Mars on stage

BLOG: Clear Skies

Astronomie mit eigenen Augen
Clear Skies

Die ESA-Vortragsabende in der Darmstädter Centralstation haben Tradition und sorgen stets für ein volles Haus. Gestern ging es um die Zukunft der bemannten Raumfahrt: “Wo bitte gehts zum Mars?” Tja, wann wird der Mensch den Mars betreten?

Der hr-iNFO-Moderator Dirk Wagner führte durch das spannende Programm, das ich hier mit einigen meiner Fotos illustriere:

Foto 1: Romain Charles (links) und Diego Urbina (Mitte) im Gespräch mit Dirk Wagner. Alle Fotografien auf dieser Seite: Stefan Oldenburg

In Moskau fand bis November 2011 mit “Mars-500” das bislang längste Isolationsexperiment der Raumfahrtgeschichte statt: Sechs “Marsonauten” aus Russland, Frankreich, Italien und China lebten für 520 Tage wie in einem Raumschiff und simulierten dabei einen Flug zum Mars, Kommunikationsverzögerung mit der Basisstation auf der Erde inklusive. Auch die Landung dreier Astronauten und mehrere Ausstiege auf dem roten Planeten wurden durchgespielt – so realitätsnah wie möglich. Spannende Eindrücke dieser “Reise” beschrieben die beiden ESA-Teilnehmer des Experiments Romain Charles und Diego Urbina.

Foto 2: Diego Urbina, später in der Pause Ziel zahlreicher Autogrammjäger…

Foto 3: Einer der Punkte, der die Crew irgendwann zu stören begann, war das mit der Zeit eintönig gewordene Essen. 🙂  Eine echte Marsmission hätte zweifelsohne mit gravierenderen Problemen zu tun. Witzig war die Frage eines Zuhörers nach dem Gewichtverlust während der 520-Tage-Mission. Menschliche Aspekte scheinen wohl stets die spannendsten Dinge zu sein, die “man” so wissen möchte. Wer´s wissen will und gestern nicht in Darmstadt zugegen war: Charles nahm 10 Kilo ab, Urbina 5 Kilo. Eine teure Astro-Diät.

Foto 4: Dr. Markus Landgraf, Missionsanalytiker am ESOC in Darmstadt, im Gespräch mit Dirk Wagner. Dr. Landgraf, studierter Planetologe, war an einem spannenden Mars-Experiment beteiligt, das im Juli 2002 in einem simulierten Mars-Habitat in der kanadischen Wildnis, in Devon Island, durchgeführt wurde. Er führte exobiologische Untersuchungen auf der FMARS-Station durch. Entsprechend ausgebildete Menschen würden auf dem Mars wesentlich zielgerichteter Fossilien finden können als Roboter. Eine der Übungen war es daher, in voller Raumanzugmontur in Felsen herumzuklettern, und in anstehendem Gestein entsprechende Funde zu machen. Wie sensationell wäre wohl ein Fossilienfund auf dem Mars… Markus Landgraf ist sich sicher, ein solcher Fund wäre mindestens drei Nobelpreise wert.

Fotos 5 und 6: Dirk Wagner ist Raumfahrt- und Astronomiefan. Man spürt seine Begeisterung für Weltraumthemen in jeder Sekunde seiner Moderation.

Die Missionen der Zukunft beschränken sich allerdings nicht auf das ferne Ziel Mars. Die Rückkehr zum Mond stellt die nächste große Etappe dar, denkbar auch die Landung auf einem Asteroiden. Verschiedene Reiseszenarios stellte ESA-Missionsanalytiker Michael Khan in seinem Vortrag vor.

Fotos 7-9: Michael Khan, den man in den SciLogs niemandem vorstellen muss.

Fotos 10 und 11: Wie könnte eine Mars-Raumsonde beschaffen sein? Die Technik ist im Prinzip seit langem ausgereift. 9 Monate Hinflug zum Mars, 18 Monate Marsaufenthalt und 9 Monate Rückflug, das sind die Rahmendaten. Zumindest die Hälfte dieser Zeit haben die Jungs des Mars-500-Experiments schon geschafft. Ein winzig kleiner Schritt auf einem langen Weg.

