Ist Naturalismus widerspruchsfrei vertretbar? Ein philosophisches Gedankenexperiment

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Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
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Natur hinter GitternIn der traditionellen und zurzeit neu aufflammenden Debatte zwischen selbsternannten Verfechtern von Religion und Wissenschaft geht es um Erklärungsansprüche und die Deutungshoheit über die Welt. Da stehen auf der einen Seite die scheinbar modernen Menschen, die sich in aufgeklärter Bescheidenheit selbst „die Gescheiten“ nennen; auf der anderen die scheinbar noch im geistigen Mittelalter lebenden „Supers“, die sich einfach nicht mit dem zufriedengeben wollen, was ihnen die Naturwissenschaft bietet, also „super“ (lat. darüber, darüber hinaus) sind.

Auf der Homepage von The Brights erfahren wir gleich an erster Stelle, dass ein Gescheiter ein naturalistisches Weltbild hat. Daneben blinken die Konterfeis von ein paar besonders Gescheiten, beispielsweise von Daniel Dennett, einem US-Philosophen, oder Steven Pinker, einem US-Kognitionswissenschaftler. Die Frage, was man hier unter Naturalismus versteht, wird jedoch nicht beantwortet. Es muss aber schon eine sehr schlaue Weltsicht sein, wenn sie von so gescheiten Menschen vertreten wird.

Hierzulande vertritt beispielsweise der Philosoph Michael Schmidt-Salomon mit seinem Evolutionären Humanismus ein naturalistisches Weltbild. Vertreter dieser Sicht „gehen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Forschung von einem Bild des Kosmos aus, in dem ‘alles mit rechten Dingen zugeht’, in dem es keine metaphysischen Fabelwesen gibt“, erklärt er (S. 55). Wer von dieser Haltung abweicht, für den sieht es offenbar schlecht aus, nimmt er doch an, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, manches also mit falschen Dingen zugeht – und wer will das schon?

So viel Realismus wie möglich, so wenig Metaphysik wie nötig. (Harald Lesch, 12. September 2009)

Natürlich ist – wie könnte es sonst sein – auch unter Philosophen umstritten, was Naturalismus bedeutet. Mit wechselnden Anteilen versteht man darunter die Ablehnung von Religion, einen Realismus, einen Physikalismus und ein Bekenntnis zu den Verfahren der Naturwissenschaft. In einem Vortrag des Münchner Physikers Harald Lesch, Moderator der ZDF-Sendung Abenteuer Forschung, habe ich am Wochenende diese Formel gehört: So viel Realismus wie möglich, so wenig Metaphysik wie nötig.

Unter Realismus versteht man hier die Annahme, es gebe eine von uns unabhängige Außenwelt. Die Wirklichkeit ist dann nicht von Geschichte, Kultur und den nach Erkenntnis suchenden Lebewesen in ihr abhängig, sondern eben so, wie sie ist – und wie sie ist, das verrät uns nach Meinung der meisten Naturalisten am besten die Naturwissenschaft. So weit so gut. Tatsächlich wird der Naturalismus aber oft noch stärker vertreten, nämlich mit einem Alleingeltungsanspruch. Dann wird so getan, als hätten allein die Methoden der Naturwissenschaft die Erkenntnis gepachtet. Wer sich nicht auf Naturwissenschaft beruft, der braucht dann gar nicht mehr mitzureden, ist doch von vorneherein klar, dass er sich irren muss. Untersuchen wir daher einmal die folgende, starke Annahme:

(1) Wir lassen nur solche Annahmen zu, die sich zumindest prinzipiell naturwissenschaftlich überprüfen lassen und dieser Überprüfung standhalten.

Als kritisch denkende Menschen hätten wir aber auch hierfür gerne eine Begründung. Auf den ersten Blick bietet sich dafür der bereits geschilderte Alleingeltungsanspruch an, denn wieso sollten wir (1) annehmen, wenn es noch andere erkenntnisstiftende Verfahren gibt?

(2) Nur naturwissenschaftliche Verfahren stiften Erkenntnis, das heißt, sie sind der einzige Weg, Wissen von der Welt zu erlangen.

Davon abgesehen, dass diese Annahme im Licht unserer Lebenswelt intuitiv völlig unplausibel ist, da wir ständig Wissen über uns und unsere Umwelt zu erhalten und zu verwenden glauben, auch ohne dass wir naturwissenschaftlich vorgehen müssten, fragen wir im Interesse des Arguments, wie sich (1) und (2) zueinander verhalten.

Wenn wir (1) mit (2) begründen und deshalb (1) gilt, dann müssen alle Annahmen, also auch (2), naturwissenschaftlich überprüfbar sein (zumindest prinzipiell). Wie könnten wir aber naturwissenschaftlich herausfinden, ob (2) stimmt, ob also nur naturwissenschaftliche Verfahren erkenntnisstiftend sind? Wir müssten zunächst einmal wissen, wie die Welt „wirklich“ ist, um beurteilen zu können, ob das naturwissenschaftlich gewonnene Wissen – und kein anderes – damit übereinstimmt. Nach (2) kann es aber keine nicht-naturwissenschaftlichen Verfahren geben, die Erkenntnis stiften. Unter Annahme, dass (2) stimmt, haben wir also keine Möglichkeit, (2) zu überprüfen; wir können (2) nur glauben.

Die Situation ist aber tatsächlich noch gravierender, denn (1) schließt ausdrücklich solche Annahmen aus, die sich nicht naturwissenschaftlich überprüfen lassen. Wie wir gerade festgestellt haben, ist (2) so eine Annahme. Wenn also (1) gilt, weil wir (2) annehmen, dann kann (2) nicht gelten, weil (1) gilt – die beiden Annahmen widersprechen sich gegenseitig. Die Begründung (2) kann also noch nicht einmal widerspruchsfrei geglaubt werden, solange man an (1) festhält.

 

Reicht Erfolg als Begründung für den Naturalismus?

Es mag andere Begründungen für (1) geben. Beispielsweise könnte man auf den enormen Erfolg der Naturwissenschaften verweisen. Diesen Erfolg muss man zwar zugestehen, doch ergeben sich aus dieser Strategie zwei Folgeprobleme: Erstens sind für uns lebensweltliche und alltagspsychologische Annahmen, beispielsweise darüber, wie unsere Mitmenschen mit uns umgehen und wie sie auf uns reagieren, wie wir in unserer Umwelt vorankommen, auch oft erfolgreich, sonst wären wir gar nicht lebensfähig; zweitens müsste geklärt werden, wieso Erfolg das Kriterium für Wahrheit sein sollte.

Je nachdem, wie wir Erfolg verstehen, können auch Lügen manchmal sehr erfolgreich sein. Selbst wenn sich dieser Standpunkt, der Naturwissenschaften aufgrund ihres Erfolgs verteidigt, sicherlich starkmachen lässt, bezweifle ich doch, dass er stark genug sein kann, um (1) zu rechtfertigen – denn (1) verteidigt nicht nur naturwissenschaftliche Verfahren, sondern schließt alle anderen ausdrücklich aus. Solange man an (1) festhält, wirft das die unumgängliche Frage auf, warum naturwissenschaftliche Untersuchungen allein erkenntnisstiftend sein sollen. Es ist außerdem fraglich, ob eine hinreichende Begründung noch dem starken Kriterium von (1) selbst standhält oder in einen Widerspruch führt, wie wir es bei der Annahme von (2) gesehen haben.

Wer alle Annahmen, die sich naturwissenschaftlich nicht überprüfen lassen, generell ausschließen will, handelt sich damit also eine ganze Reihe von Begründungsproblemen ein. Mit dieser Analyse im Hinterkopf lässt sich auch die Frage stellen, wie überzeugend der Standpunkt der Organisation „The Brights“ oder von Schmidt-Salomons Humanismus ist. Anhand der Probleme, (1) zu rechtfertigen, können wir erahnen, dass auch der gescheite Naturalismus vor ähnlichen Problemen steht. Wenn „Naturalismus“ hier bedeutet, nur naturwissenschaftlich bestätigtes Wissen zu akzeptieren, dann fällt nämlich nicht nur ein Großteil unseres lebensweltlichen und alltagspsychologischen Wissens heraus, sondern stellt sich erneut die Frage, ob sich diese Position begründen lässt, ohne dabei auf Annahmen angewiesen zu sein, die nicht naturwissenschaftlich überprüfbar sind. Mir scheint daher auch dieser Naturalismus nicht vollständig und widerspruchsfrei vertretbar zu sein. Ist das wirklich so gescheit, wie die Gescheiten glauben?

 

Ein toleranter Ausweg

Die Situation lässt sich freilich dadurch entschärfen, neben dem naturwissenschaftlich überprüfbaren Wissen noch andere Formen zuzulassen, beispielsweise kritisch-rational, oder intuitiv überprüfbares. Dadurch würde auch die starke und, wie ich finde, unnötige und künstliche, Gegenüberstellung von religiösem Glauben und Naturwissenschaft vermieden. Würde man sich nicht nur aufklärerisch nennen, sondern Aufklärung ernst nehmen, dann wäre das eine Selbstverständlichkeit und könnte man sich so eine lange philosophische Denkübung auch sparen.

Quellen: Schmidt-Salomon, M. (2006). Manifest des Evolutionären Humanismus. Aschaffenburg.
Foto: © Rike (Sternschnuppe1) PIXELIO

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177 Kommentare

  1. “Sinn”voll kontra Logik

    Hallo,

    ich versuche es mit Logik, auch wenn es mir schwer fällt (nur logisch zu denken). Ein wie auch immer geartetes Jenseits muss sich vom Diesseits unterscheiden. Wenn es also verschieden vom Diesseits ist, dann muss eine Trennung (Abgrenzung) bestehen. Das, was sich von etwas anderem unterscheidet, sich abgrenzt, existiert also als solches für sich selbst. Alles Existierende muss jedoch als dem Diesseits zugehörig betrachtet werden, auch wenn es für sich selbstständig existiert und wir vielleicht nur eine „Grenze“ (Übergang oder wie auch immer) „wahrnehmen“ können und uns das Innere verborgen bleibt.

    So bleibt uns mit Sicherheit auch die Vorstellung eines NICHTS verwehrt, denn sobald wir zu einer solchen Vorstellung (oder sogar „Erfahrung“) gelangen, würde sich dieses NICHTS als solches abgrenzen und existent werden.

    Jede Art Wissenschaft beschreibt die Welt, ohne sie jedoch erklären (herleiten) zu können. Ebenso ist jedwede Wissenschaft Erfahrungssache (Messen, Beobachten …). Zu dem Model, das wir uns über unsere „Außenwelt“ machen, gehören wir also mit dazu … und schon werden wir mit dem Beobachter- oder Meßproblem konfrontiert. Sicher ist diese Welt von uns unabhängig, insofern sie sicher auf uns verzichten kann.
    Davon abgesehen reflektieren wir die uns bekannte Welt als solche durch unser Gehirn. Unser Model über die Welt „entsteht“ in unseren Köpfen (Gehirnen). Das ist weder ein Widerspruch, noch ein Anspruch, wie gut unser Model von der Welt mit dem Existierenden übereinstimmt.

    Es ist wirklich an der Zeit, unsere Vorstellungen über die Welt gründlich zu hinterfragen und keiner Antwort aus dem Weg zu gehen. Vor allem ist es an der Zeit, die Gräben zwischen Religion und Wissenschaft, besser geistigen (oder beseelten) und materiellen Vorstellungen zu überwinden.

    mfG

  2. @ Müller: Jenseits… diesseits…

    Ich denke, naturwissenschaftlich lässt sich gar nicht über ein “Jenseits” sprechen, so lange überhaupt nicht klar ist, wie man dies mit naturwissenschaftlichen Methoden untersuchen könnte. Behauptungen, ein “Jenseits” sei mit unserem naturwissenschaftlichen Wissen unvereinbar, halte ich daher weder für richtig, noch für falsch, sondern einfach nur für unsinnig.

    Mir ging es in dem Artikel um die Untersuchung, wie konsistent ein starker Naturalismus vertreten werden kann. Ich stimme zwar Ihrer Schlussfolgerung zu, keine künstlichen Gräben zwischen Religion und Wissenschaft zu konstruieren, sehe im Inhalt aber auch vieles, was an meinem Anliegen im engeren Sinn vorbei geht. Beispielsweise könnte man jetzt darüber streiten, inwieweit wissenschaftliche Gemeinschaften die Subjektivität überwinden können und durch intersubjektive Beobachtungen, also Beobachtungen, die von mehreren Subjekten gemacht werden (daher ist das “inter”, also “zwischen”, eigentlich nicht ganz zutreffend), sich so etwas wie einer “Objektivität” annähern können; doch um diese Frage geht es mir hier gar nicht.

  3. Vielleicht reicht es ja, in These (1) die Worte prinzipiell und naturwissenschaftlich zu streichen und in These (2) „Naturwissenschaftliche Verfahren“ zu ersetzen durch „Verfahren die widerspruchsfrei sind und mit Messtechnik oder Sinneserfahrungen unabhängig vom individuellen Beobachter belegbar sind und reproduzierbar sind“

  4. @ Adenosine

    Guter Vorschlag — aber wie ist es dann um historische Ereignisse bestellt, die eben nur einmal auftreten, wie z.B. der Fall der Berliner Mauer? Das lässt sich nicht mehr reproduzieren — ist deshalb der Mauerfall nicht wissbar?

  5. Tolleranz

    Wo ist der Unterschied zwischen naturwissenschaftlich überprüfbaren und kritisch-rational überprüfbaren Wissen?

    Intuitiv überprüfbar? Etwa wie:
    Astrologie, Homöopathie, Gebetswirkung, Rassenkunde, Kreationismus, „The Secret“, Verschwörungstheorien, Klimawandel, Geisterglaube, der Wille Gottes/der Götter…

    Der Naturalismus mag nicht widerspruchsfrei sein. Aber er ist halt doch die beste Methode um etwas über die Welt und uns in Erfahrung zu bringen. Erfolg ist durchaus ein Kriterium.

    Mit der lebensweltlichen Annahme, dass Globuli gegen Schweinegrippe helfen, kann man ein langes Leben führen. Oder morgen streben.
    Genauso kann man mit alltagspsychologischen Annahmen wie unsere Mitmenschen mit uns umgehen, Jugendliche vor ein paar Schlägern schützen. Oder erschlagen werden.

    Welche lebensweltlichen und alltagspsychologischen Annahmen eher schaden oder nutzen, lässt sich wohl nur wissenschaftlich klären. 

    PS
    Ein „Bright“ ist genauso wenig ein „Gescheiter“, wie ein „Gay“ ein „Fröhlicher“ ist.

  6. @ Stephan Schleim: politics

    Vorweg erst einmal eine Gratulation zu einem schönen Artikel über ein interessantes Thema. 🙂

    “lässt sich auch die Frage stellen, wie überzeugend der Standpunkt der Organisation ‘The Brights’ oder von Schmidt-Salomons Humanismus ist.”

    Das würde ich vielleicht gar nicht so eng sehen: Nachdem ich die angegebene website überflogen habe, hat die Stiftung sich selbst die Aufgabe gestellt, zu polarisieren und die Gesellschaft zu verändern. Wissenschaft mag dafür das Motiv sein, aber sie ist nicht die Methode. Das scheint auch legitim zu sein, solange die Leute sich mit den Aussagen, auf die sie ihre Motive stützen, der entsprechenden Wissenschafts-community stellen, um sie zu diskutieren.

    Die von Ihnen aufgeworfene, hochspannende Frage nach einer glaubwürdigen Konzeption des Naturalismus, ist natürlich von diesem politischen Aspekt unabhängig und ein Thema, über das man getrennt reden muß.

  7. Puzzle-Evidenz

    Nahezu jeder Mensch wird schon einmal ein Puzzlebild aus einem ungeordneten Haufen von Bruchstücken zusammengesetzt haben.
    Wahrscheinlich hat er darin eher einen Zeitvertreib als eine wissenschaftliche Tätigkeit gesehen, aber wenn er nach vielen konzentrierten Versuchen das komplette Bild vor sich hatte, in dem alle Grenzen der Fragmente haargenau zueinander passten und ein sinnvolles Muster ergaben, dann war er sich vermutlich völlig sicher, daß jedes Teil an seiner richtigen Stelle plaziert war und das komplette Bild das einzig richtige Ergebnis war.

    Die gleiche Überzeugung, das richtige Ergebnis aus einem Haufen von Fragmenten zusammengesetzt zu haben, hat auch der Archäologe, der aus Tonsplittern eine antike Vase zusammensetzt, oder der Paläontologe, der aus fossilien Knochen einen Dinosaurier rekonstruiert.
    Die Evidenz des fertigen Puzzles ( der Vase, des Dinosauriers), das einzig richtige Ergebnis zu sein, kann durchaus der Gewißheit gleichwertig sein, mit der ein Mathematiker das Ergebnis einer Gleichung aufschreibt. Der Unterschied zwischen Puzzle-Evidenz und mathematischer Gewißheit liegt hauptsächlich darin, daß die mathematischen Ergebnisse durch Nachrechnung beweisbar sind, während sich die Überzeugung von der Richtigkeit des Puzzlebildes nur auf zwei Beobachtungen stützen kann:
    1.Alle Grenzen der Bruchstücke passen haargenau zusammen
    2.die Fragmente ergeben in dieser Anordnung ein sinnvolles Bild.
    Wenn diese Bedingungen erfüllt sind besteht kein Grund, an der korrekten Zusammenfügung der Teile zu zweifeln.

    Damit will ich sagen: Mein Weltbild ist wie ein Puzzle zusammengesetzt aus unendlich vielen empirischen Bruchstücken, die nur zum Teil der Wissenschaft entstammen.
    Es ist noch nicht vollkommen fertig, neue Fragmente kommen dazu, manche Korrekturen sind noch nötig, aber für den groben Unsinn, der von den drei „Offenbarungsreligionen“ behauptet wird, ist in diesem Puzzle kein Platz,

    S.R.

  8. @ itz

    Kritisch-rational kann ich etwas überprüfen, ohne auch nur ein Experiment zu machen, beispielsweise indem ich seine innere Stimmigkeit oder seine Begründungsdichte überprüfe.

    Intuitiv kann ich etwas überprüfen, indem ich überlege, wie plausibel und überzeugend es im Lichte meiner Erfahrung darüber ist, was sich bewährt hat. Auch dafür brauche ich kein Experiment zu machen. Astrologie gehört für mich nicht dazu; Homöopathie hat sich in einem Fall, in dem ich es ausprobiert habe, nicht bewährt (die Schulmedizin übrigens auch nicht). Andere Menschen können andere Intuitionen haben; ich will das niemandem vorschreiben.

    Dass die Namensgebung der “Brights” so unschuldig ist, wie Sie meinen, kaufe ich Ihnen nicht ab; natürlich will man Assoziationen wecken. Sonst hätte man sich ja auch “Stupids” nennen können oder “QIRTXs”.

  9. @ Diederichs: Motive

    Ich habe ein paar dieser Leute persönlich kennen gelernt und ich glaube, dass in diesem Streit, gerade die Motive (Interessen?) oft nicht genauer hinterfragt werden.

    So finde ich es interessant, dass die doch ziemlich gewaltige These, die ich in mein Eingangsstatement verpackt habe, hier noch niemandem aufgestoßen ist. Nimmt also niemand Anstoß daran, dass es in der Diskussion zwischen Glauben und Wissenschaft gar nicht um Erkenntnis geht, sondern um Macht?

  10. @ Rehm: Puzzlen

    Ich wünsche Ihnen viel Spaß und Erfolg beim weiteren Puzzlen. Ich habe auch ein paar Vorberhalte gegen die Kirchen, die mir bisher noch niemand, auch kein Pfarrer oder Theologe, plausibel ausräumen konnte.

    Ich weiß aber, dass es auch innerhalb der Theologie Denker gibt (und wohl schon immer gegeben hat), die sich damit womöglich ein Leben lang auseinandergesetzt haben, wie die religiösen Inhalte begreifbar sind. Daher versuche ich, diesen Menschen mit Respekt zu begegnen und nicht per definitionem alles, was sie äußern, als “groben Unsinn” abzustempeln.

    Man braucht sich beispielsweise nur einmal anzuschauen, wie in weiten Teilen der akademischen Theologie der Junge-Erde-Kreationismus oder auch Intelligent Design auseinander genommen werden, um sich davon zu überzeugen, dass man sich dort auch kritisch mit religiösen Thesen auseinandersetzt.

    Die geistige Minderbemittlung, die man im “wissenschaftlichen” Diskurs gerne den Vertretern von Religionen unterstellt, ist mir tatsächlich extrem selten begegnet; aber natürlich muss man den Leuten erst mal zuhören, um das zu kapieren. Einen Versuch kann man beispielsweise in Michael Blumes Blog starten.

  11. @ Schleim; … Erfahrungswissenschaft

    Hallo,
    ich hab´s verstanden … und stimme überein, dass über „jenseitiges“ zu diskutieren an sich sinnlos ist. Mein Beispiel war etwas hölzern. Mir geht es vor allem darum, dass alles, was erfahrbar ist, also auch Gefühl, Bedeutung, Beziehung, Glaube usw. real und von dieser Welt ist! Insofern benötigen wir über die von uns erlebbare Welt auch keinerlei und irgendwie geartete andere Welten, gleich welche (seitens naturwissenschaftlich überprüfbare) Erfahrung wir gerade machen.

    Eine objektive Wissenschaft immer eine Fiktion bleiben. Jedes Beobachten, Messen oder schlicht Erfahren ist immer unsere persönliche, also subjektive Erfahrung. Auch wenn wir z. B. die Uhrzeit als nackten Wert so genau wie möglich darstellen können, so hat z. B. der Wert 12 Uhr mittags durchaus eine unterschiedliche subjektive Bedeutung, z. B. für den der einen wichtigen Termin verpasst oder der sich auf ein hübsches Rendezvous freut. Und dies wiederum hat auch mit subjektiven Gefühlen zu tun. Ohne Bedeutung bleibt jede Messung ebenso Bedeutungslos.

    Meiner Meinung nach zieht die heute „gültige“ Naturwissenschaftslehre ihre eigenen Grenzen viel zu eng. Es wirken halt immer noch die viel zu deterministischen und mechanistischen Weltbilder. Damit, die Welt möglichst detailiert genau und exakt darzustellen, hat sich die Naturwissenschaft selbst ein Bein gestellt. Denn je genauer (im klassischen Sinn von Genauigkeit) gemessen wird, umso mehr Unterschiede tauchen auf … ganz zu schweigen von der Definition des Genauen und Exakten. Z. B. Wer immer genauer misst, wir immer weniger exakt gleiche „Versuche“ oder Ergebnisse erzielen. Jede (noch so exakte) Formel ist eine Vereinfachung! Wer z. B. die (exakte) momentane Geschwindigkeit eines Autos bestimmen will, gerät in arge Bedrängnis. Jede Messung benötigt eine endliche Zeit. Wer den zurückgelegten Weg bestimmen will, muss das Auto notgedrungen für die (exakte) Ortsbestimmung anhalten. Wenn ein Wissenschaftler also die wirkliche Momentangeschwindigkeit messen will, muss er das Auto in unendlich kurzen Zeitabständen für eine Ortsbestimmung immer wieder anhalten … welcher Wissenschaftler hätte damit keine Probleme?

    Also hat die Wissenschaft bei der Überprüfbarkeit ganz alltäglicher Gegebenheiten, für den der hinterfragt, bereits schon arge Probleme. So erfolgreich die Naturwissenschaft bei der Abbildung der Welt ist und arbeiten kann, funktioniert dies nur deshalb, weil sie vereinfacht und verallgemeinert und dabei immer wieder viele Details einfach ignorieren oder vernachlässigen muss. Um diesen Problemen aus dem Weg zu gehen sollten wir uns daran gewöhnen mehr von Ähnlichkeiten, Verwandtschaften oder Beziehungen zu sprechen.

    Ich bin der Meinung weder die Annahme (1) noch (2) stimmen so, wie sie oben definiert sind. Ich könnte mich aber auch mit beiden Annahmen anfreunden, wenn das Wort „Naturwissenschaftlich“ durch das Wort „Erfahrung“ (es gibt ja auch rein „geistige“ oder gefühlsmäßige Erfahrungen) ersetzt wird. Dann könnte eine Überprüfung z. B. an Hand der Vielzahl an Erfahrungen stattfinden, ohne dass durchweg alle vorhandenen Erfahrungen übereinstimmen müssen. Selbst wenn es nur zwei Übereinstimmungen gäbe, wäre dies zumindest im konkreten Erlebnisfall eine gemeinsame Basis einer möglichen Realität. Darauf kann eine solch geartete Erfahrungswissenschaft aufbauen.

    mfG

  12. @Stephan Schleim: Potemkin

    “Nimmt also niemand Anstoß daran, dass es in der Diskussion zwischen Glauben und Wissenschaft gar nicht um Erkenntnis geht, sondern um Macht?”

    Ich habe es – ehrlich gesagt – nie verstanden, wenn in den üblichen Uni-Diskussionen und manchmal sogar in beziehungsklärenden Gesprächen von “Machtspielchen” geredet wurde: Wenn Macht zu haben besagt, die Fähigkeit zu haben, etwas ohne die Zustimmung oder das Mitwirken anderer verändern zu können, dann ist die Macht nicht der Zweck oder das Ziel des Handelns, sondern das Mittel. Das bedeutet aber, daß die Frage, um was es geht, weiterhin offen ist.

    Daher gibt es ein ernstes, sachliches Problem, nämlich den irgendwie in der Luft hängenden Geltungsanspruch wissenschaftlicher Behauptungen zu rechtfertigen, und – aber das ist natürlich nur eine Vermutung – die Menge der Potemkinschen Dörfer, die von den genannten websites an den Himmel gemalt werden: Was diese Leute wirklich wollen, wissen wir nicht. Aber wir können uns vielleicht an Hand ihrer Tarnung, die aus ihrer Selbstdarstellung besteht, vielleicht überlegen, wen sie beeindrucken wollen.

    Natürlich wird hier eine Lobby geschmiedet: Tun sie das nicht, werden sie überrannt von Leuten, die sich um eine Begründung für ihr Handeln nicht scheren und das wäre keine Welt in der ich leben möchte.

    Bitte sagen Sie uns, was Sie daran problematisch finden.

  13. @ Diederichs: Zwecke und Mittel

    Ich verstehe die Logik nicht, warum ein Mittel nicht auch ein Zweck sein kann. War das nicht schon in Aristoteles’ Ethik schön aufgezählt, dass man über viele Mittel-Zweck-Brücken schließlich zu einem Endzweck kommt, womöglich dem, glückselig zu sein?

    Zweck meiner Arbeit kann es sein, Geld zu verdienen; das Geld kann dann ein Mittel sein, Rechnungen zu bezahlen. Das Bezahlen von Rechnungen kann ein Mittel sein, ehrlich zu sein und Ärger zu vermeiden usw.

    Daraus, dass Macht als ein Mittel gebraucht werden kann, folgt also nicht, dass sie kein Zweck sein kann; aber die Kette muss hier natürlich nicht abbrechen — vielleicht will man mächtig sein, um sich großartig zu fühlen.

    Problematisch finde ich es, etwas als wissenschaftlich darzustellen, was nicht wissenschaftlich ist. Ein starker Naturalismus kann, aufgrund meiner hier dargelegten Überlegungen, nicht wissenschaftlich sein. Dennoch zu behaupten oder zu suggerieren, er sei wissenschaftlich, womöglich als einzige Weltsicht wissenschaftlich, halte ich für falsch und unehrlich.

  14. @Stephan Schleim: Aristoteles

    “schön aufgezählt, dass man über viele Mittel-Zweck-Brücken schließlich zu einem Endzweck kommt, womöglich dem, glückselig zu sein?”

    Gute Frage.

    Meiner Ansicht nach liegt der sonst außergewöhnlich kluge Aristoteles in diesem Fall falsch: Mittel und Zwecke können keine geordneten Reihen bilden derart, daß Zwecke Mittel sind von irgendwie nachgeordneten Zwecken, so daß innerhalb solcher Reihen die Rede von Mitteln und Zwecken nur einen relativen Sinn hat, wie dies bei Ursachen und Wirkungen charakteristischerweise der Fall ist.

    i) Mittel und Zwecke sind keinesfalls Ereignisse: Es ist eine Tatsache, daß eine Ereignis als Mittel fungiert, aber das Auftreten eines Mittels ist nicht per se ein unwiederholbares Einzelding. Die ontologische Verschiedenheit von Ereignissen und (sprachabhängigen) Tatsachen ist daher ein Riegel vor der Reihenbildung von Mitteln und erreichbaren sowie erfüllbaren Zwecken wie sie bei Kausalrelationen vorkommt.

    ii) Erreichbare Zwecke bilden intensionale Kontexte, i.e. Kontexte, die davon abhängen, mit Hilfe welcher Worte wir z.B. über unsere Intentionen reden. Kausalrelationen als Relation zwischen Ereignissen aber immer extensionale Kontexte, bei denen es egal ist, mittels welcher Beschreibungen wir auf die betreffenden Ereignisse Bezug nehmen.

    iii) Zwecke sind nicht ihrerseits Mittel für nachgeordnete Zwecke, weil Zwecke, die erreicht wurden, einfach verschwinden, ohne ihrerseits Folgen zu haben, wie dies z.B. bei Ereignissen der Fall ist.

    v) Auch kann etwas ein Mittel für einen zu erreichenden Zweck sein, ohne daß dieser Zweck auch tatsächlich erreicht werden würde. Ereignisse aber, die keine Wirkungen haben, können unter keinen Umständen Ursachen sein. Wenn also etwas aufgereiht wird, dann ist es die Tatsache, daß das Mittel (z.B. via Kausalität) erfolgreich war, nicht das Mittel selbst.

    Aristoteles Behauptung ist vielleicht nur eine sprachliche Verkürzung, die sachlich unzulässig ist.

    “vielleicht will man mächtig sein, um sich großartig zu fühlen.”
    Diese Vermutung ist populär. Was hier aber eigentlich gewollt wird, ist die Anerkennung im konkreten – und zwar so oft wie möglich. Von Macht zu sprechen, faßt viele solche Bemühungen approximativ zusammen, aber daraus folgt nicht, daß es etwas Neues gibt, nämlich das Gewünschte als Gegenstand eines neuen Wunsches, der diesen Wunsch erfüllt.

    “Dennoch zu behaupten oder zu suggerieren, er sei wissenschaftlich, womöglich als einzige Weltsicht wissenschaftlich, halte ich für falsch und unehrlich.”

    Ein schöner Standpunkt – und jemand wie ich, der hier im Hinblick auf praktische Philosophie in aller Naivität schreiben muß, sollte jetzt ganz vorsichtig sein: Doch auch der Rechtstaat schränkt Grundrechte der Verurteilten ein, um die Rechte anderer zu schützen. Ist dieser Fall nicht dem Vorgehen der “gifted naturalists” analog?

    Es tut mir leid, daß wir uns durch unsere Diskussion so weit vom Schicksal des Naturalismus wegbewegen.

  15. @ Diederichs: ontologischer Spagat

    Verzeihen Sie mir bitte, dass ich mich auf diesen ontologischen Spagat nicht einlasse; übrigens haben Sie die “Zwecke” eingeführt, ich habe von “Motiven” gesprochen.

    Mir scheint es zumindest alltagssprachlich sinnvoll zu sein, nach dem Motiv einer Handlung zu fragen; in der neuen Ausgabe von G&G gibt es sogar einen ganzen Artikel über Motivationspsychologie. Ich möchte hier keine philosophische Habilitation anfertigen, sondern für ein breites Publikum schreiben. Wenn Macht oder Machtgewinn hierfür nicht infrage kommen, scheint mir das sehr idiosynkratisch zu sein. Man denke mal an Machiavellis Fürsten, der sich genau an solche Menschen richtet, deren Motiv vor allem Macht ist (für die, denen der Verweis auf G&G nicht als Beleg ausreicht *g*).

    Ich verstehe die Analogie dazwischen, (a) die Freiheit einzelner im Interesse der Freiheit anderer einzuschränken und (b) etwas als wissenschaftlich darzustellen, das nicht wissenschaftlich ist, nicht.

    Wenn wir es alternativ damit zu tun hätten, (c) die Freiheit von jemandem einzuschränken und dabei zu behaupten, wir würden die Freiheit nicht einschränken, dann könnte ich die Analogie verstehen — denn in beiden Fällen, (b) und (c), ginge es um mangelnde Ehrlichkeit; und deshalb lehne ich beide Fälle auch ab.

  16. @Stephan Schleim:

    “Verzeihen Sie mir bitte, dass ich mich auf diesen ontologischen Spagat nicht einlasse.”

    Ok, wir müssen das ja nicht hier weitertreiben. Auf Dauer scheinen mir solche Dinge allerdings unumgänglich zu sein.

    “dem Motiv einer Handlung zu fragen; in der neuen Ausgabe von G&G gibt es sogar einen ganzen Artikel über Motivationspsychologie.”
    Ja, ich muß mir dazu mal was überlegen. (Ich bin natürlich dagegen.) Vielleicht können wir die Zweck-Mittel-Diskussion dort führen?

    “Wenn wir es alternativ damit zu tun hätten, (c) die Freiheit von jemandem einzuschränken und dabei zu behaupten, wir würden die Freiheit nicht einschränken, dann könnte ich die Analogie verstehen.”
    Stimmt, mein Fehler.

  17. @ Schleim

    “Problematisch finde ich es, etwas als wissenschaftlich darzustellen, was nicht wissenschaftlich ist. Ein starker Naturalismus kann, aufgrund meiner hier dargelegten Überlegungen, nicht wissenschaftlich sein. Dennoch zu behaupten oder zu suggerieren, er sei wissenschaftlich, womöglich als einzige Weltsicht wissenschaftlich, halte ich für falsch und unehrlich.”

    Und das stört mich gewaltig. Es gibt Standpunkte, Weltanschauungen und wenn sich viele Menschen organisieren, um Einfluß auf die Gesellschaft zu nehmen, dann ist das legitim. Nennt sich Demokratie oder so ähnlich, was ich mal gehört habe. Doch wenn der Eindruck erweckt wird, als wäre es keine Weltanschauung mehr, sondern eine (natur)wissenschaftlich erarbeitete Position, dann ist es “falsch und unehrlich”. Leider durchschauen so einige dieses Treiben nicht. Wahrscheinlich weil sie selbst dran glauben wollen.

  18. Was uns das wissen bedeutet

    In ihrem Post wollen stellen Sie die Frage, ob Naturalismus, also Erkenntnisgewinn allein durch naturwissenschaftliche Methoden (die allerdings nicht näher beschrieben werden), die alleinige Deutungshoheit beanspruchen sollte.

    Diese Frage möchte ich mit “Ja” beantworten. Dies möchte ich begründen, indem ich den Erfolg, den Sie den Erkenntnissen der Naturwissenschaften zuschreiben, definiere:

    Es handelt sich bei diesem Erfolg darum anhand einer Erkenntnis eine VERLÄSSLICHE AUSSAGE ÜBER DIE ZUKUNFT zu treffen.
    Meiner Meinung nach ist dies Grund, Mittel und Zweck (ohne mich da jetzt der ontologischen Diskussionen anschließen zu wollen) allen Strebens nach Erkenntnis!
    Sämtliche Technologie und Fortschritt, aber auch persönliches (intuitives) Wissen kann nur dann als solches aufgefasst werden, wenn es dienlich ist gute Prognosen zu erstellen (wie gewichtig oder unwichtig diese auch sein mögen). Wissen ist somit eine Beschreibung der kausalen Zusammenhänge der Welt. Und gerade den Begriff der Kausalität vermisse ich in Ihrer Diskussion.
    Denn alle nicht-naturalistischen “Wissensgeneratoren” vermögen eben nicht Kausalketten zu bilden und in die Zukunft fortzuführen. Alle Beschreibungen dessen, was “die Welt im innersten Zusammenhält”, dienen doch nur diesem Zweck…?

  19. @ Diederichs: Metaphysik (off topic)

    Natürlich ist es ein Zeichen von Wohlstand und kultureller Blüte, wenn es sich eine Gesellschaft leisten kann, Menschen dafür zu bezahlen, sich über Metaphysik den Kopf zu zerbrechen.

    Bei meinem tieferen Einstieg in die Leib-Seele-Ontologie habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Welt unter meinen Fingern aufgelöst hat, als ich sie mit genaueren, begrifflichen Instrumenten erfassen wollte. Am Ende kam ich zum selben Ergebnis wie Sellars, dass es eigentlich keine Tische, Stühle, Laptops usw. geben kann.

    Wenn Sie sich besser mit dem Fundament der Welt beschäftigen können als ich, dann glückwunsch. Ich finde aber, in der Lebenswelt gibt es schon genügend interessante und wichtige Probleme.

  20. @ Stilling: Prognose und Wissen

    Erst einmal würde ich es von jemandem, der den Naturalismus ernsthaft annimmt, erwarten, präziser die naturwissenschaftlichen Methoden zu beschreiben, die erkenntnisstiftend sein sollen. Der Beitrag war so außerdem schon sehr lang und beinahe unlesbar, weswegen ich im Nachhinein noch die Zwischenüberschriften hinzugefügt habe. Ich denke aber, dass für mein Argument die Frage nicht so zentral ist; ich kann, glaube ich, recht frei darin sein, welche Verfahren ich als naturwissenschaftlich zulasse.

    Ich kann auch eine Prognose darüber machen, dass der nächste Bus in Richtung Stadt um 16:17 Uhr fährt; und der übernächste um 16:37 Uhr; usw. Diese wird auch sehr erfolgreich sein, weil ich den Fahrplan kenne. Dennoch habe ich hier noch nie ein wissenschaftliches Experiment durchgeführt.

    Das Prognosekriterium ist auch in folgender Art und Weise unzulänglich: In einem Beitrag an adesonine habe ich schon auf historisches Wissen hingewiesen. Ich gehe beispielsweise davon aus, zu wissen, dass die Berliner Mauer gefallen ist. Damit kann ich aber überhaupt nichts prognostizieren.

    Und wenn Sie ein Beispiel aus der Naturwissenschaft wollen: Evolutionstheorien sind zwar sehr erfolgreich in dem Sinn, dass sie rückblickend sehr viel erklären; sie erlauben es uns aber so gut wie gar nicht, außer sehr rudimentär im mikrobiologischen Bereich, Prognosen über den weiteren Verlauf der biotischen Evolution zu formulieren: Welche Mutationen werden auftreten? Welche Umweltbedingungen werden vorherrschen? Welche Lebewesen werden sich darin durchsetzen? Wann wird eine neue Spezies entstehen?

  21. @ Stilling

    Was Sie da beschreiben, das machen sich beispielsweise die Ingenieure zu nutze, wenn sie etwas konstruieren. Die naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten sind zuverlässig. Dennoch konstruieren Ingenieure auch nur nach Wahrscheinlichkeiten, denn das fertige Produkt wird danach erstmal getestet, weil die Vorgänge ungemein komplex sind und nicht exakt bestimmt werden kann.

    Das ist das eine Thema. Ein anderes wäre eine erfolgreiche Ehe. Was wäre eine gute Startbedingung für eine gute Ehe? Daß der andere Partner einen liebt. So und nun bringen Sie das mal mit naturwissenschaftlichen Methoden in Erfahrung. Falls der andere Partner einen geliebt hat, dann wäre das womöglich das Ende.

    Lange Rede kurzer Sinn. Die Welt ist sehr vielfältig und die naturwissenschaftliche Methodik für viele Sachen einfach nicht geeignet. Mit einem Hammer kann ich auch kein Fahrrad aufpumpen.

  22. Wissenschaft UND Religion

    Wissenschaft und Religion sind für die meisten Menschen kein wirklicher Gegensatz, da beide unterschiedliche Lebensbereiche ansprechen.

    Wissenschaft bildet die Grundlage für sachliches, nachprüfbares Fachwissen. Religion dagegen wirkt sich mehr im zwischenmenschlichen Bereich aus, da sie die moralische Begründung für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft liefert.

    Ein Mensch ist keine leblose Maschine, daher ist Fachwissen zwar sehr nützlich – geht aber an essentiell wichtigen Bedürfnissen von Menschen vorbei. Menschen sind soziale Wesen, daher haben sie Bedürfnisse nach Nähe, Zuneigung, Geborgenheit, Liebe, usw. Die Religionen sind es, welche durch ihre Regeln dafür sorgen, dass Gemeinschaften mit gleichen Werten ´versorgt´ werden, um diese Bedürfnisse zu befriedigen.

  23. Einstürzende Mauern

    „Man braucht sich beispielsweise nur einmal anzuschauen, wie in weiten Teilen der akademischen Theologie der Junge-Erde-Kreationismus oder auch Intelligent Design auseinander genommen werden, um sich davon zu überzeugen, dass man sich dort auch kritisch mit religiösen Thesen auseinandersetzt.“

    Mit welcher Begründung nehmen denn die Theologen den Junge-Erde-Kreationismus oder auch Intelligent Design auseinander?
    Intuitiv? Oder erkennt man vielleicht doch stillschweigend die Überlegenheit der naturwissenschaftlichen Methode an?

