Jaumann, Köhler: Der Mond

BLOG: Clear Skies

Astronomie mit eigenen Augen
Clear Skies

Jüngst landete ein frisch erschienenes Mond-Buch zur Rezension auf meinem Schreibtisch: Ralf Jaumann, Ulrich Köhler: Der Mond – Entstehung, Erforschung, Raumfahrt. Mit einem Gespräch zwischen Buzz Aldrin und Thomas Reiter. Da mich dieses Opus schwer beeindruckt, möchte ich nun auch an dieser Stelle darüber berichten, freilich etwas anders als in der Druckversion jenes Physik-Magazins, in dem die Rezension erscheinen wird. Und etwas ausführlicher.

Am 20. Juli 2009 werden 40 Jahre vergangen sein, da die beiden ersten Menschen wohlbehalten auf dem Mond landeten und eine besondere Ära der Mondforschung eröffneten, die leider nach wenigen Jahren schon wieder abgeschlossen war. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Fackelträger Verlag legen ein prachtvolles Buch über den Erdtrabanten und seine Erforschung vor, das dieses Jubiläums mehr als würdig ist. Diese Neuerscheinung ist ausgesprochen hochwertig produziert, hervorragend bebildert und nimmt den Leser mit auf eine spannende und lehrreiche Reise zum Mond. Wer mich kennt, weiß: Seit meiner frühen Kindheit unternehme ich selbst Flüge zum Mond – zumindest in meiner Phantasie und mit dem Hilfsmittel Teleskop. 😉  Dieses gewichtige Werk liefert jedem halbwegs Phantasiebegabtem genug Stoff für eigene Mondfahrten.

Der Titel – Repro: Stefan Oldenburg

Am Anfang steht ein Gespräch zwischen Edwin "Buzz" Aldrin und Thomas Reiter, das als erste Raketenstufe dienen mag, um den Leser in Richtung Erdtrabant abheben zu lassen. Zunächst dachte ich: "Ach, eine Werbemaßnahme des Verlags", als ich von diesem in großen Lettern bereits auf dem Titel angekündigten "Gespräch" las. Es ist ja heutzutage schick, sich beispielsweise mit Vorworten bekannter Zeitgenossen zu schmücken, um den Buchverkauf anzuheizen. Der Erkenntniswert solcher Unterfangen geht oft gegen Null. Ganz anders aber hier: Auf mehr als 40 Seiten gewährt dieses Gipfeltreffen zweier begeisterter Raumfahrer detaillierte Einblicke in die Faszination der Apollo-Flüge. Thomas Reiter, der 2006 an der ersten europäischen Langzeitmission an Bord der Internationalen Raumstation ISS teilnahm, spricht mit dem "Helden seiner Kindheit", Buzz Aldrin, einem der beiden ersten "Moonwalker". Der Leser ist nah am Geschehen, wenn Aldrin seinen Mond-Ausflug wort- und detailreich beschreibt.

Doppelseite 12/13 – Thomas Reiter und Buzz Aldrin im Gespräch – Repro: Stefan Oldenburg

Zwar braucht dieses Gespräch eine gewisse Anwärmphase, steigert sich aber nach dem ersten Beschnuppern schnell. Aldrin wird die Geschichte seiner Mondfahrt im Laufe der Jahrzehnte unzählige Male erzählt haben, doch so authentisch, spannend und vor allem ausführlich wie hier findet sich seine Version der unglaublichen Reise nur selten. Angereichert wird der Spannungsbogen durch geschickte Einwürfe und Fragen Thomas Reiters. Wir erfahren auch eine späte – altersmilde? – Rechtfertigung dafür, warum Aldrin kein einziges Foto von Neil Armstrong auf dem Mond aufnahm. Diese Lesart lässt nicht Rivalität als Grund erkennen.

Die Apollo-Missionen brachten viele wissenschaftliche Ergebnisse, und viele Fragen – insbesondere der Gesteinsanalysen – sind auch nach fast vier Jahrzehnten noch offen. Diese reichhaltigen wissenschaftlichen Ergebnisse der Apollo-Missionen und die immer noch offenen Fragen sind Mittelpunkt der folgenden Kapitel, die dem Astronauten-Gespräch folgen. Den Fotografien stehen Texte mit großem Tiefgang ebenbürtig gegenüber. Mit flüssiger und informativer Feder präsentieren die Geologen Ralf Jaumann und Ulrich Köhler ein umfassendes Portrait des Mondes. Die beiden Mitarbeiter des Berliner DLR-Instituts für Planetenforschung spannen den Bogen von frühen Mondbeobachtungen da Vincis oder Galileis über die Apollo-Missionen bis hin zu aktuellen Ergebnissen der Mondforschung und den vielen offenen Fragen, die nach weiteren Mondmissionen förmlich schreien.

