Was lebt in einer Raucherlunge?

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Kettenraucher kennen das: man kommt kaum mehr die Treppe hoch, hustet ständig, und wenn’s mal richtig hustet kommt auch noch ekliges Zeugs raus. Als Gesamt-Bild heißt das chronisch obstruktive Lungenerkrankung (im Englischen COPD), bei meisten Menschen eher als Raucherlunge bekannt. Diverse Erkrankungen der Lunge tragen zum Gesamtbild bei: z.B. chronische Bronchitis oder Lungenemphyseme. COPD ist die vierthäufigste Todesursache in den USA, bei den Todesursachen nimmt ihr Anteil weltweit zu. Es gibt noch keine Heilung, die momentan erhältlichen Medikamente verlangsamen nur den Verlauf der Krankheit.

Was liegt also näher als sich das Mikrobiom in der Lunge anzuschauen? Idealerweise vergleicht man den Bestand an Mikroorganismen in gesunden Lungen und in kranken Lungen, wobei man die kranken Lungen noch nach Schwere der Krankheit unterteilt. Darum geht’s in Analysis of the Lung Microbiome in the ‘Healthy’ Smoker and in COPD: Untersucht wurden 3 Lungen von Nicht-Rauchern (die auch nie vorher direkt geraucht hatten), 7 Lungen von Rauchern (ironischerweise “gesunde” Raucher genannt) und 4 Lungen von Rauchern mit COPD. Ihr seht schon, die Stichprobengröße ist nicht allzu groß. Aber die Studie eignet sich gut, um einen ersten Überblick zu gewinnen.

Aus allen Proben wurde DNA gewonnen und mittels quantitativer PCR und 454 Pyrosequencing sequenziert, um bakterielle 16S-Sequenzen zu gewinnen. Bonuspunkte gibt’s von mir für die statistische Bearbeitung mit R! Wie sieht also die Diversität in den Atemsäcken aus?

Die Forscher haben einen Grundsatz an Bakterien gefunden, der in den meisten Lungen vorkam, darunter Pseudomonas, Streptococcus etc. Die untenstehende Grafik zeigt, welche Genii in den meisten Lungen gefunden wurden. Auf der z-Achse sind die Testsubjekte zu finden, auf der x-Achse die Genii, auf der y-Achse die prozentuale Häufigkeit in der jeweiligen Stichprobe. Die schwarzen Striche wurden hinzugefügt, um Genii, die in allen Lungen vorkamen, aufzuzeigen. Die Abkürzungen bedeuten HS = “healthy smoker”, also gesunder Raucher, NS: “never smoker”, also Nicht-Raucher, die nie geraucht haben und CS: “COPD-subjects”, also die Raucherhuster.

Lung-Genii

Quelle: Hier zu finden

Wie unterscheiden sich die Mikrobiome der Lungen? Wie wir gleich sehen werden, signifikant! Leider sind von den 4 COPD-Patienten nur zwei schwer erkrankt, was zu wenig aussagekräftigen Daten führt, aber bei den beiden schwer erkrankten Patienten litt die Vielfalt in der Lunge: Der Shannon-Index, einer der Tests mit dem man die Artenvielfalt misst, für die beiden schwer erkrankten Patienten lag bei 1.97 und 1.56, zum Vergleich: bei den “gesunden” Rauchern und Nicht-Rauchern lag der Index grob gesehen (bis auf zwei Ausreißer) um 4. Die Ausreißer erklär ich mir persönlich mit unzureichender Probenentnahme oder Fehlern bei der Sequenzierung. Im µl-Bereich rumzupippetieren ist gar nicht so einfach!

Die mikrobielle Artenvielfalt, zusammengefügt aus mehreren COPD-Patienten, kann man der folgenden Grafik entnehmen, die ich persönlich ganz hervorragend finde. Man sieht schön, wie sogar in geschädigten Lungen die Biodiversität von Ort zu Ort unterschiedlich ist, wobeiPseudomonas überwiegt in den meisten Regionen.

Lung Overview

Quelle: Hier zu finden

Was will uns die Studie sagen? Ist eine Verschiebung in der Verteilung der Mikroorganismen schuld an der Raucherlunge? Oder ist sie nur das Ergebnis von anderen Schädigungen, ausgelöst durch Tabakrauch? Dafür ist mehr Forschung notwendig. Sicher ist nur: Pseudomonas und Haemophilus scheinen in allen Lungen vorzukommen, dies wird durch weitreichendere Studien wahrscheinlich bestätigt werden. Interessant finde ich persönlich auch, dass anscheinend bis vor wenige Jahre gesunde Lungen generell als steril betrachtet wurden, was durch Studien wie diese wiederlegt wurde und wird. So gesagt: Jede Lunge scheint einen Grundsatz an Mikroorganismen zu haben, der in Krankheitszeiten verringert und verändert wird.