    Es wäre auch schön, wenn man den Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft vom Erkenntnisgewinn zur Bewältigung des täglichen Lebens besser auseinander hält. Auch wenn es da Überschneidungen gibt.

    Außerdem sehe ich das „kritisch-rationale Überprüfen“ als einen wesentlichen Bestandteil der Wissenschaft und des Naturalismus. Ein Wissenschaftler stellt eine Hypothese auf, macht das Experiment oder die Beobachtung. Andere Wissenschaftler prüfen die „innere Stimmigkeit“ und „Begründungsdichte“.
    Es ist halt nur von Vorteil, wenn Hypothese, Beobachtung und Experiment „mit Messtechnik oder Sinneserfahrungen unabhängig vom individuellen Beobachter belegbar sind und reproduzierbar sind“ (@adenosine: schöne Formulierung).

    Dies gilt auch für historische Ereignisse. Diese mögen nicht reproduzierbar sein. Aber manchmal mehr (Mauerfall von Berlin) manchmal weniger (Mauerfall von Jericho) belegbar. Hier hilft nur kritisch-rationales Überprüfen.
    Aber doch nicht Intuition!

  24. @ Huhn: Liebe

    Das mit der Liebe ist doch ganz leicht; Person in den Hirnscanner schieben, Bild von dem Partner/der Partnerin anzeigen, Aktivität der dopaminergen Neuronen im nucleus accumbens beobachten und schon hast du deine Antwort. :-))

  25. @ KRichard: Funktion der Religion

    Und meinen Sie, das menschliche Zusammenleben und ihre Moral kann auch ohne Religion geregelt werden? Oder regelt sich das gar von selbst?

  26. @ itz: Gründe

    Am besten fragen Sie den Theologen Ihres Vertrauens, den ich nicht ersetzen kann. Da Sie vermutlich keinen haben, gebe ich Ihnen als Laie zwei Hinweise an die Hand: 1) Könnte man an ID kritisieren, dass die These einen göttlichen Eingriff in die Zeit der Schöpfung verbannt und Gott danach keinen Platz mehr in der Welt bekommt (eben nur ein Designer ist). 2) Könnte man Kreationisten dafür kritisieren, dass sie die Bibel wörtlich auslegen, dabei seien die Prophezeiungen metaphorisch zu verstehen.

    Habe ich dafür jetzt Naturwissenschaft gebraucht? Nein. Tatsächlich könnte man das nicht nur so machen, man macht es so auch. Sie irren sich.

    Auch wenn Sie die kritisch-rationale Methode in die Naturwissenschaft aufnehmen, heißt das noch lange nicht, dass sie eine naturwissenschaftliche Methode ist; Ihre Strategie geht nicht auf. Historisch gab es sie schon lange vor der Naturwissenschaft; Sie können sie auf dem Papier (oder von mir aus gar im Kopf) anwenden, auch ohne die Natur anzuschauen.

    Ich stelle außerdem keine Hypothese auf und mache kein Experiment, auch keine wissenschaftliche Beobachtung, um zu wissen, dass die Berliner Mauer gefallen ist. Ich erinnere mich ganz einfach; und ich habe auch damals, als ich es gelernt mache, nichts davon gemacht. Auch hierbei irren Sie sich.

  27. Naturalistisches “Hornberger Schießen”

    Hallo,

    Die oben geführte Debatte zeigt mir, wie wir uns über die Frage des vermeidlich (subjektiv) richtigen „Ansicht“ im Grunde nur mit uns selbst beschäftigen und dadurch (objektiv) nur wenig Wissen von unserer Welt erlangen können, obwohl wir doch recht gut mit ihr zurechtkommen (Wir gehören schließlich zu den überlebenden der Evolution). Das wiederum sagt mir, dass wir sicher mit dem notwendigen(!!!) Informationen über unsere Welt ausgestattet sind, um zu überleben! Wir wechselwirken mit unserer Umwelt in dem wir uns selbst reflektierend an sich verändernde Möglichkeiten anpassen (oder auch nicht). In diesem Sinne sind weder unser bewusstes Dazutun noch hochgeistige erkenntnistheoretische Wissenschaften notwendig. Die hinsichtlich Evolution oder schlicht für das Überleben notwendigen Informationen werden durch das Wechselwirken an sich bereits verfügbar. So gesehen bedeutet dies für die Frage nach dem, was die die Welt ausmacht und zusammenhält, dass Evolution auch eine Zunahme an verfügbarer Information, bzw. an zunehmender Informationstiefe bedeutet (wozu ein Prozess wie das sich selbst bewust(-)sein in dieser Welt natürlich zusätzlich beiträgt). Grundsätzlich tragen wir unsere Welt ohne jegliche Wissenschaft oder Ideologie und Metaphysik bereits in unseren Köpfen herum. Und diese Welt wächst mit uns mit.

    Die Frage nach der „richtigen“ Methode zur Beantwortung der Fragen über unsere Welt ist also eher eine gesellschaftliche und politische Frage und damit natürlich auch eine Machtfrage, denn (mehr zu) Wissen bedeutet nun mal Macht! Und Macht ist wiederum eng mit Ideologien verknüpft. Damit schließt sich der Kreis, das die oben gestellten Argumente (1) oder (2) und vieles andere im Grunde ideologisch betrachtet werden müssen. Und darüber lässt sich vortrefflich streiten, wie über Geschmack … und der Streit um Ideologien ist ebenso so alt wie die Menschheit (genau so wie die eigentlichen Fragen nach dem, was die Welt zusammenhält). Jeder muss also für sich entscheiden, was ihn weiter bringt oder zufrieden stellt.

    mfG

  28. @ Schleim: Liebe

    Stephan, das ist eine gute Idee mit dem Hirnscanner. Aber irgendwie doch auch zu aufwendig. So viele gibt es davon nicht. Außerdem wäre es ungerecht, weil die armen Leute sich nur die alten, groben Geräte leisten können. Die reichen Leute hingegen, die modernen ganz feinen Geräte, womit sich eine Wahrscheinlichkeit in Prozent bezüglich der Dauer der Ehe angeben läßt.

    Nein, ich habe eine bessere Lösung. Es gibt keine Liebe. Das ist alles nur Biochemie. Wir wissen zwar nicht genau, warum die Stoffe im Körper ausgestoßen werden, die uns so in Verzückung geraten lassen. Warum nur bei dieser Person und bei der anderen nicht, aber wir wollen uns doch jetzt nicht an so Kleinigkeiten aufhalten. Ganz sicher werden wir das bald alles herausgefunden haben.

  29. Noch ein toleranter Ausweg

    Man kann auch einfach die starke Annahme gar nicht erst machen. Ihr Argument wurde ja schon von Popper gemacht, und er gestand ein, daß sich der Rationalismus selbst nicht rational begründen läßt. Deshalb nannte er seine Philosophie Kritischen Rationalismus. Ich kenne eigentlich nur Brights (“scheinbar moderne Menschen, die sich in aufgeklärter Bescheidenheit selbst „die Gescheiten“ nennen”), die eine solche entspannte Version vertreten, so die angesprochenen Pinker, Dennett und auch mich selbst.

    Übrigens halte ich die Selbststilisierung als tolerant oder gemäßigt, die Sie oder Michael Blume oder David Sloan Wilson betreiben, für eine Immunisierungsstrategie, die nur dazu dient, die eigene Position vor Kritik zu schützen. Ich würde im Interesse einer konstruktiven Diskussion darauf verzichten. Ein so großartiges Buch wie Darwin’s Cathedral hat sie auch gar nicht nötig.

    Der Widerspruch zwischen Raligion und Wissenschaft besteht in der Art ihrer Begründung: Wissenschaft gründet auf Evidenz, Religion auf Offenbarung. Evidenz kann intersubjektiv überprüft werden, wogegen der Gott im brennenden Dornbusch nur Moses erschienen ist.Das Ereignis ist nicht überprüfbar und kann nur geglaubt oder nicht geglaubt werden.

    Daraus ergibt sich auch eine ethische Differenz: Religion braucht Autorität, während es in der idealen Wissenschaft “keine Autorität außer der Wahrheit gibt”, um noch einmal Popper zu zitieren.

    Diese Diskussionen fanden ja in den scilogs schon häufiger statt, aber bisher nicht auf dem Niveau, das Thomas Mann ihnen im Zauberberg gegeben hat, wo Settimbrini, der Humanist, sie mit Naphta, dem Jesuiten führt. Als Thomas Mann den Roman zu schreiben begann, neigte er eher Naphta zu und verteidigte die deutsche “Kultur” gegen die angloromanische “Zivilisation”. Er änderte dann allerdings seine Ansicht und ließ im Duell der beiden Kontrahenten Settimbrini in die Luft und Naphta daraufhin sich selbst erschießen, womit er Poppers Formulierung vorwegnahm, Rationalismus hieße, Ideen anstelle von Menschen sterben zu lassen.

    Ich glaube, es könnte der Diskussion um den Neuen Atheismus guttun, sich der komplexen und differentierten Argumentation Thomas Manns noch einmal zu erinnern. Bisher ist es doch etwas billiges Atheisen-bashing.

  30. Naturalismus

    Klasse Text, Herr Schleim; klasse Debatte – seit langem mal wieder in den BrainLogs!

    Zunächst ein Link zu einem Vortrag von Prof. A. Beckermann, der eine dezidiert naturalistische Position vertritt: hier. (Obwohl ich kein Naturalist bin, teile ich weitgehend seine Auffassungen und Argumente.)

    Der Naturalismus ist sicher keine Naturwissenschaft; ich vermute, hier sind wir uns einig. Richard Dawkins hat z.B. m.W. nie selbst im Labor gearbeitet.

    Der Naturalismus stellt sicher eine Art Popularisierung von Naturwissenschaft dar, eine weltbildliche Zusammenfassung oder – warum auch nicht? – quasi-mythische Erzählung über Ursprung und Wesen der Welt und des Menschen.

    Als Philosophie definiert er sich vor allem negativ durch Ablehnung bestimmter Erkenntnismethoden (was auf ihn selbst zurückbezogen kaum funktioniert) und bestimmter Entitäten (z.B. Seelen, Engel, Götter usw.). Aber reicht das, um Philosophie zu sein? Genauer noch ist meine Frage: Haben Naturalisten überhaupt den Mut zur Philosophie?

    Der Naturalismus räumt zurecht mit einem oberflächlichen Verständnis philosophischer Konzepte auf, die in Fachkreisen allerdings nie wirklich dermaßen missverstanden wurden (z.B. Seelen, Willensfreiheit, Gott). Das weit verbreitete Missverständnis besteht in der quasi-physikalischen Deutung dieser Konzepte. Zu behaupten, dass es eine Seele gibt, bedeutet natürlich nicht zu behaupten, dass es sie so gibt wie Schreibtischstühle oder Quarks. Usw.

    Insofern ist der Naturalismus vielleicht auch eine Erinnerung an Philosophie, eine Frage nach Philosophie: Wie können wir im Zeitalter moderner und erfolgreicher Naturwissenschaft noch über Wahrheit, Schönheit, das Gute, über Seelen, Freiheit und Gott sprechen?

    Es könnte ja sein, dass wir es jetzt – nach Ausräumung oberflächlicher Missverständnisse – besser könnten denn je. Aber der Naturalismus belässt es bei der Negation; man hat den Eindruck, seine Anhänger wollen uns die Philosophie ausreden: Schlagt Euch die alten Fragen aus dem Kopf! Ich finde seine negativen Kernaussagen – das sage ich als Theologe – größtenteils trivial und keinesfalls revolutionär, und das Gesamtkonzept halte ich für fade und unausgegoren.

    Mir fehlt alles, was philosophisches (und theologisches) und letztlich existenzielles Ringen auszeichnet: Woher die unbedingte Wahrheitsverpflichtung? Was ist “Subjektivität”? Was bedeutet das Sollen, die ethische Verpflichtung? Was ist Wirklichkeit?

    Es stimmt: Wenn ich jemandem in die Augen schaue, dann sehe ich seine Augen – aber ich sehe eben auch den Blick. Ich sehe nicht nur etwas, sondern jemanden, eine Person. Obwohl da physisch nichts anderes ist als lauter Etwas.

  31. @ Hoppe

    “Ich sehe nicht nur etwas, sondern jemanden, eine Person. Obwohl da physisch nichts anderes ist als lauter Etwas.”

    Und ich sehe nicht nur etwas, ich empfinde dabei sogar. Je nachdem was für ein Blick der andere hat, empfinde ich anders.

  32. Leben ist Experimentieren

    Sind das eigentlich MSS’ Thesen oder hast Du die selbst formuliert? Das wird mir oben nicht ganz klar.

    Kannst Du mir mal ein Beispiel für (1) nennen: eine Annahme, die nicht zugelassen wurde? Mir fallen spontan nur Annahmen ein, die ständig weiter betrachtet, für die aber keine Belege vorgebracht werden. Wozu werden diese Annahmen nicht zugelassen? Und was meint der zweite Halbsatz “und dieser Überprüfung standhalten”, wenn wir schon nur prinzipiell überprüfbare Annahmen doch zulassen?
    Ich befürchte, ich verstehe den 1. Punkt nicht und kann darum den Widerspruch nicht nachvollziehen.

    Der zweite Punkt ist interessanter und eigentlich dreht sich ja nur darum die ganze Diskussion. Der erfasst meiner Meinung nach nur nicht den Naturalismus. Ich kann mir vollkommen naturalistisch ablaufende Welten vorstellen, in denen weise Frauen in Kristallen mehr über die Welt sehen als weise Frauen in der Kristall-Röntgenspektroskopie. Das stört doch den Naturalismus nicht, der nur besagt, dass die Welt nach Regeln abläuft und diese Regeln nicht gebrochen werden. Nicht-Naturalistisch sind doch nur die Weltanschauungen, die einen solchen Bruch behaupten: durch einen über der Natur stehenden Gott, durch ein im Kern keinen Regeln unterliegendes “Ich”…
    Durch welche Wege sich in einer naturalistischen Welt Wissen über die Abläufe der Welt sammeln lässt, ist erst mal offen und sollte argumentatorisch auch getrennt behandelt werden.

    Aber nehmen wir den Naturwissenschaftlichismus, den Du hier angreifst. Der ist falsch, sage ich als Hardcore-Naturalist. Der Grund liegt in der künstlichen Betrachtung einer Erkenntnisform Naturwissenschaft, die von allen anderen Erkenntnisquellen grundsätzlich verschieden sein soll. Das ist sie aber nicht. Ich habe heute noch zwei Vorträge über die Biophysik und -chemie im Auge gehört, auf welchen Wegen Lichtsignale von photosensitiven Molekülen aufgenommen werden und wie sich dadurch die Proteinstrukturen verändern und Zyklen durchlaufen, nur damit am Ende Nervensignale entstehen und man das Auge nicht sofort operativ entfernt werden muss. Davor gibt’s ein ganzes Linsensystem mit Instandhaltungs- und Notfallmechanismen.
    Glaub mir, ob Du da eine zusätzlich Linse als Brille davorsetzt oder drei als Mikroskop, das macht keinen Unterschied darin, wie naiv (im Sinne des “naiven Realismus” der uns Physikern gerne vorgehalten wird) die Vorstellung ist, ich könnte einfach aus dem Fensten schauen und gucken, zu welchen Zeiten der Bus kommt, und ich hätte damit kein wissenschaftliches Experiment durchgeführt. Die Natur des Schließens liegt im Kern der Wissenschaft, nicht die Einfachheit des Instruments oder die vermeintliche Unmittelbarkeit der (auch nur erlernten) Wahrnehmung.
    Und wenn man stattdessen, um im Beispiel zu bleiben, in den Fahrplan schaut, macht man genau das, was Wissenschaftler auch tun. Warum für einen Monat ins Labor stellen, wenn schon acht andere Gruppen darüber publiziert haben?

    Das ist im Mauerfall-Beispiel nicht anders. Als die Mauer gefallen ist, wirst Du vielleicht mehrere Sender angeschaltet haben, ob die alle dasselbe zeigen; oder jemanden in Berlin angerufen haben; oder als Berliner selbst hingegangen sein. In allen Fällen hast Du es überprüft, bis Du Dir sicher genug warst, dass Du bei Deinem nächsten Ostbesuch nicht mehr in die sozialistisch-diktatorische DDR einreisen müsstest. Dass Du Dich heute daran erinnert oder jemanden fragen kannst, unterscheidet sich doch in nichts davon, wie Naturwissenschaftler die ersten Stellen von Pi oder die Ruhemasse des Elektrons auswendig kennen oder im Falle geistiger Verwirrung jemanden im Nachbarbüro fragen können. Das funktioniert, solange Du selbst den Mauerfall heute nicht in Frage stellst. Wenn doch, dann ist man ganz schnell wiedr bei einer Diskussion nach wissenschaftlicher Spielart, siehe die Mondlandungsleugner, und Du musst selber einen Weg finden, für Dich Evidenz zu finden — eben ein Experiment durchführen.

    Darum ist (2) einfach nur falsch formuliert: es gibt keine Probleme, wenn Du schriebest “Nur durch das Überprüfen von Behauptungen können überhaupt richtigere von falschen getrennt und Wissen über die der Welt zugrunde liegenden Zusammenhänge erlangt werden”. “Wissen von der Welt” habe ich hingegen schon, bevor ich das selbst überhaupt auseinanderklamüser und nach Regelmäßigkeiten untersuche, und kein Naturalist würde das bestreiten.

    Das ändert an zwei Punkten nichts. Einmal ist das Wissen von den Regeln nicht das vollständige Wissen über die Welt, wie sie ist. Wenn ich eine Computersimulation schreibe, dann kenne ich alle Regeln, aber ich kenne das Ergebnis in der Regel nicht. Die Argumente bzgl. historischer bzw. bei der Evolution zukünftiger Kontingenz widerlegen darum weder Naturwissenschaften und schon gar nicht den Naturalismus. Sie messen beides nur an einem schon prinzipiell nicht erfüllbaren Ziel, selbst wenn die Welt vollständig naturalistisch und kritisches Überprüfen die einzige Erkenntnisform wäre.

    Zum Zweiten. Es ist mir egal, ob Du eine bestimmte Überprüfbarkeit naturwissenschaftlich, kritisch-rational oder intuitiv nennst. Meiner Meinung nach sind das künstliche Unterscheidungen. Es ändert aber nichts daran, dass Du Kriterien brauchst, was Du für eine Überprüfung hälst. In der Wissenschaft sind das dieselben wie in Deinen Beispielen Busfahrplan und Mauerfall. In Deinen religiösen Beispielen finde ich keine:

    1) Könnte man an ID kritisieren, dass die These einen göttlichen Eingriff in die Zeit der Schöpfung verbannt und Gott danach keinen Platz mehr in der Welt bekommt (eben nur ein Designer ist). 2) Könnte man Kreationisten dafür kritisieren, dass sie die Bibel wörtlich auslegen, dabei seien die Prophezeiungen metaphorisch zu verstehen.

    Woher hast Du diese Erkenntnisse? Wie hast Du sie überprüft oder wie überprüft der Theologe die, damit Du es ihm abnimmst? Irgendwie muss er ja wissen, was Metapher sind und was nicht. (ID ist übrigens das Gegenteil von dem, was Du kritisterst, weil Gott da ständig eingreift; du kritisiert theistische Evolution).

    Solange ich die Kriterien für die Überprüfbarkeit theologischer Annahmen nicht kenne, kann ich auch deren Wahrheitsgehalt nicht anerkennen. Und der Wahrheitsgehalt einer Annahme richtet sich ganz sicher nicht danach ob (a) ich möchte, dass sie wahr ist, (b) die Wahrheit mir nützen würde oder (c) die Wahrheit meinen Genen nützen würde. Ich kann da sofort Annahmen konstruieren, die alle drei Kriterien erfüllen, aber trotzdem, nach allerbestem Wissen, nicht wahr sind.
    An welcher Stelle soll es gegen die Aufklärung sein, bei religiösen Annahmen trotzdem eine Überprüfung einzufordern?

    Zuletzt, natürlich ist der Naturalismus ein Weltbild, eine Weltanschauung. In einer Welt begrenzten Wissens und der Unmöglichkeit deduktiv-logischer Letztbeweise (inkl. der logischen Axiome selbst) ist alles letztendlich Weltanschauung. Das ist ein beliebig schlechtes Argument dafür, dass alle Weltanschauungen gleich gut oder schlecht wären oder welche sich plausibler mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen denken lassen und welche nicht.

  33. @ Huhn

    Nöh, Liebe ist Magie, und wir werden nie herausfinden, wie und wieso in der Natur ein System von Paarbildung unter Menschen entstehen konnte.

  34. Weltanschauung

    Lieber Stefan Schleim,

    Ich habe das Gefühl, von Ihnen missverstanden zu werden.
    Das Puzzlen eines widerspruchsfreien Weltbildes wird von mir nicht als Vergnügen betrieben, sondern als eine sinnvolle Alternative zum rein naturwissenschaftlichen oder religiösen Weltbild gesehen. Das Weltbild soll zur Orientierung dienen, eine ernste Angelegenheit.

    Das wichtige an der Puzzle-Evidenz ist das Phänomen „Sinn“, für das es in der Naturwissenschaft gar keinen Platz gibt, keinerlei naturalistische Deutung.
    Für die Auslegung von „Sinn“ werden die Philosophen und die Religionen als zuständig gehalten, aber seit Aristoteles (sensus communis) kam nicht viel Neues dazu und die Religion bezieht allen „Sinn“ immer nur auf das Wort „Gott“.

    Die Aufmerksamkeit ist beim Puzzlen immer auf die Grenzen gerichtet, die als Unterscheidungen das Sinn-Ganze einteilen. Die Grenzen müssen genau passen, es darf keine Ecke überstehen oder fehlen. Wenn solche „Fehler“ im Puzzle auftreten, heißt es sofort „hier stimmt etwas nicht“, oder „das macht keinen Sinn“, ist „widersinnig“. also ein sicherer Indikator für Unstimmigkeit und die Notwendigkeit von Korrekturen.

    Diesen Hauptteil meines Beitrags übergehen Sie mit einer Floskel (..viel Spaß und Erfolg), um dann einen Nebensatz von mir in falscher Auslegung zu kritisieren.

    Ich schrieb nicht über die einzelnen Mitglieder der religiösen Gemeinschaften, sondern über die drei Offenbarungsreligionen, also über das geistige Fundament des jüdischen, christlichen und islamischen Glaubens, dessen Kernaussagen m.E. purer Unsinn sind.

    Zum Beispiel ein Unsinn mit verheerenden Folgen ist das Dogma von einem Gott, der die Sprache der Menschen spricht. Dieses Dogma ist das Fundament der drei monotheistischen Religionen. Es wurde von Abraham und Moses errichtet, weil diese Stammesführer gelegentlich in der Wüsteneinsamkeit eine göttliche Stimme hörten.
    In gleicher Weise bekam der Epileptiker Mohammed von Allah die Suren des Korans in arabischer Sprache diktiert; Allah spricht nach islamischem Dogma nur arabisch und kann nur in diese Sprache verstanden werden.

    Die schädlichen Auswirkungen solchen religiösen Unsinns zeigen sich in einer breiten Blutspur, die der monotheistische Fanatismus durch die Jahrtausende gezogen hat und täglich auffrischt, siehe Tagesschau.

    Ich weiß, daß in religiösen Gemeinschaften auch sehr gute Eigenschaften gedeihen und hervorragende Menschen darin leben, aber dabei denke ich, das diese nicht auf Grund sondern trotz der Religion gut sind.

    Noch einmal zurück zum Puzzle: Ihre Floskel „Viel Spaß und Erfolg.. .. “
    sagt mir, daß Sie das Puzzlen als mein Privatvergnügen betrachten, aber nicht gerade als brauchbare Metapher für die Konstruktion einer widerspruchsfreien Weltanschauung, die Sie ja ausdrücklich anstreben.

    Nehmen Sie als Beispiel diesen Blog: Jeder Beitrag kommt wie eine Tüte voller Puzzlesteinchen daher. Wahrscheinlich lesen Sie alles hier Geschriebene auch nach dem Puzzle-Prinzip, wonach manche Gedankenfragmente genau in ihr Weltbild passen, andere jedoch nicht, oder manche müssen erst gedreht werden, von allen Seiten betrachtet werden, damit sie Sinn ergeben, kurzum:
    Viel Spaß und Erfolg beim Puzzlen wünsche ich Ihnen auch, in diesem lebhaften Blog und im täglichen Leben, das Weltbild wird lebenslänglich erweitert, Stein um Stein….

    Nebenbei: Die intensive Ausübung von Musik hat auch einen bemerkenswerten Effekt auf das Weltbild, den Beethoven so beschrieb: „Musik ist höhere Erkenntnis als alle Philosophie“.

    S.R.

    Bei einem Religionsstifter (Moses), der „Stimmen hört“ und als Massenmörder 3000 der eigenen Leute in einer Nacht abschlachten ließ, nachdem er gerade zuvor mit den 10 Geboten ( Dusollst nicht töten!) vom Berg zurückkam, bei einem derartig schizophrenen Tyrannen ist eine ungesunde Grundlage seiner Religion nicht zu übersehen. Strenge Rassengesetze, Verbot der Mischehe, Tötung Andersgläubiger, das waren keine Erfindungen der Nazis. Moses bekam die strengen Gesetze immer von Gott persönlich eingeflüstert.

    Ich weiß, daß in religiösen Gemeinschaften auch sehr gute Eigenschaften gedeihen und hervorragende Menschen darin leben, aber dabei denke ich, das diese nicht wegen sondern trotz der Religion ohne Schaden bleiben.
    Auf jeden Fall geht es auch ganz ohne Religion und ohne Naturwissenschaft, das man sich ein widerspruchsfreies Weltbild zusammenbastelt, mit dem man anständig und erfolgreich über die Runden kommt. Selbstverständlich ist die Integration der Wissenschaften und Religionen auch im gepuzzleten Weltbild möglich und von Vorteil, wobei auch dabei die Grenzen Beachtung erfordern.

  35. @ Kamenin: Leben ist mehr als das

    Ich habe Herrn oder Frau “itz” schon geschrieben, dass nur, weil (viele) Naturwissenschaftler etwas machen, das nicht automatisch als naturwissenschaftlich gilt (bsp. Zähneputzen). Deine Darstellung, die in ähnlicher Form regelmäßig von Naturalisten versucht wird, führt zu einer völligen Entleerung des Begriffs der Naturwissenschaft.

    Das ist auch mein Hauptpunkt, dass eben nicht jede Form der Überprüfung darum automatisch schon eine naturwissenschaftlcihe Form der Überprüfung ist.

    Wenn ich unter meine Tastatur schaue, ob dort das Passwort für die Banking-Seite steht, führe ich kein Experiment durch; und dennoch gewinne ich dadurch handlungsrelevantes Wissen. Wenn ich etwas über Geschichte lernen will, führe ich auch kein Experiment durch. Selbst theoretisch arbeitende Naturwissenschaftler führen oft keine Experimente durch, sondern definieren, denken, fassen zusammen, verallgemeinern. Lebens ist nicht nur Experimentieren; oft ist es nicht einmal das; es ist viel mehr.

    Ein derartiges Verständnis macht uns alle zu Naturwissenschaftlern; das ist nicht nur historisch unzutreffend, wenn wir uns die Entwicklung der Naturwissenschaft anschauen, es ist nicht nur alltagssprachlich unzutreffend, wenn wir anschauen, wie wir Praktiken der Naturwissenschaft von anderen abgrenzen, sondern es ist auch dann unzutreffend, wenn wir uns die akademische Trennung von Disziplinen vor Augen führen, die als Wissenschaften eben nicht nur die Naturwissenschaft vorsieht, die sogar erst ziemlich spät zu einer eigenen Fakultät wurde.

    Anders als du anzunehmen scheinst, ist Überprüfbarkeit eben nicht mit Naturwissenschaftlichkeit gleichzusetzen. Es wird ständig überprüft, vor Gericht, am Zollhafen, beim Gemüsehändler, im Philosophiekurs, in der Psychologieklausur, in der Politikdiskussion usw. usf. Noch einmal: nur weil Naturwissenschaftler auch überprüfen heißt das nicht, dass nur Naturwissenschaftler überprüfen und ergo jeder, der Überprüft, ein Naturwissenschaftler sei. In den üblichen Definitionen von Naturalismus geht es eben nicht nur ums Überprüfen allgemein, sondern auch um die dafür zulässigen Methoden, nämlich die der Naturwissenschaft.

    Noch ein paar Nebenpunkte:

    In meinem Text geht es nicht nur um die Brights und Schmidt-Salomon; wo ich mich auf deren Ansichten beziehe, habe ich das ausdrücklich gemacht. Es ist bedauerlich, dass sie keine genauere Beschreibung liefern, was sie unter “Naturalismus” verstehen. Wie meine Überschrift besagt, geht es im Artikel darum, in einem Gedankenexperiment die Widerspruchsfreiheit eines Naturalismus zu prüfen; und wie ich im Artikel schreibe, kann man unter “Naturalismus” ganz unterschiedliche Ansichten verstehen. Es würde für Klarheit sorgen, wenn sich die Brights und Schmidt-Salomon hier etwas genauer positionieren — aber natürlich wird man dadurch auch angreifbarer, dass man präziser und klarer wird, denn dann können die Gegner einen auch leichter fassen. Vielleicht werden wir also absichtlich im Unklaren gelassen (nicht sehr “bright” also).

    Deine Vorstellung von dem Regel-Naturalismus finde ich sehr komisch. Wieso könnte es nicht auch Seelen- oder Gottesregeln neben Naturregeln geben? Das würden meines Erachtens aber die meisten Naturalisten ablehnen. Außerdem gehen manche Evolutionstheorien davon aus, es gebe Zufallsereignisse, die Mutationen hervorrufen — das Auftreten dieser Ereignisse wäre dann also gerade nicht regelhaft.

  36. @ Bolt: Naturalismus / Rationalismus

    Ich denke, der Rationalismus hat es hier aber einfacher als der starke Naturalismus. Der starke Naturalismus erfordert, wie ich gezeigt habe, dass auch seine Begründung naturwissenschaftlich ist, was meines Erachtens in einen Widerspruch führt.

    Der Rationalismus hingegen könnte beispielsweise mit Kohärenz ein plausibles Rationalitätskriterium annehmen, in dem sich in einem System von Annahmen die Annahmen gegenseitig stützen und auf keine weitere Letztbegründung angewiesen wären. Natürlich könnten Sie dieses Rationalitätskriterium hinterfragen (auch Märchen können kohärent sein, zum Beispiel); aber ich sage ja auch nicht, dass man den Rationalismus so “beweisen” könnte, sondern nur, dass er dann nicht in sich widersprüchlich wäre — das scheint mir beim starken Naturalismus anders zu sein und genau darum geht es.

    Die Frage der Vollständigkeit ist eine andere als die der Widerspruchsfreiheit.

    “Man kann auch einfach die starke Annahme gar nicht erst machen.

    Ja genau, zu diesem Fazit komme ich ja auch.

    Ihre Rede vom “Widerspruch zwischen Religion und Wissenschaft” gefällt mir nicht; es gibt erstens nicht “die” Religion oder “die” Wissenschaft; zweitens geht es mir um religiöse und naturwissenschaftliche Annahmen und ich will darauf hinaus, dass sich diese oft gar nicht widersprechen müssen, was oft daran liegt, dass die religiösen Annahmen nicht den nötigen empirischen Gehalt haben. Dann wäre es unsinnig, zu behaupten, dass dies der Naturwissenschaft widerspricht, wenn es sich um eine prinzipiell nicht naturwissenschaftlich überprüfbare Annahme handelt. Die Rede von einem allgemeinen Widerspruch ist daher falsch; man muss sich schon die konkreten Aussagen vorknöpfen, um den Widerspruch zu finden — oder eben auch nicht.

    Ich halte es auch nicht für zutreffend, dass Religion allgemein Autorität braucht. In den frühen buddhistischen Schriften beispielsweise ist überliefert, der historische Buddha habe die Menschen dazu aufgefordert, alles kritisch zu prüfen, selbst seine eigenen Aussagen; sie sollten nichts aus Grundlage der Autorität glauben. Natürlich haben sich auch dort im Lauf der Geschichte autoritäre Strukturen gebildet — wie sehr das noch mit der ursprünglichen Lehre zu tun hat, darf jeder selbst beurteilen. So gibt es auch Christen, welche die großen Kirchen aufgrund ihrer Autorität kritisieren. Nach Ihrer Definition wären das aber keine Religionen. Das finde ich falsch.

    Danke auch für den schönen Vergleich zum Zauberberg; ich habe den Roman zwar gelesen aber will mich jetzt nicht dazu äußern, inwiefern dort unser Streitthema widergegeben wird. (Persönlich kann ich anmerken, dass Settimbrini mein Lieblingscharakter des Romans ist.)

  37. @ Rehm: Noch ein Puzzleversuch

    Ich habe das keinesfalls abwertend gemeint, als ich Ihnen viel Spaß und Erfolg beim Puzzlen wünschte; das wünsche ich Ihnen (und allen anderen Menschen) ganz aufrichtig, ist das Puzzlen doch eine Metapher für die Suche nach Erkenntnis.

    Aus der Tatsache, dass bis heute Gewalttaten im Namen von Religionen stattfinden, folgt aber nicht, dass Gewalttaten religiös sind. Beispielsweise haben Nazis Gewalt gegen Linke mit der Dolchstoßlegende gerechtfertigt, nicht durch religiöse Motive. Für Gewalttaten werden schlicht aus propagandistischen Gründen die verschiedensten Rechtfertigungen herangezogen, die religiös sein können es aber nicht sein müssen. Die Kritik verdienen dann die konkreten Machthaber, die sich dieser Propaganda bedienen, nicht die abstrakten Religionen. Das kommt mir wie eine Art Sippenhaft vor, wenn man jetzt alle Christen (Muslime, Juden usw.) für die Verbrechen verantwortlich machen möchte, die im Namen des Christentums (usw.) begangen wurden.

    Viele täten gut daran, sich von diesen Gewalttaten zu distanzieren. Ich denke, dann ginge die einfache Rechnung mancher “neuer Atheisten” auch nicht so gut auf; manche Christen distanzieren sich ja aber auch ausdrücklich davon.

    Ich persönlich habe übrigens genau deshalb große Probleme mit Kirchen, weil ich religiöse Annahmen nicht bloß durch Autorität glauben kann, sondern sie selbst prüfen muss, wobei mein Prüfkriterium aber reichhaltiger ist als das des starken Naturalismus.

    Ich schätze, Sie würden mir hier zustimmen, worüber streiten wir dann eigentlich? Das Puzzlen möchte ich nicht als Ihr Privatvergnügen bezeichnen aber doch letztlich als Ihre private Aufgabe — kann man jemanden dazu zwingen?

  38. Fortsetzung

    Ich gehe davon aus, daß Mißverstehen in der Kommunikation die Regel ist und ein Verstehen eher die Ausnahme bildet, um die wir uns dennoch immer wieder bemühen, gleiche Ge-Sinn-ung als unerreichbares Ziel.

    Diese Probleme übergehen die Religionen durch Dogmen, die schon in frühester Kindheit eingetrichtert werden, bis kein Raum für Zweifel mehr ist.

    Eine Religion, die als oberste Tugenden Gehorsam, Keuschheit und Demut fordert, ist nichts für freiheitsliebende Menschen, zutiefst inhuman, oder wie Nietzsche sagte: eine Sklavenreligion.
    S. Freud schrieb von den „religiösen Denkhemmungen“,
    „Opium fürs Volk“ (Lenin) war auch nicht schlecht,
    „Servolenkung für Diktatoren“ kam mir gerade in den Sinn, sinnierend,

    und da bin ich wieder bei meinem eigentlichen Thema, dem Flickenteppich des „sensus communis“, in dem Religion nur eine Nebensache ist, eher die Musik eine Hauptrolle spielt.

    Deshalb möchte ich J.S. Bach, A. Bruckner und Mahalia Jackson hervorheben, deren Musik mir das religiöse Gefühl mit großer Intensität vermitteln kann, und da kann ich es genießen. Aber: die katholischen Messen bringen das auch ganz prächtig rüber, die Nürnberger Parteitage profitierten auch davon wenn der Führer sprach, ja das religiöse Gefühl ist ein Genuß ohne Reue, „und dann gehen wir in diesen Krieg wie in einen Gottesdienst“ (J.Goebbels 1943 im Sportpalast).

    S.R.

  39. @ Rehm: Dogmen

    Wenn Sie religiöse Dogmen kritisieren wollen, könne Sie das gerne tun, nur passt das nicht wirklich zu meinem Beitrag.

    Ich denke, so wie Sie “die” Religion (also alle Religionen) darstellen, scheren Sie viel Unterschiedliches über einen Kamm. Ich habe ein Beispiel für eine religiöse Sicht genannt, für die es zentral ist, nichts ohne eigene Prüfung zu glauben; selbst dann nicht, wenn es das “Oberhaupt” sagt. Damit ist doch Ihre Redeweise schon als zu einseitig entlarvt.

    Ich bin auch gegen Dogmen. Hier habe ich mir ein paar naturalistische vorgeknöpft. Wenn man darüber hinaus noch so tut, als würden diese Dogmen aus naturwissenschaftlicher Forschung selbst folgen, halte ich das für unseriös und unehrlich.

  40. @ Schleim

    Wir missverstehen uns da. Ich habe ja ausdrücklich nicht alles Begründen zur Naturwissenschaft erklärt, sondern andersherum eine von Dir als zu widerlegende These aufgestellte Behauptung, nur Naturwissenschaft bringe Erkenntnis, abgelehnt. Schließlich ist die Unterscheidung zwischen Natur- und anderen Wissenschaften eine rein künstliche, historisch bedingte. Wieso sollten wir ausgerechnet die in der Erkenntnistheorie wiederfinden?

    Wie ich schrieb, der Kern, warum Naturwissenschaft Erkenntnis liefert, ist in ihrer Methode begründet — in der Methode des Schließens und Überprüfens und Aussortierens, nicht in der experimentellen Methode, ob man ein Elektronenmikroskop benutzt, ein Linsenmikroskop oder den Augenschein. Wo immer Menschen nach ähnlichen Kriterien forschen, erlangen sie Erkenntnis, ob wir das als Naturwissenschaft bezeichnen oder nicht. Und wenn der Kristallpendler nachweisen kann, dass er mittels seiner experimentellen Methode schließen und begründen und falsche Annahmen aussortieren kann, liefert er damit auch Erkenntnis. Das tut er bloß nicht.

    Dass Naturwissenschaft heute oft als Begriff benutzt wird, um die Methode zu beschreiben, liegt nur daran, dass sie die am konsequentesten anwendet und anwenden kann.
    Wenn Du aber ernsthaft denkst, dass starker Naturalismus die Festschreibung einer im 19. Jahrhundert willkürlich getroffenen Unterscheidung zwischen Natur- und anderen Wissenschaften in die Erkenntnistheorie vornehmen will, hätte ich schon gerne ein Beispiel dafür, wo einigermaßen einflussreiche Naturalisten dass so behaupten. Im Moment hast Du ja nur durch Deine Thesen einen Widerspruch formuliert, den Du jetzt für den Widerspruch des Naturalismus hälst.

    Wieso könnte es nicht auch Seelen- oder Gottesregeln neben Naturregeln geben?

    Ein Gott, der sich nur regelmäßig verhält, wie wäre der von der Natur getrennt und wieso könnte man den nicht wissenschaftlich als Teil der Natur beschreiben? Wieso sollte man den dann überhaupt Gott nennen, anstatt ihn nach dem Wissenschaftler zu benennen, der zum ersten Mal die Regeln vollständig beschreibt, nach denen er handelt 🙂
    Wir halten Elektrizität doch nicht deshalb für natürlich, weil irgendwo ein Schild steht, dass sie es sei; sondern weil wir ihre gesamten Zusammenhänge beschreiben und damit ihr Verhalten vorhersagen können. Dass so an Regeln gebundene Phänomen bezeichnen wir eben deshalb als natürlich. Wenn das Verhalten eines Gottes nur nach Regeln abliefe, wir könnten es von Natur gar nicht unterscheiden.

    Außerdem gehen manche Evolutionstheorien davon aus, es gebe Zufallsereignisse, die Mutationen hervorrufen — das Auftreten dieser Ereignisse wäre dann also gerade nicht regelhaft.

    Wie gesagt, selbst in einer vollkommen naturalistischen, vollkommen wissenschaftlich beschreibbaren Welt hast Du notwendigerweise aus einer nicht vollständigen Innenperspektive dieser Welt Kontingenz-Erlebnisse. Schon allein aufgrund der fehlenden Vollständigkeit des Wissens. Das heißt nicht, dass die Prozesse keinen Regeln folgen. Ich kann das Ergebnis eines einzelnen Würfelwurfs nicht vorhersagen, aber das spricht nicht dagegen, dass er rein naturalistisch funktioniert und wissenschaftlich vollkommen beschreibbar ist bzw. wäre (nicht dasselbe). Außerdem gehorcht der Würfelwurf natürlich Regeln, nämlich statistischen, so dass ich einen normalen Würfel von einem gezinkten unterscheiden kann. Genauso unterliegt z.B. die Häufigkeit von Mutationen denselben statistischen Regeln.

