Der Schneeweiße Flipper

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Würziges aus den Biowissenschaften
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Beluga 2008 Valencia Oceanografic

Wie ein direkt aus Disneyland entkommener weißer Flipper lächelte mich dieser Beluga aus seinem Becken in Valencia an. Das gefrorene Lächeln eines Belugas ist genauso herzerweichend, wie verunsichernd und irgendwie unecht, als ob der Joker oder viel zu viel Botoxspritzen am Werke waren…Der Weißwal  (so weiß, dass der weisse Riese sich schwarz ärgert) fasziniert Menschen seit dem sie ihn in seinem eisigen Lebensraum entdeckten.

Die arktischen Meeressäuger machen gerade doppelt Schlagzeilen:  Sie zeigen erstaunliche Stimmfähigkeiten und eine hitzige Diskussion um Fang und Haltung der hochsozialen Wale wurde entfacht.

Circa 150 000 Belugas, die zu den Delphinartigen gehören, leben in den Küstengewässern von Kanada, Alaska, Russlands und Skandinavien. Sie ernähren sich von allem, was sich in geringen Tiefen an Tieren finden lässt. Im Winter halten sie sich am Rande des Packeises auf, wo das Weiß ihrer Haut sie gut gegen Eisbärenattacken tarnt. Im Sommer bringen sie ihre Jungen in Flussmündungen auf die Welt. Dazwischen legen sie große Strecken im offenen Wasser zurück, meist in Gruppen von bis zu 10 Tieren. Belugas bekommen nur alle 3 Jahre ein Junges.

Die Tiere sind extrem sozial.  Die Familien und Gruppen sind um Weibchen organisiert. Manche Forscher sprechen von Stämmen, die eine gemeinsame Kultur teilen. Das haben diese Tiere mit anderen Arten Ihrer Gattung wie Pottwale und Orcas gemeinsam.

Ihre Kommunikation ist sehr komplex. Mit ihrem hervorragenden Stimmapparat (der im Unterschied zu uns durch die Nase und die Fettschicht auf dem Kopf, der Melone, Töne erzeugt) können sie eine Vielzahl von Tönen und Lauten erzeugen. Deswegen ist ihr Spitzname auch „Kanarienvogel der Meer“.

Doch Belugas verständigen sich auch über Mimik und Gestik. Viel ist erlernt und von Gruppe zu Gruppe verschieden.

Ein Beluga aus San Diego hat nun gelernt, Laute zu äußern, die sehr der menschlichen Sprache ähneln:

http://www.newscientist.com/data/av/audio/article/dn22409/beluga_current_biology.mp3

Vielleicht fangen sie ENDLICH an mit uns zu sprechen bevor sie, wie die Delphine in „Per Anhalter durch die Galaxis“ verschwinden.

Als nun Anfang Oktober das Georgia Aquarium 18 Belugas aus Russland in die USA importieren wollte,  gab es ein Aufschrei:  Forscher um Lory Marino (Emory University) forderten dass die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) den Antrag des Aquariums zurückweist. Der Fang der Tiere könnte soziale Gruppen destabilisieren und so das Überleben der Tiere, trotz der Größe der Population aus dem Okhotskmeer. Das Aquarium beantragt den Fang der Tiere um ihr Nachzuchtprogramm zu beleben. Auch im Gutachten der IUCN (einer NGO die z.B. die Rote Liste erstellt) ist das Durchbrechen der  Sozialstruktur durch den Fang ein Riskofaktor.

Die Haltung dieser Tiere in Aquarien ist an sich schon schwer zu berechtigen, da sie in sehr kleinen Gruppen (in Valencia, z.B. zu zweit) gehalten werden. Wie für jede Art Wal ist ein Aquarium einfach kein angemessener Ersatz für ihren Lebensraum. Zusätzlich kommen die Tiere sogar vielleicht aus unterschiedlichen „Kulturen“ was die soziale Kommunikation und somit auch die Fortpflanzung  erschwert. Vielleicht ist ein bisschen Multikulti ja auch gut für die Toleranz der Weißwale,  aber für mich berechtigt kein Nachzuchtprogramm, dass man diese Tiere fängt und ausstellt. Ich zweifele nicht daran, dass die Wale gut gepflegt werden! In Valencia gibt es einen Angestellten, dessen einzige Aufgabe es ist, die Belugas zu bespaßen (Enrichment nennt man das). Trotzdem zeigen beide Tiere ein gestörtes Verhalten: unaufhörlich schwimmen sie im Kreis. Stereotypes Verhalten, wie es im Buche steht.

 

via-

Eine Petition gibt es auch schon: http://www.change.org/petitions/noaa-stop-georgia-aquarium-from-importing-wild-beluga-whales-for-captivity

Hier gibt es eine Webcam eines Belugabeckens

http://www.vanaqua.org/learn/see-and-learn/live-cams/beluga-cam

Das Thema bei National Geographics

http://newswatch.nationalgeographic.com/2012/10/22/should-we-import-belugas-for-display/?source=link_fb20121028ngnw-belugadisplay&utm_source=Facebook&utm_medium=Social&utm_content=link_fb20121028ngnw-belugadisplay&utm_campaign=Content

 

https://scilogs.spektrum.de/wblogs/blog/biosenf/resource/standard/2008-03-30%2018.27.59.jpgBeluga 2008 Valencia OceanograficBeluga 2008 Valencia OceanograficBeluga 2008 Valencia Oceanografic

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Mit einem Diplom in Biologie in der Tasche, einer halben Doktorarbeit und viele Ideen will ich meinen Senf dazugeben. Meine irrsinnige Begeisterung für Lebewesen und des Lebens Wesen, möchte ich weitervermitteln. Und das an JEDEN. Jeder soll wissen, wie unglaublich Grottenolme sind und warum auch Gliazellen unserer Aufmerksamkeit bedürfen, dass Ratten nicht nur ekelig sind und die heimische Topfpflanze vielleicht bald schon die Nachttischlampe ersetzt. In Tübingen habe ich studiert, in Bern der Forschung den Rücken gekehrt. In Berlin bin ich nun auf der Suche nach Alternativen im Feld der Biologie und Kommunikation. Ganz besonders nach meinem Geschmack sind verrückte, unglaubliche oder einfach nur lustige Geschichten aus Ökologie, Evolution, Medizin und Technik. Schmeckt euch der Senf? Sonst mischt doch mal mit! Mathilde Bessert-Nettelbeck

3 Kommentare

  1. Meine persönliche Erfahrung mit Walen ist: bitte lasst die Tiere in freier Wildbahn. Das soll jetzt kein grün-alternativer Beitrag sein, doch wer einmal in San Diego im Sea Life war, wird wissen, welche Tierschädigung dort betrieben wird. Es geht sogar so weit, dass bei Aufführungen zum Teil Menschen ums Leben gekommen sind – der bloßen Unterhaltung wegen. Wer für Weltfrieden und gesundes Leben plädiert, sollte einen großen Bogen um Tierschändung und ähnliches machen.

    Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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