaute. M 42/43 sah ich so detailreich und strahlend hell wie schon sehr lange nicht mehr. An sich genügen der Orionnebel und seine Nachbarn als Beobachtungsobjekte einer Beobachtungsnacht, so viel gibt es hier zu entdecken. Bei höherer Vergrößerung zeigten sich zunehmend Details, z.B. das Trapez auch mit seinen 11-mag-Sternen. Und eingebettet in diese Sternkinderstube noch Sterne, die selbst in meinem Uranometria nicht verzeichnet sind. Ich setzte später noch einen drauf und schaute mir M 42 etc. auch mit meinem jüngsten Okular an, dem 13 mm-100°-Knaller, das bei meinem 10“-f/5-Dobson bei 96-facher Vergrößerung ein tatsächliches Gesichtsfeld von mehr als einem Grad zeigt! Knackscharf und kontrastreich über das wahrlich gigantische Gesichtsfeld. Ich schwebte geradezu im Raum und dieses Gefühl machte fast schwindelig, zumindest aber euphorisch. Das ist der „Space-View-Effekt“ – auf die Spitze getrieben. Ich werde in diesem Blog mehr über dieses außergewöhnliche Okular berichten, sobald ich ausführlicher mit ihm beobachtet habe.

Im Stier strahlte Mars, der an Heiligabend 2007 in Opposition stand. Das Seeing setzte Grenzen, dennoch dachte ich mal wieder, dass die Kombination von menschlichem Auge und Gehirn enorm viel an Feinheiten erkennen lässt, wozu ansonsten unzählige computertechnisch aufgearbeiteter und gemittelter Einzelaufnahmen nötig sind.

Im Auriga nahm ich einige der Offenen Sternhaufen ins Visier, M 36, 37 und 38 und natürlich NGC 2281, den Messier dereinst wohl übersehen haben muss, weil er der prächtigste Offene Sternhaufen im Fuhrmann ist. Und in jeder Beobachtungsnacht begeistert mich, wenn ich altbekannten Objekten Neues abgewinnen kann, so bei M 36, bei dem ich seine Sternketten so schön sah wie nie zuvor. Es gibt auch immer wieder Objekte – ich gestehe – die ich dann nicht wieder finde oder erkennen kann, so am Sonntag den schwächeren galaktischen Nebel IC 405; er blieb mir verborgen.

Der Winter bietet am Sternhimmel unendlich viele spannende Objekte; ich beschränkte mich noch auf einige im Sternbild Perseus, ehe nach gut zweieinhalb Stunden immer mehr Nebelschwaden aus dem benachbarten Tal hoch zogen und meinen sonntäglichen Sternentrip beendeten. Wie schön wäre es, irgendwo leben zu können, wo der Himmel dunkel ist und jede Wolkenlücke direkt ausgenutzt werden kann… … so träumt der Städter.

Für mich ist das Beobachten des Sternhimmels immer ein Naturerlebnis der ganz besonderen Art und in jeder Nacht sehe ich Altbekanntes neu und entdecke für mich Neues. Am liebsten ganz puristisch zwischen mir und dem Firmament nur zwei Spiegel, ein Okular und – leider – die Atmosphäre. Gegen Kälte helfen gute Kleidung und eine Thermoskanne mit einem warmen Getränk. Kalt empfand ich diese Nacht bei leichten Minus-Temperaturen jedenfalls keine Sekunde lang.

Clear Skies! Stefan Oldenburg

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Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

2 Kommentare

  1. Wenn es doch nur nicht so kalt wäre …

    … dann würde man vielleicht ja auch mal selnst wieder den Allerwertesten raus bewegen können 😉

  2. … wie gesagt, nette Mittel gegen Kälte sind warme Kleidung und eine gut gefüllte Thermoskanne… 😉 Zudem ist es zur Zeit ja wieder fast frühlingsmild warm, weshalb Ausreden nicht wirklich gelten können… 😉

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