    Wenn ich unter meine Tastatur schaue, ob dort das Passwort für die Banking-Seite steht, führe ich kein Experiment durch;

    Was ist Deine Definition des Wortes Experiment? Ernsthaft. Mir ist es etwas zu wenig, nur darüber zu reden, warum es sich im Umgangssprachgebrauch nicht richtig anfühlt, das Wort Experiment hier zu benutzen; ich verstehe den prinzipiellen Unterschied, das Kriterium, ab wann etwas ein Experiment ist, hier nicht.

    Zuletzt, bis jetzt hast Du nur darüber geschrieben, was für Dich eine zu starke Einschränkung der Methoden des Wissensgewinns wäre (nur Naturwissenschaft). Nach welchen Kriterien unterscheidest Du, ob ein Verfahren potenziell erkenntnisstiftend ist? Ich würde nur gerne wissen, inwieweit wir uns da überhaupt unterscheiden.

  41. Naturalisten : Religion

    Wenn man hier die bisherigen Texte so liest, dann scheint es, als ob die Naturalisten die Religion unbedingt brauchen, um die eigene Existenz zu rechtfertigen.
    Umgekehrt scheint es Religionen egal zu sein, ob es Naturalisten gibt.

    Da kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen: 🙂

    Sollte ein Naturalismus nicht durch ein eigenständiges Weltbild überzeugen?

  42. @ Kamenin: reductio und Naturgesetze

    Wenn du gegen eine These argumentierst, die ich mit der Schlussform reductio ad absurdum widerlegt habe, dann haben wir hier tatsächlich einen Konsens, keinen Dissens.

    Eines meiner Argumente war, dass die Methode “Schließen, Überprüfen und Aussortieren” gar nicht das Wesen der naturwissenschaftlichen Methoden sein kann, weil wir schon lange vor dem Beginn der Naturwissenschaft diese Methode überliefert haben. Ein anderes Argument war, dass dies auch dem Sprachgebrauch widerspricht, weil wir diese Methode ständig in Kontexten anwenden, die wir als nicht-naturwissenschaftlich ansehen. Ein weiteres Argument war, dass auch andere Wissenschaften, die nicht Naturwissenschaften sind, von dieser Methode gebrauch machen. Wenn dir alle diese Argumente keine Erwiderung wert sind und du wieder von “der Methode der Naturwissenschaft” sprichst, dann kann ich das auch nicht ändern.

    Zur Gottesregel bzw. statistischen Gesetzen: Wieso sollte sich ein Gott nicht regelhaft äußern, nur vielleicht eben nach göttlichen Regeln? Und wieso du den Gott nicht Gott nennen solltest, das kann ich dir nicht sagen; aber bei Phänomenen, bei denen unsere Kausalerklärungen versagen, kann man auch nicht ausschließen, dass hier andere Regeln vorherrschen. Natürlich lässt sich daraus kein Gottesbeweis stricken aber darum geht’s mir auch gar nicht. Das ist die Aufgabe von Theologen.

    Die wunderbaren Methoden der Statistik erlauben es uns, durch jede Reihe von Messpunkten eine Kurve zu legen — so what? Wird das damit sofort zum Naturgesetz? Und was heißt das, die Häufigkeit von Mutationen zu berechnen? In einer bestimmten Zeitspanne die Anzahl der Mutationen (freilich unter Laborbedingungen) zu beobachten und das zu Extrapolieren; du teilst also die beobachtete Anzahl durch die Zeit und glaubst damit, eine Mutationsrate zu haben; du sagst jetzt einfach, das seien “natürliche Regeln”. Tatsächlich erlaubt uns dieses “Gesetz” aber weder, zu sagen, wann Mutationen passiert sind, noch, wann sie passieren werden; und es kann sehr gut sein, dass sich für den prognostizierten Zeitraum die Rate ändert.

    Dann würde man freilich die neue Beobachtung zur neuen Berechnung verwenden und glauben, jetzt eine noch bessere Beschreibung zu haben; das kann man unendlich oft fortsetzen aber wieso aus dieser Beschreibung plötzlich ein Naturgesetz werden sollte, das leuchtet mir nicht ein. Dann könnte man auch jede Zeitreihe eines Aktienkurses nehmen und behaupten, ein Naturgesetz entdeckt zu haben. Fakt bleibt, es sind Zufallsereignisse, über die wir nicht viel wissen.

    Wenn ich unter meine Tastatur schaue, dann schaue ich nach, was unter meiner Tastatur ist. Wir benutzen hierfür allgemeinsprachlich nicht das Wort “Experiment”. Wenn mich jemand fragte, was ich da gemacht hätte, und ich nicht antwortete, unter die Tastatur geschaut, sondern ein Experiment gemacht, dann würde er sich erst mal am Kopf kratzen und nachdenken, was ich meine. Wahrscheinlich würde er es für einen Scherz halten. Experimente finden im Labor statt, unter besonderen Bedingungen, mit bestimmten Annahmen und vor dem Hintergrund von Theorien. Ich orientiere mich hier an der Alltagssprache — ich bin kein Wissenschaftsphilosoph. Wer einen anderen Begriff von “Experiment” hat, der möge ihn bitte definieren und erklären.

  43. Der Urahn

    „Alles messen, was sich messen läßt,- und alles messbar machen, was sich nicht messen läßt“ sagte ANAXAGORAS vor ca. 2500 Jahren, oder “Das Sichtbare ist die Quelle zur Erkenntnis des Unsichtbaren“,….

    und mehr als dieser Lehrmeister des Sokrates wollen die heutigen „Naturalisten“ auch nicht,
    also:alter Wein in neue Schläuche.

    Nebenbei: Wegen Gottlosigkeit wurde Anaxagoras in Athen zum Tode verurteilt, aber von Perikles gerettet durch Verbannung.

    Mit diabolischem Lächeln

    S.R.

  44. @Stephan Schleim: Eine Frage

    Sie schreiben: “es gibt erstens nicht “die” Religion oder “die” Wissenschaft; zweitens…usw.”

    Glauben Sie im Ernst, daß wir hierüber unterschiedlicher Ansicht sind? Wenn ja, muß ich Sie enttäuschen: ich bin nicht George W. Bush.

    Es stört mich nur, wenn Sie mir, z.B. als Mitglied der Brights, Intoleranz gegenüber religiösen Menschen unterstellen, die ich nicht habe, wie es mich auch umgekehrt stört, wenn Hardcore-Atheisten dasselbe mit Religiösen machen. Ich gebe allerdings die Hoffnung nicht auf, dieses Thema vielleicht einmal in den scilogs ohne diese albernen Dichotomien und die sich daraus ergebenden überflüssigen Konfrontationen diskutieren zu können. Immerhin sind ja die Diskutanten hier nicht nur scharfzüngig sondern mitunter auch -sinnig, wie Helmut Wicht einmal wunderbar konstatierte.

  45. Wow, danke!

    Lieber Stephan,

    das ist ein wunderbarer Beitrag, dem ich aus ganzem Herzen zustimmen kann und von der Debatte in meinem Blog (die Dich mit angeregt hat? 😉 ) auch gleich verlinke!

    Erlaube mir noch eine Bestärkung Deines Erfolgsargumentes: Ich ringe nun seit Jahren mit dem Befund, dass sich oft gerade jene Gemeinschaften “evolutionär erfolgreich” verhalten, die naturwissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren oder ablehnen! Sehr viele evolutionswissenschaftlich Gebildete haben keine oder kaum Kinder – die Amischen (und unzählige andere Religionsgemeinschaften) pflanzen sich dagegen seit Jahrhunderten erfolgreich fort, geben ihre Gene weiter. Wissenschaftlicher und biologischer “Erfolg” fallen hier ganz klar auseinander und ohne metaphysische Zusatzannahmen lässt sich das wohl nur erklären, indem man – wie Du es ja auch anregst- andere “Wissensarten” gelten lässt. Ohne erkenntnistheoretisch-philosophische Reflektion lassen sich m.E. die eindeutigen Befunde gerade aus naturalistischer Sicht nicht verarbeiten.

  46. @ Bolt: Religion & Wissenschaft

    Ich würde mich freuen, wenn wir hier gemeinsamer Ansicht sind und wollte Sie keinesfalls provozieren. Sie haben aber ausdrücklich geschrieben:

    Der Widerspruch zwischen Raligion [sic] und Wissenschaft besteht in der Art ihrer Begründung: Wissenschaft gründet auf Evidenz, Religion auf Offenbarung. Evidenz kann intersubjektiv überprüft werden, wogegen der Gott im brennenden Dornbusch nur Moses erschienen ist.

    Was man davon nun auch halten mag, Sie schreiben allgemein von Religion und Wissenschaft — und machen Ihren Punkt dann an einem sehr reduzierten Verständnis des Christentums deutlich. Was Sie schreiben, gilt aber noch nicht mal allgemein fürs Christentum, geschweige denn für alle Religionen! Beispielsweise gab es auch in der christlichen Tradition Mystiker, die in die Einsamkeit gegangen sind, um Gott zu erfahren. Das ist mir persönlich wesentlich sympatischer, als etwas zu glauben, weil man gesagt bekommt, dass es so ist.

    Wenn Sie nicht intolerant wirken möchten, wäre es vielleicht besser, den Gegner etwas fairer zu behandeln und zuzugestehen, dass es auch dort sehr unterschiedliche Meinungen gibt (manche der Mystiker wiederum wurden, wenn ich mich nicht irre, als Ketzer verfolgt oder wenigstens aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, eben weil sie ihre eigenen Fragen und Antworten hatten).

  47. @ Schleim

    Was ich vor allem erstaunlich finde: wie sehr Du Skepsis hochhälst, wenn es um Naturwissenschaft oder um die Weltanschauung Naturalismus geht, aber wie stumm und tolerant Du wirst, wenn es um behauptete andere Erkenntniswege geht. Da reicht Dir ein einziges selbstkonstruiertes Beispiel einer angeblich starken naturalistischen Behauptung, um darüber zu setzen: Ist Naturalismus widerspruchsfrei denkbar. Die Antwort kann dann wohl nur lauten: ja sicher, aber nicht Deiner. Da schreibst Du gegen Brights an “Ist das wirklich so gescheit, wie die Gescheiten glauben?”, aber Du kannst nicht zeigen, dass irgendwelche “gescheiten” Naturalisten Deine Behauptungen überhaupt so teilen, wie Du sie widerlegst. Damit erfasst Du dann nicht mal einzelne Naturalisten, geschweige denn die Idee des Naturalismus.
    Auf der anderen Seite, nachdem Du den vermeintlichen Widerspruch im Naturalismus aufgedeckt hast, kommen Toleranzaufrufe gegenüber Religionen und anderen Erkenntniswegen, aber selbst auf Nachfrage kommen keine Kriterien, die solche angeblichen Erkenntniswege erfüllen müssen, damit wir sie als Erkenntnis auch erkennen können, und anstelle Untersuchungen, welche dieser Erkenntniswege überhaupt widerspruchsfreie Grundlagen und Ergebnisse aufweisen kommen fast Entschuldigungen, wie man die ja doch denken könnte, aber man weiß ja auch alles nicht genau.
    Ist das nicht ein Missverhältnis? Bist Du sicher, dass Deines Position und Argumentation da überhaupt widerspruchsfrei ist?

    Ansonsten wird das zunehmend zu einer Auseinandersetzung über Worte.
    – Natürlich kann ich von der “Methode der Naturwissenschaften” spreche. Nur weil Menschen seit der Entdeckung der Schrift Käse schreiben und weil viele anderen in ganz anderen Zusammenhängen Käse schreiben, kann es doch auch meine Methode sein, Käse zu schreiben. Ich dachte, ich hätte es eher schon zu breit ausgeführt, warum ich die Methode nicht als irgendwie magische Beigabe der Beschäftigung mit der Natur verstehe, sondern als die altbekannte und in anderen Kontexten bewährte Methode in einem besonders exemplarischen Zusammenhang.
    – Was göttliche Regeln sein sollen, verstehe ich nicht. Was ist die gotthafte Beigabe, die Dich veranlasst, das “göttlich” davorzusetzen, wenn das Göttliche sich nur regelhaft äußert? Wir nennen die Gravitation doch auch nicht “göttliche Graviation”; weil wir nämlich keinen Grund dafür haben. Wie sollte der bei einer anderen Regelhaftigkeit aussehen und was macht eine Regelhaftigkeit göttlich?
    – Ich will doch nicht das Wort Experiment in die Alltagssprache zwingen. Ich wollte zeigen, analog zu oben, dass die Methode des Erkenntnisgewinns dieselbe ist wie in den Naturwissenschaften: das Nachschauen und Überprüfen der Ergebnisse, um das Du auch in Deinem Beispiel nicht herumkommst. Natürlich schaffen wir Laborsituationen, um möglichst viele Parameter genau kontrollieren und ihren Einfluss auf das Ergebnis bestimmen zu können — aber das sind graduelle Unterschiede, keine, die eine besondere Erkenntnismethode konstituieren. In Deinem Beispiel sind es nur weniger Parameter und die so alltäglich, dass Du sie nicht mehr wahrnimmst.

    Tatsächlich erlaubt uns dieses “Gesetz” aber weder, zu sagen, wann Mutationen passiert sind, noch, wann sie passieren werden;

    Weil diese Art von Wissen rein logisch gar nicht möglich ist, solange Du nicht alle Ausgangswerte exakt kennst. Ich finde das nicht so schwierig zu verstehen, aber ich weiß nicht, gegen was sich Dein Argument eigentlich richtet? Evolutionsbiologie ist keine Wissenschaft oder kein Erkenntnisgewinn, solange sie nicht den Zustand jeder Aminosäure in jedem Organismus zu jedem Zeitpunkt prognostizieren kann? Das bräuchtest Du doch, um über den zukünftigen Verlauf von Evolution mehr als statistische Aussagen machen zu können, selbst wenn Du alle Zusammenhänge perfekt kennen würdest. Wie sich solche Moleküle z.B. unter Strahlung verhalten, ist doch schon wunderbar erforscht.

    und es kann sehr gut sein, dass sich für den prognostizierten Zeitraum die Rate ändert […] Fakt bleibt, es sind Zufallsereignisse, über die wir nicht viel wissen.

    Über sowas ärgere ich mich dann echt, das ist mir zu billig. Der naturwissenschaftliche Ansatz ist nicht “wer weiß schon, ob die Rate sich nicht ändert”, sondern “von welchen Einflüßen ist die Rate (reproduzierbar/prognostizierbar) abhängig”. Willst Du echt bestreiten, dass auf dem Weg kein Erkenntnisgewinn erbracht wurde bzw. Erkenntnisgewinn so gar nicht möglich ist, weil es sich um Zufallsereignisse handelt? Alle Angaben in jedem wissenschaftlichen Lehrbuch entnehmen kannst, waren ursprünglich Zufallsereignisse, die man so lange studiert und überprüft hat, bis man die Zusammenhänge erkannt hat. Selbst in der Astronomie haben wir es mit regelmäßigen, aber im Einzelfall zufälligen, statistischen Teilchenbahnen und -wechselwirkungen zu tun, damit Du im Teleskop was siehst.

    Aber das ist wieder die alte erkenntnistheoretische Debatte, keine Debatte über den Naturalismus — der ist, wie Du selbst schreibst, eine weltanschauliche Position, bevor Du dann eine erkenntnistheoretische konstruierst und die Naturalismus nennst.

  48. @ Blume

    Wissenschaftlicher und biologischer “Erfolg” fallen hier ganz klar auseinander und ohne metaphysische Zusatzannahmen lässt sich das wohl nur erklären,…

    Da fehlt noch was in der Argumentation. Zum Beispiel eine Erklärung, warum wissenschaftlicher “Erfolg” (auf Ebene des Individuums) überhaupt mit biologischem “Erfolg” (auf Ebene der Gene) einhergehen sollte. Wieso sollte es dem wissenschaftlich Gebildeten erstrebenswerter erscheinen, seine Gene weiterzugeben, von denen er doch am besten weiß, dass er nicht sie ist?
    Und außerdem dachte ich, dass Deine Arbeit darin besteht, zu erklären, warum sich Religiöse öfter fortpflanzen — ganz ohne metaphysische Zusatzannahme. Wie denn nun?

  49. @ Kamenin: Fragen & Antworten

    Einer unserer Hauptpunkte war, inwiefern Überprüfung das Wesen der Naturwissenschaft ist — mindestens drei Argumente gegen deine Versuche, kritisches Prüfen exklusiv für die Naturwissenschaft zu vereinnahmen, habe ich in meinen letzten beiden Kommentaren an dich geschildert und wiederholt. Beide Male habe ich keine Antwort darauf bekommen. Mehr kann ich auch nicht versuchen.

    Ich kann dir nicht sagen, was ein Gottgesetz ist; ich will nur nicht ausschließen, dass es so etwas gibt.

    Umgekehrt habe ich versucht, deine inflationäre Vorstellung davon, was alles Naturgesetze sind, mit einem statistischen Argument zu widerlegen: Wie ich bereits schrieb, kann man durch jede zufällige Sammlung von Messpunkten eine Kurve ziehen. Wenn dir das als Standard für naturgesetzlichkeit reicht, überzeugt mich das leider ganz und gar nicht; aber das kann ich freilich nicht ändern. Falls die Mutationsraten, von denen du sprichst, nichts sind als das, dann finde ich es übertrieben, davon als Naturgesetz zu sprechen. Zufall und Gesetz — wie verhält sich das? Mir scheint, dass ein echter Zufall, wie er beim Höhenstrahl und radioaktiven Zerfall angenommen wird, mehr ist als die Unbekanntheit von Rahmenbedingungen, auf die du immer wieder rekurrierst (vgl. deterministisches Chaos).

    Mir geht es bei diesem Beitrag nicht darum, ein erkenntnistheoretisches Programm auszuarbeiten; ich habe schon an anderer Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass das hier keine philosophische Habilitationsschrift ist.

    Wenn es dich nicht stört, dass die Brights und Schmidt-Salomon vom Naturalismus sprechen, ohne zu präzisieren, was sie damit meinen — eine ganz entscheidende Frage –, dann kann ich das auch nicht ändern. Ich habe in diesem Beitrag genau das versucht, was in der Überschrift steht, nämlich ein Gedankenexperiment durchzuführen. Das Ergebnis brauche ich nicht zu wiederholen, denn es steht im Text.

    Ich würde mich natürlich darum bemühen, gegenüber einer religiösen Weltanschauung ebenso kritisch zu sein wie gegenüber einer naturalistischen (und das hätte dann nur mit kritischer Prüfung, nichts mit dem Betreiben von Naturwissenschaft zu tun). Nur ging es in diesem Beitrag eben um Naturalismus; ein andermal wird es vielleicht um Religion gehen.

    Wieso glaubst du eigentlich, Weltanschauung und Erkenntnistheorie schließen sich gegenseitig aus? Ganz offensichtlich hat der Naturalismus als Weltanschauung erkenntnistheoretisch Implikationen (siehe Realismus, siehe erkenntnisstiftende Verfahren). Also folgt daraus, dass wir erkenntnistheoretische Argumente tauschen, nicht, dass es nicht um Weltbilder geht.

    Wieso sollte es dem wissenschaftlich Gebildeten erstrebenswerter erscheinen, seine Gene weiterzugeben, von denen er doch am besten weiß, dass er nicht sie ist?

    Soso — Dawkins und andere Genreduktionisten sind also keine wissenschaftlich Gebildeten? Das ist mal ein Wort!

  50. Nachtlektüre

    Ich irre mich? Kann man das überhaupt in einer auch „intuitiv überprüfbaren“ Welt? Also bitte „vermeiden Sie die unnötige und künstliche Gegenüberstellung“ von meinem und Ihrem Glauben, und betrachten Sie meine Argumente als Intuition „im Lichte meiner Erfahrung darüber, was sich bewährt hat“. Irrtum ausgeschlossen. 🙂

    „Wenn es dich nicht stört, dass die Brights und Schmidt-Salomon vom Naturalismus sprechen, ohne zu präzisieren, was sie damit meinen — eine ganz entscheidende Frage –, dann kann ich das auch nicht ändern.“

    Geht es überall in der Welt mit rechten Dingen zu?

    Schöne Grüße von Herrn itz

  51. @ Schleim: extrem aneinander vorbei

    Ich kann das nicht nachvollziehen. Von meinem ersten Kommentar an und in jedem folgenden habe ich jeweils argumentiert, dass kritisches Prüfen die zentrale, aber eben gerade keine der Naturwissenschaft exklusiv zugängliche Methode ist. Genau für das Gegenteil habe ich argumentiert, dass die Alleinstellung der Naturwissenschaften daher in Deinen Behauptungen oben gerade deshalb keinen Sinn ergäbe, und das so explizit, dass ich nicht weiß, wie ich es noch formulieren soll oder wie man das überhaupt genau andersherum lesen kann.

    Das stärkt auch nicht mein Vertrauen, dass Du Schmidt-Salomon oder die Brights erschöpfend wiedergibst. Komischerweise verstehe ich ja, was sie mit Naturalismus meinen (MSS habe ich nicht gelesen) und habe das in meinem ersten Kommentar auch zu konkretisieren versucht. Vielleicht würden die sich aber auch darauf berufen, dass sie nicht ständig philosophische Habitilationsschriften verfassen.

    Außerdem habe ich nicht die Mutationsrate als Naturgesetz beschrieben — den Begriff hast Du allein verwandt, somit ich schon gar nicht inflationär. Eine einzelne Rate ohne Untersuchung und Berücksichtigung der eingehenden Abhängigkeiten von der Umgebung ist noch kein Naturgesetz, sondern nur der erste Zwischenschritt zwischen Datenpunkt und ausformulierter Gesetzmäßigkeit.

    Zufall und Gesetz — wie verhält sich das?

    Das verhält sich ganz ausgezeichnet. Die gesamte Thermodynamik ist nichts als die Ableitung emergierender Gesetze aus zufälligen Einzelreaktionen. Der radioaktive Zerfall ist wie die Absorption von Strahlung zufällig, aber natürlich emergieren in der Statistik daraus die bekannten und andauernd angewandten Zerfalls- und Absorptionsgesetze.
    Tatsächlich gehen die meisten heute davon aus, dass es sich beim Zufall in der Quantenphysik um einen elementareren Zufall handelt. Das spielte für die Argumentation keine Rolle, weil schon aus dem Wahrnehmungs-Zufall durch begrenztes menschliches Wissen die Evolution logisch zwingend kontingent verläuft (wenn nicht sogar da die Biologen mit ihren Theorien der konvergenten Evolution recht behalten, so dass auch da schon zumindest eine Regelmäßigkeit emergiert, wenn auch deutlich unter dem Niveau einer heute gesetzmaßig feststellbaren). Aber auch der elementare quantenmechanische Zufall lässt sich wunderbar erfolgreich und ewig exakt gesetzmäßig parametrisieren und überprüfen. Strange-Quarks wurden entdeckt, weil schon mit relativ kleiner Statistik festgestellt wurde, dass deren Lebensdauer (ganz ähnlicher Mechanismus wie beim radioaktiven Beta-Zerfall) nicht den Zerfallsgesetzen bekannter Teilchen entspricht, obwohl es da kaum mehr als eine grobe Rate und einige festgestellte Einzelereignisse gab. Die heißen sogar strange, weil sie den Nerds, die mir der Nebelkammer auf dem Berg saßen, seltsam vorkamen. Genau wie es Dir seltsam vorkäme, wenn Du beim Pokern über mehrere Spiele nur Asse auf der Hand hättest.

    Wieso glaubst du eigentlich, Weltanschauung und Erkenntnistheorie schließen sich gegenseitig aus? Ganz offensichtlich hat der Naturalismus als Weltanschauung erkenntnistheoretisch Implikationen (siehe Realismus, siehe erkenntnisstiftende Verfahren).

    Das erste habe ich nicht behauptet. Ich setze bloß beides nicht gleich und sehe es auch als Fehler, das zu tun.
    Trotzdem hat nicht die Weltanschauung Naturalismus an sich erkenntnistheoretische Implikationen (naturalistische Welten ohne Erkenntnismöglichkeiten sind kein Widerspruch in sich), sondern meine erkenntnistheoretischen Auffassungen haben Implikationen darauf, welche Weltanschauung ich für plausibler als andere halte. Natürlich tauschen wir dann erkenntnistheoretische Argumente, gerne und ja schon öfter und offensichtlich leider mal wieder aneinander vorbei; aber selbst eine nachgewiesene Widersprüchlichkeit in der Erkenntnistheorie wäre dann keine Widersprüchlichkeit in der Weltanschauung (siehe Überschrift), sondern eben nur eine Erschütterung der/einer Gedankenkette, die uns diese Weltanschauung als plausibel erscheinen ließe. Die Unterscheidung ist wichtig, weil natürlich auch Weltanschauungen selbst in sich widersprüchlich sein können.

    Soso — Dawkins und andere Genreduktionisten sind also keine wissenschaftlich Gebildeten? Das ist mal ein Wort!

    Du bist echt schnell dabei, jemanden anzugehen, wenn er Moses als Beispiel für göttliche Offenbarungsgeschichten bringt, dass er doch nicht so respektlos über Religion verallgemeinern sollte; aber offensichtlich genauso schnell mit den Dir eingeprägten Schlagworten. Bevor gleich Michael noch mit dem Ultradarwinisten und gleichzeitigem Mem-Häretiker kommt, zitier ich lieber selbst:

    We have the power to defy the selfish genes of our birth and, if necessary, the selfish memes of our indoctrination. We can even discuss ways of deliberately cultivating and nurturing pure, disinterested altruism — something that has no place in nature, something that has never existed before in the whole history of the world. We are built as gene machines and cultured as meme machines, but we have the power to turn against our creators.”
    (aus: The selfish gene)

    Genreduktionist, indeed. Es gibt sicher noch bessere Zitate, aber das hat mich gerade zwei Minuten gebraucht, es zu finden. Auch wenn es am poulären Dawkins-Bashing natürlich nichts ändern wird.

  52. @ Kamenin: am Thema vorbei

    Deinen Rückzieher kaufe ich dir nicht ab, dass du nun kritisches Überprüfen außerhalb der Naturwissenschaften zulässt, nachdem du uns erst weismachen wolltest, “Leben ist Experimentieren”. Dir steht es natürlich aber frei, deine Meinung zu ändern. Wenn es dir hier nicht um die naturwissenschaftliche Methode geht, sondern um einen (kritischen) Rationalismus, dann ist das zwar interessant, für diese Diskussion aber off-topic.

    Du brauchst keine Bücher zu wälzen, um herauszufinden, ob ich die Brights und Schmidt-Salomon erschöpfend widergebe oder nicht. Erstens, wie ich bereits sagte, geht es in meinem Beitrag nicht primär um deren Standpunkt, sondern um die Titelfrage. Sie kommen nur ins spiel, weil sie sich explizit zu einem Naturalismus bekennen. Es reicht ein Klick auf den von mir angegeben Link oder ein Blick auf die von mir zitierte Seite, um das zu überprüfen. Vielleicht vertreten sie einen schwächeren Naturalismus, dann werden sie von meinem Argument nicht so stark berührt. Ende. Da sie aber nicht erklären, was für einen Naturalismus sie vertreten, kann ich darüber nur spekulieren (siehe letzter Absatz meines Beitrags). Vielleicht ist das auch nur ein Marketing-Trick. Hört sich ja gut an, Natur mit einem -ismus zu verknüpfen. In den ganzen 54 Kommentaren hier hat dieses Problem niemand behoben. Da ich weder einer von den Gescheiten bin, noch Schmidt-Salomon, kann ich diesen Missstand nicht beheben; und ich habe nicht nur auf diese Seiten geguckt, sondern darüber hinaus recherchiert.

    Wenn es bei den Mutationsraten und beim Zufall nicht um Naturgesetzlichkeit geht, brauchen wir uns auch nicht länger darüber streiten.

    naturalistische Welten ohne Erkenntnismöglichkeiten sind kein Widerspruch in sich

    Sind sie eben wohl, weil ein Realismus und eine Verteidigung der naturwissenschaftlichen Methode zu einem erkenntnistheoretischen Optimismus verpflichten, der eine “Welt ohne Erkenntnismöglichkeiten” gerade ausschließt.

    Das kann ich einfach nicht ernst nehmen, was du schreibst, da du — genauso wie die Brights und Schmidt-Salomon — einfach so mit dem Wort “Naturalismus” um dich wirfst und uns hier noch nicht einmal verraten willst, was du damit überhaupt meinst.

    Ich gehe auch niemanden dafür an, dass “er Moses als Beispiel für göttliche Offenbarungsgeschichten bringt”, sondern dass er das als repräsentatives Beispiel für Religion darstellt; kann man sich nicht mal einen starken Gegner suchen, bevor man auf der Naivität der Gläubigen herumhackt? Das finde ich echt zu billig. Das passt aber ganz gut zu meiner Erfahrung, dass sich die meisten Gescheiten, denen ich bisher über den Weg gelaufen bin, noch nicht einmal ernsthaft mit der Gegenposition auseinandergesetzt haben, auf der sie herumhacken.

    Über Dawkins’ Genreduktionismus, der in einer ganzen akademischen Debatte problematisiert wurde und wird, werde ich mich mit dir jetzt nicht auch noch streiten.

  53. @ itz und Irrtümer

    Gemessen an meinem Standpunkt und meiner Bemühung, Ihren kritisch auf Zusammenhang und Bedeutung zu überprüfen, irren Sie sich, ja; aber auch ich kann mich in dieser Feststellung irren.

    Das mit dem “mit rechten Dingen zugehen” ist ein unterhaltsamer Marketing-Trick, mehr nicht. Das kann nur jemand schreiben, der um die Vorläufigkeit und Bescheidenheit, zu der uns unser heutiges, beschränktes und unvollständiges wissenschaftliches Wissen verpflichtet, nicht weiß.

    Ich hoffe, Sie haben wenigstens gut geschlafen.

  54. @ Kamenin: Genau!

    Lieber Sven,

    Du bist m.E. an dem Punkt, um den es mir geht: Viele “Naturalisten” nehmen implizit an, der naturwissenschaftliche Erkenntnisweg sei der “beste, überlegenste, erfolgreichste” – ohne sich dem Paradox zu stellen, dass der Evolutionsprozess selbst (“die Natur” selbst?) sich offenkundig (auch) entlang ganz anderer Erkenntnisprozesse organisiert. Das ist m.E. ein Argument für Stephans Position, auch die naturalistischen Axiome (die von manchen als Dogmen verehrt und verkündet werden) kritisch zu reflektieren. Wenn Ihr vorgebt, (nur) aus Naturprozessen zu lernen – was bedeutet dies dann? Kann es einfach nichts bedeuten, weil es nicht in die Dogmatik passt?

    Man kann es sich natürlich einfach machen, und dann in die Metaphysik gehen. Aber ich halte das nicht für nötig und forsche lieber empirisch weiter. Und hoffe aber immer noch darauf, engagierte Naturalisten zu finden, denen zu den Befunden Neues einfällt.

  55. @ Stepahn Schleim

    “Das passt aber ganz gut zu meiner Erfahrung, dass sich die meisten Gescheiten, denen ich bisher über den Weg gelaufen bin, noch nicht einmal ernsthaft mit der Gegenposition auseinandergesetzt haben, auf der sie herumhacken.”

    Vielen Dank, dass Du das mal gesagt hast. Meine Erfahrung ist genau dieselbe. Und das Dawkins-Buch ist die Spitze dieser Erfahrung. Genau hier liegt nämlich die Schwäche der Brights-Propaganda: Sie unterstellen allen Nicht-Naturalisten, dass sie an einen Gott mit langem Bart glauben oder an Elfen und Geister. Damit beeindrucken sie vielleicht in einer Talkshow, aber argumentativ schwächen sie ihre eigene Position.

  56. @ Schleim:

    Tja, man könnte “Leben ist Experimentieren” natürlich auch so lesen, dass das Überprüfen von Behauptungen (die Wortbedeutung von Experimentieren) damit eben nicht auf die Naturwissenschaft beschränkt ist, sondern eben Teil jeder Lebenswelt, der nur auch und und in besonders exemplarischer Weise die Methode der Naturwissenschaft ausmacht. Aber ich wiederhole mich und ich könnte da jetzt auch ein dutzend Zitate aus meinem vorherigen Kommentaren vorbringen, um zu zeigen, was für ein Rückzieher da angeblich vorliegen soll, aber die stehen ja eh schon hier und wenn Du sie bisher nicht so lesen willst, wirst Du es dann wohl auch nicht wollen.
    Du kannst das auch gerne kritischen Rationalismus nennen, aber es ist mühselig, darüber zu spekulieren, wie sich das von der Methode der Naturwissenschaften unterscheidet, solange Du es vermeidest, mit Inhalt zu füllen, was Du eigentlich mit der exklusiv-naturwissenschaftlichen Methode meinst und welche darüber hinausgehenden Überprüfungsmöglichkeiten Du aufgrund welcher Kriterien zulässt. Solange Dir solche Fragen zu habilitativ sind, kann ich immer nur raten, gegen was Du eigentlich argumentierst. Das ist insofern zentral, weil ohne diese Begriffserklärung Deine ursprünglichen Thesen über Erkenntnisgewinn “nur in der Naturwissenschaft” frei interpretierbar sind.

    Vielleicht vertreten sie einen schwächeren Naturalismus, dann werden sie von meinem Argument nicht so stark berührt.

    Bisher hast Du nicht gezeigt, dass irgendein Naturalist die von Dir behauptete Naturalismus-Definition vertritt, geschweige denn, wie ein Naturalismus, der Deine Thesen nicht beinhaltet, überhaupt von Deinem Argument berührt wird.

    Sind sie eben wohl, weil ein Realismus und eine Verteidigung der naturwissenschaftlichen Methode zu einem erkenntnistheoretischen Optimismus verpflichten, der eine “Welt ohne Erkenntnismöglichkeiten” gerade ausschließt.

    Du verstehst es genau von hinten herum. Erkenntnistheoretisch kann ich zu einem Realismus kommen und von da aus zu einem Naturalismus. Naturalismus führt nicht zwangsweise zu einem Realismus und von da aus zu erkenntnistheoretischem Optimismus.
    Eine Welt, die nur aus einem Stein und ein bisschen Raum drumherum besteht, kann vollkommen naturalistisch sein, aber weder ein Realismus noch eine Erkenntnistheorie spielen sich in der ab. Ebenso kann ich überzeugter Naturalist sein und gleichzeitig die These vertreten, dass die Menschheit keinen Weg hat, die tatsächlichen Zusammenhänge der Welt auch nur zu erahnen.
    Du verwechselst einfach die Methoden des Erkenntnisgewinns mit der Weltanschauung, die Du kritisieren willst.

    Das kann ich einfach nicht ernst nehmen, was du schreibst, da du — genauso wie die Brights und Schmidt-Salomon — einfach so mit dem Wort “Naturalismus” um dich wirfst und uns hier noch nicht einmal verraten willst, was du damit überhaupt meinst.

    Steht schon im ersten Kommentar als Skizze (ist ja keine Habitiliationsschrift, aber dann lies wenigstens Vollmer) — wogegen Du Gottesregeln brachtest, wovon Du dann nicht bestimmen konntest, welchen Inhalt der Begriff eigentlich haben könnte, aber alles, was ohne Inhalt nicht ausschließbar ist, ist wohl als Argument gegen den Naturalismus noch gut genug.

    kann man sich nicht mal einen starken Gegner suchen, bevor man auf der Naivität der Gläubigen herumhackt?

    Die Naivität der Gläubigen war hier gar kein Thema, sondern die Gegenüberstellung überprüfender Erkenntnismethoden und offenbarter. Ich habe nichts gegen starke Gegner, aber die Rolle von Offenbarung in der Geschichte von religiösen Behauptungen bis zum heutigen Tag als “nicht repräsentativ” herunterzuspielen, wäre abenteuerlich. Im Gegensatz zu Deiner Beschäftigung mit Naturalisten, wo Du sogar eine besonders schwache Argumentation selbst konstruierst, dürfen wir Religion also nur als idealisierte intellektuelle Erkenntnissuche behandeln, die Du bisher auch nicht mit Inhalt gefüllt hast (Kriterien, Überprüfbarkeit, Beispiele…)?

    Das passt aber ganz gut zu meiner Erfahrung, dass sich die meisten Gescheiten, denen ich bisher über den Weg gelaufen bin, noch nicht einmal ernsthaft mit der Gegenposition auseinandergesetzt haben, auf der sie herumhacken.

    Was wir natürlich nie tun würden… Mal daran gedacht, bei den so bespotteten Brights oder anderen Naturalisten nachzufragen, bevor Du Dir selbst was zum widerlegen zurechtgelegt hast? Dann hätte wenigsten der Adressat der Kritik besser gestimmt.

  57. @ Knauß: Strohmann

    Ja, ich zitiere hier mal die ganze Stelle aus Schmidt-Salomons Buch:

    Evolutionäre Humanisten vertreten ein dezidiert naturalistisches Weltbild. Das heißt: Sie gehen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Forschung von einem Bild des Kosmos aus, in dem “alles mit rechten Dingen zugeht”, in dem es keine metaphysischen Fabelwese (Götter, Dämonen, Hexen oder Kobolde) gibt, die auf supranaturalistische [sic!] (übernatürliche) Weise (“Wunder”) in das Weltgeschene eingreifen können. (S. 55)

    Das verstehe ich so, entweder ist man Naturalist vom Schlage Schmidt-Salomons (ohne dass er uns verraten würde, was das genau heißt), oder man vertritt ein Märchen-Weltbild. Daher fühle ich mich auch als Agnostiker weder von ihm, noch von den Brights angemessen vertreten. Ich erinnere mich noch an ein Interview mit einer ganz Gescheiten, in der sie meinte, die Brights würden auch für Agnostiker sprechen. Das kann ich nicht nachvollziehen.

    Wie ich am Ende meines Beitrags schrieb, halte ich das für eine Pseudo-Aufklärung, die uns gerade noch gefehlt hat. Dadurch wird eine unüberwindbare Kluft zwischen Wissenschaft und Religion konstruiert, die gerade nicht zur Aufklärung führt, sondern in den Glaubenskrieg. Dass selbst viele Wissenschaftler religiös sind und dennoch nicht an Hexen und Kobolde glauben, straft diese Position Lügen.

  58. Das Urteil

    Guten Morgen – Danke der Nachfrage

    Geht es überall in der Welt mit rechten Dingen zu?
    Nicht nur die Überschrift lesen! Zitat:
    „Natürlich hat auch der Naturalist Überzeugungen, Gewissheiten, Evidenzen; aber er ist sich eben auch
    ihres fehlbaren Charakters bewusst.“

    „Erstens, wie ich bereits sagte, geht es in meinem Beitrag nicht primär um deren Standpunkt, sondern um die Titelfrage. (…) In den ganzen 54 Kommentaren hier hat dieses Problem niemand behoben.“

    Vielleicht weil es darauf überhaupt nicht ankommt. Es reicht ja wenn der naturwissenschaftliche Erkenntnisweg der „beste, überlegenste, und erfolgreichste“ ist.
    Der ehrenwerte Richter John E. Jones III bringt es im im Fall Kitzmiller v. Dover Area School District auf den Punkt: (…), science has been a discipline in which testability, rather than any ecclesiastical authority or PHILOSOPHICAL COHERENCE, has been the measure of a scientific idea’s worth.”

    Und wenn Sie eines fernen Tages ALLEIN durch Intuition oder durch kritisch-rationales Überprüfen etwas Verlässliches über das Higgs-Teilchen oder ein neues Grippe-Medikament aussagen können, könnten wir uns teure Teilchenbeschleuniger und aufwendige medizinische Studien sparen.

    Auch guten Morgen @Michael Blume
    Ich sehe keinen Widerspruch zu den „Erkenntnisprozessen“ der Evolution: Was am besten und am erfolgreichsten funktioniert wird benutzt. Außerdem ist der „Erkenntnisprozess“ der Evolution auch nicht gerade besonders zuverlässig und vertrauenswürdig. Immerhin ist Aussterben die Regel und Überleben die Ausnahme.

  59. @ Blume

    …ohne sich dem Paradox zu stellen, dass der Evolutionsprozess selbst (“die Natur” selbst?) sich offenkundig (auch) entlang ganz anderer Erkenntnisprozesse organisiert.

    Das Paradox liegt darin, dass Du wieder die individuelle Ebene mit der biologischen und verschiedene Bedeutungen des Wortes Erkenntnis miteinander vermischst. Ein Pfauenschwanz, obwohl evolutionär entstanden, ist weder ein Erkenntnisgewinn des Pfaus noch der Natur. Der Pfau, der über seinen eigenen Schwanz reflektiert, könnte vielleicht so etwas wie Erkenntnis erlangen.
    Die Natur bevorzugt keine Erkenntnis, sondern Fortpflanzung und Überleben. Wenn domestizierte Schafe besser überleben, wenn sie weniger Energie für ein großes Gehirn verbrauchen, ist das genau das, was wir in der Natur beobachten, unabhängig davon, dass das Schaf selbst eher zu weniger Erkenntnis fähig ist. Es ist darum ein Mythos, dass die Natur im Phänotyp erkenntnisfördernde Entwicklungen bevorzugen würde.