Erb-Downward, J., Thompson, D., Han, M., Freeman, C., McCloskey, L., Schmidt, L., Young, V., Toews, G., Curtis, J., Sundaram, B., Martinez, F., & Huffnagle, G. (2011). Analysis of the Lung Microbiome in the “Healthy” Smoker and in COPD PLoS ONE, 6 (2) DOI: 10.1371/journal.pone.0016384

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

8 Kommentare

  1. Rauch

    Na, ja, eventuell sollte man auch den Einfluss des Rauches des Lagerfeuers im Laufe der Evolution der Hominiden in Betracht ziehen.

    Den gibt es ja schliesslich schon seit etwa 750.000 Jahren.

    Der Geschmack von geselchtem Fleisch wirkt auf uns immer noch sehr verlockend.

    In viel kürzererem Zeitrahmen wäre dann noch die Friedenspfeife der amerikanischen Indianer zu erwähnen.

    Wenn man den Rauch riecht, dann riecht man auch nicht die abstossenden Gerüche des vormaligen Feindes.

  2. Neues wo man nichts neues erwartet hätte

    Wir schreiben das Jahr 2011 und es gibt immer noch Erkenntnisse, deren Entdeckung man spontan auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts datiert hätte. Ein solches Beispiel findet sich im Zitat: “Interessant finde ich persönlich auch, dass anscheinend bis vor wenige Jahre gesunde Lungen generell als steril betrachtet wurden, was durch Studien wie diese wiederlegt wurde und wird”.

    Doch eventuell war das schon bekannt und ist wieder in Vergessenheit geraten
    oder es gibt eine bestimmte Gruppe von Leuten, die weiss, dass es eine mikrobielle Besiedelung der gesunden Lunge gibt, aber dieses Wissen ist nicht allgemein verbreitet.

  3. @Karl Bednarik: Soeit ist das ganze ja noch nicht – auch wenn ich kaum glaube, dass Lagerfeuerrauch von der Zusammensetzung ähnlich zu Zigarettenrauch ist.

    @Martin Holzherr: Das in der Lunge Bakterien ab und zu vorkommen, weiß man schon lange. Allerdings ist die Erkenntnis neu, dass in der Lunge spezifische Bakterien ihr ständiges Zuhause haben, was ich persönlich extrem interessant finde.

  4. Dass die Artenzahl in kranken Lungen abnimmt scheint mir besonders interessant.
    Im Normalfall denkt man bei den Bakterien an Auslöser der Krankheit und würde erwarten, dass ihre Zahl in erkrankten Lungen zunimmt.
    Im Fall von Rauchern könnte man vermuten, dass der ganze Dreck in der Lunge weniger Arten überleben lässt.
    Denkbar wäre es auch, dass durch die Vermehrung einer Art diese durch Konkurrenz andere Arten verdrängt.
    Womöglich liegt es aber auch einfach an der Entzündung der Lunge, dass einzelne Arten durch das Immunsystem leichter bekämpft werden können.
    Ich frage mich ob eine, und wenn ja welche dieser Erklärungen zutrifft.

  5. “leidete”?

    Schöner Artikel! Aber bitte: Es heißt “litt” und nicht “leidete”… Auch wenn ich mich jetzt vermutlich als Sprachfanatiker geoutet habe 😉

  6. @Largos: Vermutlich habe ich mich da undeutlich ausgedrückt, aber nicht die Artenzahl leidet, sondern nur die Vielfalt.

    @Peter: Deutsch ist schwer! Wird geändert, danke 🙂

  7. Spannender Artikel! Für mich ist allerdings die Stichprobe auch viel zu klein, vielleicht kommt ja aber die nächste Studie mit mehr Probanden.

    Ist eine Verschiebung in der Verteilung der Mikroorganismen schuld an der Raucherlunge? Oder ist sie nur das Ergebnis von anderen Schädigungen, ausgelöst durch Tabakrauch?

    Da würde ich ganz stark zu Punkt Nummer 2 tendieren. Wir wissen ja, was alles für Gifte im Gewebe, wenn man Kette raucht, eingelagert werden. Ich denke, dass das stark das Milieu der Zellen verändert und somit auch den Lebensraum der Bakterien. Die müssen sich dann sicherlich anpassen bzw die Bakterien überleben, die eine größere Toleranz haben.

    Dass gesunde Lungen als steril galten, ist mir auf Anhieb etwas suspekt. Wir wissen ja, was für eine Menge an Mikroorganismen in uns drin leben, da fällt es mir schwer zu glauben, dass diese die Lunge ausgerechnet nicht besiedeln.

  8. Lungen-Mikrobiom

    Hier hab ich noch eine andere Studie über das Lungen-Mikrobiom in Verbindung mit Asthma gefunden, in der die Autoren auch vom unbekanntem Lungen-Mikrobiom sprechen:
    “we conducted a pilot study of the airway microbiota in 65 adult asthmatic patients and 10 healthy control subjects using the PhyloChip and parallel clone library sequencing”

    Vielleicht sollte ich also nicht von einer sterilen Lunge, sondern von einer unerforschten Lunge schreiben?

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