Fotos 12 und 13: Als “Übungsziel” einer langen Marsmission bieten sich der Mond – oder Asteroiden an. Hier ist der pickelige Asteroid (25143) Itokawa im Größenvergleich zur Raumstation ISS dargestellt.

Foto 14: “Man muss seine Feinde kennen.” Michael Khan zur Abwehr von Erdbahnkreuzern.

Foto 15: Dirk Wagner und Michael Khan beim Anblick – nein nicht des Fotografen, sondern eines Asteroiden-Modells neben der Bühne.

Fotos 16 und 17: Dr. Thomas Reiter, ESA-Astronaut auf der MIR und der ISS und heute Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb und Leiter des ESOC-Kontrollzentrums, in der Veranstaltungshalbzeit an einem Modell der ISS mit den beiden Mars-500-Teilnehmern Romain Charles und Diego Urbina.

Fotos 18-20: In der Veranstaltungspause gaben die beiden Mars-Astronauten Romain Charles und Diego Urbina fleißig Autogramme. Wie begehrt wohl “echte” Mars-Astronauten bei Erdbewohnerinnen wären? 😉

Fotos 21-29: Dr. Thomas Reiter verbrachte insgesamt 342 Tage im Erdorbit, davon 1995/96 176 Tage auf der MIR, und 2006 166 Tage auf der ISS.

Das Interview mit Thomas Reiter war äußerst spannend. Er konnte als einziger “echter” Astronaut der gestrigen Runde von ganz konkreten Erfahrungen berichten. Wie sieht die Erde von “oben” aus? Wie relativiert dieser Ausblick die Sicht auf irdische Probleme? Ich bin immer wieder überrascht, wie unisono Astronauten auf diese Frage antworten. Astronauten, welche die Gelegenheit haben dürften, ganze Kontinente mit einem Blick zu erfassen. Der Funke sprang auch bei diesem Interview auf die Zuhörer über. Raumfahrt ist schlichtweg eine faszinierende Angelegenheit.

Natürlich dachte ich gestern Abend auch wieder an ein Interview, bei dem Thomas Reiter der Interviewer war. Er befragte Buzz Aldrin, und dieses grandiose Interview findet sich in einem der schönsten Bücher über unseren Erdtrabanten: Jaumann, Köhler: Der Mond. Ich schrieb vor ein paar Jahren über dieses Buch, das ich wärmstens empfehle. Thomas Reiter traf mit Buzz Aldrin einen “Helden seiner Kindheit”. Und wie sich Raumfahrtbegeisterung so vererben kann, konnte man gestern live erfahren. Der arme Mars trat da teilweise ziemlich in den Hintergrund. Ich bin nicht der einzige, der gespannt ist, ob der rote Planet noch zu unserer Lebzeit von Menschen betreten wird. Wie mag sich wohl ein Astronaut fühlen, der nach einer Mars-Mission heil und gesund heim zur Erde kehrt? Michael Khan war sich am Ende seines Vortrags sicher: Dieses Gefühl, das den Astronauten beim Anblick der irdischen Heimat dann durchfluten würde, dürfte weit mehr als erhebend sein. Das war ein toller Abend in der Centralstation!

Clear Skies, Stefan Oldenburg

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Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

4 Kommentare

  1. Klasse-Fotos

    Du warst auf einmal weg, sodass wir gar nicht reden konnten. Das sind ja wieder einmal richtig gute Fotos, die die Atmosphäre der Veranstaltung gekonnt einfangen. Ich habe schon den ganzen Tag auf deinen Artikel gewartet.

    Mir hat der Abend auch gefallen, und das kann ich beileibe nicht von allen Veranstaltungen sagen, an denen ich mitgewirkt habe. Ich muss auch sagen, dass es wirklich interessant war, die Erfahrungen der Mars500-Crew mal aus erster Hand zu hören.