    Wir lernen auch nicht aus der Natur, sondern über die Natur. Zu einem guten Teil, um die Natur zu überwinden, wie Dir ein Blick auf Deine Umgebung sicher schnell beweisen wird.

  60. @ Schleim: Götter, Hexen ODER Kobolde

    Wolltest Du gerade wirklich die Annahme eines Gottes, der auf übernatürliche Weise in die Welt eingreifen kann, ein “Märchen-Weltbild” nennen? Dann wüsste ich wirklich gerne, über welchen religiösen Glauben wir hier eigentlich reden.

  61. Ich tippe mal, dass Natur bzw. die Evolution Erkenntnisfähigkeit fördert, da diese zum Überleben beitragen kann. Je besser die Erkenntnisfähigkeit umso besser das Modell der Umgebung, umso besser die Prognose der Zukunft und das darauf ausgerichtete Verhalten. Modelle der Umgebung können analytisch (ein Schwerpunkt der Wissenschaft) verbessert werden aber auch empirisch/evolutionär. Empirisch/evolutionär kann besser funktionieren als Analyse wenn nur wenig über komplexe Zusammenhänge bekannt ist, beinhaltet aber auch das Risiko krasser Irrtümer. Die Religion kann dazu beitragen Modelle zu begründen und durchzusetzen, die praktisch funktionieren und damit erfolgreich sind.

  62. Naturalismus

    Sehr schöner Text, den itz da verlinkt hat. Nach raschem Lesen könnte ich ziemlich jedem Wort zustimmen. Falls Sie sich auch die Zeit nehmen wollen, Herr Schleim, diesen Aufsatz anzusehen, würde mich Ihre Kritik interessieren. Haben Sie gegen den von Gerhard Vollmer vertretenen Naturalismus auch Bedenken? Wenn wir uns auf diesen Quelltext beziehen, können wir vielleicht das konfrontative Gescheite versus Mosaisten-Schema überwinden.

  63. @all: back to the texts

    Ich schließe mich dem Standpunkt von Jürgen Bolt an – obwohl ich viel Richtiges an den Kommentaren von kamenin finde.

  64. @ Kamenin: Kein Naturalismus

    Was ist Naturalismus?

    Du hast uns in deinem ersten Beitrag also eine “Skizze” dafür geliefert, was du als “Hardcore-Naturalist” unter Naturalismus verstehst? Okay, schauen wir mal nach:

    Das stört doch den Naturalismus nicht, der nur besagt, dass die Welt nach Regeln abläuft und diese Regeln nicht gebrochen werden. (Kamenin, 16.09., 20:17 Uhr)

    Dass die Welt nach Regeln abläuft ist also Naturalismus, tatsächlich sogar ist deiner Aussage nach nur das Naturalismus.

    – In einer Welt, in der es gar keine Natur gibt, beispielsweise in einer mentalistischen Welt, die sich aber regelhaft vollzieht, gilt also der Naturalismus.

    – In einer Welt, in welcher mindestens einmal der Fortlauf eines indeterminierten Ereignisses durch eine Seelenkraft beeinflusst wird (Bsp. von Uwe Meixner), gilt also auch der Naturalismus.

    – Auch Märchen kann man so schreiben, dass sich die Vorgänge in ihr regelhaft vollziehen (jedes Mal, wenn die Sonne aufgeht, verschwinden die Kobolde in den Wald; Vampire werden von Sonnenstrahlen getötet). Hier gilt also auch der Naturalismus.

    Ich habe dich nur beim Wort genommen und siehe da, jede Menge Positionen sind kompatibel mit deinem “Naturalismus”, widersprechen aber wenigstens zwei der zentralen Annahmen des Naturalismus, die ich schon in meinem Artikel beschrieben habe (Physikalismus und Realismus).

    Ich denke auch, dein “Naturalismus” ist schon nicht mit Schmidt-Salomons Verständnis von “Naturalismus” vereinbar.

    Zwischenergebnis: Bei deinem “Naturalismus” ist überhaupt nicht klar, inwiefern die Natur von Bedeutung ist, der Zugang zu ihr (üblicherweise im N.: naturwissenschaftliche Methode), inwiefern Realismus und Physikalismus eine Rolle spielen.

    Was bedeutet Experimentieren?

    Das erklärst du uns auch: das Überprüfen von Behauptungen (die Wortbedeutung von Experimentieren) (Kamenin, 18.09., 10:43 Uhr)

    Schauen wir mal in die Wörterbücher, um zu schauen, ob das stimmt. Experimentieren bedeutet, ein Experiment durchzuführen; und was ist ein “Experiment”?

    Wahrig Fremdwörterlexikon: 1. wissenschaftl. Versuch 2. (gewagtes) Unternehmen.

    New Oxford American Dictionary: a scientific procedure undertaken to make a discovery, test a hypothesis, or demonstrate a known fact.

    Zwischenergebnis: Was deiner Behauptung nach Experimentieren bedeutet, ist nicht mit dem vereinbar, was in meinen Wörterbüchern steht. (Deiner Behauptung nach habe ich mit dem Nachschlagen eben gerade ein Experiment durchgeführt, was ich für groben Unsinn halte.)

    Worum geht es in diesem Beitrag?

    Bisher hast Du nicht gezeigt, dass irgendein Naturalist die von Dir behauptete Naturalismus-Definition vertritt, geschweige denn, wie ein Naturalismus, der Deine Thesen nicht beinhaltet, überhaupt von Deinem Argument berührt wird. (Kamenin, 18.09., 10:43)

    Du missverstehst nach wie vor, worum es in diesem Artikel geht, dabei steht es schon in der Überschrift: ein Gedankenexperiment darüber durchzuführen, ob Naturalismus widerspruchsfrei vertreten werden kann. Welcher Naturalismus? Das habe ich in meinem Artikel klipp und klar gemacht, ein Naturalismus, der (1) und (2) annimmt. Das muss ein Naturalismus nicht annehmen und mein Argument bezieht sich nur gegen einen Naturalismus, der es dennoch macht, den ich “starken Naturalismus” genannt habe. Wenn ein Naturalismus diese Annahmen nicht trifft, ist er auch von meinem Argument nicht unmittelbar berührt.

    Du willst jetzt, dass ich Beispiele dafür anführe, dass Menschen einen “starken Naturalismus” vertreten. Das ist nicht Thema dieses Artikels. Davon abgesehen ist das nicht so einfach, da viele, wie ich hier schon mehrfach erwähnt habe, einfach nur einen Naturalismus vertreten, ohne zu präzisieren, was sie damit meinen. Dann ist es natürlich ein leichtes, wenn man einem Naturalismus einen Widerspruch nachweist, zu sagen: Das ist gar nicht mein Naturalismus.

    Das ändert nichts an meinem Unterfangen, an meinem Gedankenexperiment, in dem alles klar ausformuliert ist.

    Zwischenergebnis: Dein Versuch, die Debatte zu personalisieren, geht am Thema dieses Artikels vorbei.

    Über das Verhältnis von Naturalismus zur Erkenntnistheorie

    Du verstehst es genau von hinten herum. Erkenntnistheoretisch kann ich zu einem Realismus kommen und von da aus zu einem Naturalismus. Naturalismus führt nicht zwangsweise zu einem Realismus und von da aus zu erkenntnistheoretischem Optimismus. (Kamenin, 18.09., 10:43 Uhr)

    Es interessiert mich gar nicht, auf welchem psychologischen Weg man zu etwas kommt, sondern was eine Position bedeutet und was das beinhaltet, wenn man sie annimmt.

    Eine Welt, die nur aus einem Stein und ein bisschen Raum drumherum besteht, kann vollkommen naturalistisch sein, aber weder ein Realismus noch eine Erkenntnistheorie spielen sich in der ab. (ebenda)

    Realismus und Naturalismus sind abstrakte Vorstellungen und nichts, was sich in einer Welt “abspielt”; wenn du hingegen annimmst, das “abspielen” dieser abstrakten Ansichten hänge davon ab, dass es in dieser Welt Erkenntnissubjekte gibt, dann gerät das mit dem Realismus in Konflikt.

    Ebenso kann ich überzeugter Naturalist sein und gleichzeitig die These vertreten, dass die Menschheit keinen Weg hat, die tatsächlichen Zusammenhänge der Welt auch nur zu erahnen. (ebenda)

    Mich interessiert nicht, zu welchen psychischen Tricks du in der Lage bist, sondern ob es widerspruchsfrei ist, Naturalismus und einen erkenntnistheoretischen Pessimismus anzunehmen, was du hier andeutest. Da ein Naturalismus aber meistens nicht nur den Realismus beinhaltet, sondern auch als erkenntnisstiftende Verfahren die Methode der Naturwissenschaft annimmt, bedeutet das einen erkenntnistheoretischen Optimismus, der einen erkenntnistheoretischen Pessimismus ausschließt. Hier lauert also ein weiterer Widerspruch.

    Zwischenergebnis: Deine Versuche, die Debatte zu psychologisieren, führen nicht nur am Thema vorbei, sondern in Widersprüche.

    Fazit

    Bei dir herrschen extreme Idiosynkrasien des Sprachgebrauchs, du definierst und verwendest Wörter anders, als sie gemeinhin definiert und verwendet werden, du versuchst, vom Thema abzuweichen, indem du die Diskussion personalisierst und psychologisierst und verrenst dich dabei wahrscheinlich auch noch in Widersprüche.

    Bitte habe Verständnis dafür, Kamenin, dass ich unter diesen Umständen nicht die Zeit dafür habe, weiter mit dir zu diskutieren. Eine sinnvolle Diskussion halte angesichts solcher Definizite auch für unmöglich.

  65. @ itz: Standpunkte und Kohärenz

    Wenn jemand sich ein groß klingendes Label an die Brust heftet (“Naturalismus”) und nicht bereit ist, zu präzisieren, was er damit meint, dann finde ich das bedauerlich und ist es einer Diskussion nicht wert; ebenso könnte ich über den Käfer in meiner Box diskutieren, den niemand sonst kennt und den ich niemandem sonst zeige. Wenn es Ihrer Meinung nach nicht darauf ankommt, zu erklären, was man meint, kann ich das nicht ändern, aber brauche ich Ihre Beiträge auch nicht ernst zu nehmen.

    Wenn wissenschaftliche Erkenntnis nicht einmal dem schwächeren Kriterium der Kohärenz gerecht werden muss (geschweige denn Konsistenz), wie es Ihr Richter behauptet, dann finde ich das auch bedauerlich; es hat dann sogar Implikationen für einen Naturalismus, sofern er den Physikalismus annimmt; denn wenn etwas nicht kohärent mit etwas anderem ist, dann sehe ich nicht, wie beides auf die Physik reduziert werden könnte.

    Es kümmert mich auch herzlich wenig, was jemand über Higgs-Teilchen annimmt und herausfindet. Auf meiner lebens- und handlungsrelevanten Ebene sind Higgs-Teilchen überhaupt nicht relevant. Wenn man aber in einem Milliardenprojekt u.a. mit meinen Steuergeldern eine Maschine baut, um Higgs-Teilchen experimentell nachzuweisen, und diese Maschine dann beim Anschalten kaputt geht, mal davon abgesehen, dass mir der gesellschaftliche Nutzen dieses Experiments überhaupt nicht einleuchtet, dann ist das in meinen Augen ein riesiger Skandal und spricht außerdem dafür, dass wissenschaftliche Gelder nicht demokratisch vergeben werden.

  66. @Stephan Schleim: no way

    “Bitte habe Verständnis dafür, Kamenin, dass ich unter diesen Umständen nicht die Zeit dafür habe, weiter mit dir zu diskutieren. Eine sinnvolle Diskussion halte angesichts solcher Definizite auch für unmöglich.”

    Das kann so nicht stehen bleiben.

    Wer hier blogt, muß damit rechnen, daß die Leute anderer Meinung sind. Vielleicht sind nicht immer gute Gründe dafür verfügbar, aber solche Anstrengungen sind nun mal der Preis einer Diskussion. Man kann versuchen, Diskussionen geeignet zu moderieren, aber bloggern zu erzählen, daß eine sinnvolle Diskussion mit ihnen nicht möglch sei, ist eine Sache, die nicht in dieses Forum gehört.

  67. @ Diederichs: any way

    Es geht hier nicht darum, dass ich jemandem seine Meinung verbiete; ich verbiete auch niemandem, seine Meinung hier zu äußern. Ganz im Gegenteil: Das ist ein offenes Forum und jeder kann, im Rahmen der in der BRD geltenden Gesetze, hier seine Meinung äußern und solange mir keine Gesetzesverstöße zur Kenntnis kommen, werde ich auch nicht eingreifen.

    Meine Zeit ist aber auch begrenzt. Ich habe ausführlich begründet, warum ich eine Diskussion mit Kamenin über das Thema dieses Beitrags für sinnlos halte. Das hindert niemanden daran, weiter mit ihm zu diskutieren.

    Mir macht diskutieren Spaß aber mir ist die Zeit zu schade, mit jemandem zu diskutieren, der seine Sprache wie Humpty Dumpty verwendet.

  68. @ kamenin: Übernatur

    Lieber Sven,

    weiter oben hast Du geschrieben, dass es kein eigenständiges (übernatürliches?) Ich gebe, sondern dass alles ins Naturgeschehen eingebunden sei. Auf der gleichen Grundlage leugnet ja MSS auch den freien Willen. Nun erklärst Du uns aber, “wir” (die Menschen, die Brights?) erlangten Wissen “über die Natur” um “die Natur zu überwinden”.

    Das hat ja auch schon Dawkins so formuliert – und es formuliert einen Dualismus: Aus der Natur treten also “wir” heraus, um “sie” zu überwinden, aha. Und dieser Dualismus soll dann noch Naturalismus sein? (In der Geistes- und Religionsgeschichte hat man entsprechende Fluchtversuche aus der Natur immer wieder als “Gnosis” realisiert.) Es wird schon deutlich, dass Stephan hier echte Widersprüche im naturalistischen Gebäude aufgezeigt hat.

  69. @ Schleim: Abschluss

    Es stände Dir wahrscheinlich besser an, meinen Sprachgebrauch zu kritisieren, wenn Du Deinen offen reflektieren würdest. Allein im Originalbeitrag “naturwissenschaftlich”, “religiös”, “erkenntnisstiftend”, “intuitiv überprüfbar” — all das wird so behandelt, als würde jeder verstehen, was damit gemeint ist. Aber scheinbar hast Du sehr spezielle Ansichten darüber, was die exklusive “Methode der Naturwissenschaften” ist, welche Teile von Religion überhaupt in Diskussionen redlicherweise als Religion bezeichnet werden sollten und was Kriterien für Erkenntnisstiftung sein könnten. Wenn es also ein Defizit ist, dass ich meinen Sprachgebrauch hier ausformuliere und für Bedeutungsverbindungen jenseits des Alltagsgebrauchs argumentiere, dann bekenne ich mich da gerne schuldig.

    Also zum Abschluss nur zur Erhellung, was denn Naturalismus ist:

    In einer Welt, in der es gar keine Natur gibt, beispielsweise in einer mentalistischen Welt, die sich aber regelhaft vollzieht, gilt also der Naturalismus.”

    Natürlich. Auch wenn ich nicht verstehe, was an einer regelhaften mentalistischen Welt keine Natur sein soll. Naturalismus ist doch nicht Materialismus mit der Materievorstellung des 15. Jahrhunderts.

    In einer Welt, in welcher mindestens einmal der Fortlauf eines indeterminierten Ereignisses durch eine Seelenkraft beeinflusst wird (Bsp. von Uwe Meixner), gilt also auch der Naturalismus.

    Wenn die “Seelenkraft” nicht Teil der Natur ist, wohl kaum. Einen einmaligen Eingriff nachzuweisen, wäre wohl die Schwierigkeit, aber darum ist Naturalismus ja auch eine Weltanschauung.

    Auch Märchen kann man so schreiben, dass sich die Vorgänge in ihr regelhaft vollziehen (jedes Mal, wenn die Sonne aufgeht, verschwinden die Kobolde in den Wald; Vampire werden von Sonnenstrahlen getötet). Hier gilt also auch der Naturalismus.

    Kobolde, Vampire, und Einhörner sind alle prinzipiell naturalistisch denkbar. Das unterscheidet sie von erkenntnisstiftenden Verfahren ohne Überprüfungskriterien. Das ändert auch nichts daran, dass wir in der realen Welt vergeblich nach allen vier Dingen suchen oder Phantasiegestalten Eigenschaften zuschreiben können, die kaum mit unserer (so denn) naturalistischen Welt verträglich sind.

    Realismus und Naturalismus sind abstrakte Vorstellungen und nichts, was sich in einer Welt “abspielt”; wenn du hingegen annimmst, das “abspielen” dieser abstrakten Ansichten hänge davon ab, dass es in dieser Welt Erkenntnissubjekte gibt, dann gerät das mit dem Realismus in Konflikt.

    Uh, nein: das Haben von Vorstellungen spielt sich in dieser Welt ab und ob Vorstellungen jenseits ihres Gehabt-Werdens Realität besitzen, kannst Du mit einem Platoniker diskutieren; ich denke das nicht. Darum würde es nicht mal mit Realismus in Konflikt geraten, wenn in einer Welt ohne Vorstellungs-Agenten keine Vorstellungen existieren. Die in einer Vorstellungs-Welt vorstellbaren und hier dann nicht entdeckten Zusammenhänge würde weiter existieren, aber die willst Du doch nicht mit der Vorstellung oder dem Wissen darüber gleichsetzen.

    Da ein Naturalismus aber meistens nicht nur den Realismus beinhaltet, sondern auch als erkenntnisstiftende Verfahren die Methode der Naturwissenschaft annimmt, bedeutet das einen erkenntnistheoretischen Optimismus, der einen erkenntnistheoretischen Pessimismus ausschließt. Hier lauert also ein weiterer Widerspruch.

    Warum Naturalisten meistens Realisten sind, habe ich versucht darzustellen, aber das war wohl eine unerwünschte “Psychologisierung”. Aber dazu: weil etwas meistens mit einem anderen einhergeht, darum ist es mit dem Gegenteil nicht denkbar und somit ein Widerspruch? Das willst Du doch nicht ernsthaft als logische Schlussweise vorstellen.

    Na, bleib locker. Such Dir einen stärkeren Argumentationsgegner, wenn ich Dir zu schwach bin, aber konstruier den bitte nicht mehr selbst.

  70. @ Schleim: p.s. vergessen

    Der Duden schreibt übrigens: [lat. experimentum = Versuch, Probe; Erfahrung, zu: experiri = versuchen, erproben]

    Nur zu meinem “Wortbedeutung von Experiment”

  71. @ Blume

    Klar ist das ein Dualismus. Weil Natur natürlich auch verschiedene Bedeutungen in verschiedenen Zusammenhängen hat. Z.B. in den Dualismen Natur-Kultur, Natur-Zivilisation, Natur/Außenwelt-Person. Diese Dualismen ist zwar im Naturalismus nur ein scheinbarer (“alles ist Natur”), aber dann müssten wir für die anderen Bedeutungen von Natur eben andere Wörter finden, die wir nicht haben. Solange kommt es halt immer zu Unklarheiten.

    Aber nur weil wir Teil einer Übernatur sind, heißt dass nicht, dass wir nicht (natürlich entstandene und wirkende) Absichten und Ziele haben, die wir nicht mit angeblichen Absichten und Zielen der Übernatur verwechseln sollten. Z.B. wenn es um den Wert von Menschenleben geht. Ist der Natur an sich vermutlich ziemlich egal und für die Gene nur funktional interessant.

    Heute bezeichnet man die Abkehr von Natur und Realität wohl auch nicht mehr als Gnosis, sondern als Internet 🙂

  72. Wahrscheinlich…

    …bin ich jetzt für einige wieder der altmodische Liberalala, aber ich wollte doch einfach um einen persönlich fairen Umgang der Diskutanten miteinander bitten… Warum soll es denn nicht möglich sein, unterschiedliche Ansichten und auch Weltanschauungen zu haben und zu diskutieren, sich aber menschlich zu respektieren? Ich kann nur sagen, dass ich sowohl mit @kamenin wie mit @stephan schon intensiv gestritten habe, ohne dass es so persönlich werden musste. Und ich möchte anmerken, dass Ihr beide auch fachlich unterschiedliche Hintergründe habt, was unterschiedliche Begriffsverwendungen mit sich bringen kann.

    Vielleicht tut eine kurze Pause vor dem nächsten Kommentar allen Beteiligten gut.

    Mit freundlichen Grüßen

    Michael

  73. The Genetic Fallacy

    “The Genetic Fallacy is the most general fallacy of irrelevancy involving the origins or history of an idea. It is fallacious to either endorse or condemn an idea based on its past—rather than on its present—merits or demerits, unless its past in some way affects its present value.”

    fallacyfiles.org

  74. @ adonesine: ja, aber

    Ich tippe mal, dass Natur bzw. die Evolution Erkenntnisfähigkeit fördert, da diese zum Überleben beitragen kann.

    Wo sie das tut, setzt sie sich ja auch durch. Es gibt bloß keine Gerichtetheit der Evolution, sondern nur Anpassung. Wenn Erkenntnisfähigkeit nicht überlebensfördernd ist, sondern nur Energie über ein überproportioniertes Gehirn verbraucht, ist das eben ein Nachteil, kein Vorteil. Z.B. domestizierte Schafe oder die Seegurke, die früh ihr Gehirn abwirft, weil sie den Rest ihres Lebens am Fels klebt und nur noch Wasser nach Nahrung filtert.

    Nebenbei befördert die Evolution aber auch alles mögliche, was weder erkenntnisfördernd, noch -senkend ist. Per sexueller Selektion tauchen die albernsten Sachen im Tierreich auf 🙂

  75. @ Blume

    Danke für deinen Aufruf. Ich finde aber überhaupt nicht, dass es persönlich geworden ist. Ich finde nach wie vor, dass kamenin einen interessanten Blog schreibt und lese hin und wieder gerne seine Beiträge, die ich regelmäßig unterhaltsam finde.

    Aus den genannten, nicht persönlichen, sondern inhaltlichen Gründen halte ich eine akademische Diskussion zum Thema Naturalismus mit ihm aber für sinnlos. Wer wirklich meint, Naturalismus bedeute, dass alles Regeln folgt, und dabei auch noch belehrend auftritt, der ist für mich einfach der falsche Diskussionspartner.

  76. @ kamenin: Ja! 🙂

    Lieber Sven,

    nun haben sich mein (ggf. nervender) Habt-Euch-doch-alle-lieb-Post und Deine nette Antwort überschnitten. Gerne gehe ich also auf Deinen Kommentar ein:

    Klar ist das ein Dualismus. Weil Natur natürlich auch verschiedene Bedeutungen in verschiedenen Zusammenhängen hat. Z.B. in den Dualismen Natur-Kultur, Natur-Zivilisation, Natur/Außenwelt-Person. Diese Dualismen ist zwar im Naturalismus nur ein scheinbarer (“alles ist Natur”), aber dann müssten wir für die anderen Bedeutungen von Natur eben andere Wörter finden, die wir nicht haben. Solange kommt es halt immer zu Unklarheiten.

    Wenn auch nicht mit dem Dualismus, so bin ich mit Deiner Formulierung hier völlig einverstanden! Natur ist dann eben nicht mehr einfach nur ein reduktionistischer, sondern ein “nach oben offener” (Emergenz-offener?) Begriff, der Betrachtungen z.B. zu Kultur, Personalität, Religiosität etc. nicht ausschließt. Und dann können Leute auch ganz unterschiedlicher Weltanschauung zusammenwirken, um die von Dir sehr schön als “Unklarheiten” bezeichneten Fragen gemeinsam und erkenntnisoffen zu bearbeiten. Genau so macht m.E. Wissenschaft dann Freude und Sinn!

    Aber nur weil wir Teil einer Übernatur sind, heißt dass nicht, dass wir nicht (natürlich entstandene und wirkende) Absichten und Ziele haben, die wir nicht mit angeblichen Absichten und Zielen der Übernatur verwechseln sollten. Z.B. wenn es um den Wert von Menschenleben geht. Ist der Natur an sich vermutlich ziemlich egal und für die Gene nur funktional interessant.

    Meine Gene und ich, mein Gehirn und ich, meine Menschenwürde und ich, die Natur und ich – woher stammt das Ich? Es ist m.E. ehrlich klasse, dass Du hier einräumst, dass Deine Weltanschauung “uns” (den Menschen? den Brights?) eine “Übernatur” einräumt. Das ist dann tatsächlich nicht die Form des Naturalismus, die @Stephan kritisiert hat.

    Heute bezeichnet man die Abkehr von Natur und Realität wohl auch nicht mehr als Gnosis, sondern als Internet 🙂

    Ja, da liegst Du (scherzhaft und tatsächlich!) sicher richtig! Das Internet erlaubt viel mehr “entkörperlichte” Begegnungen und dürfte durchaus auch Rückwirkungen auf unsere Erfahrungen und Interpretationen von Kultur haben. Solange uns die Technik aber nicht Fortpflanzung und Aufzug der Kinder abnimmt (was ja z.B. die Raelianer versprechen), wird die Evolution (Natur!) sich um Fragen der “Übernatur” kaum scheren…

    Wie Du siehst, sind das also Themen, bei denen ich keine Antworten parat habe, sondern ebenfalls echte Fragen. Und deswegen, wie in meinem Beitrag geschrieben, dankbar bin, wenn sich Leute unterschiedlich damit auseinander setzen. Möglichst in gegenseitigem Respekt.

  77. @ Stephan: Scho…

    Lieber Stephan,

    danke für den Kommentar. Mich hat @kamenin mit seinem eigenwilligen Sprachgebrauch mit heftigen Anleihen beim physikalischen Reduktionismus auch schon zur Weißglut gebracht. Ich nehme allerdings an, dass ihm dies mit mir und meiner religionswissenschaftlichen Begrifflichkeit auch oft so ging – und über Vorurteile gegen Philosophen braucht Dir sicher niemand was zu erzählen.

    Für mich kann ich aber nur sagen, dass diese mühsamen Diskussionen mir (oft erst Wochen später) dann auch doch viel gebracht haben. Um mal ganz pragmatisch zu argumentieren: Wenn wir alle uns doch einig sind, dass sich erkenntnisoffene Wissenschaft nicht dogmatisch abschließen darf, dann ist die Vielfalt der Perspektiven vielleicht anstrengend, aber unverzichtbar. Und dann ist der Diskussionspartner immer auch auch Chance. Ich habe von den Debatten mit @kamenin und Dir viel profitiert, gerade auch was das Durchdenken von Begriffen angeht – gerade “weil” wir fachlich und weltanschaulich je unterschiedliche Hintergründe haben.

    Wir alle stehen bewusst und unbewusst in Wissenschaftstraditionen, die uns prägen und die sich seit langem auseinander entwickelt haben. Dialog (gerne auch inhaltlicher Streit) sind da m.E. ebenso notwendig wie anstrengend. Und ich bin jedem dankbar, der sich das z.B. mit mir antut! 🙂

  78. @ Blume: fruchtbarer Streit

    Ich sehe das ganz ähnlich und finde auch, dass man durch Streitgespräche mehr lernen kann, als wenn alle einer Meinung sind.

    Ich bin aber so viel Rationalist, dass ich der Meinung bin, über einen dualistischen Naturalismus, über einen reduktionistischen Emergenz-Physikalismus oder darüber, ob Mittwoch Freitag ist, kann man noch nicht einmal streiten.

    Aus diesem Grund kann man sich mit Humpty Dumpty auch nicht verabreden, weil er (oder es?) fundamentale Sprachregeln nicht anerkennt. Du weißt nie, wann Humpty Dumpty dich besuchen wird und er wird dennoch behaupten, er sei im Recht.

  79. Buchtipp: Forschung

    Im ´Bild der wissenschaft 10/09´ wird auf Seite 86 das neue Buch von Lee Smolin ´Die Zukunft der Physik´ besprochen.
    Unter anderem weist er in seinem Buch darauf hin, dass z.B. durch ´Peer Review´ und der Machtposition einiger Wissenschaftler als Ergebnis ein dogmatischer Mainstream aus ´erzwungenem Konsens´ und ´Mitläufer-Wissenschaft´ herauskommen kann.

    Wenn also in der Wissenschaft nicht mehr Sachargumente zählen, sondern Kartenspiel-Argumente ´der Ober sticht den Unter´, dann hat der Naturalismus eine fragwürdige Basis.

  80. @ Blume

    Okay, das war mein Fehler, in einem Thread über Naturalismus den Begriff Übernatur als Sprachkrücke einzuführen. Gemeint war der umfassende, über allem stehende Naturbegriff (in der Vorstellung des Naturalismus) im Gegensatz zum Teilbegriff Natur als Gegenstück zu Kultur oder Person. Wie beschrieben halte ich die Absichten und Ziele und letztlich auch das “ich” für natürlich entstanden und wirksam, ganz ohne Über-Natürlichem.

    Wie das “ich” oder das, was uns an eines glauben lässt, entstehen konnte… eine offenen Frage, die zu beantworten vermutlich mehr als nur einen Nobelpreis wert wäre, sollten wir das je schaffen. Ob es für die Beantwortung aber einen Templeton-Preis geben kann…

    Natur ist dann eben nicht mehr einfach nur ein reduktionistischer, sondern ein “nach oben offener” (Emergenz-offener?) Begriff, der Betrachtungen z.B. zu Kultur, Personalität, Religiosität etc. nicht ausschließt.

    Ja, wobei ich den inhaltlichen Unterschied zwischen emergenz-offen und reduktiv spontan nicht verstehe. Chemie auf Physik zu reduzieren, war schon immer gleichbedeutend damit, über die aus reiner Physik emergierenden Eigenschaften nachzuforschen. Vielleicht klingt emergenz-offen einfach nur freundlicher als das mittlerweile vor allem als Schimpfwort verwandte Reduktionist?

  81. Widerspruchsfreiheit

    Die Frage nach der Widerspruchsfreiheit einer naturalistischen Weltanschauung wird hier als Kriterium für Qualität behandelt in dem Sinn, dass Widersprüchlichkeit ähnlich wie Fehlerhaftigkeit als ein Makel die Qualität des Weltbildes ruinieren soll.

    Da ich selbst als ein Wesen mit inneren Widersprüchlichkeiten in einer Welt voller Widersprüche lebe, kann ich auch an Widersprüchlichkeiten des Naturalismus keinen Anstoß zur Qualitätsminderung erkennen, im Gegenteil: Ein guter Naturalismus muß auch mit Widersprüchlichkeiten umgehen, sonst ist er lebensfremd bzw. versteht nichts von komplexen Systemen. Das naturalistische Sinn-Puzzle kann auch Widersprüche integrieren, weil es in der Welt Widersprüche gibt. Eine Alternative sehe ich nicht.

    S.R.

  82. @ Rehm: Widersprüche

    Es gibt sogar logische Systeme, die mit Widersprüchen umgehen wollen (sogenannte parakonsistente Logiken).

    Sie können von mir aus mit Widersprüchen umgehen, wie Sie wollen; nur mit dem Physikalismus wird’s dann eben schwer — gibt es doch mehr als eine Wahrheit von der Welt? Gibt es dann auch nur noch eine vom Beobachter unabhängige Außenwelt oder viele? –> Realismus.

    Wie ich im Artikel schon schrieb, variieren Naturalismen in der Art und Weise, wie stark sie die jeweiligen Komponenten machen; also warum keinen parakonsistenten Naturalismus mit einem schwachen, womöglich Aspekt-Physikalismus kombinieren?! Was das für einen Realismus hieße, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.

  83. @ KRichard: Peer-Review

    Da kann Ihnen sicher jeder Forscher mit seinen eigenen Erfahrungen eine hübsche Geschichte drüber erzählen. Jüngst habe ich Harald Lesch vor Publikum sagen gehört, Nature und Science solle man nicht als peer-reviewed journals ansehen.

    Anstatt diese Frage hier bei diesem Beitrag zu diskutieren, wo sie nicht hin gehört, möchte ich auf diesen umfangreichen und aktuellen Artikel über Open Access des österreichischen Wissenschaftsphilosophen Gerhard Fröhlich verweisen.

  84. @ kamenin: Aha

    Lieber Sven,

    danke für Deinen letzten Kommentar, den ich nun mehrfach gelesen und immer noch nicht verstanden habe. Ruderst Du jetzt nur vom Begriff “Übernatur” zurück oder auch vom Dualismus? Wenn der Mensch jetzt also doch Teil der Natur sein soll, wie kann er sie dann “überwinden”, wie Du oben geschrieben hast? Und ist Dir bewusst, dass Emergentismus und Reduktionismus gemeinhin als Gegensätze verstanden werden? Du scheinst sie als identisch anzusehen.

    Ich kann ganz unterschiedliche Grundhaltungen nachvollziehen, hier komme ich aber nicht mehr so recht mit, welche Position(en) Du eigentlich gerade vertrittst…

    Fragende Grüße!

  85. @ Blume

    Ich rudere nicht zurück, sondern kläre ein Missverständnis auf, dass sich durch eine im Zusammenhang ziemlich unglückliche Begriffsschöpfung ergeben hat; mit Übernatur meinte ich wie gesagt “übergeordneter Naturbegriff” (zu untergeordneten Naturbegriffen), nie “Übernatürliches”.

    Der Begriff Natur hat in seiner Geschichte unterschiedliche Bedeutungen angenommen, die weiter nebeneinander bestehen. Wenn ich z.B. vom Gegensatzpaar Natur gg. Zivilisation spreche, hat der Begriff Natur eine andere Bedeutung als in der Debatte nature vs. nurture, im Begriff Naturwissenschaft oder, nochmal anders, in der Debatte Natur gg. Übernatürliches.
    Solange ich den Begriff in einer Bedeutung betrachte, in der er Teil eines Gegensatzpaars ist, habe ich natürlich auch einen Dualismus, und Natur kann in der Bedeutung dann auch überwunden werden. In Natur gg. Zivilisation z.B. haben wir Natur insoweit überwunden (und versuchen es weiterhin), als dass wir heute in wesentlich geringerem Maße Krankheitserregern, Naturkatastrophen, Ernteausfällen und anderen “Launen der Natur” unterworfen sind als noch vor wenigen Generationen. In der nature-vs-nurture-Natur werden angeborene Dispositionen (=Natur) durch Erziehung und kulturelle Sanktionen überwunden, zumindest insoweit, dass sie sich nicht mehr in aktivem Verhalten niederschlagen oder unsere Moralvorstellungen informieren: die explizite Formulierung von Moral kann sogar verstanden werden als Mittel, unser Verhalten vor angeborenen Veranlagungen weiter abzuschirmen, um etwa eine weitere Instanz zu haben, die uns davon abhält, vergewaltigend oder gewalttätig durch die Gegend zu ziehen, obwohl wir das als Möglichkeit sicher noch in unseren Veranlagungen tragen (wie sich nicht nur in jedem Krieg neu zeigt).
    In dem Sinne habe ich auch “Natur überwinden” verwendet. Nur weil etwas in der Evolution angelegt ist, ist es nicht gut oder anstrebsam, darum lernen wir nicht von der Natur, nur weil wir über die Natur lernen. Den Fehler machen auch Kreationisten, wenn sie “Darwinismus” für den direkten Weg in den Sozialdarwinismus halten.

    In der Debatte Natur gg. Übernatürliches gibt es dann die, die einen solchen Dualismus annehmen und die darum wohl auch meinen, dass Übernatürliches Natur überwinden könne (der Naturgesetzen nicht unterliegende und sie außer Kraft setzende Gott als Beispiel). Die naturalistische Position ist da, dass es nichts Über-Natürliches gebe, somit alles Natur sei. Damit gibt es dann auch in dem Wortverständnis keinen Dualismus und kann auch nicht überwunden werden.

    Das sind wie gesagt nebeneinander existierende Wortbedeutungen mit jeweils unterschiedlichem Inhalt. Es kann durchaus sein, dass Stephans ursprüngliche Thesen oder seine Bemerkung, dass es in einer mentalistischen Welt gar keine Natur gebe, auf eine Verwechslung des Naturbegriffs des Naturalismus mit demjenigen zurückzuführen ist, der zur Unterscheidung von Natur- und Kulturwissenschaftn verwendet wurde.

    Und ist Dir bewusst, dass Emergentismus und Reduktionismus gemeinhin als Gegensätze verstanden werden?

    Das gilt nur für einen starken Emergentismus, sofern er behauptet, dass in zusammengesetzten Systemen Eigenschaften auftreten, die sich prinzipiell nicht mehr über ihre Bestandteile und deren Zusammensetzung erklären lassen können. In meinen Augen eine metaphysische Behauptung 🙂 Emergenz an sich ist aber geradezu Vorraussetzung des Reduktionismus. Der besteht aus der Erklärung, wieso z.B. die chemischen Eigenschaften von Molekülen, die auf den ersten Blick ein ganz anderes Phänomen darzustellen scheinen als die physikalischen der Elementarteilchen, trotzdem allein durch diese erklärbar sind. Erst durch die reduktionistische Erklärung wissen wir, dass es sich um Emergenz eines als unterschiedlich angesehenen Phänomens handelt und nicht einfach um zwei buchstäblich nicht verbundene Teilsysteme der Natur.

    Sorry für die Unklarheit und die umständliche Antwort, aber darum tendieren philosophische Diskussionen auch so oft dazu, zu Diskussionen über den Sprachgebrauch zu werden.

    Im Übrigen sagt man da, wo ich herkomme, ganz treffend: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Toleranz ist notwendig und wünschenswert für die Lebensrealität; Sachdebatten dagegen sollen ruhig entschieden geführt werden, um nicht durch zu frühe Toleranzaufrufe in Beliebigkeit erstickt zu werden. Das ist zugegeben manchmal etwas schmerzhaft, weil man sich online nicht nur sehr konsequent und autistisch-themenbezogen gegenübertreten kann, sondern weil auch alle anderen Kommunikationskanäle fehlen, auf denen man seinem Gegenüber ansonsten nebenbei verständlich machen würde, dass man ihn zumindest prinzipiell noch für einen Menschen hält 🙂

  86. Gott, Naturalismus und

    Ich möchte hier allgemein noch einmal auf zwei historische Positionen hinweisen, nämlich erstens Spinozas logischen Monismus, demzufolge Welterkenntnis das Nachvollziehen göttlicher Logik bedeutete und zweitens Lockes Empirismus, in dem die Existenz Gottes neben der Wahrheit der Mathematik und der Existenz des eigenen Seins die grundlegenden Gewissheiten waren.

    Für manche scheint ein Gott also gerade die Voraussetzung dafür zu sein, dass “alles mit rechten Dingen zugeht”.

    Ebenso verwies Descartes auf den allgütigen und allmächtigen Gott, der es nicht zulasse, dass wir permanent getäuscht würden, um für die Zuverlässigkeit unserer Sinneserfahrungen zu bürgen.

    Diese Beispiele verdeutlichen, das es für einen Naturalismus ziemlich dürftig ist, sich auf Wendungen wie “mit rechten Dingen zugehen” oder “alles nach Regeln ablaufen” zu berufen, solange an der vierten von mir genannten Kernkomponente festgehalten wird, nämlich der ablehnenden Haltung gegenüber Religionen.

    Außerdem deckt sich das mit meiner persönlichen Erfahrung mit manchen gläubigen Naturwissenschaftlern, die ausdrücklich der Meinung sind, dass sich die Welt überhaupt nach Regeln verhält, das sei das größte göttliche Wunder.

    Diese Evidenzen sprechen meines Erachtens dafür, dass der vermeintliche Gegensatz von Naturwissenschaft und Religion oft ein konsturierter ist.

    Übrigens wird mein Beitrag im Forum der Brights Deutschland (Anmeldung erforderlich) diskutiert. Es würde die Diskussion erheblich weiterbringen, wenn sich jemand von ihnen etwas ausführlicher zu der Frage äußert, was mit dem Bekenntnis zum Naturalismus eigentlich gemeint ist.

  87. @ kamenin

    Lieber Sven,

    danke für Deinen Beitrag! Wobei ich anmerken möchte, dass ich das Problem etwas “unscharfer” Begriffsverwendungen hier beim besten Willen nicht bei @Stephan sehen kann. Es mag ja ein erschreckender Gedanke sein – aber vielleicht haben ja auch mal Andere Recht, lieber Sven? 😉

    Wobei ich Dir gleich auch zustimmen mag. Du schriebst:
    Nur weil etwas in der Evolution angelegt ist, ist es nicht gut oder anstrebsam, darum lernen wir nicht von der Natur, nur weil wir über die Natur lernen.

    Du hast Recht – und hast damit erneut die Widersprüchlichkeit “naturalistischer Religionskritik” aufgezeigt! Denn, wie Du schreibst, aus Naturbeobachtung alleine lassen sich keine Werturteile ableiten! Es braucht dafür zusätzliche, metaphysische Annahmen der Philosophie(n) oder Theologie(n) – wer das leugnet, hat es entweder nicht verstanden oder versucht andere zu täuschen. Und, ja, diesen ignoranten Fehler der Vereinnahmung von Wissenschaft für Weltanschauung machen religiöse und religionskritische Extreme gerne gleichermaßen.

