Nutznießerfische und Teams im Korallenriff
BLOG: Biosenf
Neulich im Berliner Zoo-Aquarium: Der Kugelfisch Arothron meleagris und die Meerbarbe Parupeneus cyclostomus, die in diesem Video zu sehen sind, vielen mir durch ihr komisches Verhalten auf: Der Kugelfisch pustet Sand auf und die Barbe scheint regelrecht die Nähe des Kugelfisches zu suchen.
Dieses Video entstand letztens vor dem Becken meines heißgeliebten Lieblingsfisches dem Korallenzackenbarsch Cephalopholis miniata. Er teilt sein Becken mit allerlei größeren indopazifischen Rifffischen (alles andere hätte er schon vertilgt).
Der Verhaltensbiologe in mir horcht da natürlich auf: es riecht nach Kooperationsverhalten. Aber nicht zu übermütig werden! Was sehen wir?
Der Kugelfisch scheint den Sand nach kleinen Tieren zu durchsuchen, die er durch „pusten“ (ist ja eigentlich spucken, ne) ausgräbt und dann verspeisen kann. Mit seinen kräftigen Zähnen/Kiefer kann er Muscheln und Schnecken bestimmt aufknacken. Eigentlich ist diese Art für ihre Vorliebe für Korallenkost bekannt, doch sind echte Korallen in diesem Aquarium vielleicht weniger häufige Nahrungsmöglichkeiten. Da viele Riffbewohner auch in Ihrer Nahrungsquelle gerne vielseitig sind, ist es nicht unwahrscheinlich dass unser klumpiger gelber Freund auf der Suche nach Sandbewohnern ist. Eine tolle Methode! Es wurde auch schon in freier Wildbahn beobachtet wie mir Jenny Theobald Photographin und Doktorandin an der Universität Tübingen mit ganz viel Korallenrifftaucherfahrung mitteilte.
Was aber macht die Meerbarbe? Die Barbe heißt nicht umsonst so: sie besitzt zwei sehr bewegliche, mit chemischen und taktilen Sensoren besetzte Anhänge „Barben“ am Unterkiefer mit denen sie den Sand oder das Riff nach essbaren Getier absucht. Das kann man in dem Video schön sehen. Sie hält sich erstaunlich lange in der Nähe des Kugelfisches auf. Versucht sie vielleicht durch den Kugelfisch aufgescheuchten Tierchen abzubekommen? Oft sind sie in Gruppen auf Nahrungssuche und nicht selten sieht man andere Fischarten diesen Gruppen folgen um aufgescheuchte Bodenbewohnern den Garaus zu machen. Diese Art, die Goldsattel-Meerbarbe, treibt sich wohl des Öfteren mit Lippfischen auf dem Riff herum. Marc Steinegger von der Université de Neuchatel erforscht das Jagdverhalten dieser Tiere. Bei seinen Tauchgängen konnte er vielfältige Interaktionen der Meerbarben miteinander und mit anderen Arten beobachten. Junge Meerbarben schließen sich Gruppen von Vogel- oder Regenbogenlippfischen beim jagen an und machen das Riff unsicher.
Erwachsen, jagt die Art in Gruppen und es sind die Lippfische die sich anschließen. Adulte Tiere jagen regelrecht im Pack: Sie zeigen sogar koordinierte Jagstrategien!
Verfolgen und verfolgt werden, aber auch Gruppenjagd scheint bei dieser Art nicht unüblich. Marc Steinegger bestätigte mir, dass auf dem Video „tatsächlich Anzeichen von Interaktionen und Koordination sichtbar“ wären! Er hält das Zusammentreffen in freier Wildbahn jedoch für unwahrscheinlich.
Vielleicht lässt es sich als „Nuclear Hunting“ als Kernjagd bezeichnen. Dieses zwischenartliche Verhalten scheint nicht selten zu sein: Während eine „Kernart“ über dem Riff oder dem Sand jagt nutzen viel andrere Fischarten den Tumult und versuchen ihren Happen abzukriegen in dem sie den Jäger verfolgen. Die Kernart kann eine Räuber aber auch Algenfresser sein.
Es müssen auch keine Fische sein: auch Kraken und Schildkröten werden verfolgt! Hier sind die Teilnehmer jedoch rein im eigenen Interesse unterwegs, wobei nur die Verfolger einen wirklichen Nutzen ziehen. Gegenseitigen Nutzen haben aber Muränen und Zackenbarsch, eine der abgefahrensten zwischenartlichen Interaktionen überhaupt! Sie jagen zusammen wobei jeder seine speziellen Jagdfähigkeiten einsetzt. Auch hier ist es die Gruppe um Redouan Bshary, die dieses Schauspiel als erstes im Roten Meer dokumentierte. Zackenbarsche sind gute Verfolgungsjäger, aber Muränen können Fische in ihren Verstecken aufsuchen. Sie jagen zusammen über das Riff und kein Fisch ist mehr sicher: Teamarbeit vom Feinsten. Der Zackenbarsch zeigt der Muräne wo sich ein Fisch versteckt hält. Die Muräne schlängelt sich in die Höhle und schnappt sich den Fisch oder er entwischt und der Zackenbarsch wartet schon. Erstaunlich ist, Zackenbarsche sind tagaktiv, Muränen jagen aber nachts und so muss der Zackenbarsch die Muräne erst einmal wecken: Der Barsch stellt sich vor dessen Versteck und schüttelt den Kopf und die Muräne folgt zu gemeinsamen Raubzug.
Ich als absoluter Zackenbarschfan sage: da sieht man wieder wie clever diese Tiere sind (die Muräne ist ja nur Mitläufer, sag ich)! Aber auch die Meerbarben steigen in meiner Fischanerkennung, und, nicht zu vergessen, der putzige Kugelfisch…
Mehr zu dem Thema gibt es hier:
Quellen:
Bshary R, Hohner A, Ait-el-Djoudi K, Fricke H (2006) Interspecific Communicative and Coordinated Hunting between Groupers and Giant Moray Eels in the Red Sea. PLoS Biol 4(12): e431.
Strübin, C., Steinegger, M. and Bshary, R. (2011), On Group Living and Collaborative Hunting in the Yellow Saddle Goatfish (Parupeneus cyclostomus). Ethology, 117: 961–969.
Ormond, R. F. G. (1980), Aggressive mimicry and other interspecific feeding associations among Red Sea coral reef predators. Journal of Zoology, 191: 247–262.
Sazima, C. (2007) Nuclear-follower foraging associations of reef fishes and other animals at an oceanic archipelago. Environ Biol Fish,80:351–361