    Eine Sache ist bi der veranstaltung leider in die Hose gegangen. Wir hatten zwar einen Abspann vorbereitet, der wirklich gut zum Thema passte, ihn aber nicht angekündigt. Als Dirk Wagner seine abschließenden Worte sagte, standen alle auf und gingen hinaus, und die Abschiedmusik verhallte unbeachtet. Sonst lief alles glatt. Deutlich glatter als beiu der Veranstaltung vor einem Jahr.

  2. Nachtrag: Nobelpreise für wen?

    Markus Landgraf ist sich sicher, ein solcher Fund wäre mindestens drei Nobelpreise wert.

    Ja, dass ein Physiker so denkt, wundert mich ehrlich gesagt nicht besonders. Mag sogar sein, dass das stimmt. Aber ist es gerechtfertigt?

    Damit eine Mars-Mission gelingt, müssen aber Zigtausende hochqualifizierte und begabte Menschen mitarbeiten. Die allermeisten davon bleiben ungenannt und unerkannt, obwohl ihr technischer und wissenschaftlicher Einzelbeitrag nicht geringer sein muss, als der der Frau oder des Mannes, die das Glück hatten, wirklich dort oben zu stehen und den Stein aufzuheben, mit dessen Hilfe eine bahnbrechende Entdeckung gemacht wird.

    Wahrscheinlicher als der Fund solcher offenkundigen Belege wie des versteinerten Röhrenwurms, der in dem Klotz aus Sandstein von Devon Island zu sehen war, wird aber wohl eines der folgenden Szenarien sein:

    1.) Es wird kein Anzeichen für die Existenz früheren oder existierenden Lebens an der Landestelle der bemannten Marsmission gefunden, was aber kein Beweis ist, dass es auf dem Mars nie Leben gegeben hat —> es könnte ja sein, dass nur an dieser Stelle nichts zu finden war, dass die Messverfahren nicht fein genug ware oder dass nach den falschen Anzeichen gefahndet wurde. Der Verfechter der diversen Theorien geraten sich in die Haare und reden dann nicht mehr miteinander.
    2.) Es wird während der Mission zwar in-situ nichts gefunden, aber bei der späteren Analyse von mitgebrachten Bohrkernen auf der Erde stößt man auf einen möglichen Hinweis auf biologische Aktivität, der allerdings nicht eindeutig ist, d.h., er könnte auch einen abiotischen Grund haben. Wie wahrscheinlich die einzelnen Erklärungen sind, darüber entbrennt ein erbitterter Streit, in dessen Verlauf die Vetrteter der unterschiedlichen Thesen aufhören, miteinander zu reden.
    3.) Es werden während der Mission in-situ chemische Reaktionen festgestellt, die zunächst als Signatur biologischer Aktivität gewertet werden. Das erzeugt zunächst eine gewaltige Aufregung weltweit. Dann aber bezweifeln andere Wissenschaftler in Labors aufder Erde diese Interpretation der Daten und werfen den Experimentatoren methodische Unsauberkeit vor, was diese entrüstet von sich weisen. Ergebnis des sogleich entbrennenden erbitterten Streits ist, dass die Vertreter der unterschiedlichen Theorien nicht mehr miteinander reden.

  3. Einer sah’s anders …

    “Wie sieht die Erde von ‘oben’ aus? Wie relativiert dieser Ausblick die Sicht auf irdische Probleme? Ich bin immer wieder überrascht, wie unisono Astronauten auf diese Frage antworten.” Einer sah das anders: Der deutsche Astronaut Reinhard Furrer erzählte nach seinem Spacelab-Flug STS-61A, er habe die Erde mit Erreichen des Orbits kaum mehr wahrgenommen und nur noch als einen Fremdkörper außerhalb des Shuttles gesehen, der ihn völlig kalt gelassen habe. Der war wirklich ‘the right stuff’ …

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