Der nahe, ferne Exoplanet Proxima Centauri b

BLOG: Clear Skies

Astronomie mit eigenen Augen
Clear Skies

Die Entdeckung des Exoplaneten Proxima Centauri b [1] ist beachtlich. Aus dem Kanon der bislang bestätigten Exoplanetenentdeckungen hebt er sich aus vielen Gründen hervor – um nur zwei zu nennen: Zum einen umkreist der Planet sein Zentralgestirn innerhalb einer Zone, in der es rein theoretisch Wasser geben könnte (bislang ist nicht einmal klar, ob Proxima Centauri b über eine Atmosphäre verfügt). Zum anderen steht uns – von der achteinhalb Lichtminuten entfernten Sonne abgesehen – kein Stern näher als der Rote Zwerg Proxima Centauri. Das lässt hoffen, mit zukünftigen Großteleskopen wie dem E-ELT [2] Spektralanalysen eventueller Atmosphären um “erdähnliche” Exoplaneten wie Proxima Centauri b durchführen zu können. Wer aber denkt, dieser kosmische Nachbar könne Ziel für eine baldige interstellare Raumfahrtmission sein, mag folgende Gedanken lesen (die in vielerlei Hinsicht vereinfacht sind), die um die Frage kreisen: Wie lange wäre ein Erdenwesen denn unterwegs zu Proxima Centauri?

Ich weiß nicht, was dereinst technisch möglich sein wird. Vielleicht werden unsere Ur…enkel einmal lachen über die Beschränktheit des Menschen im beginnenden 21. Jahrhundert, weil es Raumschiffe geben wird, die das Universum noch flotter durcheilen können als etwa der Hyperschnelläufer US 708 [3], der mit einer Geschwindigkeit von 1157 ± 53 km/s [4] relativ zum Milchstraßensystem so schnell ist, dass er unserer Galaxis enteilen wird. In Science-Fiction-Werken lachen Raumschiff-Besatzungen über so viel Lahmheit: Selbst US 708 ist “nur” mit rund 1/250 der Lichtgeschwindigkeit unterwegs! Zur Erinnerung: Für die Strecke Erde – Mond benötigt dieser ungewöhnliche Stern weniger als 6 Minuten; für die Distanz von 4,24 Lichtjahren Sonne – Proxima Centauri bräuchte US 708 bereits 1085 Jahre.

Vor mehr als einem Jahr passierte die Raumsonde New Horizons [5] Pluto und seine Monde. Nach heute (1. September 2016) 3877 Tagen Flugzeit ist sie etwas mehr als 36,3 AE von der Sonne entfernt [6]; die Lichtlaufzeit zwischen Sonne und der Raumsonde beträgt derzeit rund 302 Minuten, das sind mehr als 5 Stunden. Rein theoretisch und vereinfacht gedacht: Müsste New Horizons die Distanz Erde – Proxima Centauri zurücklegen (und wäre sie mit der derzeitigen Geschwindigkeit (14,5 km/s [7]) konstant unterwegs, was natürlich nicht der Fall ist), dauerte die Reise mehr als 87725 Jahre. Man bedenke: New Horizons ist eine der allerschnellsten Raumsonden, die der Mensch bislang auf den Weg brachte.

Wäre der Mensch in der Lage, eine Raumsonde zu konstruieren und diese – mit ausreichend Treibstoff etc. – auf die Reise nach Proxima Centauri zu schicken, die aus heutiger Sicht völlig utopische 100 km/s Dauergeschwindigkeit “schafft”, so würde diese Reise dennoch mehr als 12720 Jahre dauern. Zurückgerechnet: Vor 12720 Jahren prägte auf der Erde die letzte Kaltzeit [8] noch etliche Regionen und machte unseren Vorfahren das Leben schwer.

Um ansatzweise denkbare Reisezeiten zu erreichen, müsste der Mensch schon Raumschiffe konstruieren, die 1/100 der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Selbst ein solches Science-Fiction-Gefährt mit 3000 km/s Reisegeschwindigkeit bräuchte für diese Distanz Erde – Proxima Centauri mindestens 424 Jahre. Vielleicht könnte man ja mit einer solchen Zukunftsmusikraumsonde Grönlandhaie auf die Reise schicken; wie kürzlich bekannt wurde, werden sie wohl älter als alle anderen Wirbeltiere. Bei einem Tier schätzte ein Forscherteam der Universität Kopenhagen das Alter auf 392 ± 120 Jahre [9].

Clear Skies, Stefan Oldenburg

[1] Tilmann Althaus und Axel M. Quetz: “Sensation: Erdgroßer Planet bei Proxima Centauri”, spektrum.de am 24.08.2016: http://www.spektrum.de/news/eine-erdgrosse-welt-im-umlauf-um-unseren-naechsten-nachbarstern-proxima-centauri/1420729
[2] E-ELT: http://www.eso.org/public/germany/teles-instr/e-elt/
[3] Blogpost “Der schnelle Geselle US 708” vom 9. März 2015: https://scilogs.spektrum.de/clear-skies/hvs-us-708/
[4] Stephan Geier et al., 2015: The fastest unbound star in our Galaxy ejected by a thermonuclear supernova. Science, vol. 347, no. 6226, pp. 1126-1128; doi: 10.1126/science.1259063: http://arxiv.org/pdf/1503.01650v1.pdf
[5] NASA-Mission New Horizons: http://www.nasa.gov/mission_pages/newhorizons/main/
[6] Aktuelle Position von New Horizons: http://pluto.jhuapl.edu/Mission/Where-is-New-Horizons/index.php
[7] Aktuelle Geschwindigkeit von New Horizons: https://de.wikipedia.org/wiki/New_Horizons#Sekund.C3.A4rmission_2014_MU69_Flyby
[8] Die letzte Kaltzeit: https://de.wikipedia.org/wiki/Letzte_Kaltzeit
[9] Julius Nielsen et al.: Eye lens radiocarbon reveals centuries of longevity in the Greenland shark (Somniosus microcephalus). In: Science. Band 353, Nr. 6300, 12. August 2016

Avatar-Foto

Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

2 Kommentare

  1. Pingback:Astronomische Trugbilder: Das hier ist nicht Proxima Centauri! » RELATIV EINFACH » SciLogs - Wissenschaftsblogs

  2. Pingback:Außerirdische Robotsonden und rätselhafte Signale » Clear Skies » SciLogs - Wissenschaftsblogs

Schreibe einen Kommentar