Doppelseite 206/207 – Mit Apollo 15 (26.7.-7.8.1971) wurde die NASA mutig und landete in einer von Bergen umgebenen Ebene, am Fuße der Montes Apennines – Repro: Stefan Oldenburg

Den Apollo-Missionen sind einzelne Kapitel gewidmet. Beginnend mit den "ersten Schritten" der Jahre 1967 bis 1969, geht es nicht nur um die sechs erfolgreichen Mondlandungen, sondern auch dem Horror-Trip von Apollo 13 im April 1970, der fast in einer Beinahe-Katastrophe geendet hätte. Zum Glück war das ja nicht der Fall, weshalb mit Apollo 14, 15, 16 und 17 bis 1972 vier sehr erfolgreiche Mondflüge folgten. Heute wäre nach Apollo 13 Schluss gewesen oder zumindest eine jahrelange Pause eingelegt worden, wie es nach dem Absturz der Challenger 1986 der Fall war.

Doppelseite 226/227 – Nochmals Apollo 15: Dave Scott mit dem Rover an der geologisch interessanten Hadley-Rille, einem insgesamt 80 Kilometer langen Lava-Kanal, der schon mit Amateurteleskopen beobachtet werden kann – Repro: Stefan Oldenburg

Plausibel und in die Tiefe gehend begründen die Autoren, weshalb der Mond ein "geologischer Glücksfall" ist und Apollo nur den Beginn seiner Erforschung markieren kann: Von den rund 2000 auf der Erde bekannten Mineralien konnten in den Mondgesteinen nur weniger als 100 nachgewiesen werden, weil die Mineralienbildung auf dem Mond durch die reduzierenden Bedingungen, das Fehlen von Wasser und jedes an eine Hydrosphäre gebundenen Verwitterungsprozesses anderen Regeln folgt als auf der Erde. Damit haben Forscher einen direkten Zugang zum Verständnis der Frühgeschichte des inneren Sonnensystems. Auch die ersten zwei Milliarden Jahre der Erdgeschichte – hier sind diese frühen Spuren durch endogene und exogene Prozesse weitgehend verschwunden – können durch weitere Erforschung der Mondoberfläche, insbesondere des Mondstaubs, ergründet werden. Ich habe schon sehr lange kein Buch in Händen gehalten, das die Geologie des Erdtrabanten so spannend und gut erklärt.

Autoren, Fotografen, Lektorat und das gesamte Verlags-Team haben rundum hervorragende Arbeit geleistet. Nur ein kleiner Schönheitsfehler verunziert das Literaturverzeichnis: Das Mond-Buch von Brigitte Röthlein, 2008 erschienen im dtv-Verlag, ist zwar eine der jüngeren Monografien, die aufgeführt wird, doch gleichsam auch die inhaltlich dünnste, die zum Thema "Mond" derzeit zu finden ist. Ich gehe davon aus, dass dieser Literaturhinweis in Unkenntnis der Inhalte dieses Buchs erfolgte.

Doppelseite 254/255 – Bei Apollo 17 war erstmals ein Wissenschaftler dabei: Der Geologe Harrison Hagan Schmitt. In der Bildmitte u.a. zu sehen eines der "Apollo Lunar Surface Experiment Package", ALSEP, die bis 1977 Daten über Mondbeben zur Erde sendeten – Repro: Stefan Oldenburg

Zwölf Menschen nur war bislang das Privileg beschieden, auf einem anderen Himmelskörper als der Erde zu stehen, unseren Heimatplaneten von der Mondoberfläche aus zu sehen, die geringe Schwerkraft des Mondes zu spüren. Beschreibende Worte bzw. "Gedanken" können da nur – um mit Friedrich Nietzsche zu sprechen (Die fröhliche Wissenschaft, Aph. 179) – ein Schatten der Empfindungen sein und den Kern dieses persönlichen Erlebnisses der Mondfahrer nicht treffen. Auch "Der Mond" ist ein Buch, das diesen letzten Schritt natürlich nicht gehen kann, die Grenze in Richtung des Mysteriums aber noch einmal deutlich verschiebt. Somit bietet dieses Werk auch dem Mondbegeisterten viel Neues. Ein empfehlenswertes Buch mit Wow-Effekt, das gleichsam Fakten wie Faszination vermittelt und den Preis von knapp 50 Euro allemal wert ist.

Clear Skies! Stefan Oldenburg

Ralf Jaumann, Ulrich Köhler: Der Mond – Entstehung, Erforschung, Raumfahrt. Mit einem Gespräch zwischen Buzz Aldrin und Thomas Reiter. Fackelträger Verlag, Köln 2009. 320 S., 400 Abb., geb., ISBN 978-3-7716-4387-4, 49,95 EUR.