    Danke also, dass Du die Widersprüchlichkeit naturalistischer Religionskritik nicht nur diskutierst, sondern auch gleich demonstrierst!

    Und Deinem letzten Absatz kann ich ebenfalls aus ganzem Herzen zustimmen. 🙂

  88. … Zustimmung

    Hallo,

    es gibt hier vieles zu lesen … und Art und Umfang der geschilderten “Wahrnehmungen” überrascht mich angenehm.

    Ich stimme ausdrücklich zu, dass abseits aller (teils sogar willkürlicher) konstruierter Gegensätze Naturwissenschaften und Religionen jeglicher Art miteinander harmonieren. Allerdings sehe ich im unterschiedlichen Gebrauch (besser Definition) beider Begriffe Probleme. Das mag wohl ein (oder sogar der) wesentlicher Grund dafür sein, dass Debatten immer wieder vom Thema wegdriftenden.

    Ein wesentlicher Teil meines Verständnisses von Welterkenntnis beruht darauf, dass unsere Welt, einfach formuliert die Gestaltung und Verbreitung von Information ist (siehe z. B. Görnitz – Die Evolution des Geistigen). Anstatt der herkömmlichen Begriffe Geist, Materie und Energie verwende ich jedoch lieber die Begriffe Information, Gestalt und Wirkung. Neben Görnitz zeigt z. B. auch Mainzer (Der kreative Zufall) wie Gesetzmäßigkeiten (grob gesagt Ordnung) durch Wechselwirken ohne ein übergeordnetes göttliches Zutun möglich werden. Auch bin ich der Überzeugung, dass ein Gott keine Voraussetzung dafür sein muss, dass alles mit rechten Dingen zugehen kann. In unserer Welt geht alles mit rechten Dingen zu, denn alles ist „von dieser Welt“ (siehe z. B: Ditfurth – Der Geist fiel nicht vom Himmel / Wir sind nicht nur von dieser Welt). Bezüglich einer Vorstellung eines Gottes mag ich sogar behaupten, dass eine Diskussion über die Vorstellung eines Gottes insofern sinnlos ist, dass wir uns keine Vorstellung eines Gottes machen können, weil dieser (Begriff) außerhalb unserer Vorstellungsmöglichkeiten liegt, ebenso wie die Vorstellung des Jenseitigen. Das schließt einen Gott und „Gläubigkeit“ keinesfalls aus, sonder erklärt meiner Meinung nach sogar die Schwierigkeiten, vielleicht sogar den herrschenden Zwiespalt bezüglich eines gemeinsamen Konsens in all den Diskussionen über Gott und den oder das „Glauben“. Abgesehen davon ist es eine (überaus weise!) religiöse Forderung und offenbar eine Grundvoraussetzung (Glauben zu können), sich kein Abbild von Gott zu machen.

    Bei meinen oben genannten Überzeugungen entdecke ich in kein Argument, dass gegen einen Naturalismus spricht, obwohl „in meiner Welt“ alles mit rechten Dingen zugehen kann und ein Gott optional (ohne Möglichkeit einer Vorstellung von ihm) möglich ist – was (für mich) wiederum in keinem Wiederspruch zu meinen „Glauben“ steht oder das ich von streng wissenschaftlichen Methoden bezüglich Kenntnisnahme, was diese Welt im inneren zusammenhält Abstand nehmen muss. Naturalismus könnte also durchaus die „Urform“ der Selbstreflektion in unserer Umwelt sein. Seit Menschengedenken befindet sich der Naturbegriff (und seine daraus abgeleiteten Wortverwandten, wie z. B. Naturalismus, Naturwissenschaft, Naturgesetz usw.) in einem kontinuierlichen Wandel (siehe z. B. Hampe – Eine kleine Geschichte des Naturgesetzbegriffs). Naturalismus führt uns vor Augen, wie wir uns eingebettet (im Schoß einer Urmutter Natur) in dieser Welt wiedererkennen (selbstreflektieren müssen). Die Natur (Welt) mag in irgendeiner Weise ohne uns und sicher auch von uns unabhängig existieren (können), wir Menschen können jedoch niemals ohne Natur (Welt) existieren. Das ich hier Welt = Natur setze liegt daran, dass wir „Kinder des Weltalls“ (siehe Ditfurth) sind.
    Wenn ich Naturalismus mit Wirklichkeitstreue in Verbindung bringe, komme ich wieder in Versuchung zu behaupten, dass weder die Annahme (1) noch (2) so stimmen können, wie sie weit oben definiert sind, weil mir diese Argumente zu dualistisch (und damit vielleicht auch zu deterministisch) geprägt sind und das wir nur insofern eine (unsere?) Wirklichkeit definieren können, wie wir in der Lage sind diese mit oder ohne Hilfsmittel wahrzunehmen.

    mfG

  89. @ Blume

    Du hast Recht – und hast damit erneut die Widersprüchlichkeit “naturalistischer Religionskritik” aufgezeigt! Denn, wie Du schreibst, aus Naturbeobachtung alleine lassen sich keine Werturteile ableiten!

    Das tut der Naturalismus ja auch nicht. Der Naturalismus als Welt-Anschauung ist nur eine Feststellung, wie die Welt aufgebaut ist bzw. sein könnte. Die naturalistische Religionskritik besteht darin festzustellen, dass Religion in die Beschreibung der Welt nicht-überprüfbare und, in naturalistischer Sicht, nichtexistente Entitäten einfügt. Wo ist denn da bitte der Widerspruch?

    Da Du danach auf Werturteile anhebst, meinst Du vielleicht die humanistische Religionskritik, nicht die naturalistische. Über religiöse oder ethische Werturteile macht der Naturalismus schließlich nur die Aussage, dass man die wohl kaum unter Berufung auf nichtexistente oder auch nur nicht-erkennbare Instanzen begründen kann (wie es Religionen zumeist tun). Aber selbst legt uns Naturalismus auf keine Ethik fest, genausowenig wie übrigens Religion, wie Du am Spektrum von fanatisch-lebensfeindlichen bis humanistischen Ethiken in Religionen feststellen kannst.

    Es braucht dafür zusätzliche, metaphysische Annahmen der Philosophie(n) oder Theologie(n) – wer das leugnet, hat es entweder nicht verstanden oder versucht andere zu täuschen.

    Na, ich gehe mal davon aus, dass Du damit nicht mich meinst. Aber zweierlei. Zum Einen scheinst Du Stefans Setzung zu übernehmen, dass im Naturalismus ausschließlich Naturwissenschaft was gilt. Aber selbst die Naturalisten, mit denen Du diskutiert hast, Schmidt-Salomon und Kanitscheider, bezeichnen sich als Philosophen. Woher kommt da de Annahme, dass Naturalisten Philosophie geringschätzen oder als nicht zumindest uns einem besseren Verständnis der Welt näherbringend ansehen? Das ist kein Widerspruch im Naturalismus, sondern ein Widerspruch in der These, dass die Weltanschauung Naturalismus sich allein auf nicht-weltanschauliche, naturwissenschaftliche, nicht-diskursive Elemente gründen soll (und keiner der Philosophen hat’s gemerkt).

    Aber auch da ist Naturalismus keine eigenständige Ethik, sondern schafft nur die Voraussetzung, eine solche in einem naturalistischen Weltbild zu formulieren. Darum, zweitens, ist es ein ziemlicher Schritt, jedes Werturteil als metaphysisch zu bezeichnen. Das wäre schon mal eine recht umfangreiches Verständnis von Metaphysik. Dem (areligiösen) Humanismus reicht als Ausgangspunkt ein ziemlich einfaches: dem Menschen soll der Mensch das höchste Wesen sein. Weder Mensch, noch das Sollen sind in der Hinsicht metaphysisch definiert, es handelt sich um einen rein innerweltlichen Sollenssatz. Der Hedonismus hat als Setzung, dass Lust als besser zu erachten ist als Schmerz — auch das ist eine ethische Setzung, die man teilen kann oder nicht, aber auch sie nimmt keinen Bezug auf metaphysische Quellen und sie setzt auch nicht das Axiom als metaphysische Wahrheit.

    Vielleicht kommt Deine Schwierigkeit damit auch nur daher, dass in Religionen und manchen Philosophien Ethik als etwas angesehen wird, was außerhalb des Menschen existiert und dann nur erkannt werden muss. Das funktioniert so im Naturalismus natürlich nicht, jedenfalls nicht, solange man keine überprüfbare Kenntnis einer als existent behaupteten Ethik gewinnen konnte.
    Ausgangspunkt naturalistischer Ethik ist die Frage: in welcher Welt/Gesellschaft will ich leben. Nicht weil irgendein Werturteil schon in der Welt ist, sondern weil ich als Teil der Welt selbstverständlich Werturteile bilden und abschätzen kann.

  90. Artikel

    Objektive Wissenschaft verlangt immer ein Objekt, das vom Subjekt, dem Untersucher getrennt ist. Diese Grundvorderung muss aber auch im Ergebnis solch gewonnener objektiver Erkenntnis vorherrschen, eben ein Dualismus. Erkenntnisse über das “Ich”, das Subjekt, oder dem “Großen Ganzen” kann also objektive Wissenschaft niemals vermitteln. Gleichwohl kann diese “subjektive Wissenschaft” genauso ehrliche, subjektiv reproduzierbare Ergebnisse mit dem selben Wahrheitsanspruch gewinnen. Man kann sogar argumentieren, dass es eine objektive Wissenschaft gar nicht gibt, diese bestenfalls in Bereichen zu sinnvollen Ergebnissen kommt, die recht entfernt vom lebendigen Ich, der Seele des Menschen ist, dem Bereich toter Materie. Aber das Ergebnis dieser objektiven Wissenschaft, dass alles tote Materie ist, und diese Erkenntnis auch auf das Leben, den Menschen und Gott, sowie dem Sinn der ganzen Schöpfung zu extrapolieren, ist natürlich ein erkenntnistheoretischer Missgriff, da dies der Voraussetzung objektiver Erkenntnis widerspricht. So kommt es dazu, dass die Naturwissenschaft das Leben als eigentlich unbeseelte Materie betrachtet, die sich zufällig einbildet ein lebendiges beseeltes Sein zu sein. Wenn also die Naturwissenschaften auf dem Terrain blieben, auf dem sie Aussagen treffen dürfen, nämlich weit weg vom Ich, der Seele und Gott, dann gäbe es kein Problem. Dass sie das nicht tut hat tatsächlich mit einem ungeheuren Machtanspruch zu tun.

  91. @ kamenin: Dualismus

    Lieber Sven,

    ich rätsele immer noch, ob Du den Widerspruch tatsächlich nicht siehst, oder nicht sehen willst.

    So schreibst Du doch selbst:

    Da Du danach auf Werturteile anhebst, meinst Du vielleicht die humanistische Religionskritik, nicht die naturalistische. Über religiöse oder ethische Werturteile macht der Naturalismus schließlich nur die Aussage, dass man die wohl kaum unter Berufung auf nichtexistente oder auch nur nicht-erkennbare Instanzen begründen kann (wie es Religionen zumeist tun).

    Demnach gibt es einen unauflösbaren Widerspruch zwischen einem starken Naturalismus und Humanismus: Denn der Humanist schreibt ja einem Teil der Natur (den Menschen) einen besonderen Wert zu, “ohne” dafür letzte naturwissenschaftliche Begründungen anführen zu können. Er beruft sich also auf nichtexistierende oder auch nicht-erkennbare Instanzen, wie das Humanum, das Ich, die Würde des Menschen, die Menschenrechte o.ä. Direkt aus der Naturbeobachtung lässt sich nichts davon zwingend ableiten, es sind – wie MSS, Kanitscheider & Co. ja auch einräumen – philosophische Positionen.

    Hinzu kommt, dass Religiosität selbst als Teil der Natur des Menschen beschreibbar wird. Ein Naturalist oder Humanist könnte also weiterhin konkrete, z.B. immanente Gottesvorstellungen kritisieren (und da würden ihm viele Theologen Recht geben!) – aber mit einer Mischung aus naturalistischer Argumentation und humanistisch-philosophischer Setzung einen Aspekt des Humanen selbst abzulehnen, führt wieder in einen Widerspruch zwischen dem Ausgangspunkt Natur und dem philosophischen Dogma.

    Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde es völlig okay, dass sich Menschen zu Konzepten wie “evolutionärem Humanismus und Naturalismus” bekennen, widerspruchsfreie Religionen oder Weltanschauungen sind mir nicht bekannt. Nur, und da gebe ich @Stephan Recht, sollte man dann nicht so tun, als vertrete man die einzig streng logische und völlig widerspruchsfreie Position…

    @ Dr. Stephan Kaula: Vielen Dank & Zusimmmung meinerseits!

  92. @ Blume: ev. Humanismus

    Mit der Frage, wie “evolutionär” der “evolutionäre Humanismus” tatsächlich ist, habe ich mich schon auseinandergesetzt. Du schreibst:

    Direkt aus der Naturbeobachtung lässt sich nichts davon zwingend ableiten, es sind – wie MSS, Kanitscheider & Co. ja auch einräumen – philosophische Positionen.

    Zumindest in Schmidt-Salomons Manifest wirkt das aber nicht so — da scheinen aus der Feststellung, dass der Mensch ein Zufallsprodukt der Evolution ist, sowie aus angeblichen “Erkenntnissen” der Hirnforschung durchaus bestimmte humanistische Annahmen gestützt oder unterminiert zu werden.

    Zu gegebener Zeit werde ich mich damit ausführlicher auseinandersetzen.

    P.S. Die Diskussion um den Naturalismus scheint mir müßig, solange man das Wort nicht expliziter mit Inhalten füllt. Daher habe ich sie an einer Stelle ja auch abgebrochen. In meinem Artikel habe ich einen Ansatz gewagt, der meines Erachtens die Hauptannahmen repräsentiert, denen ich bisher in der akademischen Literatur begegnet bin.

  93. @ Stephan: Hmmmm…

    Lieber Stephan,

    in der Tat verstehe ich Deinen Ärger inzwischen etwas mehr als am Anfang der Diskussion. Denn Du hast Recht: Auch z.B. Kanitscheider, mit dem ich auch schon eine Tagung hatte und den ich für einen sehr klugen, differenzierten und an Gegenargumenten wirklich interessierten Kopf halte, ist mit MSS nicht einfach in einen Topf zu werfen.

    Es scheint teilweise schon so, als wird hier eine vermeintliche “Bewegung des Naturalismus und Humanismus” auf Basis einer “bestimmten Position” vermarktet – umso näher man sich aber die einzelnen Texte und Personen anschaut, umso undeutlicher wird das Ganze. Da gibt es gar keine gemeinsame, klare Definition von “Naturalismus” oder “Humanismus” und auf Nachhaken gibt es vor allem Wortwolken – letztlich scheint das “Bewegungs-“einigende Band das Interesse an Evolutionsforschung (immerhin!) und die Ablehnung von Religion(en) zu sein, und sogar das bleibt inhaltlich uneinheitlich und schwammig.

    Wobei auch das zu Erkennen (sowohl durch die Öffentlichkeit wie auch die Betreffenden selbst) ja schon ein Erkenntnisfortschritt sein kann. Mir hat die Debatte auf jeden Fall etwas gebracht – und vielleicht geht es ja anderen inner- und außerhalb der GBS auch so! Vielen Dank dafür, gerne widme ich Dir wieder mal einen Post!

    Herzliche Grüße, bis bald!

    Michael

  94. gott.net

    Gott hat auch eine Webseite. Hier eine Empfehlung zum Beten und ein Psalm aus gott.net

    Herr, mache mich gehorsam ohne Widerspruch;
    arm im Geiste ohne niedrige Gesinnung;
    keusch ohne falsche Scham;
    geduldig ohne Murren;
    demütig ohne Verstellung

    Wer ist glücklich?
    Aus Psalm 1
    Glücklich ist, wer nicht lebt wie Menschen,
    die von Gott nichts wissen wollen.
    Glücklich ist, wer sich kein Beispiel an denen nimmt,
    die gegen Gottes Willen verstoßen.
    Glücklich ist, wer sich fern hält von denen,
    die über alles Heilige herziehen.
    Glücklich ist, wer Freude am Gesetz des Herrn hat
    und darüber nachdenkt – Tag und Nacht.
    Er ist wie ein Baum, der nah am Wasser steht,
    der Frucht trägt jedes Jahr
    und dessen Blätter nie verwelken.
    Was er sich vornimmt, das gelingt.
    Ganz anders ergeht es allen,
    denen Gott gleichgültig ist:
    Sie sind wie dürres Laub, das der Wind verweht.
    Der Herr sorgt für alle,
    die nach seinem Wort leben.
    Doch wer sich ihm trotzig verschließt,
    der läuft in sein Verderben.

    Kommentar überflüssig

    S.R.

  95. @ Blume

    Denn der Humanist schreibt ja einem Teil der Natur (den Menschen) einen besonderen Wert zu, “ohne” dafür letzte naturwissenschaftliche Begründungen anführen zu können.

    Noch mal, dass Naturalisten ausschließlich im heutigen Sinn naturwissenschaftliche Annahmen und Schlüsse zulassen, ist nicht Kernaussage eines “starken Naturalismus”, sondern ein von Stephan entworfenes Bild. Wenn Du denkst, dass das Bild die Realität des Naturalismus als Weltanschauung oder philosophische Position korrekt wiedergibt, dann zeig mir bitte die Naturalisten, die diesen angeblichen starken Naturalismus in der Form auch vertreten. So unmöglich kann das doch dann nicht sein.
    Wenn jemand mosaische Offenbarung als Beispiel für religiöses Schließen bemüht, dann kritisiert er angeblich einen gewollt schwachen Gegner. Aber wenigstens kann man zeigen, dass es Leute gibt, die an die mosaische Offenbarung glauben; nicht mal dieser allererste Schritt zu einer redlichen Kritik am Naturalismus wurde hier gemacht. Gelten für die Kritik am Naturalismus andere Standards?

    Er beruft sich also auf nichtexistierende oder auch nicht-erkennbare Instanzen, wie das Humanum, das Ich, die Würde des Menschen, die Menschenrechte o.ä.

    Er beruft sich nicht auf eine bestehende Instanz, er kreiert eine Handlungsmaxime, die ihm aus seiner Position als Mensch in einer Gemeinschaft wünschenswert erscheint. Wenn ich als Mensch eine allgemeine Ethik schaffen will, der ich auch unterliege und die mich im Zweifelsfall auch schützen muss, dann verleihe ich allein deshalb dem Menschen besondere Rechte und eine durch kein politisches oder verbrecherisches Handeln negierbare Würde. Das ist eine funktionale ethische Zuschreibung, aber eben keine Behauptung metaphysischer Wahrheit. Aus naturalistischer Sicht deutet angesichts von Naturkatastrophen, Epidemien und Diktaturen auch sehr wenig darauf hin, dass Menschenrechte und -würde mehr sind als menschliche Setzungen (das macht sie wichtiger, nicht unwichtiger!).

    Es ist kein Widerspruch im Naturalismus, wenn Du das etwa anders siehst und vielleicht an eine übermenschliche Setzung oder jenseitige Bestätigung von Menschenwürde glaubst; das ist dann nur eine weltanschauliche Differenz zwischen Dir und Naturalisten.

    es sind – wie MSS, Kanitscheider & Co. ja auch einräumen – philosophische Positionen.

    Ich habe nicht gegen die Charakterisierung als philosophisch argumentiert, im Gegenteil, sondern gegen die Charakterisierung als metaphysisch. Und gegen die irrige Annahme, dass philosophisch mit nicht-naturalistisch gleichzusetzen sei, wo doch der Naturalismus selbst eine philosophische Position ist.

    aber mit einer Mischung aus naturalistischer Argumentation und humanistisch-philosophischer Setzung einen Aspekt des Humanen selbst abzulehnen, führt wieder in einen Widerspruch zwischen dem Ausgangspunkt Natur und dem philosophischen Dogma.

    Ich verstehe das Argument nicht mehr, da Du doch selbst immer wieder darauf hinweist, dass es nichts über die Richtigkeit religiöser Ansichten aussagt, selbst wenn sie denn durch die Biologie des Menschen begünstigt sein sollten. Wieso sollte eine argumentativ begründete, letztlich weltanschauliche Ablehnung dann in sich selbst widersprüchlich sein?
    Kann es sein, dass Du Deine Religiosität in irgendeinem Sinne für natürlicher hältst als meine Nichtreligiosität und deshalb meinst, eine Weltanschauung, die die Welt insgesamt für Natur hält, müsste das irgendwie bewerten (und nicht den Inhalt der Anschauung)?
    Im Naturalismus sind aber sowohl Religiosität als auch Nichtreligiosität natürliche Phänomene, und das allein sagt gar nichts darüber aus, welche inhaltliche Vorstellung über die Natur der Welt deshalb richtiger oder falscher ist.

    Bitte nimm doch zur Kenntnis, dass Naturbeobachtung im Naturalismus nur die Frage betrifft, wie die Welt wohl sein könnte. Naturalismus ist der Versuch einer Antwort auf die Frage.
    Naturwissenschaft ist ein wichtiger Teil dieser Naturbeobachtung, aber niemand (meines Wissens nach) vertritt die These, dass Erkenntnisgewinn ausschließlich daran gebunden ist, ob wir gerade nach heutigem Verständnis etwas als naturwissenschaftlich bezeichnen. Zumal der Naturbegriff des Naturalismus auch alle Bereiche umfasst, die heute Domäne der Kultur- und Gesellschaftswissenschaften sind.

    Wie wir (als Teil der Natur) uns selbst und unsere Umwelt in einer Welt behandeln, die nur Natur ist, kann nicht allein aus Naturbeobachtung abgeleitet werden. Das behauptet der Naturalismus auch nicht; die ethische Frage ist nicht mal Teil des Naturalismus an sich, auch wenn er uns dann als Menschen philosophisch die Aufgabe stellt, vor dem Hintergrund der naturalistischen Weltanschauung eine Ethik zu schaffen bzw. zu begründen. Dazu bedarf es aber auch keiner metaphysischen oder theologischen Beimengungen; dass ich es als Mensch besser finde, dem Menschen in meiner Betrachtung der Welt eine Sonderrolle zuzuweisen, aus rein menschlichem, natürlich entstandenem Eigeninteresse, stellt jedenfalls meines Erachtens keine solche dar.

  96. Pseudogegensatz Naturwissensch./ Glauben

    Sehr geehrter Herr Schleim,
    sehr geehrte Forumsteilnehmer

    Eigentlich ist es doch ganz einfach. Naturwissenschaft kann nur dualistisch (objektiv) arbeiten und zu ebensolchen Ergebnissen (objekthaften)kommen. Glaube befasst sich mit der Seele und mit Gott, die beide jenseits der Dualität sind, an dem Ort wo nur das Subjekt oder nur das Ganze ist (also Subjekt und Objekt verschmolzen sind).

    Solange Naturwissenschaft dies erkennt, sich nur auf den Bereich beschränkt, der objektiv (Subjekt ist streng getrennt vom Objekt) erfassbar ist, und das in ihren Aussagen berücksichtigt ist alles in Ordnung.

    Wenn sie aber sich anmaßt, über das selbst gesteckte Territorium hinaus Aussagen zu machen, kann sie logisch nicht zu, im Sinne der Naturwissenschaft, wahren Aussagen kommen.

    Das schreckt aber Neurophysiologen nicht davon ab, zu postulieren, sie verstünden jetzt das Bewußtsein, und auch nicht Kosmologen, sie wüßten wie das Universum entstand.

    Havard Professor E. Mack (Psychiater)schrieb: – In der Physik, der Psychologie und anderen Bereichen sind die Daten, die wir erlangen, eine Folge des Weges, den wir eingeschlagen haben.-

    Da braucht man keine große Philosophie. Irgendwie habe ich das Gefühl, Philosophen wollen so etwas wie Mathematiker sein, losgelöst vom Leben. Sie stehen am Beckenrand und diskutieren darüber, wie es ist, im Wasser zu schwimmen. Hier deshalb einmal ganz konkret und pragmatisch, also eben nicht philosophisch, Beispiele von Phänomenen jenseits der Naturwissenschaft:

    Reinkarnationstherapie ist durch Naturwissenschaftliches Denken kaum erklärbar, gleichwohl ist der Reinkarnationsgedanke inzwischen unter Psychologen und Laien sehr weit verbreitet.

    Parapsychologische Phänomene sind naturwissenschaftlich nicht fassbar, gleichwohl gibt es einen Lehrstuhl der Parapsychologie und weltweit Millionen gut dokumentierter Fälle parapsychologischer Phänomene.

    Das Phänomen des Glaubens und Glaubenserfahrungen

    Nahtoderfahrungen

    Das Abductionphänomen (siehe Prof. E.Mack)

    Das Ufo-Phänomen, das im Moment die Welt überschwemmt (siehe unter disclosure project)

    Naturwissenschaft ist mit seinen Forderungen nach Wiederholbarkeit, Objektivierbarkeit so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner. Eine solche menschliche Gemeinschaft entscheidet kollektiv dümmer, als es die Mehrzahl der Individuen jeweils täte. Eine Gemeinschaft, die von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung und Vertrauen geprägt ist, wird zu mehr als der Summe ihrer menschlichen Teile.

    So ist die Beschränkung auf naturwissenschaftliche Erkenntnis eine tragische Beschränkung des menschlichen Potentials und vermutlich auch eine Machtfrage.

    Mit freundlichem Gruß Kaula

  97. @ Kamenin: Wer versus Was

    Mir geht es in meiner philosophischen Analyse vor allem um die Inhalte von Positionen, nicht um die soziologische oder historischen Fakten darum, welche Person so einen Standpunkt vertreten hat.

    Einer meiner philosophischen Lehrer, von denen ich viel gelernt zu haben glaube, hat uns das so beigebracht, dass es nur darauf ankommt, was jemand vertritt und wie er es begründet, nicht wer es ist. Wahrheit ist für mich keine Frage des Ansehens oder der Mehrheit.

    Genauso bringt es uns nicht weiter, wenn wir über die Bedeutung eines Begriffs streiten (hier: “Experiment”) und du mit einem Verweis auf den Ursprung antwortest.

    Da unsere Diskussionen regelmäßig derart aneinander vorbei zu laufen scheinen, kann man hoffentlich verstehen, dass mir der Sinn nicht mehr nach einer Fortsetzung steht.

  98. @ Schleim

    Teil der Feststellung, was jemand vertritt, ist aber eben auch, dass jemand es vertritt. Ansonsten kann man zwar eine These widerlegen, aber die nicht einer Gruppe oder Weltanschauung zuordnen. So tust Du es aber im Text und in der Überschrift, und genau so versteht es Michael ja auch: der von Dir konstruierte Widerspruch sei einer des Naturalismus.
    Wenn dem denn so ist, dann sag doch einfach, dass Du keinen Naturalisten zitieren kannst, der Deine Thesen als Naturalismus vertritt — Du willst doch Aufklärung betreiben und nicht Missverständnisse verbreiten, was Naturalisten argumentieren.

    Dass Du die Herkunft eines Begriffs nicht für informierend für die Bedeutung hältst, muss ich dagegen wohl hinnehmen, aber nicht teilen. Wenn ich wissen will, was der Begriff Experiment innerhalb von (ursprünglich auf Latein verfasster) Wissenschaft/Naturphilosophie zu bedeuten hat, scheint mir ein Verweis auf die lateinische Bedeutung nicht furchtbar abwegig.
    Dass Wörterbücher aufgrund der Verwendung diese den Wissenschaften zuordnen, sagt doch nichts über die Bedeutung in den Wissenschaften.

    Wenn Du das mit “genetic fallacy” meinst, solltest Du vielleicht in der Definition noch mal nachlesen, dass es in der um Bewertung, nicht Bedeutung, geht und “unless its past in some way affects its present value”. Mit solchen formalistischen Argumenten, die etwas ganz anderes meinen, etwas für entschieden zu halten, bringt allerdings wenig.

  99. @ kamenin: Orakelschauer

    Ich kann dich nur zum 100. Mal darauf hinweisen, dass es — wie es schon in der Überschrift heißt — mir um ein Gedankenexperiment ging, d.h. um eine hypothetische Analyse. Dass ich nicht irgendeinen Naturalismus, sondern einen starken Naturalismus meine, habe ich auch oft genug erwähnt, dass man es eigentlich nicht übersehen kann.

    Es gehört zur guten philosophischen Arbeit, hypothetische Positionen auf ihre Implikationen und insbesondere ihre Widerspruchsfreiheit hin zu überprüfen und zwar unabhängig davon, welche Person sie vertreten.

    In Ermangelung einer anderen Definition, insbesondere von Seiten der Brights oder Schmidt-Salomons, die ihren “Naturalismus” heutzutage lautstark vertreten, bleibt einem auch nur das Rätseln, also das Hypothetisieren, was sie mit ihrer Position meinen könnten.

    Im Übrigen erinnere ich mich noch sehr gut an unsere Diskussion um den Eliminativen Materialismus, wo du auch den Namen eines Vertreters wissen wolltest. Als ich dir dann einen nannte, war deine Erwiderung bloß geringschätzend: “Ich sag ja, innerphilosophische Debatte!” Unter diesen Umständen brauchst du dich nicht zu wundern, dass ich mir nicht die Arbeit mache, dir Namen der Vertreter eines starken Naturalismus herauszusuchen. Wenn dir die Personen wichtig sind, kannst du sie dir auch selbst suchen; oder es eben lassen.

    Es ist ein Fehschluss, in einer Diskussion um die Bedeutung eines Begriffs allein auf den Ursprung zu verweisen. Ich habe die Definitionen aus zwei Wörterbüchern darüber zitiert, was “Experiment” bedeutet; du hast den lateinischen Ursprung zitiert. Für unsere Frage spielt das keine Rolle, denn die Bedeutung eines Begriffs wird durch seine Verwendung in einer Sprachgemeinschaft bestimmt, nicht durch seinen Ursprung.

    Dass es gelegentlich einen Zusammenhang zwischen Ursprung und Bedeutung gibt, tut nichts zur Sache; damit dein Zitat allein unsere Diskussion weiterbringt, müsste dieser Zusammenhang immer bestehen. Du hast außerdem nichts unternommen, um zu zeigen, dass “its past in some way affects its present value”, d.h. der Ursprung des Worts “Experiment” noch mit seiner heutigen Bedeutung zusammenhängt. Daher halte ich es für ein bloßes Ablenkmanöver, dass du diesen Abschnitt zitierst.

    Das Wort “Theorie” beispielsweise lässt sich im Altgriechischen auf “Orakelschau” zuruckführen — daher sind Theoretiker aber keine Menschen, die ins Orakel schauen, wie mir wahrscheinlich beinahe jedes Mitglied der deutschen Sprachgemeinschaft bestätigen würde. Wenn du die Bedeutung von Experimentieren auf deine Art und Weise festlegen möchtest, dann müsstest du auch schlucken, dass Theoretiker Orakelschauer sind — wieder mal eine absurde Konsequenz deiner Position.

  100. @ Schleim:

    Wörtlich steht in Deinem Text:

    Tatsächlich wird der Naturalismus aber oft noch stärker vertreten, nämlich mit einem Alleingeltungsanspruch.
    (…)
    Mit dieser Analyse im Hinterkopf lässt sich auch die Frage stellen, wie überzeugend der Standpunkt der Organisation „The Brights“ oder von Schmidt-Salomons Humanismus ist.
    (…)
    Ist das wirklich so gescheit, wie die Gescheiten glauben?

    Da ist es Dir unbenommen, hypothetische Positionen zu untersuchen, aber immer noch unstatthaft, von einer hypothetischen Position zu schreiben, sie würde “oft” so vertreten, und das was “die” oder “der” denken, sei damit verwandt. Das muss gezeigt werden, dass dem so ist, vor allem, weil Du selber ganz genau weißt, wie solche Texte in der alles andere als unvoreingenommenen weltanschauliche Debatte verstanden werden.

    Naturalistische Texte sind kein Geheimwissen. Du findest naturalistische Textarchive bei der fowid, auf Vollmer wurde hingewiesen. Bei reclam gibt’s den Kolleg Praktische Philosophie I, der sich fast ausschließlich mit naturalistischen Positionen beschäftigt. Im weiteren, internationalen Rahmen gibt es inzwischen unzählige Veröffentlichungen von Naturalisten. Meines Wissens vertritt niemand diese rein hypothethische Version, wie Du sie selbstwidersprüchlich aufstellst (“… ob sich diese Position begründen lässt, ohne dabei auf Annahmen angewiesen zu sein, die nicht naturwissenschaftlich überprüfbar sind” ist ja schon selbstwidersprüchlich in Bezug auf den Begriff Weltanschauung, der eben das schon voraussetzt).
    Dass auch Du mir erst einen Vertreter “heraussuchen” müsstest, heißt doch nichts anderes, als dass auch Du nicht einen kennst, der diese Ansicht vertritt.

    Es ist ein Fehschluss, in einer Diskussion um die Bedeutung eines Begriffs allein auf den Ursprung zu verweisen.

    Ja, wenn ich allein auf den Ursprung verwiesen und nicht viel zu lange “Wortwolken” über das Verhältnis zwischen der Verwendung des Experiments und der Bedeutung des Worts verschwendet hätte.
    Aber wenn ich schreibe, dass Experiment in den Wissenschaften (das Mittel zur) Überprüfung bezeichnet und das Wort das auch bedeutet (und dann dazufügend zeige, dass genau das die lateinische Herkunft ist), dann muss ich natürlich behaupten, dass jeder Wortursprung immer exakt die heutige Bedeutung wiederspiegelt.
    Welche Logik ist das denn?

    “Orakelschauer” ist übrigens nur eine der Bedeutungen, die theoros im Griechischen dann auch angenommen hat. Ursprünglich: einer, der eine Schau, einen Anblick (thea) betrachtet (horan), also eben nur “Beobachter”. Von da aus eben auch theoria “Spekulation”, und nur parallel die Betrachtung einer Orakelschau, aber eben nicht darauf zurückgehend oder abenteuerlicherweise darauf reduzierbar. Nur mal gegen die sicherlich unterhaltsamere etymologische Mythenbildung.
    Und dass Theoretiker Leute sind, die erst mal nur spekulieren, ob mit guten oder schlechten Argumenten, muss ich als Experimentalwissenschaftler wohl kaum bestreiten 🙂

  101. @ kamenin: starke Naturalisten

    Dieser Alleingeltungsanspruch ist mir in Diskussionen häufig begegnet, daher schreibe ich, dass er oft vertreten wird.

    Es ist gerade eines der Probleme, dass Naturalisten oft nicht explizit machen (dafür habe ich hier schon zwei Beispiele genannt), was für einen Naturalismus sie eigentlich vertreten. Das habe ich hier mehrmals moniert und es hat niemand, auch du nicht, etwas dagegen unternommen, mehr Klarheit in die Diskussion zu bringen.

    Womöglich liegt das daran, dass man durch eine Ausformulierung — wie ich sie hier hypothetisch vorgenommen habe — natürlich angreifbar wird und dann deutlich sichtbar wird, dass die eigene Position, die man ins Gewandt der Wissenschaft kleidet, gar nicht wissenschaftlich ist. Das an einem starken Naturalismus vorzuführen, darum ging es ja gerade in meinem Artikel.

    Diesen defizitären Diskussonsstand kannst du mir nicht zum Vorwurf machen.

    Dass auch Du mir erst einen Vertreter “heraussuchen” müsstest, heißt doch nichts anderes, als dass auch Du nicht einen kennst, der diese Ansicht vertritt.

    Nein, das liegt einzig und allein daran, dass das keine triviale Angelegenheit ist, die ausführlicher Erörterung bedarf und ich davon ausgehe, dass diese Zeit in einer Diskussion mit dir nicht gut investiert ist — aus Gründen, die ich schon genannt habe.

    Wenn ich diese Frage des Wer relevant fände und wenn ich glaubte, dies würde zur inhaltlichen Diskussion um den Naturalismus etwas beitragen, dann würde ich diesen Standpunkt jetzt aus Sellars Science, Perception and Reality (alles ist letztlich physikalisch und auf die Physik reduzierbar) sowie aus Ulrich Kutscheras Äußerungen über den Zusammenhang von Geistes- und Naturwissenschaften herausarbeiten (nur die Naturwissenschaften untersuchen die Realität). Daran wird der Alleingeltungsanspruch schon deutlich.

  102. @ kamenin: theoria

    “Spekulation” ist nur eine Übersetzung von altgr. theoria; eine andere ist beispielsweise “Beobachtung”.

    theoria selbst kommt aber von theorein, beobachten, und das widerum von theoros, Beobachter.

    Dass ein Beobachter eben kein Theoretiker, sondern im heutigen Sinn gerade das Gegenteil ist, nämlich wissenschaftlich der Experimentator, das liegt doch auf der Hand! Damit ist das doch das beste Beispiel dafür, dass der Ursprung eines Worts einen völlig in die Irre führen kann, wenn man nach seiner Bedeutung forscht.

    (Webster’s New World College Dictionary, 4th edition)

  103. @ Schleim

    Vielleicht kommen wir uns über das Inhaltliche ja wieder näher:

    Sellars Science, Perception and Reality (alles ist letztlich physikalisch und auf die Physik reduzierbar)

    Du musst doch zugestehen, dass, wenn alles Physik sein sollte, wir dann von einer Physik reden, die auch Annahmen und Überprüfungswege umfasst, die wir heute nicht als naturwissenschaftlich oder als naturwissenschaftliches Experiment kennzeichnen würden. Auf dem Weg sind wir ja überhaupt erst in die Wortdebatte gekommen. Es geht doch nicht beides: eine radikal erweiterte Physik besprechen, aber in der nur Annahmen, die heute physikalisch formulierbar und überprüfbar sind, zulassen.
    Da ich das Buch nicht gelesen habe, frage ich einfach Dich, ob Du denkst, dass Sellars sich dessen nicht bewusst ist.

    Ulrich Kutscheras Äußerungen über den Zusammenhang von Geistes- und Naturwissenschaften herausarbeiten (nur die Naturwissenschaften untersuchen die Realität)

    Wenn ich Kutscheras Attacke richtig im Gedächtnis habe, ging es ihm darum, dass Kulturwissenschaften zu sehr in end- und ziellosem Diskurs mit den eigenen Äußerungen verfangen sind und sich zu wenig (bis gar nicht) um die Verifizierung ihrer Thesen kümmern, und eben darum der Realität nicht näher kämen — eine leicht frustrierte Sicht, die unter Naturwissenschaftlern nicht selten ist, unabhängig davon, ob die Naturalisten sind oder nicht.
    Das ist aber doch eine ganz andere These als die, dass man keine sinnvolle, richtige These nicht naturwissenschaftlich finden, formulieren oder überprüfen könnte.

    dann deutlich sichtbar wird, dass die eigene Position, die man ins Gewandt der Wissenschaft kleidet, gar nicht wissenschaftlich ist.

    Aber das sagt doch der Begriff Weltanschauung schon, den man gar nicht bemühen müsste, wenn Naturalismus an sich eine rein wissenschaftliche Position wäre. Wenn ein Naturalist das bestreiten würde, sollte man ihm allerdings heimleuchten; aber das finde ich auch nicht bei den ernstzunehmenden Naturalisten, wiewohl ich nicht bestreiten will, dass man sicher irgendwen finden kann — sozusagen das naturalistische Pendant zu den mosaisch Offenbarten. Die würde ich aber nicht als starke Naturalisten bezeichnen, sondern als weltanschaulich Herausgeforderte, so wie man sie in jeder Weltanschauung und vermutlich in jeder menschlichen Gruppe größer 10 antreffen kann.

    Diesen defizitären Diskussonsstand kannst du mir nicht zum Vorwurf machen.

    Ich empfehle den oben erwähnten Kolleg I. Ob Schmidt-Salomon sich als Vordenker des Naturalismus so gut eignet oder ob die Definition des Naturalismus in seinem Manifest überhaupt sein Ziel war, kann ich nicht beurteilen.

    Dass ein Beobachter eben kein Theoretiker, sondern im heutigen Sinn gerade das Gegenteil ist, nämlich wissenschaftlich der Experimentator, das liegt doch auf der Hand!

    Aber schon im Griechischen hat es die über die reine Beobachtung hinausgehende Bedeutung spekulieren, reflektieren, abwägen angenommen, was ganz gut wiedergibt, wie wissenschaftliche Theorie im Spannungsfeld zwischen Spekulation und Beobachtung stattfindet. Das Online Etymology Dictionary datiert “an explanation based on observation and reasoning” auf 1638.
    Dass sich aber Bedeutungen nicht verschieben oder für alle Zeiten festgeschrieben sind, habe ich nicht behauptet, bei allem Gefallen an etymologischen Nebenschauplätzen 🙂

  104. Alleinvertretungsanspruch d. Naturw.

    @ Kamenin/Schleim

    Auch wenn kein Naturwissenschaftler oder meinetwegen ein strenger Naturalist zu finden ist, der einen Alleinvertretungsanspruch für das was die Realität korrekt beschreibt formuliert, so ist es doch offensichtlich, dass dieser besteht. Und ist es nicht geradezu ein Zeichen von Macht, dass diese nicht offen zur Schau gestellt wird, sondern im dunkel, noch im Unbewussten verbleibt, damit nicht gesehen, nicht diskutiert und auch nicht angreifbar wird. Typische Zeichen sind das ignorieren, und wenn man das nicht mehr kann, das lächerlich machen und wenn man das nicht kann, kommt erst die offene Machtausübung, das Niedermachen, das Entmachten bis zur Bedeutungslosigkeit.