Das ist übrigens mein 50ster Blog-Beitrag in den KOSMOlogs.

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Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

7 Kommentare

  1. @ Martin

    Bin selbst auf die nächsten 50 gespannt. 🙂

    Übrigens funktionieren die Bildnachweise in diesem Beitrag wie gewünscht: Ich habe am Samstag aufgepasst, als es um SEO ging. 😉

  2. Noch’n Glückwunsch

    Gleich zwei Artikel in derselben Ausgabe von SuW zu platzieren – und dann auch noch zwei gute! – das ist auch nicht schlecht. Glückwunsch auch dazu.

  3. Monderforschung

    Herzlichen Glückwunsch – ein sinnvolle Beschäftigung.

    Der Mond und zwei strategische Aufgaben
    Die Sowjetunion war Anfang der Sechziger Jahre eindeutig die führende Raumfahrtnation. [WA] Die Amerikaner suchten nach einer Möglichkeit das zu ändern. Sie beschlossen das bemannte Mondprogramm: Apollo ab 1963. Die erste bemannte Landung fand mit Apollo 11 am 20. Juli 1969, die letzte mit Apollo 17 am 07. Dezember 1972 statt. Obwohl ursprünglich noch weitere Starts geplant waren, wurde das Apollo-Programm nach der sechsten erfolgreichen Mondlandung abrupt abgebrochen und zehntausende hochspezialisierte Arbeitskräfte entlassen. Die Aufgabe, vor den Sowjets auf dem Mond zu sein, war mehr als erfüllt. Aber für den Vietnamkrieg war weiter Geld da.
    Nach [WV]: Die offene Intervention der USA begann mit der Bombardierung Nordvietnams am 02.03.1965. Der Krieg lief jetzt parallel zum Mondprogramm. Die Kosten des Krieges stiegen schnell. Ab 1970 weiteten die Vereinigten Staaten ihre militärischen Aktionen, insbesondere die verheerenden Bombardierungen, auf die Nachbarstaaten Kambodscha und Laos aus.
    Der Krieg endete mit der Einnahme Saigons am 30. April 1975 – durch nordvietnamesische Truppen. Die USA-Truppen flohen aus Vietnam! Vietnam wurde wiedervereinigt.
    Die Kosten des Krieges hätten für eine mehrfache Marsmission gereicht!
    Die Mondforschung ging ohne Mann im Mond weiter. Es galt aber auch die Frage zu klären: Wie entstand der Mond? Die sich stark entwickelnde Rechentechnik und die Möglichkeit mit Simulationen Ergebnisse zu erzielen, erschlossen ein neues Gebiet. Und so fand man eine allgemein akzeptierte Lösung, die in der Presse gefeiert wurde: Entstehungsgeschichte des Mondes geklärt… Dem bin ich nachgegangen, habe Fakten gesammelt und schließlich im März 2006 Fragen gestellt – und um eine Antwort gebeten. Auf Nachfrage hat Astronomie Heute geantwortet: „…wir haben leider bisher keinen Experten gefunden der das prüfen kann.“ – Ein Jahr später allerdings auch nicht. Und so habe ich weiter nach wissenschaftlichen Beiträgen gesucht, sie ausgewertet und festgestellt, dass eine Menge Wissen zusammengetragen wurde. Auch eine Anfrage an Radio Jerewan half mir weiter.
    Ein bekannter Satz von Shakespeare aus Hamlet: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erden, als Eure Schulweisheit sich erträumt“ führte mich dann mit Erkenntnissen über Prof. S. N. Kramer [KS]: „Der Sumerologe ist eher als alle sonstigen Gelehrten und Spezialisten in der Lage, den allgemeinen Hunger des Menschen nach dem Ursprünglichen, nach den Uranfängen, nach den »Erstlingen« in der Geschichte der Zivilisation zu stillen.“ – zur Lösung.
    Dem Verlag bot ich ein Manuskript an – und erhielt keine Antwort.
    Wir bedauern (scheinheilig?) den Verlust der Bibliothek aus Alexandria vor knapp 2000 Jahren: „Die Welt könnte anders aussehen, wenn das Wissen der Antike nicht verloren gegangen wäre.“ – Wir nehmen aber von dem fast 2000 Jahre älterem Inhalt der sumerischen Keilschriften – mehr als 25.000 Stück von insgesamt mehr als 70.000 – aus der Bibliothek des Königs Assurbanipal aus Ninive kaum naturwissenschaftliche Notiz.

    [WA] Apollo-Programm. http://de.wikipedia.org/wiki/Apollo-Programm
    [WV] Vietnamkrieg. http://de.wikipedia.org/wiki/Vietnamkrieg
    [KS] Kramer, S. N.: Die Geschichte beginnt mit Sumer. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/M 1959

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