    Warum die Naturwissenschaften diesen Alleinvertretungsanspruch beanspruchen, ohne dies offen auf ihr Banner zu schreiben? Es ist vielleicht der Kampf des Verstandes gegen das Herz? Des Dualismus gegen die Spiritualität. Das Bedürfnis alles kontrollieren und berechenbar zu machen. Sich zum Schicksalmacher aufzuschwingen und Gott zu entmachten? Die Dunkelheit gegen das Licht?

    MfG Kaula

  105. @Dr. Kaula

    Dr. Kaula,
    sie verwechseln da etwas!
    Macht und „geistiger“ Alleinvertretungsanspruch sind seit ewigen Zeiten in den Religionen verankert, in unseren Breiten vor allem in der katholischen Kirche mit ihrem „Stellvertreter Gottes“.
    Mit diesem historisch gewachsenen Machtanspruch fordern die Christen ihre Bekräftigung durch eine europäische Verfassung und überall Mitspracherechte, besonders in den Schulen, Fernseh- und Rundfunkanstalten. Die christlichen Parteien werden in einer Woche auch wieder viel Macht von den Wählern erhalten.

    Die Geschichten von Giordano Bruno und Galilei sind unwiderlegbare Zeugnisse
    für die Brutalität, mit der die Naturwissenschaftler von der Kirche gegängelt wurden.
    Das Lesen bestimmter, „indizierter“ Bücher (z.B. I. Kant) zu verbieten, „Gotteslästerung“ als strafbare Handlung zu verfolgen, überall zeigen die militanten Christen und Islamisten ihre Intoleranz und ihren Alleinvertretungsanspruch für „Wahrheit“.

    Heute haben die Naturwissenschaften sich die Kraft erarbeitet, den religiösen Irrsinn zum großen Teil zu widerlegen, und damit schwindet die Macht der Kirche „gottseidank“.
    120 000 katholische Kirchenaustritte im letzten Jahr zeigen, wo es lang geht.

  106. Alleinvertretungsanspruch d. Religion?

    @Steffen Rehm
    Sehr geehrter Herr Rehm,
    Da bin ich völlig Ihrer Meinung, was das Mittelalter betrifft. Doch heute? Vielleicht wird Naturwissenschaftliche Weltsicht von vielen Naturwissenschaftlern heute genauso vehement verteidigt wie früher die Religion, weil man endlich ein Konzept hat wie die Welt funktioniert und wie es berechenbar ist. Der eine opfert eine Kerze und drei Vaterunser für eine gute Ernte und der andere ein paar Kaninchen im Namen der Wissenschaft, um irgend etwas herauszufinden. Beide reagieren sehr empfindlich, wenn man ihre Weltsicht hinterfragt, wenn man den scheinbar sicheren Boden auf dem ihr Weltkonzept steht, unter ihnen wegziehen will.

    Ein konkretes Beispiel:

    Ein Havard Professor namens John E. Mack wird auf das sog. Abductionphänomen aufmerksam, tausende von Menschen in der Welt haben seltsame Erlebnisse in denen sie von angeblichen Ausserirdischen entführt werden. Er untersucht mit seiner erlernten wissenschaftlichen Akribie dieses Phänomen und stellt fest, es ist ein reales Phänomen, nicht erklärbar, das unser physikalisches und unser “aufgeklärtes” westliche Weltbild arg ins Wanken geraten läßt.
    Es wird daraufhin versucht, ihn seiner Professorwürde zu berauben, völlig zu diskreditieren.

    Wer spricht übrigens offen von Reinkarnation? Dabei gehen schätzungsweise 90% der Psychiater und Psychotherapeuten (zumindest alle die ich beruflich kenne) davon aus, dass auch die Erinnerungen an frühere Leben ein reales Phänomen sind.

    Da gibt es eine spürbare gesellschaftliche Macht, die solche “Grenzwissenschaften” jenseits der Grenzen auch halten wollen. Es sind nicht Einzelpersonen, sondern ein kollektiver Vorgang.

    Es gibt psychologische Untersuchungen, die herausgefunden haben, dass wir 98% unserer Kommunikation im Alltag darauf verwenden, uns über unsere Weltsicht abzustimmen. Das sind meist banale Dinge, wie -was man anziehen darf und was nicht- aber so bauen auch rationale Wissenschaftler heftig mit an einem dann doch irrationalen unbewußten kollektiven Weltbild, das eben keinesfalls frei von Vorurteilen und frei von Wertungen ist, im Gegenteil das ist ein riesiges komplexes Vorurteil darüber, wie die Welt funktioniert. Und wehe jemand rüttelt daran.

    Was wäre denn, wenn es genau umgekehrt wäre, nicht die Materie ist Grundlage für das Geistige, sondern das kollektive Bewußtsein Grundlage dafür, wie die materielle Welt aussieht. Auch das ist ein Konzept, das aus sich selbst heraus nicht wiederlegbar ist und in sich schlüssig.

    MfG Kaula

  107. @Rehm: wegen Dr. Kaula

    Ich muss Herrn Dr. Kaula zustimmen, denn für Ignoranz sind einige Brainlogs-beiträge das beste Beispiel.
    Ich habe schon mehrmals darauf Aufmerksam gemacht, dass es sich bei den sogenannten Nahtod-Erlebnissen (NTEs) um eine selbstbeobachtbare Gehirnaktivität handelt. => d.h. dies wäre das ideale Thema für BRAIN-logs sollte man meinen.
    Was war/ist die Reaktion: pure Ignoranz.

    Ein guter Wissenschaftler hätte sich informiert, nachgefragt oder selbst nachgedacht. Denn wenn die Behauptung stimmt, dass man das eigene Gehirn bei der Arbeit beobachten kann, so würde dies einen neuen, bisher nicht beachteten Forschungsansatz ermöglichen.

    Und wie sieht es mit der Wissenschaft aus: Ausgerechnet der Theologe Prof. Dr. Küng geht davon aus, dass sich NTEs wissenschaftlich erklären lassen; weil der Tod unumkehrbar ist. D.h. wer solche Erlebnisse berichtet, war nie tot.
    Und die Medizin/Neurowissenschaft: ignoriert das Thema, bzw. sucht ausgerechnet nach übersinnlichen Phänomenen (Im ´The AWARE Study´ werden Bilder in Operationen so angebracht, dass man sie nur sehen könnte, wenn die Seele den Körper verlassen würde).

  108. Intuitiv überprüfbares Wissen

    Der Sprung von der Philosophie zur Esoterik ging ja ziemlich reibungslos.

    Hat das was zu bedeuten? 🙂

  109. @itz

    Dr Kaula schrieb sinngemäß, dass manche Wissenschaftler zur Ignoranz greifen oder andere Meinungen lächerlich machen – um das eigene Machtmonopol nicht zu gefährden.

    Möglicherweise bedeutet ihr Satz (Sprung von Philosophie > Esoterik) nur, dass Sie kein Wissenschaftler sind. 🙂 Ich kann das nicht beurteilen.

    Lesen Sie unter brainlogs > braincast > ´Bewusstsein = Arbeitsgedächtnis?´(18.4.09) und unter ´Neuro-Enhancement 1-Video´(18.4.2009) meine Beiträge nach. Meine Argumente sind nachprüfbar.
    Ich behaupte, dass Nahtod-Erlebnisse (NTEs) live selbstbeobachtbare Gehirnaktivitäten sind. Das ist ein totaler Gegenatz zur bisherigen Denkweise, bei der man NTEs als Sterbeerlebnisse-/-vorgänge betrachtete => und deshalb nie in der Lage war, ein vernünftiges Erklärungsmodell anzubieten.
    D.h. die Wissenschaft (Medizin/Gehirnforschung) hat sich seit dem Erscheinen des Buches ´Leben nach dem Tod´ 1975, der Esoterik untergeordnet und so über 30 Jahre lang
    eine Möglichkeit zur Erforschung des Gehirns ignoriert. Unwissenschaftlicher geht es wohl kaum noch.

    Die einzigen, die sich wissenschaftlich korrekt verhalten haben, sind ausgerechnet die Theologen/Kirchen:
    Prof.Dr. Hans Küng geht davon aus, dass man NTEs wissenschaftlich erklären kann. Die Kirchen erkennen NTEs als reale Erlebnisse an, verneinen aber, dass es sich dabei um spirituelle Erlebnisse handelt. Allerdings stimmen sie zu, dass NTEs zu einem spirituellen Erlebnis führen kann (als Folge des NTEs).

  110. @ Dr. Kaula

    Schade, ihr letzter Beitrag war leider nicht so gut, wie der Vorletzte.

    Erinnerungen an frühere Leben sind nicht möglich, da das Gehirn jeweils immer neu gebildet und mit neuen Inhalten versehen wird. Das erste was man Erinnern kann, sind – im Rahmen von Nahtod-Erlebnissen -einige Erfahrungen ab dem 6. Schwangerschaftsmonat. Und diese Erinnerungen sind nicht sehr vielfältig, da der Fetus zu diesem Zeitpunkt weder Sprache versteht, und auch noch nicht weiß, dass er ein eigenständiges Lebewesen ist. Z.B. das sogenannte Tunnelerlebnis ist die gespeicherte Erinnerung an die Entwicklung des Sehsinnes.

    Und die angebliche Entführung durch Außerirdische – ist längst wiederlegt. Das hängt damit zusammen, dass unsere Erinnerungen verfälscht werden können.

  111. @ kamenin: Physik usw.

    Der Physikalismus in seinen unterschiedlichen Spielarten war im 20. Jahrhundert und ist doch immer noch in akademischen, nicht nur philosophischen Kreisen vertreten. Ich meine, vom Erfolg der Physik inspiriert haben viele die Annahme vertreten, alles lasse sich letztlich auf physikalische Vorgänge reduzieren, mithilfe der Physik erklären; Sellars zog daraus die Konsequenz, dass es unsere Objekte im Makro-Bereich nicht geben könne; mit der Idee der Mikroreduktion bringe ich auch den Namen Heisenberg in Verbindung.

    Mich haben diese Annahmen nie recht überzeugt; nicht zuletzt aufgrund meiner eigenen Erfahrungen in der wissenschaftlichen Welt; die Reduktion klappt doch schon innerhalb der Naturwissenschaft nicht mehr. Ich denke, im Gegenteil entwickeln sich durch immer neue Subdisziplinen die Fragen voneinander weg, nicht aufeinander zu. Kürzlich habe ich gehört, selbst innerhalb der Plasmaphysik gebe es eine derartige Spezialierung, dass Plasmaphysiker 1 nicht mehr wirklich versteht, worüber Plasmaphysiker 2 spricht.

    Wie man also diese Annahme vertreten kann, alles sei physikalisch und durch die Physik erklärbar, leuchtet mir nicht ein; andererseits hast du in einer anderen Diskussion doch den Standpunkt vertreten, auch die psychischen Phänomene ließen sich prinzipiell naturwissenschaftlich erklären. Da hat der Mikroreduktionismus schon seine Fuß in der Tür: Was sind dann die psychischen Prozesse anderes als Hirnprozesse, und was sind diese anderes als grundlegendere, physikalische Prozesse?

    Ich gebe dir aber Recht, dass man vernünftigerweise nicht die Physik in ihrer heutigen Form meinen kann; dann würde natürlich die Frage aufkommen, welche Physik meint man dann?

    Die Kernthese Kutscheras scheint mir zu sein, die Naturwissenschaft untersuche die Realität direkt, die Geisteswissenschaft nur die Sprache der Realität; daher komme der privilegierte Zugang ersterer. Dein Argument ist ja ein soziologisches, dass man sich anschaut, wie Geisteswissenschaft heute funktioniert und das bewertet. Einerseits lässt sich das wahrscheinlich gar nicht so allgemein beantworten, denn die Standards dürften zwischen den Disziplinen und Schulen stark variieren.

    Andererseits, und das ist mein wichtigerer Punkt, sind auch naturwissenschaftliche Untersuchungen, Berichte, Veröffentlichungen durch Theorien und damit Sprache vorgeprägt und werden sie letztlich sprachlich formuliert, sind also Sprachakte. Wie nah man mit den heutigen Maschinen- und Computeraufbauten wirklich an der Realität ist, darüber mag man spekulieren; aber wie wollte man diese Frage anders beantworten als wieder auf den Erfolg der Naturwissenschaft zu verweisen?

    Ich würde es begrüßen, wenn man sich offen zu seiner Weltanschauung bekennt, auch wenn man einen Naturalismus vertritt. Ich nehme an, wenn ich diese Diskussion mit Schmidt-Salomon führen würde, nicht mit dir, würde er auch einräumen, dass sein Humanismus eine Weltanschauung ist; dennoch schildert er bestimmte, meines erachtens sehr spekulative Interpretationen für das Menschenbild als wissenschaftliche Erkenntnis. Eine Textstelle habe ich hier schon zitiert. Vollmer verhält sich meiner Erinnerung nach ähnlich aber da habe ich gerade keine Textstelle parat.

    Dein etymologisches Fazit in Ehren aber es scheint mir zu verkennen, dass theoria zwar tatsächlich diese wechselseitigen Aspekte beinhaltet, wiederum aber von Worten abstammt, die nur noch die Bedeutung “Beobachtung” bzw. “Beobachter” zu haben scheinen (siehe mein Quellenzitat oben). Insofern scheint mir meine Schlussfolgerung angemessen, dass das Wort seinem Ursprung nach die gegenteilige Bedeutung von dem hat, was wir heute damit meinen.

  112. @ Kaula, Rehm: Machtansprüche

    Ich halte es allein schon im Interesse eines umfassenden Geschichtswissens für wichtig, die Gewalt im Namen der Kirche aufzuarbeiten. Sind die Gewalttaten aber deshalb christlich? George W. Bush hat seine Politik im Namen Gottes verkündet. Ist sie deshalb christlich? Einen Tag nach seiner Ansprache vor dem UN-Parlament sagte Chavez am selben Rednerpult, gestern habe dort der Teufel gesprochen. Ist das christlich?

    Gläubige Christen heutzutage im Lichte der mittelalterlichen Kirche zu bewerten scheint mit ebenso unangemessen, wie die heutige Wissenschaft im Lichte der frühen Royal Society zu bewerten — damals hatten manche Wissenschaftler ausgeprägt alchemistische Vorstellungen. War nicht Newton auch ein großer Alchemist seiner Zeit?

    Die Seifenoper-Interpretation des Falls Galilei finde ich nicht überzeugend. Tatsächlich ist unser historisches Wissen hier nicht so gut, wie gemeinhin angenommen wird. Es gibt Hinweise darauf, dass Galilei das Opfer von Machtinteressen wurde — jedoch nicht kirchlicher, sondern naturphilosophischer. Die damaligen Naturphilosophen sahen sich demnach in ihrem Welterklärungsanspruch bedroht und haben die Kirche instrumentalisiert, um ihren Opponenten mundtot zu machen.

    Wenn Galilei in den Augen der Kirche so furchtbar war, wie kommt es dann, dass dass er schon im Jahr 1734, also ca. 90 Jahre nach seinem Tod, von seinem eher unscheinbaren Grab in heiligen Grund umgebettet wurde, nämlich in die Kirche Santa Croce, wo auch Michelangelo und Machiavelli begraben liegen? Die Erlaubnis dafür war direkt aus Rom gekommen. Wieso hätte ihm die Kirche dann 1734 an seinem neuen Grab schon ein Denkmal setzen sollen mit der Inschrift (in deutscher Übersetzung): “Galileo Galilei, Florentinischer Patrizier, sehr großer Innovator der Anstronomie, der Geometrie und der Philosophie. Er kann nicht mir irgend jemand seiner Zeit verglichen werden. Möge er gut ruhen.”

    Kommen wir in die Gegenwart zurück: Warum werden Wissenschaftler, die bestimmte Ansichten, beispielsweise über die Evolution, anzweifeln, diskreditiert? Warum muss ein Universitätspräsident zurücktreten, wenn er parapsychologische Phänomene wissenschaftlich untersucht?

    Die Geschichte ändert sich; die Institutionen ändern sich; aber dass es Menschen mit großem Machtstreben gibt, die ihre Macht auch zum “Ausschalten” von Gegnern benutzen, das ist meines Erachtens immer so gewesen und ich wüsste nicht, warum gerade die heutige Wissenschaft (als Institution, nicht als Ideal) hier anders sein sollte. Gestern habe ich wieder an einem Artikel über einen Pharma-Skandal gearbeitet, in den auch biomedizinische Wissenschaftler verwickelt sind. Sind das Engel?

  113. @ KRichard: Nahtod

    Was die “Ignoranz” der Brainlogger betrifft, hatten wir meiner Erinnerung nach schon einmal einen Schlagabtausch.

    Ich finde es etwas übertrieben, von anderen zu erwarten, dass sie Ihre Ansichten aufgreifen müssen. Schließlich gibt es so viele Interessengebiete im und um das Gehirn herum.

    Wenn ich Sie wäre, würde ich mir einen Wissenschaftler suchen, der sich mit diesen Fragestellungen ausdrücklich beschäftigt und mich mit diesem darüber austauschen.

  114. @Schleim: Naturalismus

    das Thema hier ist ´Naturalismus´ – oder habe ich etwas falsch verstanden.

    Und wenn ich am/mit Beispiel der Nahtod-Erlebnisse darauf hinweise, dass sich die intellektuelle Sichtweise mancher Mediziner/Neurologen unter/auf dem Niveau unbewiesenen esoterischen Gedankengutes befindet (z.B. The Aware Study), dann spricht dies nur die wissenschaftliche Basis der Naturalismus-Idee an. => Naturalismus ist nicht widerspruchsfrei vertretbar.

  115. @ Schleim

    Das Verständnis von Reduktion verstehe ich nicht: natürlich bilden sich immer mehr Unterbereiche in der Forschung, aber doch nicht, weil wir immer mehr unbeschreibbare Phänomene finden, sondern weil wir mit den gefundenen grundlegenden Zusammenhängen immer mehr Bereiche der Natur beschreiben können. Wenn ich mir in der Biophysik andere Unterfelder ansehe, die sich mit mir nicht vertrauten Methoden nicht vertraute Systeme und Effekte ansehen, dann verstehe ich natürlich erst mal wenig. Weil aber alles verbunden ist und entlang der Strecke an jedem Punkt gearbeitet und publiziert wird und wurde, weiß ich sehr genau, auf welchem Weg ich mir das Wissen im Zweifelsfall aneignen kann, ohne das irgendwo ein Schild stände: “und hier passiert ein Wunder.”
    Die Einheit des Finanzsystems wird doch auch nicht dadurch definiert, dass ein Bankangestellter alles versteht, was ein Steuerberater wissen muss und umgekehrt.

    Sellars zog daraus die Konsequenz, dass es unsere Objekte im Makro-Bereich nicht geben könne;

    Wenn er damit meint, dass das, was wir als unsere Makro-Objekte ansehen, in Wirklichkeit geistige Konzepte und Abstraktionen sind (bestehend aus Mikro-Objekten welcher Art auch immer, um nicht gleich im Idealismus zu landen) bzw. man auch unterscheiden muss zwischen dem Objekt und der geistigen Repräsentation, dann sind das doch der Philosophie nicht besonders unbekannte Gedanken. Also nur, wenn es das ist, was er sagt.

    Wie man also diese Annahme vertreten kann, alles sei physikalisch und durch die Physik erklärbar, leuchtet mir nicht ein; andererseits hast du in einer anderen Diskussion doch den Standpunkt vertreten, auch die psychischen Phänomene ließen sich prinzipiell naturwissenschaftlich erklären.

    Als spekulative Möglichkeit, ja, weil ich im Moment sehr viele praktische und wissenschaftliche Schwierigkeiten, aber keine prinzipielle Unmöglichkeit mehr sehe. Zu Descartes’ Zeiten war eine solche Unmöglichkeit jedenfalls viel plausibler zu denken.

    Andererseits, und das ist mein wichtigerer Punkt, sind auch naturwissenschaftliche Untersuchungen, Berichte, Veröffentlichungen durch Theorien und damit Sprache vorgeprägt und werden sie letztlich sprachlich formuliert, sind also Sprachakte.

    Weswegen ich es ja ablehne, Naturwissenschaft eine spezielle erkenntnistheoretische Sonderrolle zuzuschreiben, nur weil sie (notwendigerweise) im Labor oder unter Zuhilfenahme von Mathematik stattfindet. Der Erfolg der Naturwissenschaften beruht auf den Überprüfungskriterien und der ständigen Mühe, Phänomene zu isolieren und detailliert zu beschreiben. Das wird auf anderen Bereichen natürlich auch angewandt, auch wenn man sie da mit anderen Begriffen bezeichnet oder überhaupt Phänomene untersucht, die sich der Isolierung und vor allem der mathematischen Beschreibung hartnäckiger verweigern.
    Wenn Sprachlichkeit oder die Beschränktheit des menschlichen Horizonts Erkenntnisgewinn unmöglich machen würde, könnte Naturwissenschaft auch nicht funktionieren.

    Ich nehme an, wenn ich diese Diskussion mit Schmidt-Salomon führen würde, nicht mit dir, würde er auch einräumen, dass sein Humanismus eine Weltanschauung ist; dennoch schildert er bestimmte, meines erachtens sehr spekulative Interpretationen für das Menschenbild als wissenschaftliche Erkenntnis.

    Ja, sprachliche Unklarheiten sind zu vermeiden. Selbst wenn man nicht jede Skepsis teilt, ist ein “legt nahe” immer besser als “zeigt”, gerade auf dem Gebiet der Neurowissenschaften.
    Allerdings, und das ist eine weitere Schwierigkeit im Naturalismus, ist die Grenze zwischen einer wissenschaftlichen und einer weltanschaulichen Spekulation da nicht immer leicht zu ziehen. Theoretisch ist auch der Naturalismus selbst falsifizierbar, aber praktisch vermutlich nur durch ein so besonderes Auftreten von so klar nicht-naturalistischen Phänomenen, dass man die kaum diskutieren kann, ohne im weltanschaulichen Bereich zu landen. Das ist bei Einzelfragen aber nicht immer klar zu trennen, darum mag da manches, was Du schon für abenteuerlich-weltanschaulich spekulativ hältst, von demjenigen für ganz statthafte wissenschaftliche Spekulation angesehen werden.
    Wenn man alles für Natur und damit möglicherweise für wissenschaftlich beschreibbar hält, hat man halt nicht diesen klar abgetrennten Bereich Weltanschauung, von dem man ausgeht, dass Wissenschaft prinzipiell nie etwas über ihn aussagen könne.
    Missverständnisse sind da fast vorprogrammiert.

  116. @ Schleim: Berichtigung

    geistige Konzepte und Abstraktionen sind (bestehend aus Mikro-Objekten welcher Art auch immer, um nicht gleich im Idealismus zu landen)

    Um nicht gleich das nächste Missverständnis zu erzeugen: da fehlt ein “über Strukturen” am Anfang der Klammer; die Makro-Objekte bestehen hier aus Mikro-Objekten, das ist gemeint. Ob das für die Konzepte und Abstraktion auch gilt, wollte ich erst mal offenlassen 🙂

  117. Folgen eines konsequenten Naturalismus

    @KRichard,Schleim

    Machen wir mal das Gedankenspiel,im Rahmen der Naturwissenschaften zu Ende zu denken, wenn es denn ein Ende gäbe.

    Der Mensch, also ich, Sie werden durch die Wissenschaft so beschrieben, dass alle physiologischen- und alle lebens- und auch alle psychischen Prozesse einschließlich Tod und Geburt und das Erwachen zum Ich erklärt werden können. Wir sind dann biologische Roboter, zwar überaus komplex, aber Materie, die ein komplexes Funktionieren ausmacht und dazu gehört die Illusion, ein Ich, ein fühlendes Selbst zu haben.

    Wer würde dann noch Skrupel haben, einen Menschen auszuschalten wie eine Maschine?

    Das ist die Folge objektiver Naturwissenschaft. Alles wird zum Objekt. Und damit man es zum Objekt machen kann, damit es still hält und dem Griff nicht entgleitet, muss die Wissenschaft es erst einmal bildlich töten.

    Der andere Weg, der subjektiver Wissenschaft ist es, sich hinzusetzen, die Augen zu schließen und über den Kern seines Ich, seiner Seele nachzusinnen. Das ist Meditation, Innenschau. Völlig subjektiv. Hier kommt man, wie Experten dieser Wissenschaft sagen, zu der Erkenntnis, dass es eine lebendige Seele gibt, die alles durchdringt und geschaffen hat.

    MfG Kaula

  118. @Kaula

    Sie denken falsch – wenn man etwas besonders gut kennt, dann führt dies nicht dazu, dass daraus ein wertloses sachliches Objekt wird – sondern meist dazu, dass man es* besonders schätzt.

    * Z.B. In einer Partnerschaft führt gerade die besondere Vertrautheit dazu, dass man den/die Partner/in besonders schätzt.
    Und denken Sie auch an den Kleinen Prinz: in einem Feld volle Rosen, war ihm eine einzige besonders wertvoll, weil er sie kannte.

    Und wenn man den Menschen bis in seine letzte Funktionseinheit entschlüsseln könnte, so wird er dadurch nicht entwertet – sondern man hat eventuell Möglichkeit gefunden auch bisher unbehandelbare Krankheiten zu heilen.

  119. @Kaula, II.

    Ich habe gerade den Rasen gemäht, und weil dies bekanntlich eine meditative Tätigkeit ist – sind mir noch ein paar Anmerkungen eingefallen:

    Wir Menschen haben kein Gehirn, sondern wir sind das Gehirn. Dieser Gesichtspunkt wird bei Ihrem letzten Beitrag leider übersehen. Unser Gehirn bildet das ganze Leben lang im Hippocampus neue Neuronen. Wenn wir etwas neues Lernen, dann werden diese gebraucht. D.h. unser Gehirn will also, dass wir das ganze Leben lang lernen – sonst würde es nicht dauernd diese Vorarbeiten machen (Neuronen-Produktion).

    Mit Ihrer Ablehnung von neuem Wissenserwerb streiten sie doch gleichzeitig dem Gehirn (und damit dem Menschen) seine Existenzberechtigung ab.

    Jetzt habe ich Ihre Gedanken zu Ende gedacht – von Menschlichkeit bleibt da nichts mehr übrig. Vielleicht sollten Sie etwas weniger Meditieren 🙂

  120. Der Mensch ist das Gehirn?!?

    @KRichard
    Der Mensch ist sein Gehirn. Das ist konsequent zu Ende gedachte Naturwissenschaft. Das meine ich ohne Ironie. Doch sind wir die Materie oder der Ornungszustand, die Information?

    Wenn wir, wie Sie sagen, die materielle Grundlage sind, das Gehirn, dann meinen Sie wohl kaum das tote Gehirn? Sie meinen das lebendige funktionierende Gehirn, eben das Ganze.

    Dieses Ganze ist ja nicht durch die Teile definiert, sondern durch das komplexe geordnete Zusammenspiel dieser Teile, letztlich des Ordnungsgrades dieses Ganzen und seiner Interaktion mit der Umwelt. (Ohne Umwelt, ohne Reize und Reizverarbeitung wären wir nicht.)

    Man kann heute technische Sensoren z.B. als Hörhilfe implantieren. Denkbar wäre es sogar, wenn man die entsprechenden synaptischen Verbindungen technisch ansteuern könnte, spezialisierte Neuronengruppen durch technische Bauteile zu ersetzen, also sogar das Auge. Wenn man immer mehr solche Baugruppen ins Hirn einbauen könnte, voraussgesetzt die Neurowissenschaftler wären so weit, aber nur einmal gedacht. Vielleicht ist man dann irgendwann in der Lage, das Bewußtsein eines Menschen nach und nach auf einen Maschiene zu übertragen.

    Was ist dann der Mensch, der Ordnungsgrad, die Information? Eine Information, die man ähnlich wie die Information in einem Roman auch auf eine CD, digital oder irgend einen anderen anderen Träger, eine andere materielle Grundlage, übertragen kann?

    Nun dann wäre das, was den Menschen ausmacht, schließlich zwar an eine materielle Grundlage gebunden, aber dennoch immateriell.

    Wenn der Mensch also Information, Ordnung ist, dann frage ich Sie,

    Wer erschafft einen Roman, der Autor, oder das Papier auf dem der Roman gedruckt wurde?

    MfG Kaula

  121. zum Nachdenken

    “…Oder wenn ich in meinem Schädel bin, hinter den Augen stehe,
    und hinaus geschaut, durch die Linsenhaut,
    sag mir, was ich dann sehe.

    Schau ich aus mir raus, schau ich in mich rein?
    Liegt die ganze Welt nur in mir zum Schein!
    Existiere ich, oder bin ich tot?
    Bin ich Teil der Welt, oder bin ich Gott?” (Knorkator)

  122. Knorkator

    @Hilsebein,
    Und da die Frage ihn aufrichtig im Herzen bewegte,
    und da dem aufgetan, der da klopfe an,
    da sprach es von innen zu ihm:
    Die Augen sind nur dein Spiegel,
    es ist Dein eigenes Bild, das Du schaust,
    doch hast Du keine letzte Form,
    Du machst sie selbst.
    Du bist wer Du bist,
    Wer willst Du sein?
    (Autor unbekannt, denk ich mal)

  123. @Kaula: Was ist Mensch?

    Man hat Experimente gemacht, bei denen die Versuchspersonen längere Zeit nur mit Werkzeugen(Greifer) arbeiten durften. Dadurch hat sich das Gehirn so umstrukturiert, dass diese Werkzeuge als Teil des eigenen Körpers betrachtet wurden. Dies war u.a. durch erkennbar, weil die Versuchspersonen nach dem Ablegen der Werkzeuge einige Zeit brauchten, um sich wieder normal (wie vor dem Versuch) zu bewegen.
    D.h. technische Hilfsmittel werden heute schon vom Gehirn ´adoptiert´.

    Der Mensch ist sein Gehirn, das ist richtig. Aber zum Menschsein gehört auch das ganze Umfeld (z.B. der Körper). Außerdem arbeitet das Gehirn sehr fehlerhaft – z.B. versucht es aus aktuellen Sinneseindrücken oder beim Erinnern immer etwas sinnvolles zu konstruieren. Aus diesem Grund ist es nie möglich die Informationen des Gehirnes auf eine CD zu übertragen. Wir sind eben nicht nur digitale Information: wir (unser Denken) sind in einem Rückkopplungsprozess auch dem Einfluss von Sinneseindrücken, von Hormonen und von Fehlern unterworfen.
    Wir Menschen sind daher in der Lage, über uns selbst nachzudenken – das ist, neben der Kunst Feuer zu machen – der wichtigste Unterschied zu Tieren; – das ist aber auch ein Grund, wieso wir Gehirnforschung betreiben müssen.

  124. Der Mensch ist das Gehirn?

    @KRichard
    Ein bekanntes Beispiel ist ja das der einige Tage getragenen Umkehrprismen, die das Bild auf den Kopf stellen. Nach einigen Tagen bereits stellt das Gehirn das Bild wieder richtig. Die selben Probleme bekommt man dann beim erneuten Absetzen dieser Prismenbrille, man will ja nicht ewig so rumlaufen.

    Oder die Anwendung von fortschrittlichen Arm und Handprothesen, die nach einer Zeit als Teil des Körpers empfunden wären.

    Oder nach einem (kleineren) Apoplex übernehmen oft andere Hirnareale die selbe Funktion, ohne dass man einen verbleibenden Defekt merken würde.

    Es gibt auch junge Erwachsene, denen in der Kindheit wegen schwerster untherapierbarer Epilepsie eine Großhirn-Hemisphäre entfernt wurde und die diesen Eingriff auch überstanden haben, die kaum eine Habseitensymptomatik haben und sich wesentlich unauffällig entwickeln!

    Aber es gibt bereits Rechner, die diese Flexibilität zeigen. Zum Beispiel Spracherkennungssoftware.

    Nun ich denke, eine wirkliche Antwort auf meine Fragen haben Sie mir aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht gegeben.

    Doch das erwarte ich gar nicht. Und damit zurück zum Thema.

    Die Naturwissenschaften können die Welt nicht bis ins Letzte wiederspruchslos erklären. Es gibt Bereiche in denen wir mit objektiven Methoden nicht vorankommen.

    Logischerweise sind das Bereiche des Subjekts und alle Bereiche in denen das Subjekt integraler Teil ist. Also das Ich und das Ganze. In dem Bereich dazwischen funktioniert Objektivität ganz gut, in einem Bereich in dem das Subjekt sich gaaaanz klein und unscheinbar machen kann und das Objekt der Untersuchung nicht beeinflusst.

    Letztlich aber, ist das Subjekt, der Forscher, das Bewußtsein jedoch immer Teil und daher keine Erkenntnis, keine Forschung im konsequenten Sinne objektiv.

    Das bedeutet aber nicht, dass man in dem Bereichen, die nicht zu einem Objekt gemacht werden können, man nicht zu wahren Erkenntnissen kommen kann. Auch Professor Mack schreibt, dass es einer inneren Öffnung für die Lösung bedarf. Es ist eine Art Demut, die man entwickeln muss, ein ehrliches Fragen nach Innen (Ein Anklopfen), ohne Vorurteil ohne Wertung. Erst dann erschließen sich die Antworten innen oder außen, (so man denn Ohren hat zu hören, wird einem aufgetan).

    Diese Demut können religiöse Menschen ebenso vermissen wie Naturwissenschaftler und sie beharren deshalb starr auf ihrer Vorgefassten Meinung.

    Deshalb ruft Herr Schleim, mehr als berechtigt, ja unbedingt notwendig, zur Toleranz auf, wie man mit anderen Erkenntniswegen umgeht. Lassen sie es uns versuchen.

    Wissen Sie was uns die angeblichen Ausserirdischen angeblich vorwerfen? Unsere spirituelle Entwicklung, in Richtung Liebe, die spirituelle Reife hat nicht Schritt gehalten, mit unserem technischen Fortschritt und so steht unser Planet jetzt vor einem Abgrund.

    Naturwissenschaft ist immer neutral, es hängt davon ab, mit welchem Geist man sie betreibt, aber natürlich hat sie ihre Grenzen. Und ein bischen Religion schadet niemanden und mal zu beten mit kindlichem Herzen, ist nicht lächerlich.

    MfG Kaula

  125. @Kaula: Identität

    Wir Menschen sind ein dynamisches System; das haben Sie mit Ihren Beispielen auch sehr schön gezeigt.
    Ein solches System kann man aber nicht starr beschreiben (z.B. Gehirninhalt auf Computer/CD speichern) – denn auch einige Außenparameter sind nicht fassbar (z.B. beeinflusst bereits das Wetter, wie unsere Stimmung ist.

    Ich möchte nur kurz auf Wissenschaft und wissenschaftliche Antworten eingehen:
    Mit Beiträgen am 24./25.9. habe ich darauf hingewiesen, dass das Thema ´Nahtod-Erlebnisse´ (NTEs)seit über 30. Jahren wissenschaftlich ignoriert wird. Im Rahmen von NTEs kann man das eigene Gehirn live bei seiner Tätigkeit beobachten, wenn es das episodische Gedächtnis durchsucht und Inhalte neu bewertet, bevor sie bewusst werden. Bzw. wenn es eine Simultion erstellt.

    Bei NTEs kann man sich u.a. an fetale Sinneseindrücke ab dem 6. Schwangerschaftsmonat erinnern.
    D.h. im Eigenverständnis unseres Gehirns beginnen die Lebenserinnerungen – der erinnerbare Lebenslauf – und damit die eigene Gehirn-Identiät ab dieser Zeit.
    Für unser Bewusstsein(ICH) beginnt die eigene ICH-Identität erst ab dem Zeitpunkt, zu dem man sich als eigenständige Person wahrnimmt, bzw. in der Lage ist, die eigenen Empfindungen sprachlich zu beschreiben (ca. mit 1,5 Jahren).

    => eine Wissenschaft, welche derartig weitreichende Beobachtungen ignoriert, ist Pfusch – und das (Ignoranz) war genau der Punkt, weshalb Naturalismus ungeeignet ist, unsere Wirklichkeit zu beschreiben.

  126. @ Kamenin: Reduktion usw.

    “Reduktion” meint hier nicht, dass unterschiedliche Wissenschaften und Unterdisziplinen nicht wissenschaftssoziologisch und -historisch zusammenhängen, sondern dass sich (in den Naturwissenschaften) die gesetzmäßigen Aussagen und Theorien auf grundlegendere Gesetze zurückführen (d.h. reduzieren) lassen. Gewissermaßen sind die Einzel- und Unterwissenschaften dann Spezialfälle einer wie auch immer gestalteten grundlegenden Physik. Mich hat dieses Bild allerdings nie wirklich überzeugt.

    Wenn er damit meint, dass das, was wir als unsere Makro-Objekte ansehen, in Wirklichkeit geistige Konzepte und Abstraktionen sind […]

    Nein, es geht hier um keinen Mentalismus, sondern einen strengen, ontologischen Physikalismus. Wenn man auf der grundlegendsten Ebene (welche auch immer das sein mag) schon eine vollständige Realität hat inklusive Eigenschaften, Kausalkräften usw., dann stellt sich für manche Metaphysiker eben die Frage, wie Real diese Makro-Welt ist, die uns erscheint.

    Als spekulative Möglichkeit, ja, weil ich im Moment sehr viele praktische und wissenschaftliche Schwierigkeiten, aber keine prinzipielle Unmöglichkeit mehr sehe. Zu Descartes’ Zeiten war eine solche Unmöglichkeit jedenfalls viel plausibler zu denken.

    Gut. Es ist aber schon ein Unterschied, ob man “keine prinzipielle Unmöglichkeit” sieht oder eine “prinzipielle Möglichkeit”. Man ist dann schnell bei Sätzen wie: “Das (z.B. der Mensch) ist nichts anderes als…” Da kann ich dir spontan Belege für aus dem Ärmel schütteln, wenn du Zweifel hast, dass Naturwissenschaftler solche Aussagen machen.

    Weswegen ich es ja ablehne, Naturwissenschaft eine spezielle erkenntnistheoretische Sonderrolle zuzuschreiben, nur weil sie (notwendigerweise) im Labor oder unter Zuhilfenahme von Mathematik stattfindet.

    Gut, dann bist du also anderer Meinung als Kutschera. Finde ich sympatisch.

    Allerdings, und das ist eine weitere Schwierigkeit im Naturalismus, ist die Grenze zwischen einer wissenschaftlichen und einer weltanschaulichen Spekulation da nicht immer leicht zu ziehen.

    …was einen meines Erachtens zur Zurückhaltung verpflichten sollte, damit man nicht leichtfertig Aussagen als Wissenschaftlich ausgibt, die es gar nicht sind (vgl. Schmidt-Salomon).

    Theoretisch ist auch der Naturalismus selbst falsifizierbar, aber praktisch vermutlich nur durch ein so besonderes Auftreten von so klar nicht-naturalistischen Phänomenen, dass man die kaum diskutieren kann, ohne im weltanschaulichen Bereich zu landen.

    Damit sind wir schon wieder mitten im Missverständnis. Vielleicht meinst du “nicht-natürliche”, also “übernatürliche” Phänomene? Da könnten wir jetzt wieder lange drüber streiten.

    P.S. Entschuldigung übrigens für die Verzögerung. Ich bin gerade in die Niederlande umgezogen.

  127. @ Kaula: Subjekt und Objekt

    Ich habe den Eindruck, Ihr Gedankenexperiment läuft letztlich auf die Unterscheidung von Deskription und Präskription hinaus. Das ist eine auch in jüngerer Zeit wieder vermehrt wieder akademisch geführte Diskussion, inwiefern wissenschaftliche Erkenntnisse normative Auswirkungen haben kann.

    Wenn wir ans geltende Recht denken, dann sehe ich erst einmal keine Gefährdung, dass man Menschen so wie Roboter abschaltet. Natürlich ist das Recht aber auch flexibel und es könnte natürlich sein, dass die Hemmschwelle, in den als Maschine verstandenen Menschen einzugreifen, dadurch geringer wird. Die Kernfrage wäre, wie es um die Menschenwürde angesichts solcher Erkenntnisse stünde.

    Persönlich glaube ich, dass es keine solche vollständige Wissenschaft des Menschen geben wird; wenn man sich die Experimente kritisch anschaut, dann wird sehr schnell klar, wie reduziert dieser hier untersuchte Mensch ist.

    Man muss nur aufpassen, diesen experimentellen Menschen nicht mit dem echten zu verwechseln — darum wird es in meiner Arbeit in den kommenden Jahren gehen; und eben auch hier im Blog.

  128. @ Kaula: halbseitiger Verlust

    Es gibt auch junge Erwachsene, denen in der Kindheit wegen schwerster untherapierbarer Epilepsie eine Großhirn-Hemisphäre entfernt wurde und die diesen Eingriff auch überstanden haben, die kaum eine Habseitensymptomatik haben und sich wesentlich unauffällig entwickeln!

    Hier möchte ich doch mal einschreiten. Da ich in der aktuellen Ausgabe von Gehirn&Geist über den Fall eines jungen Mädchens geschrieben habe, das mit nur einer Gehirnhälfte auf die Welt kam, habe ich mich aktuell etwas mit der Thematik befasst.

    Dieses Mädchen kann zwar erstaunlich viel sehen — und zwar auf beiden Seiten –, weist aber messbare Defizite im kontralateralen Gesichtsfeld auf. Auch im motorischen Bereich gibt es Unterschiede.

    Bei einem Kind oder Jugendlichen dürften zwar Ausfälle im Gehirn noch vergleichsweise gut kompensierbar sein, dass jedoch der Verlust einer ganzen Hemisphäre dann noch ausgeglichen werden kann, das wage ich zu bezweifeln.

  129. @ Stephan

    Schade, dass in dieser interessanten Diskussioon niemand Jürgen Bolts Vorschlag aufgegriffen hat, Gerhard Vollmers Artikel “Was ist Naturalismus?” zu diskutieren. Ich wäre neugierig zu erfahren, woran Vollmers Argumentation kranken soll.

  130. @ Edgar: Vollmer

    Den Vorschlag fand ich auch gut, konnte ich aus Zeitgründen aber nicht direkt umsetzen; schließlich bin ich gerade ins Ausland umgezogen.

    Bei Gelegenheit will ich mich aber damit beschäftigen und mein Ergebnis, wenn ich es für interessant genug halte, wahrscheinlich in einem anderen Beitrag vorstellen.

  131. @ Stephan Schleim: Vollmer

    Prima! Wo genau bist Du nochmal in Holland. Du musst beim nächsten Treffen in dem Fall mal von Deinen Erfahrungen berichten. Für Liberale ist Holland ja ein lebendes Experiment.

  132. “Nullhypothese der Naturwissenschaften”

    Lesenswert, gerade auch im Zusammenhang mit der Diskussion hier, erscheint mir neben Vollmers Aufsatz auch das hier:
    Martin Neukamm, “Der ontologische Naturalismus ist keine Ideologie, sondern die Nullhypothese der Naturwissenschaften”

  133. @ Balanus

    Danke für den Link; werde ich mir bei Gelegenheit mal anschauen.

    Ist der Vergleich mit der Nullhypothese aber stimmig? Die will man doch verwerfen.

  134. @Stephan Schleim


    Wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann ist das gerade der Clou an der Sache: Sobald nachgewiesen werden kann, dass übernatürliche Phänomene wie echte Wunder in der realen Welt tatsächlich Wirkung entfalten können, wird diese Nullhypothese verworfen, dann muss das naturalistische Weltbild modifiziert oder fallen gelassen werden.

  135. @ Balanus: Nullhypothese

    Na ja — Nullhypothese ist ein Fachbegriff aus der statistischen Testtheorie. Üblicherweise ist sie die Annahme, dass es zwischen den Mitteln von Populationen keine Unterschiede gibt, die man üblicherweise widerlegen will.

    Was hier die verschiedenen Populationen sein sollen und was die Unterschiede, das leuchtet mir nicht ein.

    Allgemein kann man natürlich Hypothesen annehmen und versuchen, diese zu bestätigen oder zu widerlegen. Was das aber nun besonders mit Nullhypothesen zu tun hat, das ist mir auch nicht klar.

    Im übrigen beantwortet das nicht die Frage, warum man überhaupt den Naturalismus annehmen soll — die Nullhypothese, wie bereits gesagt, wird meist angenommen, nur um sie zu widerlegen. Daher macht man dieser Vorgehensweise auch oft den Vorwurf eines “Strohmanns”, der sich nur allzu leicht abfackeln lässt.

  136. “Nullhypothese” zum Dritten

    @Stephan Schleim

    Meine obige Entgegnung auf Ihren Einwand hinsichtlich der “Nullhypothese” war vermutlich irreführend und traf nicht das, um was es den Autor (Martin Neukamm) in erster Linie mit diesem Vergleich ging. Bevor ich noch mehr Verwirrung stifte, hier der Wortlaut aus dem Aufsatz (ohne eigene Hervorhebungen):

    Zitat:

    […] Vor diesem Hintergrund ist der ontologische Naturalismus nicht einfach eine „unbewiesene Vorentscheidung“ – die weltanschauliche Gegenposition zum Theismus –, sondern die „Nullhypothese“ der faktischen Wissenschaften, die sparsamste Hypothese über die Welt, wonach nicht mehr Seins-Bereiche postuliert werden, als zum Verständnis des Gesetzesnetzes der Natur unbedingt erforderlich sind. Dies ist ganz entscheidend für die oft behauptete Patt-Situation: Der ontologische Naturalist leugnet nicht a priori den Einfluss transzendenter Wirkfaktoren. […]

    Zitatende

  137. Eigentlich ist es ja ganz einfach

    Wissenschaftliche Theoriebildungen sind Eigen- oder verallgemeinert “Kulturleistungen”. Eigene Leistungen als Ergebnisse von solchen Naturprozessen anzusehen, die man in selbst erstellten “Theorien” über solche beschreibt, wird dann logisch zirkulär, wenn man dabei nicht mehr die selbstgesetzten Voraussetzungen dieser Theoriebildung berücksichtigt, angefangen bei den selbst gebildeten Begriffen bis hin zu den selbst entworfenen Verfahren und selbst konstruierten Apparaten, mit denen wir in der Forschung die Art der “Daten” bestimmen, die wir mit ihnen erheben.

    Die “Einsicht” oder schlichter: die Berücksichtigung des Umstands, dass wir unsere Theorien selbst machen, ist der Ansatz des wissenschaftlichen Konstruktivismus.

    Seine “radikale”, an die “Wurzel” gehende Form wurde in der Biologie “verwurzelt”, also von unserem mittlerweile weitreichendem biologischen Wissen her gedacht mit der Folge, dass z.B. Erkenntnistheorie nicht einmal als Wahrnehmungspsychologie, sondern gleich als Sinnesphysiologie “gedacht” oder wie es dann meist heißt: auf diese “reduziert” wurde. Als wenn das Erkennen oder Erfassen eines Umrisses, Schatten oder Farbmusters mit dem Auge oder Analoges mit anderen Sinnesorganen irgendetwas mit dem gemeinsam hätte, was wir unter einer wissenschaftlichen Erkenntnis verstehen: das Herausarbeiten und Klären von Beziehungen, also Relationen und damit von allen Zusammenhängen, die uns interessieren.

    Die wissenschaftliche Alternative zum radikalen ist der “methodische Konstruktivismus”, der von der Methodik und damit von den Voraussetzungen wissenschaftlichen Arbeitens ausgeht. Eine deswegen selbst methodische Reflexion auf wissenschaftliches Arbeiten unterläuft oder hintergeht sämtliche Ansätze, die auf spekulativen Entwürfen beruhen mit der Folge, dass alle entsprechenden Formen des Denkens vom willkürlich-axiomatischen bis hin zum metaphysischen Spekulieren selbst “materialistischer” Art schlicht unnötig und entsprechende Entwürfe überflüssig werden. Das ist der Schritt, durch den philosophisches Denken selbst zur Wissenschaft wird und in seiner praktischen Form zur Selbstreflexion von Wissenschaftlern auf ihr eigenes Tun.

  138. Denken als Erkenntnisweg?

    Sehr geehrte Diskutanten und -onkels,

    Bisher wird hier über Naturwissenschaft als Erkenntinsweg reflektiert. Nun könnte ja Naturwissenschaft Stellvertreter für das dualistische Denken an sich gesehen werden. Man spricht ja oft davon, dass Denken das Erleben nicht ersetzen kann. Oder was nützt Philosophie, wenn sie nicht zu einem Erleben und Erheben der Seele führt? Besondere -aussersinnliche- oder -paranormale- Erfahrungen macht man ja sehr oft in Grenzsituationen, in denen der duale Geist eher zur Ruhe kommt. Man mag hier an Carlos Castagneda denken, der oft erst durch seinen Lehrer Don Juan in Todesangst und -ahnung gebracht wird und dann seine besonderen Erlebnisse ausserhalb der üblichen Realität machte.

    Denken mag gut dafür sein, die Grenzen des Denkens zu erkennen, wenn man denn feststellt, dass sich alles im Kreise dreht und man sich wie ein zweidimensionales Wesen zwar unendlich überall hinbewegen kann, es aber außer Erschöpfung dennoch nichts wirklich Neues gibt. Es sei denn, man erhebt sich in die Dritte Dimension, in die Dimension des Seins, der Seele.

    Tatsächlich beschreibt die esoterische Literatur, dass wir Menschen uns in der dritten von zwölf Dimensionen befinden. Die erste ist die Materie. Materie mag unendlich komplex sein, sie ist nicht Leben. Leben ist eine Art Transzendieren der Materie. Primitives Leben ist die zweite Dimension. Es entspricht einem einfachen vegetieren. Leben wiederum transzendiert in die dritte Dimension des bewußt lebenden tierischen und menschlichen Lebens. Der Mensch stehe nun an der oberen Grenze dieser dritten Dimension und transzendiere hinein in die vierte Dimension des (kollektiven) Bewußtseinsfeldes in dem wir lernen, in dieser sich von der materiellen Grundlage emporhebenden Dimension geistig zu erschaffen.

    All diese Gedanken, die man sich hier macht, sind Ausdruck davon, dass wir aus dem Denken zum Sein erwachen, Gedanke und Handlung, Wort und das was es bezeichnet verschmelzen im Hier und Jetzt zu einem Sein.

    Naturwissenschaftliches Denken behauptet, Materie ist die Grundlage des Seins. Vierdimensionales “Denken” erkennt dass das Bewußtsein Grundlage bzw. Matrix ist und die Materie nur ihre verdichtete Form und Ausformung, ihre Entfaltung und Schöpfung.

    Erkenntnis ist also nicht Reflektion, sondern Transzendieren, so etwas wie mathematisch das Integral nehmen, den Grundgedanken, das Grundgefühl, das Grundsein.

    MfG Kaula

  139. @ Kaula: Dimensionen

    Ich wünsche Ihnen eine gute Reise in die nächsten Dimensionen — woher weiß man eigentlich, dass es zwölf sind und nicht, sagen wir, 15 oder 49?

    Allerdings glaube ich, ist die Authentizität der Erfahrungsberichte Carlos Castañedas, die ich früher auch gelesen habe, nicht unumstritten.

    Die Annahme beispielsweise, dass Menschen bei einer Out-of-Body-Experience (OBE) tatsächlich in der Realität reisen, die konnte meines Wissens bisher nicht bestätigt werden. Dabei müsste das doch sehr einfach sein.

    Von meinen eigenen beiden OBEs weiß ich, dass diese zwar real schienen, bei genauerer Überlegung aber Fehler enthielten. Beispielsweise hingen Bilder an der Wand, die es nicht wirklich gab; oder sah ich mich im Bett liegen, dabei hatte ich in Wirklichkeit das Kopfkissen über dem Kopf; oder es standen Blumen neben dem Bett, die es auch nicht gab. Daher sind das für mich bis auf Weiteres Träume, die real scheinen, es aber nicht sind.

    Damit will ich nicht ausschließen, dass es nicht Selbst-Erfahrungen gibt, die sehr beeindruckend und transformierend sein können; das mag aber auch daran liegen, dass die Entscheidungsinstanz darüber wiederum man selbst ist.

  140. @Schleim:Frage

    Herr Schleim, Sie beschreiben die OBEs sehr detailliert, deshalb habe ich noch Fragen dazu:
    a) haben Sie die/solche Bilder, welche Sie bei den OBEs ´gesehen´ haben, vorher schon einmal gesehen
    b) haben Sie Blumen, so wie Sie beim OBE am Bett standen, vorher schon in ähnlicher Weise stehen gesehen (z.B. in einem Krankenhaus, zu Hause)
    c) Als Sie die OBEs erlebten – befanden Sie sich dabei in einer körperlichen Situation, wo sie sich nicht weg bewegen konnten

    Möglicherweise können Sie sich nicht an alles erinnern; aber es wäre nett, wenn Sie die Fragen soweit als möglich beantworten könnten.
    Ich versuche, das Wesen der OBEs zu analysieren bzw. zu verstehen und dabei wären solche Details sehr hilfreich.
    DANKE

  141. @ KRichard: OBEs

    Ich denke, ich bin nicht der geeignete Ansprechpartner für Ihre Fragen. Meine beiden Erfahrungen sind nun schon einige Jahre her. Ich halte sie für eine besondere Form des Traums, in der ich glaubte, mich selbst sehen zu können.

    Was die Fragen betrifft, so glaube ich nicht, dass es wirkliche Bilder waren, vielleicht eher Prototypen; aber das ganze hat vielleicht nur eine Minute gedauert und das war so überraschend, dass mir anderes im Kopf herum ging als mir die Bilder anzuschauen.

    Kennen Sie die Berichte von E. Waelti? Metzinger hat ja auch viel über OBEs geschrieben.

  142. @Schleim: Danke

    Schade, dass Sie sich nicht an mehr Details erinnern können.
    Aber Ihre erste Beschreibung (vom 23.10.09) war schon super und nützlich.

    Ihre Beobachtung, dass einige Details Ihrer OBE-Erlebnisse nicht mit der Realität übereinstimmen, war absolut perfekt – und wird auch durch andere OBE-Berichte bestätigt. Dies deutet darauf hin, dass es sich bei diesen Erlebnissen um selbstbeobachtbare Gehirnaktivitäten handelt – in diesem Fall um eine aktive Vorhersage/Simulation der als aktuell empfundenen Realität. D.h. es handelt sich nicht um einen Traum.

  143. @ Schleim: Nachfrage

    Ortsbestimmung: Als Sie das OBE mit den Blumen hatten (die in Relität nicht am Bett standen) – lagen Sie kurz zuvor oder zeitgleich zu diesem OBE in einem Krankenhaus, in einem Zwei- oder Mehrbett-Zimmer?

  144. OBEs

    @Schleim @K.Richard
    Es ist sicherlich logisch, dass gerade das, was den Menschen (aber auch schon beginnend bei höheren Tieren) ausmacht, die Fähigkeit zu einer mentalen Simulation von Ereignissen ist. D.h. ein fiktives Durchleben eines gewissen Szenarios, um bereits optimierte Lösungsstrategien für eventuelle -Probleme in unerwarteten Situationen- zu haben. Insofern wären auch Träume sinnvoll. Dazu gehört natürlich auch ein fiktives -Ich-, das in diesen Simulationen handelt und erlebt.

    Dann fragt man sich aber natürlich, warum dann Träume oftmals so wirr sind und der Realitätsbezug so schwer hergestellt werden kann.

    Nun hatte ich persönlich Obes im Schlaf, in Meditation aber auch im völligen Wachzustand. Im Schlaf schwebte ich neben meinem Bett, sah den Raum und auch wie ich im Bett lag. In der Meditation sah ich die reale Situation wie ich zur Meditation saß und im Wachzustand beobachtete ich mich, wie ich handelte, zum Beispiel in einen Zug einstieg, sogar jemanden nach dem richtigen Wagon fragte, von einem Standort einige Meter über mir. Handlungen bei denen ich allerdings irgendwie aufgegeben hatte, noch der Handelnde zu sein. Im Falle des Zuges wusste ich bereits die Antwort und wie alles ablaufen würde, gab mich aber einfach diesem Ablauf hin. Alle diese Obes scheinen mir in keiner Weise eine sinnvolle Simulation darzustellen, zumal sie sich meist mit der realen Handlung deckten.

    Prof John Mack schildert in seinem bemerkenswerten Buch über die abductions gerade seine durch die Begegnung mit den abductees ausgelöste Überlegung über die Natur unserer Realität, und dass er letztlich unser festgefahrenes Konzept von -Realität- loslassen musste, dabei aber eine enorme Erweiterung erfahren hat. Er beschreibt auch, dass er diese erweiterte Realität und deren Logik erst begreifen konnte, als er sich dafür innerlich öffnete.

    Sehr geehrter Herr Schleim, ich verstehe daher ihre leicht ironische Bemerkung mit dem Wunsch einer schönen Reise in höhere Dimensionen, aber es ist auch schwer auszudrücken, was dieses Öffnen ist. Es ist jedenfalls nicht ein -mehr und gründlicher denken-, eher das Gegenteil, die Fähigkeit die Dominanz des analytischen, des zerteilenden Verstandes einmal abzustellen, um das Ungeteilte zu -erfahren-. Danach kann man dann wieder denken.

    Es gibt da eine Zen-Geschichte, wie ein Meister den Schülern die Macht des Verstandes über uns begreifbar macht. Er sagt: Betrachtet jetzt einmal euren Geist. Und nun sage ich Euch, denkt nicht an einen Affen. Natürlich dachten alle an den Affen. Seht zuvor dachte keiner von euch an einen Affen, jetzt bekommt ihr ihn nicht aus eurem Kopf.

    Unser ständig brabbelnder Geist, die Bewegungen des Geistes (sanskrit: vrittis) dominiert unser Erleben. Deshalb gibt es Sammlung, Meditation, Yoga, Gebet um diesen Geist zu beruhigen. (yogash citta vritti nirodah: 1. Sutra der Patanjali-Yoga-Sutras: Yoga dient dazu die Bewegungen des Geistes zur Ruhe zu bringen.) In den Momenten der Ruhe breche die Erfahrung unseres wahren Seins durch, so wie wir auf den Grund eines Sees blicken können, wenn seine Oberfläche zur Ruhe kommt.

    Aber auch in besonderen psychischen Situationen bricht diese Erfahrung tieferer Ebenen unseres Seins durch. (z.B. wird dies im Vijnana Bhairava, einer tantrischen Schrift detailiert beschrieben. Zum Beispiel: Bei der kopflosen Flucht vom Schlachtfeld kann der aufmerksame Schüler in sich den Zustand von Bhairava entdecken. Oder im Moment großen Staunens, oder großer überwältigender Freude….)

    Philosophie wurde in den östlichen Religionen immer nur in Verbindung mit Erfahrungen und Erleben betrieben, nicht wie im Westen, zu einem gewissen Selbstzweck oder auch um es der Wissenschaft nachzumachen, um objektiven Kriterien gerecht zu werden.

    Gerade die paranormalen Phänomene, das Ufo-Phänomen, das Abductionphänomen, Nahtoderlebnisse, Channelling, Reinkarnationserlebnisse oder religiöses Erleben benötigen unbedingt diese Öffnung zum Erfahren und Erleben. Durch mentale Analyse und objektive naturwissenschaftliche Kriterien sind diese eben nicht greifbar. Insbesonder kann man sie als Mensch nur als Ganzheit erfahren und deshalb sind diese einer Analyse nicht zugänglich, genauso wie die wissenschaftliche Analyse eines Tieres, sein Zerlegen auch seinen Tod bedeutet. Mit der wissenschaftlichen Analyse dieser übernatürlichen Phänomene tötet man das was man untersuchen will. Und hinterher wundert man sich und sagt man, es hat gar nicht gelebt, es ist nur Einbildung.

    Mit freundlichem Gruß Kaula

  145. @Kaula: Selbstbetrug

    Was ist ein auf Selbstbetrug/Lügen aufgebautes Weltbild wert? Diese Frage sollte man sich stellen, wenn man die Erforschung des menschlichen Gehirnes/Geistes so grundsätzlich wie Sie ablehnt.

    Sie schreiben ganz richtig, dass dem Menschen die Fähigkeit eigen ist, Ereignisse zu simulieren.

    Und so sind auch die Nahtod-Erlebnisse bzw. OBE zu verstehen: dies sind selbstbeobachtbare Gehirnfunktionen, bei denen man live beobachten/erleben kann wie das episodische Gedächtnis durchsucht wird und Inhalte neu bewertet werden, bevor sie ins Bewusstsein kommen bzw. man kann beobachten, wie das Gehirn eine Simulation der als aktuell empfundenen Realität erstellt.

    Eine Erforschung dieser Phänomene dient dem besseren Verständnis von Gehirnfunktionen > und dies ist wiederum Voraussetzung, wenn man bessere Therapien für kranke Menschen entwickeln will.

    Dass es sich dabei um keinerlei übersinnliche oder gar religiöse Phänomene handelt, davon gehen sogar die Theologen schon seit langen aus. Die einzigen, welche so etwas behaupten, sind Esoteriker, welche mit solchen Behauptungen ihre unsinnigen Märchengeschichten aufwerten wollen. Ein aktuelles Beispiel für solchen Unsinn ist Pim van Lommel, der in seinem neuen Buch ´Endloses Bewusstsein´ sogar behauptet, dass sich das Bewusstsein nicht im Körper/Gehirn befinden würde.
    Er erklärt Patienten, welche einen Herzstillstand für grundsätzlich tot – und geht schlussfolgernd davon aus, dass deshalb deren Erfahrungen dann einem außerkörperlichen universellen Bewusstsein entspringen müssten. Dass der ´klnische Tod´ nur eine mehr oder minder intensive Bewusstlosigkeit ist, wird hierbei nicht beachtet. Es wird auch nicht beachtet, dass viele Menschen ein Nahtod-Erlebnissen hatten, die nicht einmal bewusstlos waren und bei denen die Sauerstoffsättigung im Gehirn nicht reduziert war. => d.h. er erschafft erst ein wissentlich falsches Denkmodell und benutzt dieses dann als Grundlage für seine ´Beweise´.
    Wenn man so etwas liest, da kann man nur noch an Einstein denken -> er war sich nicht sicher, ob die menschliche Dummheit eine Begrenzung hätte.

  146. 12 Dimensionen, Nahtoderlebnisse

    @ Schleim
    Sehr geehrter Herr Schleim,
    Ihre Frage, warum es gerade 12 Dimensionen sind, wohlgemerkt Dimensionen des “Bewußtseins”, nicht Raumdimensionen, was ja irgendwie willkürlich erscheint, ist zweifellos berechtigt. Dabei ist Bewußtsein das Wort mit dem wir am ehesten etwas anfangen können, man könnte auch Energie sagen, Information, Atman, Sein, Geist… Soweit ich es verstehe, handelt es sich nicht um streng voneinander getrennte klar definierte Ebenen, sondern um eine Art Kontinuum, bzw. Stufen, die sich überlappen. Genauso wie es in der dritten Dimension tierischer Bewußtheit ja ein Kontinuum von einfachem Bewußtsein bis hin zum menschlichen -Sich Selbst Bewußtsein- gibt. Tatsächlich würden wir alle bereits vier und teilweise fünfdimensionale Erfahrungen haben, ja letztlich haben wir alle diese Dimensionen in uns und repräsentieren die gesamte Schöpfung in uns. Dabei sind allerdings die zwei Pole recht klar, der eine ist unser momentaner Zustand, der andere die Einheit allen Seins, oder Gott. Oder unsere Erfahrung eines kleinen “Ichs” (das Subjekt) in einer großen unüberschaubaren “Es”, Welt (das Objekt). Und dieses -Ich- sieht sich in dieser Welt Leiden, die es vermeiden und Freuden, die es begehrt, gegenüber. (Purusha und Prakriti, Shiva und Shakti.) Das wesentlich andere Prinzip in dieser Beschreibung der Welt, gegenüber der naturwissenschaftlichen Weltsicht ist der, dass die niedere Dimension immer eine Entfaltung der höheren ist. Also die 3 Dimension eine Entfaltung der 4. Dimension, unser materieller Körper eine Entfaltung des subtilen immateriellen (Informations-)Körpers. Alle diese Ebenen (be-)ruhen auf der nächst höheren und in dieser Weise ruht alles in Bewußtsein, in Gott.

    @KRichard
    Sehr geehrter Herr Richard. Ich verstehe Ihr Bedürfnis, die naturwissenschaftliche Weltsicht und damit die Materie als Grundlage allen Seins so vehement zu verteidigen. “An was soll man sich denn sonst halten, wie will man etwas wirklich festmachen, wenn man keinen festen gesicherten Boden unter sich hat und frei irgendwelche (selbstbe-)trügerischen Theorien zusammenfabuliert.”

    Nun, damit sind wir ja wieder am Ausgangspunkt dieser Diskussion. Die Esoterik (wertfrei) behauptet, dass dieser vermeintlich gesicherte Boden eben nicht sicher ist und dass Naturwissenschaft irgendwie wie Münchhausen ist, der sich am eigenen Schopf selbst aus dem Sumpf zieht. Dreht also den Betrugsvorwurf einfach um. Das Weltbild der Esoterik sagt, dass diese Trennung von Subjekt und Objekt niemals funktioniert, denn solange ich nicht weiß, wer -Ich- wirklich im Bezug zum Objekt bin und mir nicht bewußt bin, dass ich die Welt vor meinen Augen zu einem großen Teil selbst erschaffe, eine Objektivität nie gewährleistet ist. Die Esoterik treibt die Subjektivität eben auf die Spitze. “The world is as you see it.” Und wie könnte man das widerlegen?

    Oder anders formuliert: Die Naturwissenschaft sagt -Alles ist so sehr Objekt, dass man das Subjekt völlig unter den Tisch fallen lassen kann.
    Die Esoterik sagt -Alles ist Subjekt, und das Objekt ist nur der Spiegel, auf dass sich das Subjekt in der Welt erkenne.-

    Beides gleichberechtigte Standpunkte, so finde ich.

    Mit freundlichem Gruß S. Kaula

  147. @Kaul: Beweisumkehr

    Betrugsvorwurf: Die Esoterik stellt oft Behauptungen auf, welche sie nicht beweisen kann und welche nicht nachprüfbar sind. Wogegen die Wissenschaft ihre Behauptungen/Thesen zur nachprüfbaren Diskussion stellt. Thesen welche nicht beweisbar sind werden auf Eis gelegt oder widerlegt.

  148. @ KRichard: Beweisbarkeit

    Sind Sie der Meinung, die menschliche Erkenntnis sei prinzipiell auf das wissenschaftlich “Beweisbare” beschränkt?

    Und wenn ja, wie “beweisen” Sie das?

    Womit wir wieder beim ursprünglichen Beitrag wären.

    Herr Kaula, Herr Richard, ich hoffe, Sie sehen mir nach, dass ich inhaltlich nicht zwischen Ihnen beiden vermitteln kann. Ich habe Ihre Beiträge aber mit Interesse gelesen.

  149. @ Schleim: Prägung

    Von Konrad Lorenz gibt es die Experimente mit der Prägung. Die jungen Gänse laufen der ersten erwachsenen Gans nach, welche sie sehen. Wenn keine Gans da ist, werden sie auf einen Menschen geprägt, wenn einer in der Nähe ist.

    Zum Thema ´Nahtod-Erlebnisse´: Dr. Moody hat mit Buchtitel ´Leben nach dem Tod´ und den Fallgeschichten die Leser darauf geprägt – es gäbe ein Leben nach dem Tod. Er selbst schreibt aber eindeutig, er wäre nicht in dem Wahn befangen, ein Leben nach dem Tod bewiesen zu haben. Ttotzdem wird seitdem behauptet, Nahtod-Erelebnisse würden Hinweise für Jenseitserlebnisse geben.

    Es gilt nach wie vor: Wer etwas behauptet, muss selbst nachprüfbare Beweise vorlegen. Man kann dann darüber ergebnisoffen diskutieren.

    Am Ende einer Diskussion kann man dann sagen: diese Behauptung a) wurde bestätigt, b) wurde wiederlegt oder aber c) man kann weder sagen, dass diese Behauptung richtig oder falsch sei.
    Die Frage, ob es einen Gott gibt, gehört z.B. zur Kategorie c).

  150. Rückführung

    Zm Thema ´Wiedergeburt´, ´Seelenwanderung´ und ´Reinkarnation´ berichtet der US-Arzt Dr. Raymond Moody aus seinen Erfahrungen im Rahmen von ´Rückführungen´:
    “Bei so gut wie jeder hypnotischen Rückführung, die ich bisher vornahm, zeigte sich, daß ein Spiegelbild der aktuellen Problemsituation des Regressanden war. Ich halte dies für einen verallgemeinerungsfähigen Befund. Mit der hypnotischen Rückführung habe ich also ein Mittel in der Hand, diese Problemsituation in denkbar kurzer Zeit auszuloten.”
    (Regressand = Patient; Zitat aus: Leben vor dem Leben, Dr. med. Raymond Moody, Sonderausgabe 2000, Rohwolt Verlag, ISBN:3-8289-1832-8, Kapitel: Die allzeit zur Gefälligkeit bereite Psyche)

    Dr. Moody ist ein genialer Schrifsteller; indem er, trotz dieser eindeutigen Aussage, offen lässt, es könne wirklich eine Erinnerung an frühere Leben geben, kann jede(r) im Buch lesen was er/sie will: der Esoteriker genau so wie der Wissenschaftler

  151. Reinkarnation etc…

    @Schleim, @KRichard

    Sehr geehrter Herr Schleim,
    sehr geehrter Herr Richard,
    Vielen Dank für ihre aufmerksame Bemerkung, Herr Schleim, dass Sie nicht schlichten können, sollen. Das ist doch völlig ok. Eigentlich bin ich schon dankbar, dass man mich nicht aus der site geworfen hat, als ich das Wort -Esoterik- zu schreiben wagte. Auch Dank an Herrn Richard, der sich immer noch ernsthaft mit logischen wissenschaftlichen Argumenten bemüht und nicht aufgegeben hat. Ich denke besonders für uns Deutsche, die ja entweder ganz rational oder ganz irrational sind, niemals bewußt dazwischen, ist es schon etwas Besonderes, wenn wir so offen miteinander Argumente austauschen, ohne zu Polemisieren und emotional zu Polarisieren.

    Sehr geehrter Herr Richard,

    folgender Artikel scheint mir sehr wissenschaftlich (soweit Psychologie wissenschaftlich sein kann), das Phänomen der Reinkarnation gründlich beleuchtet zu haben, und zu dem Schluss zu kommen, dass Reinkarnation “wahr” ist: Reinkarnation, Wiedergeburt: Wahn oder Wahrheit? aus Psychologie heute 9/1987; erweiterte Fassung in Scheinheil und Sinnsuche, Redaktion Psychologie heute (Hrsg.), Weinheim 1991.

    Doch gibt es sicherlich auch einige Untersucher, die genau das Gegenteil herausgefunden haben.
    Es scheint in “der Natur der Sache” zu liegen, dass sich hier “die Geister scheiden”. Ein typisches Phänomen ist das ja auch bei der statistischen Untersuchung von Präkognition. Es hängt ganz offensichtlich vom Untersucher ab, zu welchem Ergebnis man kommt, pro oder contra.

    Diese Tatsache an sich interpretieren die Paraphänomene bezweifelnden Wissenschaftler natürlich so, dass die “gläubigen” Untersucher, nicht exakt gearbeitet haben und im Sinne einer “sich selbst erfüllenden Prophezeiung” bewußt oder unbewußt manipulierten. (Stimmt auch oft.) Die “Gläubigen” interpretieren dies dagegen mit dem Argument, dass auch die Zweifler im Sinne einer “sich selbst erfüllenden Prophezeiung” unbewußt genau diese Realität formten und bekamen, die sie erwarteten, nämlich, dass es diese Phänomen nicht gibt.

    Ich denke man kann nur eines daraus ablesen. Dass es so eben nicht funktioniert. Objektivierung
    im Sinne einer naturwissenschaftlichen Nachweisführung funktioniert schlicht in diesen Bereichen nicht, die so sehr vom subjektiven Erleben abhängen. Man hätte damit gar nicht erst anfangen sollen. Es sind auch oft tief berührende Erlebnisse, oft lebensverändernde Erfahrungen, die man nicht wiederholen kann. Die für den betroffenen Menschen persönlich eine Bedeutung haben, die meist gar nicht in Worte zu fassen sind.

    Viele Menschen berichten mir als meine hausärztlichen Patienten über sog. paranormale Phänomene. Dass sie nach Tagen, in denen sie durchschliefen, auf einmal mitten in der Nacht aufwachen, und genau dann plötzlich das Telefon klingelt und man teilt ihr mit, dass die Mutter verstorben ist, was sie aber in dem Moment auch schon mit Gewissheit wussten. Oder dass der verstorbene Ehemann sie besuchte. Diese Erlebnisse sind ganz individuell, nicht reproduzierbar, nicht objektivierbar. Man muss selbst so etwas erlebt haben, um zu verstehen, wie tief man innerlich davon berührt wird.

    Diese Phänomene sind für diese Menschen mitunter sogar realer als ihre Wahrnehmung dieser sog. Realität, die wir miteinander teilen. Es ist eine andere Art als intellektuelles Wissen.

    Es gibt immer wieder höchst angesehene und renomierte Wissenschaftler, die sich für diese Art von Wissen öffnen. Neben Prof. John E. Mack möchte ich hier den Physiker und Kosmologen der Havard University Rudy Shield nennen, der darüber schwärmt, die parapsychologischen, die Ufo-Phänomene in ein neues erweitertes physikalisches Weltbild einbauen zu können, in eine neue Physik, die eben akzeptiert, dass Bewußtsein alldurchdringend und die Matrix allen Seins ist. Er selbst spricht davon, dass er glaubt dass der Mensch damit vielleicht 10% der Physik kennen wird, die es zu kennen gibt. Es geht hier nicht darum, etwas unbewiesen zu “glauben”. Niemand erwartet, dass man seinen Verstand an der Garderobe abgibt. Aber dass wir als Mensch den Verstand wie ein Werkzeug benutzen, das man manchmal auch wegegen muss, und nicht, dass wir vom Verstand gebraucht, benutzt werden. Es geht darum, sein Weltbild ein bischen zu öffnen.

    Mit freundlichem Gruß Kaula

  152. Zustimmung

    Herr Dr. Kaula, ich stimme Ihnen zu. Es ist gut, dass hier nicht versucht wird, zu ´schlichten´ – da dies gar nicht notwendig ist. Für die Blog-Leser ist es sicherlich viel interessanter, deutlich unterschiedliche Ansichten zu einem Thema zu lesen, als eine verwässerte Meinung ohne erkennbare Standpunkte.

  153. Toleranz der Beliebigkeit?

    Ich wüsste gerne, welcher Naturalist sich *nur* auf mit wissenschaftlichen Methoden erlangtes Wissen verlässt?

    Der Großteil unseres Wissens ist Erfahrunsbedingt, aber das ist für einen Naturalisten, der sich primär in weltanschaulichen Fragen vom Gläubigen (welcher Art auch immer) unterscheidet, absolut unerheblich.
    Der größte Teil unseres Wissens bezieht sich immerhin auch auf Dinge, die für unser Leben relevant sind. Daher scheuen wir Wespen schon nach dem ersten Stich und erheben keine empirischen Daten darüber, wie oft man beim Reizen einer Wespe gestochen wird.

    Sprich: Auch Naturalisten denken nicht rein naturwissenschaftlich.
    Die Unterscheidung zwischen Naturalist und Gläubigen besteht aber auch nicht darin, sich als unfehlbar objektiv zu verstehen, sondern darin, Objektivität in Bezug auf Fragen über unsere Welt (die, die von uns unabhängig ist) anzustreben.

    Daher sehe ich allein schon keine Grundlage für Annahme (1).
    Eine “starke” Annahme mag es sein, aber mir scheint, sie ist dermaßen stark, dass sie eher eine Karrikatur naturalistischen Denkens widerspiegelt.
    Vielleicht irre ich mich ja, aber so viel Tohrheit erwarte ich ehrlich gesagt nicht von einem Michael Schmidt-Salomon oder einem Großteil der Brights.

    Zu den Erfolgen der wissenschaftlichen Methode:
    Dieser Erfolg ist eigentlich ziemlich gut definiert. Es sind die Vorraussagen!
    Genau so, wie die Vererbungslehre in Zeiten, in denen DNA noch nicht bekannt war, eine Vorraussage über die Existenz von Erbgut mit sich brachte, misst sich der Erfolg einer wissenschatlichen Theorie (das Ziel der wissenschaftlichen Beobachtungen) daran, nicht nur die bekannten Fakten zu erklären, sondern auch Fakten, die noch gar nicht bekannt sind!
    Ebenso der technische Fortschritt: Wenn neue Erkenntnisse Vorraussagen über theoretische technische Fortschritte bringen und diese tatsächlich realisierbar sind, sind das keine Erfolge, wie die, die durch eine Lüge zu erzielen sind, es sind starke Argumente!

    Und es sind starke Argumente, die keine Entsprechung in anderen Weltanschauungen haben.

    Ich persönlich hatte bei Lektüre des Textes das Gefühl, der Wunsch nach mehr Toleranz stand über einer nüchternen Betrachtung der Vor- und Nachteile eines naturalistischen Weltbildes.
    Ich für meinen Teil sehe in dem Ansatz, alle Meinungen müssten gleichwertig nebeneinander stehen, die Einschränkung des freien Denkens: Beliebigkeit anstelle von Argumenten wäre die Folge.

    Die Frage selbst, also warum Naturalismus den größeren Erkenntnisgewinn bringen sollte, ist in der Tat spannend.
    Leider hatte ich aber das Gefühl, das Ergebnis stand schon vor der Fragestellung fest: Hauptsache, man kann Toleranz einfordern.
    Das fand ich ausgesprochen schade.
    Toleranz sollte man gegenüber seinen Mitmenschen üben, nicht gegenüber jedem denkbaren Gedanken.

    LG
    Eleonor

  154. @ Eleonor: Wer behauptet was?

    Ein Grundproblem, auf das ich in meinem Artikel hinweise, besteht darin, dass viele gar nicht in der Lage zu sein scheinen oder nicht bereit sind, überhaupt zu erklären, was sie mit “Naturalismus” meinen. Darunter fallen auch die Brights, auf deren Internetseiten (deutsch wie englisch) ich eine Weile lang recherchiert habe sowie das Buch Schmidt-Salomons, auf das ich verweise.

    Zugegeben habe ich die Position dann für den Zweck meines Blogs zugespitzt. Daher habe ich es ja ausdrücklich als eine “starke Version” bezeichnet. In der Diskussion hier, die immerhin mehr als 150 Beiträge zählt, hat bisher niemand eine brauchbarere Definition von “Naturalismus” anzubieten gehabt, wenn ich mich recht entsinne.

    Das halte ich intellektuell schon mal für ziemlich arm. Wenn der Naturalismus so eine tolle Position ist, wie Brights und Schmidt-Salomon behaupten, warum kann mir dann keiner verraten, was genau er damit meint? Vielleicht, weil man sich mit so einer Definition angreifbar macht? Weil dann deutlich wird, wie metaphysisch und nicht-empirisch diese Position ist?

    Mein Artikel ist auch im internen Forum der Brights diskutiert worden. Warum meldet sich hier niemand von denen und erklärt, was mit “Naturalismus” gemeint ist? Das kann ich alles nicht begreifen.

    Ich wüsste gerne, welcher Naturalist sich *nur* auf mit wissenschaftlichen Methoden erlangtes Wissen verlässt?

    Ich habe hier für Sie gerade zwei passende Zitate zur Hand, die ich gerne auch Kamenin anempfehlen möchte:

    “Science is the only way we know to understand the real world” (R. Dawkins, 2000, Microsoft Encarta).

    “[…] in the dimension of describing and explaining the world, science is the measure of all things, of what is that it is and of what is not that it is not” (W. Sellars, 1963, S. 173; zit. n. Bennett & Hacker, 2003/2006, S. 373).

    Sprich: Auch Naturalisten denken nicht rein naturwissenschaftlich.

    Die beiden Beispiele, die ich hier anführe, deuten in eine andere Richtung. Lesen Sie sie bitte noch einmal, um zu sehen, wie stark sie sind. In meiner persönlichen Erfahrung bin ich schon einige Male Menschen begegnet, die einen ähnlich starken Standpunkt vertreten haben. Das waren keine netten Diskussionen, weil sie nicht bereit waren, ihre philosophischen Hintergrundüberzeugungen zu reflektieren.

    Eine “starke” Annahme mag es sein, aber mir scheint, sie ist dermaßen stark, dass sie eher eine Karrikatur naturalistischen Denkens widerspiegelt.

    Folgt daraus, dass Dawkins uns Sellars auch Karrikaturen eines naturalistischen Intellektuellen sind?

    Dieser Erfolg ist eigentlich ziemlich gut definiert. Es sind die Vorraussagen!

    Komisch nur, dass eine Klasse der erfolgreichsten wissenschaftlichen Theorien, nämlich die Evolutionstheorien, uns so gut wie nichts voraussagen, sondern nur nachhersagen. Wie lässt sich das mit Ihrer Definition vereinbaren?

    Und es sind starke Argumente, die keine Entsprechung in anderen Weltanschauungen haben.150 Beiträge alle zu lesen.

    Vielen Dank jedenfalls für Ihren stimulierenden Beitrag. Noch besser hätte er mir gefallen, wenn er neben der destruktiven Kritik auch noch einen konstruktiven Verbesserungsvorschlag enthalten hätte.

  155. @Stephan Schleim @Eleonor

    .

    Wenn der Naturalismus so eine tolle Position ist, wie Brights und Schmidt-Salomon behaupten, warum kann mir dann keiner verraten, was genau er damit meint? Vielleicht, weil man sich mit so einer Definition angreifbar macht? Weil dann deutlich wird, wie metaphysisch und nicht-empirisch diese Position ist?

    Mein Artikel ist auch im internen Forum der Brights diskutiert worden. Warum meldet sich hier niemand von denen und erklärt, was mit “Naturalismus” gemeint ist? Das kann ich alles nicht begreifen.

    Zur Erinnerung: Gerhard Vollmer hat sich ausführlich zum Naturalismus geäußert. Schon gelesen?

    http://www.brainlogs.de/blogs/blog/menschen-bilder/2009-09-15/naturalismus/page/2#comment-5978

    http://www.brainlogs.de/blogs/blog/menschen-bilder/2009-09-15/naturalismus/page/2#comment-5980

    http://www.brainlogs.de/blogs/blog/menschen-bilder/2009-09-15/naturalismus/page/2#comment-5984

    (Falls Sie irgendwo schon zu Vollmer Stellung genommen haben – dürfte ich erfahren, wo? Herzlichen Dank 🙂 )

  156. @ Balanus: noch einmal ausweichen?

    Ja, ich habe mir vorgenommen, bei Gelegenheit den hier zitierten Aufsatz Vollmers’ zu lesen.

    Erstens ändert das aber nichts an meiner Feststellung, dass hier in der Diskussion niemand imstande oder bereit war, uns zu erklären, was sonst mit Naturalismus gemeint ist, wenn nicht das, was ich beschrieben habe (und das in immerhin 160 Kommentaren!). Da hilft auch Ihr Kommentar nicht weiter.

    Was ist das, zweitens, überhaupt für eine Art, in so einer relevanten Diskussion allein die Quellen aufzuzählen und mir nicht mal mit ein paar Sätzen erklären zu können oder zu wollen, was in ihnen steht, sofern es sich auf unser diskutiertes Thema bezieht. Soll ich das etwa für keine Ausweichtaktik halten?

    Drittens lässt mich dieses Ausweichen auf meine — doch eigentlich ganz einfache und klar formulierte — Frage, was mit “Naturalismus” sonst gemeint ist, nicht gerade hoffen, dass in den Texten eine einfache und klare Definition zu finden ist, denn warum schreibt sie dann hier nicht jemand einfach hinein? Wir leben doch schließlich im Zeitalter des Internets, wo man üblicherweise verlinkt und zitiert und nicht sagt: Geh mal in den Buchladen!

    Viertens kenne ich durchaus andere Texte Vollmers sowie Texte, die sich ausgiebig auf ihn beziehen, und würde es mich nicht überrschen, wenn der zitierte Aufsatz im Blick auf den Naturalismus viele weitere Fragen aufwerfen würde.

    Ich finde das äußerst merkwürdig, dass man sich hier lieber gegenseitig bzw. Leuten, die noch nicht einmal anwesend sind, den schwarzen Peter zuschiebt, anstatt in nunmehr 160 Kommentaren einfach mal die Frage zu beantworten, was die jeweiligen Autoren überhaupt mit “Naturalismus” meinen — eine Frage, über die sie uns selbst im Unklaren lassen, wie ich hier dargelegt habe.

    Das habe ich bereits seit Wochen beanstandet und ich werde auf keine weiteren Versuche mehr, den schwarzen Peter ein weiteres Mal zuzuschieben, eingehen.

  157. P.S.

    Ich hatte in Erinnerung, hier hätte jemand einen Aufsatz Vollmers’ verlinkt. Leider konnte ich diese Stelle aber nicht mehr finden. Also entweder wurde der Link entfernt oder ich erinnere mich falsch.

    Online konnte ich nur einen Link auf eine Zusammenfassung des “Physikclub Nordhessen” mit der Überschrift “Was ist Naturalismus?” finden. Die habe ich eben gelesen.

    Dieser Text deutet auf eine geballte Metaphysik bei gleichzeitiger Behauptung einer Minimalmetaphysik. Ich sehe nicht, wie er über die wesentlichen Punkte hinausginge, die ich hier schon beschrieben habe. Schließlich startet er mit der populistischen Aussage, “Naturalismus ist eine naturphilosophische Position, bei der es überall in der Welt mit rechten Dingen zugeht.” Das hilft uns nicht weiter.

  158. Lieber Herr Schleim,

    In comment-5980 (itz, 18.09.09 11:02) ist der Link zu Vollmers Aufsatz, der Ihre Frage, was Naturalismus nun wirklich ist, beantworten sollte und von kamenin, itz und Bolt empfohlen wurde. Als interessierter Mitleser hatte ich gehofft, Sie würden was dazu schreiben. Nur deshalb habe ich noch einmal die Kommentare genannt, in denen auf Vollmer verwiesen wurde. An Schwarzer-Peter-Spiele habe ich kein Interesse.

    Hier ist die Zusammenfassung seines Aufsatzes: Geht es überall in der Welt mit rechten Dingen zu? – Thesen und Bekenntnisse zum Naturalismus

    » Naturalismus wird hier verstanden als eine naturphilosophisch-anthropologische Position, nach der es überall in der Welt mit rechten Dingen zugeht. Hauptmerkmale des Naturalismus sind sein universeller Anspruch und die Beschränkung der zur Beschreibung und Erklärung der Welt zugelassenen Mittel. Er entwirft ein kosmisches Gesamtbild, in dem auch dem Menschen ein bestimmter (im Ergebnis eher bescheidener) Platz zugewiesen wird. Dabei bezieht er alle Fähigkeiten des Menschen ein, auch Sprechen, Erkennen, wissenschaftliches Forschen, moralisches Handeln, ästhetisches Urteilen. Der moderne Naturalismus ist ein evolutionärer Naturalismus, wonach alle komplizierten Systeme aus einfacheren Teilen be- und entstehen. In dem Beitrag werden die wichtigsten Thesen des Naturalismus formuliert und erläutert. Zuletzt wird erläutert, wie der Autor selbst zum Naturalismus steht. «

    (Ich bin kein Philosoph und weiß nicht so genau, was alles unter ‘Metaphysik’ fällt – schon allein deshalb hätte ich mich gefreut, wenn Sie den Aufsatz mal kritisch beäugt hätten)

  159. @ Balanus: Danke

    Ah, also hatte ich mich doch recht erinnert. Da in dem Beitrag von itz nicht mal der Name des Autors auftaucht, habe ich ihn bei meiner Suche nicht gefunden.

    Ich habe den Text nun und werde ihn bei Gelegenheit lesen. Falls mir dazu etwas Schreibwürdiges einfällt, werden Sie das sicher mitbekommen. Wenn Sie dann wieder mitdiskutieren, würde mich das freuen.

    P.S. Allerdings: Bei der Formulierung, dass “es überall in der Welt mit rechten Dingen zugeht”, die Sie aus dem Abstract zitieren, bekomme ich schon Brechreiz. Das klingt nicht nach Begründungsarbeit, sondern nach Populismus und Polemik.

  160. @ Eleonor: Noch mal erfolg

    Gerade in meiner Universitätszeitung gefunden:

    Evolution is a fact, we know how it works, there’s plenty of evidence. Right? Wrong! Species can evolve faster than any theory predicts and that gives biologists a headache. And nobody really knows how new species evolve. (Universiteitskrant 13, 26 november 2009)

    Wie weit kommen Sie noch mit Ihrem Erfolgskriterium der Vorhersagekraft? Wenn man sich natürlich nur auf die Beispiele beschränkt, in denen Wissenschaftler tatsächlich gute Vorhersagen machen und den (überwiegenden?) Rest ausblendet, dann scheint Ihr Argument vielleicht plausibel.

  161. na ja…

    eine interessante Diskussion, dafür meinen Dank. Da ich weder philosophieren kann und auch sonst ein simpler Mensch bin hab ich mich lieber raus gehalten, …
    Zum letzten posting von Ihnen, Herr Schleim möchte ich zum besseren Verständnis doch noch anmerken:
    der von Ihnen zitiere Satz aus der UK der Uni Groningen stammt von René Fransen, er ist Biologe und Christ und seiner Meinung nach schließen sich Wissenschaft und Bibel nicht aus…mir ein Rätsel wie dieser Spagat möglich ist – aber wie schon gesagt, ich bin da simpel.
    Seinen Standpunkt zu kennen ist imo wichtig, seine Art der Argumentation zu begreifen. So behauptet er z.B. in diesem Artikel (ich finde fast mit einer gewissen Häme) T. Piersma und F. Weissing ‚hätten ein Problem’ weil ihre theoretischen Modelle wie (schnell) Evolution abläuft nicht stimmen.
    Dann haben alle Naturwissenschaftler andauernd ‚Probleme‘ da keine ihrer Theorien ‚die Wahrheit‘ ist, sondern sich ständig auf dem Prüfstand befinden und viele Rätsel noch nicht gelöst sind. Darum geht es auch nicht. Die Frage ist doch, ob man die Rätsel für ‚grundsätzlich‘ lösbar hält (mit geeigneten Mitteln, die uns (noch) nicht zur Verfügung stehen) oder ob man eine ‚größere Macht‘, die außerhalb der, in diesem Universum herrschenden Gesetzte steht, bemüht.
    Daher verstehe ich nicht, was solche Aussagen, wie von Herrn Fransen mit der grundsätzlichen Frage, ob Naturalismus widerspruchsfrei zu vertreten ist zu tun haben.
    Sie bemängeln bei Eleonor die ausschließlich „destruktiven Kritik“. Ich empfand das nicht so ”Toleranz sollte man gegenüber seinen Mitmenschen üben, nicht gegenüber jedem denkbaren Gedanken.“ ist für mich ein sehr positiver Vorschlag.
    Ihr positiver Ansatz: „Die Situation lässt sich freilich dadurch entschärfen, neben dem naturwissenschaftlich überprüfbaren Wissen noch andere Formen zuzulassen, beispielsweise kritisch-rational, oder intuitiv überprüfbares.“ Ist mir allerdings völlig unklar, wie das aussehen soll.
    Mit freundlichen Grüßen. Katharina

  162. @ Katharina: gesunde Skepsis

    Danke für Ihre kritische Rückfrage. Da möchte ich gleich Gegenfragen: Warum sind Sie der Meinung, religiöser Glaube und Wissenschaft würden sich ausschließen?

    Ich selbst bin nicht gläubig und sehe mich als Agnostiker. Ich kenne allerdings viele Wissenschaftler, darunter viele schlaue und reflektierte Menschen, die religiös sind und das war geschichtlich gesehen auch der Normalfall. Die sind nicht der Meinung, Religion und Wissenschaft würden sich prinzipiell widersprechen; die haben ihren Glauben nicht aufgegeben, als sie Wissenschaftler wurden.

    Vielleicht schließen sich bestimmte, vor allem fundamentalistische religiöse und wissenschaftliche Ansichten gegenseitig aus. Daraus lässt sich aber kein prinzipieller Widerspruch ableiten.

    Ich sehe das so, dass sich die beiden Domänen oft schon deshalb nicht widersprechen, weil sie sich gar nicht aufeinander beziehen. Als Naturwissenschaftler — und ich habe selbst eine Weile in der Hirnforschung gearbeitet, bevor ich wieder in eine theoretischere Gruppe gewechselt bin — untersucht man doch Regelmäßigkeiten in der Natur, versucht sie zu beschreiben, zu verstehen, Gesetze zu formulieren und Vorhersagen zu treffen und zu überprüfen.

    Was für eine Rolle spielt es für diese Arbeit, ob die zugrunde liegenden Kräfte nun natürlicher oder göttlicher Herkunft sind? Die Redeweise von den “rechten Dingen” die Naturalisten (darunter G. Vollmer, M. Schmidt-Salomon und meiner Erinnerung nach auch R. Dworkin) für sich beanspruchen, ist daher entlarvend: Wenn es einen Gott (oder viele Götter) gäbe, wieso müsste dann das Chaos herrschen, nicht die Gesetzmäßigkeit? Für viele Denker war es im Gegenteil gerade eine Erklärung für die Gesetz- und Regelmäßigkeit der Natur, dass eine göttliche Hand über den Dingen wacht und es daher “mit rechten Dingen” zugeht.

    Noch zu dem letzten Punkt, dem kritisch-rational oder intuitiv überprüfbaren Wissen: Um beispielsweise zu wissen, wann mein Zug nach Arnhem fährt, kann ich ihm Internet nachgucken oder eine Telefonhotline anrufen oder im Plan nachschauen oder jemanden Fragen, der es weiß; und intuitiv kann ich beispielsweise Einschätzen, ob es jemand ehrlich mit mir meint, ob ein bestimmtes Risiko in einer bestimmten Situation angemessen ist oder nicht. Natürlich kann ich mich dabei auch mal irren aber wie oft irren sich denn Wissenschaftler? Tatsächlich halte ich dieses Wissen, für das ich hier Beispiele genannt habe, für viel wichtiger für unser Leben als das meiste wissenschaftliche Wissen. Was für einen Unterschied macht es für mich beispielsweise, ob das Universum nun 13, 14 oder 15 Milliarden Jahre alt ist? Es ist vielleicht interessant, die Frage zu untersuchen, aber für mein Leben sehe ich darin überhaupt keine Relevanz. Natürlich gilt das auch für viel Alltagswissen; die Zugfahrpläne sind für mich überwiegend auch irrelevant, es sei denn, ich will gerade mit dem Zug fahren. Es geht hier ja aber darum, dass wissenschaftliches Wissen per se keinen Sonderstatus hat, geschweige denn die einzige Wissensform wäre.

  163. Ja, der Meinung bin ich (inzwischen)

    Hallo Herr Schleim und danke für Ihre Antwort.
    „.. sind Sie der Meinung, religiöser Glaube und Wissenschaft würden sich ausschließen?“
    Ja, der Meinung bin ich, weil ich denke, dass man nicht auf der einen Seite an Märchen glauben und auf der anderen strukturiert denken kann. Das ist, wie mit sich selbst Schach zu spielen. Und wer Zweig’s Schachnovelle gelesen hat, weiß wie das endet.
    „… Ich kenne allerdings viele Wissenschaftler, darunter viele schlaue und reflektierte Menschen, die religiös sind und das war geschichtlich gesehen auch der Normalfall. …”
    Aber ja, natürlich, wer kennt diese schlauen und reflektierten Menschen nicht. Und, ja, geschichtlich hatte ein gott noch einige ‘Erklärungsrelevanz’. Ich behaupte nicht, dass jeder Gläubige ein Fanatiker ist. Aber ich folge hier der Meinung von Taslima Nasrin: „Die Religion verhält sich zum Fundamentalismus wie die Saat zum Baum. Fällt man nur den Baum, bleibt der Same erhalten und treibt einen neuen Baum. Solange die Saat nicht zerstört ist, wird man sich auch der Fundamentalisten nicht entledigen können.“

    ‚Glaube‘ ist idR eingebunden in religiöse Ideensysteme. Gerade in den Niederlanden gibt es, wie Sie vielleicht wissen, mehr Kirchen als Apotheken. Der christliche Glaube ist eine ‚Offenbarungsreligion‘. Die Anhänger ‚kennen‘ die Wahrheit – somit sind sie schon ausgezeichnet – egal ob sie das offen äußern oder nicht.

    „…, dass sich die beiden Domänen oft schon deshalb nicht widersprechen, weil sie sich gar nicht aufeinander beziehen.”

    Das ist meiner Meinung nach ein Trugschluss der Wissenschaftler, der von den Gläubigen gerne unterstützt wird. (Natur)wissenschaft bezieht sich nicht auf ‚Glaube‘ umgekehrt aber gerne – solange es der Festigung des Glaubens dient. Solange werden die Wissenschaftler gerne zitiert. Fördert die Forschung allerdings etwas zu tage das ‚geglaubte Wahrheiten‘ Lügen straft‚ ist die Wissenschaft auf einmal nicht mehr brauchbar – weil sie ja ‚etwas anderes‘ ist.

    Kritisch- rationales Denken ist ein Teil der Wissenschaften, diese Form ist nicht nur ‚zugelassen‘ sonder gefordert. Und wie muss ich ‚intuitiv überprüfbar‘ verstehen? Nichts gegen Intuition. Die gibt es und sie ist zu untersuchen. Allerdings kann mir meine Intuition nur Richtungen weisen. Das Überprüfen, ob die Intuition richtig war muss dann wieder nach, für andere nachvollzieh- und nachprüfbaren Regeln erfolgen.
    Religion und Glauben zu verharmlosen und sie ‚als etwas anders’, der Wissenschaft nicht widersprechenden Lebenssicht aufzustellen ist imo gefährlich.
    Vielleicht interessiert Sie Sam Harris‘ Buch ‘Das Ende des Glaubens’
    Und es stimmt, für die Entscheidung was es heute zu essen gibt, ist das Alter der Erde nicht relevant. Andere wissenschaftliche Erkenntnisse haben allerdings sehr wohl mit dem ‚Alltagsleben‘ zu tun.
    Mein ganzer Alltag ist von ‚Wissenschaft‘ durchzogen. Von Computern angefangen über die Medikamenten die ich nehme bis zum Telefon mit dem ich Zugfahrpläne abrufe.

    Glaube kann keine „Privatsache“ sein, denn er sitzt nicht wohl behütet in ausbruchsicheren Zellen gläubiger Gehirne. Wer nur ‘privat’ glaubt der Mensch wäre ‘die Krone’ und müsste sich die Erde untertan machen – wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Glaube nicht alles durchdringt was diese Person denkt und tut? Wer nur ‘privat’ glaubt Homosexualität wäre eine Krankheit, Frauen dem Manne untertan, Juden die ‘Mörder’ des ‘Heiland’ usw… kann das außer Haus alles ablegen?
    Das wiederum ‘glaube’ ich nicht.

  164. Katharinas

    Es gibt in dem Blog von M.Blume noch eine Katharina mit anderen Ansichten – mich. Von denen der hiesigen distanziere ich mich ausdrücklich. Ist wohl ein schlechter Scherz –

  165. @ Katharina I

    Ja, der Meinung bin ich, weil ich denke, dass man nicht auf der einen Seite an Märchen glauben und auf der anderen strukturiert denken kann.

    Wenn Sie Religion mit Märchenglauben gleichsetzen, zeigt das meines Erachtens nur eins, dass Sie sich nicht umfangreich mit der Materie auseinander gesetzt haben, sondern einer in bestimmten sich “wissenschaftlich” nennenden Kreisen verbreiteten polemischen Darstellung zum Opfer gefallen sind, die auf nichts anderes hinausläuft, als einen klapprigen Strohmann namens Religion aufzubauen und anschließend mit einer abgebrochenen Lunte abzufackeln.

    Ich kenne eine paar intellektuelle gläubige Christen und keiner von ihnen glaubt an Märchen.

    Niederlanden gibt es, wie Sie vielleicht wissen, mehr Kirchen als Apotheken.

    lol, wie Sie vielleicht wissen, stehen hier mehr Krichen leer als in den meisten anderen Ländern. Vor einer paar Wochen habe ich sogar eine Pressemitteilung einer Konferenz in Erfurt gesehen, in der es um das “Kirchensterben” in Europa ging — mit dem Hauptbeispiel Niederlande. Wenn das irgendwas an Ihren Ansichten ändert, mache ich mir gerne die Mühe, diese Meldung im idw-Ticker herauszusuchen.

    Übrigens sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass es hier wesentlich weniger Apotheken gibt als in Deutschland, also die Baseline für Ihren Vergleich nicht stimmt.

    Kritisch- rationales Denken ist ein Teil der Wissenschaften, diese Form ist nicht nur ‚zugelassen‘ sonder gefordert.

    Mein ganzer Alltag ist von ‚Wissenschaft‘ durchzogen. Von Computern angefangen über die Medikamenten die ich nehme bis zum Telefon mit dem ich Zugfahrpläne abrufe.

    Das ist ein beliebter Trick von Wissenschaftsfanatikern, alles Nützliche auf die Seite der Wissenschaft zu ziehen.

    Als ob es kritisch-rationales Denken nicht schon lange vor den Wissenschaften gegeben hätte. Schon mal was von Philosophie gehört? Und als ob es kritisch-rationales Denken nicht auch in den Religionen gäbe. Schon mal was von Reformation gehört?

    Es ist ein logischer Fehlschluss, zu behaupten, bloß weil Wissenschaft kritisch-rationales Denken gebrauche, sei es wissenschaftlich; davon abgesehen ist es auch aus der Erfahrung falsch. Schon mal selbst wissenschaftlich gearbeitet und gesehen, wie viel dabei nicht kritisch-rational abläuft?

    Davon abgesehen überzeugt es mich auch nicht, Wissenschaft mit Technik und Medizin gleich zu setzen. Dass die Medizin keine Wissenschaft ist und Technik eine Kulturpraxis, in der manchmal aber nicht ausschließlich wissenschaftliche Erkenntnisse angewendet werden, sollte doch eigentlich klar sein.

  166. Bellen getroffene Hunde?

    Herr Schleim, danke für Ihre Antwort. Ich habe länger überlegt ob ich mich auf diese Diskussion weiter einlassen möchte, will mich aber nicht ‘ausschleichen’ und den Eindruck vermitteln, ich würde mich mit Ihren Argumenten nicht auseinander setzen.
    „Wenn Sie Religion mit Märchenglauben gleichsetzen, zeigt das meines Erachtens nur eins, dass Sie sich nicht umfangreich mit der Materie auseinander gesetzt haben, …“
    So, meinen Sie, dass es das zeigt. Ich muss Sie enttäuschen. Ich setze mich seit fast 40 Jahren mit der Materie auseinander – allerdings kann ich natürlich nicht wissen, was Sie als ‚umfangreich genug‘ erachten.
    „…sondern einer in bestimmten sich “wissenschaftlich” nennenden Kreisen verbreiteten polemischen Darstellung zum Opfer gefallen sind, „
    Danke, dass Sie mich zum Opfer bestimmter ‚sich wissenschaftlich nennender Kreise‘ machen wollen. Das ist allerdings nicht nötig. Mich würde doch mehr interessieren welche ‚Kreise‘ sie meinen? Ihre Andeutung finde ich leider etwas wage.
    „…die auf nichts anderes hinausläuft, als einen klapprigen Strohmann namens Religion aufzubauen und anschließend mit einer abgebrochenen Lunte abzufackeln….“
    Ich weiß Ihre Bildsprache zu schätzen. Leider verstehe ich sie nicht. Ich empfinde Religionen als eines der größten Übel unserer Zeit und beileibe nicht ‚klapprig‘. Als Biologin ist mir klar, dass Gottglaube wahrscheinlich einen evolutionären Nutzen hatte, ja, vielleicht noch stets vielen Leuten Halt und Stütze gibt. Ich folge hier Peter Boldt‘s These, dass Gruppen durch Glauben und Religion ihren Zusammenhalt stärken und sich gegenüber anderen Gruppen abgrenzen konnten. Aber es ist an der Zeit ihn aus dem öffentlichen Leben zu entfernen und Kirchen jeder Couleur die moralische Autorität abzusprechen.
    „Ich kenne eine paar intellektuelle gläubige Christen und keiner von ihnen glaubt an Märchen.“
    Ach nein? Ich weiß nicht ob Sie die Bibel gelesen haben, ich schon. Und wenn das kein Märchenbuch sein soll, dann weiss ich ja nicht.
    Ein empfehlenswertes Buch dazu ist ‚Das ist euer Glaube, Strukturen des Bösen im Dogma‘ geschrieben von einem Insider der daher unter Pseudonym Theo Logisch schreiben muss.
    „lol, wie Sie vielleicht wissen, stehen hier [in den Niederlanden] mehr Krichen leer als in den meisten anderen Ländern. Vor einer paar Wochen habe ich sogar eine Pressemitteilung einer Konferenz in Erfurt gesehen, in der es um das “Kirchensterben” in Europa ging — mit dem Hauptbeispiel Niederlande. Wenn das irgendwas an Ihren Ansichten ändert, mache ich mir gerne die Mühe, diese Meldung im idw-Ticker herauszusuchen.”
    Schön, dass ich sie erheitern konnte. Es geht mir nicht um die Gebäude und mir ist auch klar, dass auch in den Niederlanden die Kirchenflucht anhält. Vielleicht sollten Sie sich einmal mit der niederländischen Geschichte befassen und unter dem Stichwort ‚Verzuiling‘ nachschlagen. Der Einfluss wird zwar schwächer, spielt im Hintergrund aber noch stets eine große Rolle.
    „Das ist ein beliebter Trick von Wissenschaftsfanatikern, alles Nützliche auf die Seite der Wissenschaft zu ziehen.“
    Hmm, Wissenschaftsfanatiker…hmm, ich würde mich nicht so beschreiben, aber gut… und was heißt ‚auf die Seite der Wissenschaft ziehen…‘ Wer hat’s erfunden?
    “Als ob es kritisch-rationales Denken nicht schon lange vor den Wissenschaften gegeben hätte. Schon mal was von Philosophie gehört? Und als ob es kritisch-rationales Denken nicht auch in den Religionen gäbe. Schon mal was von Reformation gehört?”
    Warum werden Sie so aggressiv? Ja, ich habe schon mal was von Philosophie gehört – sogar einige Semester studiert und ja Reformation sagt mir auch was. Was hat das mit kritisch rationalem Denken als Werkzeug in den (Natur)wissenschaften zu tun?
    „Es ist ein logischer Fehlschluss, zu behaupten, bloß weil Wissenschaft kritisch-rationales Denken gebrauche, sei es wissenschaftlich; davon abgesehen ist es auch aus der Erfahrung falsch. Schon mal selbst wissenschaftlich gearbeitet und gesehen, wie viel dabei nicht kritisch-rational abläuft?“
    Wem haben Sie auch wieder Polemik vorgeworfen?… und ich frage mich wer hier logische Fehlschlüsse zieht “bloß, weil Wissenschaft kritisch-rationales Denken gebrauche, sei es wissenschaftlich“? Was wollen Sie damit sagen. Ich habe gesagt: „Kritisch- rationales Denken ist ein Teil der Wissenschaften, diese Form ist nicht nur ‚zugelassen‘ sonder gefordert.“ Wie kommen Sie dazu mir zu unterstellen ich würde behaupten, nur in den Wissenschaften würde es angewandt?
    Und ja ‘ich habe schon mal wissenschaftlich gearbeitet’, und…? Was für ein Argument ist das von Ihnen?

    “Davon abgesehen überzeugt es mich auch nicht, Wissenschaft mit Technik und Medizin gleich zu setzen. Dass die Medizin keine Wissenschaft ist und Technik eine Kulturpraxis, in der manchmal aber nicht ausschließlich wissenschaftliche Erkenntnisse angewendet werden, sollte doch eigentlich klar sein.”
    Ich setze weder Wissenschaft mit Technik noch mit Medizin gleich. Allerdings weiß ich, dass auch in der Medizin und der Technik geforscht wird und es Überschneidungen gibt. Ich kenne viele Biologen die in der Pharmaforschung arbeiten und zusammen mit Medizinern neue Medikamente und Behandlungsmethoden erarbeiten. Aber das nur am Rande.
    Ich bedanke mich für diese erhellende Diskussion und wünsche Ihnen Erfolg.
    Katharina

    @Katharina die sich von mir distanziert: es tut mir leid, wenn ich Ihnen mit meinem Namen zu nahe getreten bin, ich wusste nicht, dass Sie das weltweite Patent darauf hatten.

  167. @ Kat: Manchmal bellen auch Hunde,

    denen der Geduldsfaden reißt.

    So, meinen Sie, dass es das zeigt. Ich muss Sie enttäuschen. Ich setze mich seit fast 40 Jahren mit der Materie auseinander – allerdings kann ich natürlich nicht wissen, was Sie als ‚umfangreich genug‘ erachten.

    …und dann ist Ihnen entweder entgangen, dass es Menschen gibt, welche z.B. Religion als Mittel der Befreiung in einem totalitären Regime gebrauchen (ich lese z.B. gerade die neue Sophie Scholl Biografie) und dass es auch innerhalb der Kirchen selbstkritische Bewegungen gibt oder dieses Wissen hält Sie nicht davon ab, den Gläubigen trotzdem einen “Märchenglauben” zu unterstellen…??

    Nochmal zurück zu Ihrem ursprünglichen Statement, damit Sie vielleicht meine scharfe Reaktion besser verstehen können:

    Ja, der Meinung bin ich, weil ich denke, dass man nicht auf der einen Seite an Märchen glauben und auf der anderen strukturiert denken kann.

    Dann hat also Sophie Scholl und ihr Umfeld, für das der christliche Glauben eine Hoffnung und ein Anker im Kampf gegen Nazideutschland war, um mal beim Beispiel zu bleiben, “nicht strukturiert denken können”? Dafür haben Sie aber ganzschön viel geleistet.

    Ich weiß Ihre Bildsprache zu schätzen. Leider verstehe ich sie nicht.

    Ein “Strohmann” ist eine Argumentationsstruktur, bei der man seinen Gegner so blöde darstellt, dass man ihn leicht widerlegen (“abfackeln”) kann.

    Ich empfinde Religionen als eines der größten Übel unserer Zeit und beileibe nicht ‚klapprig‘.

    In der Diskussion liegt mir jedenfalls daran, das Ziel meiner Kritik deutlich zu benennen. Sie scheinen mir hier sämtliche Religionen über einen Kamm zu scheren, als ob es da nicht Unterschiede gäbe und als ob es nicht auch große kulturelle Errungenschaften gäbe, die religiös motiviert gewesen wären (spontan fällt mir neben Scholl da der buddhistische Aktivist Ambedkar ein, der sich für die Gleichberechtigung der untersten Kaste Indiens eingsetzt und so die Verfassung reformiert hat).

    Natürlich alles “Märchengläubige”, wenn es nach Ihnen geht.

    Ach nein? Ich weiß nicht ob Sie die Bibel gelesen haben, ich schon. Und wenn das kein Märchenbuch sein soll, dann weiss ich ja nicht.

    Ich habe das Neue Testament gelesen, das Alte habe ich nicht ausgehalten. Vielleicht ist Ihnen der Unterschied zwischen einem Märchen zur Unterhaltung und einer Parabel mit übertragener Bedeutung entgangen? Jedenfalls kenne ich persönlich höchstens einen einzigen Menschen, der das wörtlich nimmt, was in der Bibel steht.

    Aber es ist an der Zeit ihn aus dem öffentlichen Leben zu entfernen und Kirchen jeder Couleur die moralische Autorität abzusprechen.

    Erst sprechen Sie von Religion allgemein, jetzt von Kirchen. Das verstärkt meinen Verdacht, dass Sie selbst nicht genau wissen, wer eigentlich Ihr Ziel ist.

    Davon abgesehen, warum dürfen sich Menschen, die sich in einer Institution zusammenschließen, nicht moralisch äußern? Wir leben doch in einer freien Gesellschaft. Es steht Ihnen frei, diesen Institutionen zu folgen oder nicht; und wenn Sie sich Ihre eigenen moralischen Gedanken machen, um so besser.

    Es geht mir nicht um die Gebäude…

    In Ihrem letzten Post schien es Ihnen aber doch noch darum zu gehen, dass es in den Niederlanden mehr Kirchen als Apotheken gebe — nun also nicht mehr?

    Hmm, Wissenschaftsfanatiker…hmm, ich würde mich nicht so beschreiben, aber gut… und was heißt ‚auf die Seite der Wissenschaft ziehen…‘ Wer hat’s erfunden?

    Wissenschaftler, Ingenieure, Mediziner, Erfinder…? Sie nennen jedenfalls keinen einzigen Grund dafür, alle diese Erfindungen der Wissenschaft einzuverleiben.

    Wie kommen Sie dazu mir zu unterstellen ich würde behaupten, nur in den Wissenschaften würde es angewandt?

    Nun ja, zumindest scheinen Sie zu behaupten, nur in den Wissenschaften würde erfunden.

  168. Der Artikel und der Blog gefallen mir. Wenn ihr Philosophisches mögt – besucht mal meine Freidenker Galerie. Dort zeige ich neben meinen Bildern auch viele Zitate von Philosophen. Querdenkern und Künstlern.

    (Editiert vom Moderator am 21. November 2013 um 12:24 Uhr)

  169. Ich habe den Eindruck, Ihr Einwand gegen den Naturalismus ist inkohärent. Sie haben recht: Die wissenschaftliche Methode kann keinen wissenschaftlichen Beweis erbringen, dass die wissenschaftliche Methode anzuwenden ist. Sie erfordert die Annahme einiger unbewiesener methodischer Grundsätze: Streben nach Erkenntnissen über die Realität, Anerkennen intellektueller Aufrichtigkeit, logischer Kohärenz, Anerkennen von Evidenz, Parsimonie. Nur wer diese Grundsätze a priori mitbringt, kann wissenschaftlich erfolgreich tätig sein. Als “Argument” für ihre Validität hat sie lediglich ihre Erfolge vorzuweisen.

    Den gleichen Einwand können Sie auch gegen die Mathematik erheben. Mathematik kann keinen mathematischen Beweis erbringen, dass Mathematik anzuwenden ist. Ebenso wenig kann Logik einen logischen Beweis erbringen, dass Logik anzuwenden ist. Auch die Ethik kann keinen ethischen Beweis erbringen, dass man sich ethisch verhalten soll. Die Grundannahme, dass man unnötiges Leid verhindern sollte, ist unbewiesen mitzubringen. Jemanden, der Sadismus als höchtes Ziel menschlichen Handelns definiert, wird keine ethische Argumentation umstimmen.

    Wer aber diese Grundannahmen mitbringt, kann alle diese Methoden wirkungsvoll anwenden und sich richtungsweisende Erkenntnisse eröffnen. Ihre demonstrierten Widersprüche lassen sich für alle diese Methoden erkennen. Sie sind dennoch das wirkungsvollste Werkzeug in unserem Werkzeugkasten, wenn es um die Gewinnung wahrer Erkenntnisse geht.

  170. “Reicht Erfolg als Begründung für den Naturalismus? wieso sollte Erfolg das Kriterium für Wahrheit sein?”

    Wie immer: Der Anspruch wird mit der Realität abgeglichen. Die wissenschaftliche Methode beansprucht nichts weniger, als wahre Erkenntnisse über die Realität zu gewinnen. Dieser Anspruch kann sinnvollerweise nur an ihrem Erfolg oder Misserfolg bei diesem Vorhaben gemessen werden.

  171. Sie nehmen mit der ersten These Anstoß an der Tatsache, dass ein wissenschaftliches Weltbild nur solche Aussagen zulässt, die prinzipiell überprüfbar sind und einer Überprüfung standhalten. Sie schreiben, “als kritisch denkender Mensch hätten Sie hierfür gern eine Begründung”.

    Der Grund ist recht banal. Würde diese Einschränkung aufgehoben, würde jede unbewiesene Behauptung gleiche Priorität und Aufmerksamkeit erhalten, dann gäbe es keine Kapazitäten mehr für sinnvolle Aktivität.

    Einige ungeprüfte Behauptungen, die einer Überprüfung wahrscheinlich nicht standhalten:
    “Die Schweiz plant eine feindliche Invasion in Deutschland.” Sollte diese Aussage bei Budgetverhandlungen im Bundeskabinett zugelassen werden? “Stundenlang auf einem Bein stehen wirkt zuverlässig gegen Lungenkrebs.” Rechtfertigt eine solche Behauptung die Durchführung einer großen klinischen Studie? Unendlich viele solcher unsinnigen Annahmen sind denkbar. Im wissenschaftlichen Diskurs werden nur solche Aussagen behandelt, die prinzipiell überprüfbar sind (alles andere wäre Zeitverschwendung) und für die es reale Anhaltspunkte gibt.

    Wichtiger als das endliche-Kapazitäten-Argument ist jedoch ein methodisches: Bei Hypothesenentscheidung gilt der Grundsatz, zunächst die Nullhypothese, die Ablehnung jeder positiven Behauptung beweislos zu bejahen. Erst wenn anderslautende Beweise vorliegen, wird die Nullhypothese aufgegeben. Das ist ein sehr wirksames Vorgehen, um die Gefahr falsch positiver Ergebnisse zu verringern.

  172. Na gut – Christian Heber werde ich vermutlich nicht mehr erreichen, weil der Post schon so alt ist, aber andere Leser, die in etwa genauso denken, könnte das folgende ebenfalls interessieren, bzw. enttäuschen:

    These 1 aus dem Leitartikel trifft auf die naturwissenschaftliche Lehrmethode (oder den Naturalismus) gar nicht zu, denn behauptet wird dort auch, dass die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten Energie heißt.

    Ich hingegen behaupte, dass die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten Gott oder Allmacht heißt, und außerdem, dass der Physiker seine Behauptung oder Aussage weder bewiesen noch verifiziert hat, dasselbe auch gar nicht kann, und es auch nie vor hatte.

    Mit den Worten meines Vorgängers: Ein Wissenschaftliches Weltbild läßt eben NICHT nur solche Aussagen zu, die einer “Überprüfung” standhalten – ganz im Gegenteil: Alle naturwissenschaftlichen Aussagen stehen auf nicht bewiesenen Prämissen, nämlich auf Nominaldefinitionen, die ganz kinderleicht zu falsifizieren sind, weil sie grundsätzlich die Gestalt “A = B” aufweisen – dem entspricht in etwa 43 = 512. Das heißt, dem Definiendum oder Signifikant ist ein x-beliebiges Definiens oder Signifikat zugeteilt (gleichgestellt). In 99,9999 % aller bekannten Fälle (also die lexikalisch verzeichnetene Nominaldefinitionen aus allen Idiomen der Welt) sind das ganz banale Falschaussagen.

    Der Legende nach hat sogar schon Adam falsch ausgesagt – und “zack”, schon war Krieg und Wehe und vorbei mit lustig. Also mir erscheint das nicht ungerecht, sondern total logisch, weshalb das ja auch so ein langhaltendes “Lehrstück” geworden ist.

    Genaus falsch ist die 2. Bedingung: “Nur naturwissenschaftliche Verfahren stiften Erkenntnis, das heißt, sie sind der einzige Weg, Wissen von der Welt zu erlangen.”, …

    … denn die Verfahren existieren ja, aber das “Wissen” von der Welt (meint wohl die Erfahrung) erlangen nur diejenigen, die selbst “Fahren” (der Begriff Erfahrung geht auf die Seefahrt zurück) und bei Verstand sind, der Rest (Student) muß sich mit den oben erklärten “Erfahrungsberichten” also Falschaussagen herumschlagen und versuchen, allein daraus ein Weltbild zu extrapolieren – gottseidank “bilderbuchgestützt”, denn sonst würde er von eine Vorlesung rein gar nichts verstehen – “atomos = tomos” (das Unspaltbare ist spaltbar) ist nämlich von Natur aus absolut unverständlich, denn ein Widerspruch in sich – umgangssprachlich: Kompletter Non-sens.

    Geistig behinderten Menschen hilft das erst recht nicht, also ist ein Verständnis von “Logik” (die Fähigkeit fehlerfrei zu folgern und zu schließen ) die eigentliche Voraussetzung – ein Talent, dass Herrn Heber und vielen Naturwissenschaftler ebenfalls fehlt, denn deshalb glauben Sie ja an die Existenz von Jupiter, Mars und Venus, leugnen aber die Existenz Gottes.

    Und warum letzteres?

    Weil sie dem Aberglauben verfallen sind, die Bedeutung der Nomen selbst bestimmen zu können, und zwar mithilfe von Umschreibungen, deren Vokabeln erst nach dieser Definition etwas bedeuten. Damit wird ein infinitiver Regress auf umschreibende Vokabeln vorgenommen, die schon per Defiition von “Definition” zu keiner Bedeutung führen könne, da sie ja der Definition zufolge erst NACH der Defintion, also erst nach Ende des Unendlichen Regresses etwas bedeuten, also NIEMALS.

    Aber das Beste ist einfach: Keiner der “Gescheiten” (BRIGHTS) schnallt’s. Doch nur um noch weiteren Mißverständnisse vorzubeugen: NOMINALDEFINITIONEN sind naturwissenschaftliche AUSSAGEN (assertorische Sätze), also genau das, was Christian Heber im vorigen Post erwähnt hat. Nicht auch nur eine einzige davon wurde je verifiziert.

    So leicht kann man eine Hörerschaft zum Narren halten! Erzähl ihnen IRGENDWAS – sie glaubens!

    Und noch eins: Die Linguistik bot zur Deutung der Nomen nur eine einzige Lösung an, nämlich die Deutung per Arbitrarität und Konvention (Willkür und Übereinkunft), also beruhen die naturwissenschaftlichen Aussagen allein darauf: Auf Willkür (od. Belieben) und Übereinkunft. Es müssen sich nur alle darauf einigen, dass “Pumuckel” oder “Jeti” eine Entität bezeichnet, und schon existiert er – jedenfalls in den Augen und Theorien der BRIGHTS und Linguisten. Ergo:

    Mit Forschung, Forschungsergebnissen oder Sachverhalten hat eine naturwissenschaftliche Aussage nicht auch nur das Mindeste zu tun oder gemein. Die Aussagen werden völlig unabhängig davon formuliert, während die Sachverhalte durch und durch “logisch”, bzw. kausal sind. Die Formulierungen sind das nicht.

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